Welche Infanterie war fähig einen Ritterangriff zu stoppen?

Es führt zwar wirklich vom ursprünglichen Thema des Threads weg, aber noch eine kurze Ergänzung zu "Grunwald/Tannenberg 1410"...

Was ist bei Grunwald 1410 (Tannenberg) am meisten sonderbar und heute einfach unglaublich: dieser Schlacht ist ein Fehler-Katalog auf der Seite des Deutschen Ordens. Zuerst, schon in 1409 hat Ulrich von Jungingen eine gigantische Summe ausgegeben, um der Insel Gotland die Fortifikazionen zu bauen. Die Situazion auf Ostsee war fur dem Deutschen Orden nicht gefahrlich und ohne ernster Konflikte. Angesichts des Kriges gegen Polen ist das einfach unerklarbar. Nach Tannenberg wurde Gotland von Danen ohne Kampf erobert...
Von Jungingen hat seine Truppen auf der schlimmsten Platz in der ganzen Gegend gestellt :autsch: . Seine Armee war sehr schlecht geteilt und hat fast keine Moglichkeit gehabt, um sich zu bewegen! Sie konnten nur stehen und warten... Der Deutsche Orden wurde schon am Anfang zur Niederlage verurteilt. Die Geschichtler konnen heute nicht antworten, warum so bewanderter Befehls-haber hat das alles so gemacht. Die einzige Erklarung ist, dass er sehr serious die Hilfe aus Tschechen von Sigmund Luksemburg erwarten hat. Sigmunt ist tatsachlisch mit einer Expedizion in Polen einmarschiert. Das war aber ein relativ kleines Korps, der von Goralen in den Gebirgspasse total gemordet wurde.

Der gravierende Fehler in der Schlacht unterlief nicht dem Hochmeister Ulrich von Jungingen selbst, sondern dem Teil des Ordenskontigentes, welcher gegen die bereits geschlagenen Litauer eigensinnig nachsetzte und damit dann gegen die Polen fehlte.
Ich hatte dies an anderer Stelle schon einmal ausgeführt: http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=102323&postcount=39

Übrigens zeigt sich gerade auch an diesem Beispiel sehr anschaulich - um den Bogen zum Thema wieder hinzubekommen -, daß selbst eine günstige Aufstellung und vorteilhaftes Gelände gegen Ritter diese eben nicht von vornherein schon zur Niederlage verurteilen. Die Realität läuft nun einmal anders als ein Strategiespiel am Computer...
 
Übrigens zeigt sich gerade auch an diesem Beispiel sehr anschaulich - um den Bogen zum Thema wieder hinzubekommen -, daß selbst eine günstige Aufstellung und vorteilhaftes Gelände gegen Ritter diese eben nicht von vornherein schon zur Niederlage verurteilen. Die Realität läuft nun einmal anders als ein Strategiespiel am Computer...
Führten die Ordensregeln nicht eigentlich schon zu einem disziplinierten Auftreten, vielleicht auch in der Schlacht?
Ein diszipliniertes Heer schlägt man nicht so leicht. Fußvolk ist in der Regel für den Befehlshaber leichter zu kontrollieren als Reiterei, das ist bis in die Neuzeit so geblieben. Würdest Du also unterschreiben, dass eben Disziplin und gemeinsames Training auch und nicht zuletzt den Erfolg der Infanterie gegen die Ritter im späten Mittelalter ausmachte?
 
Führten die Ordensregeln nicht eigentlich schon zu einem disziplinierten Auftreten, vielleicht auch in der Schlacht?

Grundsätzlich ja; allerdings müssen wir bei derartigen Betrachtungen aber auch beachten, in welcher Verfassung sich der jeweilige Orden gerade befand. Um noch einmal das 1410er Deutschherren Beispiel aufzugreifen: dies war nicht gerade die Zeit, als sich der Deutsche Orden in bestem Zustand befand.

Würdest Du also unterschreiben, dass eben Disziplin und gemeinsames Training auch und nicht zuletzt den Erfolg der Infanterie gegen die Ritter im späten Mittelalter ausmachte?

Ich würde sogar so weit gehen, daß Disziplin ein ganz entscheidender Punkt ist - und das unabhängig davon, ob nun Infanterie oder Kavallerie.
Um im Sinne der ursprünglichen Intention von Witege zu bleiben und die Fußkämpferformationen zu betrachten: es ist schön und gut, einen Schildwall oder eine Pikenformation in der Schlacht zu bilden, aber deren Effektivität wird zunichte, wenn einzelne Kämpfer bzw. Gruppen von Kämpfern eine solche Formation verlassen - siehe z.B. Hastings 1066.
 
Da hast Du den Sinn meines Kurzabrisses leicht mißverstanden: es ging lediglich darum darzustellen, daß
Zugegeben, aber ich hatte Angst, das Neue des SChiltrons (was nach meine Verständnis/Hoffen auch Hauptgrund dessen Erwähnung war) könnte so verloren gehen. War aber auf jeden Fall gut, dass du dieses kreative Potential doch mal Lanzen einzusetzen um Pferde aufzuhalten als allgemeines Standartprozedere auch vor Melliam Wallabson dargestellt hast.
Tschuldigung, wollte dich mißverstehen oder dergleichen.
 
Danke fur alle interessante Beitrage. Was ist für mich personlich sehr interessant : diese Relazion schwäre Kavallerie vs. Infanterie ist in der Laufe der Zeit in Europa "pulsierend". Die schwäre Kavallerie ist regelmasig zuruckgekommen, um wieder aus den Schlachtfelder weggeworfen zu werden.
Ich habe das in meiner Sammlung gefunden. Die franzosichen Cuirassiers 1914-1916:
 

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Ich würde sogar so weit gehen, daß Disziplin ein ganz entscheidender Punkt ist - und das unabhängig davon, ob nun Infanterie oder Kavallerie.
Würdest Du den Ritterheeren im Allgemeinen unterstellen können, dass der Individualismus, erzeugt durch das Standesdenken des Ritters, auch dazu beitrug, dass sie gegen das Fußvolk zusehends weniger eine Chance hatten.
Du führst Hastings an und das finde ich ganz interessant, nämlich einmal mehr in die Richtung zu schauen, welche Heere von Fußvolk vor dem Erfolg der Schweizer und anderer berühmter Infanteriearmeen mit den langen Stangenwaffen, schon Erfolge gegen Kavallerie erzielen konnten. Wenn wir soviele Beispiele dafür finden können, dass gutes Fußvolk durchaus standhalten konnte, hätte dann dies nicht die militärische Vormachtstellung der Ritterheere schon früher zwangsläufig untergraben müssen?
:grübel:
 
Wenn wir soviele Beispiele dafür finden können, dass gutes Fußvolk durchaus standhalten konnte, hätte dann dies nicht die militärische Vormachtstellung der Ritterheere schon früher zwangsläufig untergraben müssen?

Es kommt immer darauf an gegen welche Militärtradition gekämpft worden ist. Die Angelsachsen und auch Wikinger kämpften hauptsächlich zu Fuß und erhielten die starke Infanterietradition der Germanen, welche durch den Schildwall und relativ geschulter Infanterie schwerer Reiterei widerstehen konnten (zumindest wenn sie ihre Formation einhielten).

In Europa wurde diese Tradition unter den Karolingern aufgegeben. Die merowingischen Angoträger, die die Tradition der Legionäre weitergeführt hatten, wurden durch die karolingischen Panzerreiter ersetzt, damit besser auf die ständigen Raubzüge der Sarazenen, Ungarn und Wikinger reagiert werden konnte.
Die Infanterie war aus diesem Grund im fränkischen Europa so unwichtig geworden, dass es einfach keine Infanterie mehr gab, die sich Ritter entgegenstellen konnten. Das lag vor allem daran, dass die Infanterie zu dieser Zeit aus meist untrainierten Milizionären bestanden, die nur zum Einsatz kamen wenn nicht genügend Ritter vorhanden waren. Aber selbst deutsche Stadtmilizen, die immerhin besser ausgerüstet waren, konnten Rittern nicht standhalten (wie die Kölner Stadtmiliz in Worringen).

Norditalien ist widerum etwas anderes. Dort gab es schon seit den Römern eine starke Infanterietradition, welche an Wichtigkeit niemals (zumindest bis zum Spätmittelalter) von schwerer Reiterei abgelöst wurde, aus welchem Grund es wiederrum in Italien nie gute Reiterei gab.


Die Vormachtstellung der Ritter als einzig wichtige Kampfeinheit konnte sich also wirklich nur solange halten, bis die Gegner auf effektive Infanterie zurückgriffen. Allerdings gab es fast keine Gegner im Hochmittelalter, die dies machten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Konnte durchaus, aber da die Heere von Adligen aufgestellt wurde, kam es in früheren Abschnitten des MA imho eher selten dazu, dass auf gutes Fußvolk Wert gelegt wurde. Mit Rittern standen kampferprobte und moralisch sehr starke Krieger zur Verfügung. Fußvolk musste meist erst zeitaufwändig ausgebildet werden.
 
Ich gebe ganz offen zu, daß ich dafür etwas länger nachdenken mußte, ehe ich das einigermaßen beantworten konnte...

Würdest Du den Ritterheeren im Allgemeinen unterstellen können, dass der Individualismus, erzeugt durch das Standesdenken des Ritters, auch dazu beitrug, dass sie gegen das Fußvolk zusehends weniger eine Chance hatten.

Das ist als allgemeine Aussage zumindest etwas grenzwertig...
Auch mit weniger Individualismus mußte die schwere Kavallerie ihre Nachteile gegen Stangenwaffenformationen (insbes. Pikeniere, die ja in diesem Kontext zu betrachten sind) erkennen und bekennen.
Es war eher die Kampfweise des Lanzenangriffes, die kaum noch bzw. nicht mehr möglich war, so daß als effektive Gegentaktik bspw. in der Frühen Neuzeit die Caracolla - s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Caracolla - entwickelt wurde.

Du führst Hastings an und das finde ich ganz interessant, nämlich einmal mehr in die Richtung zu schauen, welche Heere von Fußvolk vor dem Erfolg der Schweizer und anderer berühmter Infanteriearmeen mit den langen Stangenwaffen, schon Erfolge gegen Kavallerie erzielen konnten. Wenn wir soviele Beispiele dafür finden können, dass gutes Fußvolk durchaus standhalten konnte, hätte dann dies nicht die militärische Vormachtstellung der Ritterheere schon früher zwangsläufig untergraben müssen?

Nun, bei Hastings zerfiel ja der Schildwall, so daß die normannische Kavallerie letztlich doch noch erfolgreich war.

Dazu nochmals der wichtige Teil aus dem Startbeitrag von Witege:

... Schildwall
Ein Schildwall konnte das eindringen der Ritter verhindern, so dass diese quasi abprallten. Möglich war dies durch die dichte Formation, in der die hinteren die vorderen Glieder durch ihre Schilde stützten, und die überlappenden Schilde. Die Waffen selbst waren nicht so wichtig wie die Schilde für das Abfangen des Angriffes.
...
Solange die Infanterie diszipliniert zusammenhielt, konnte die schwere Reiterei nicht viel ausrichten. Das beste Beispiel ist wohl Hastings, wo die normanische Reiterei erst nach der vorgetäuschten Flucht eine Chance hatten, weil die Sachsen sie verfolgten und somit den Schildwall aufgaben.

Darüber, ob derart disziplinierte Fußkämpfereinheiten die Vormachtstellung der Ritterheere hätte schon einige Zeit früher untergaben bzw. sogar beenden müssen, könnten wir wahrscheinlich endlos diskutieren.

Fest steht dabei, daß Ritter und Sergenten die Berufskrieger des Hochmittelalters waren und damit als hauptsächliche Kämpfer galten und alle anderen eher als Hilfstruppen, zumal diese oftmals auch keine Berufskrieger i.e.S. und vergleichsweise schlechter ausgerüstet waren (gilt sowohl für Rüstung als auch Waffen).
Die (Rück-)Besinnung auf effektive Infanterietaktiken geschah dann bezeichnenderweise auch wiederum zuerst bei Konstellationen, wo man einem gegnerischen Ritterheer keine oder kaum ausreichend eigene Kavallerie, insbes. schwere Kavallerie, entgegenstellen/-setzen konnte.

PS (Nachtrag @Witege & Themistokles): Beitragsüberschneidung...
 
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