Das Thema Androgynität oder Transsexualität im antiken Denken und Fühlen finde ich faszinierend. IMO passt dies besser als der moderne Begriff "Transvetitismus". Denn wenn solche Ereignisse Öffentlichkeitscharakter hatten, dann waren sie nicht einfach Ausdruck einer Laune des Cäsaren, sondern waren entweder Ausdruck seiner Macht (Hinwegsetzen über soziale Normen) oder einer kultischen Handlung.
Erst mal zu den Griechen.
Bereits der Seher Tereisias hatte ja mehrfach das Geschlecht gewechselt und hatte, befragt von Zeus, welches Geschlecht denn mehr von der körperlichen Liebe habe, der Frau die 9fache Lust zugewiesen. (Warum gerade 9?)
Tatsächlich waren bereits die Kybele-Priester damit konfrontiert: in Frauengewänder gehüllt steigerten sie sich in einen Rausch, bis sie sich anschließend selbst kastrierten - und damit die Voraussetzung für die Priesterschaft schufen.
"Travestie" gab es aber auch bei den Oschophorien, einem athenischen Fest zum Gedenken an die Rückkehr des Theseus vom Minotaurus, in dem zwei Jugendliche als Mädchen verkleidet die Prozession zum Heiigtum anführten. Oder wie Plut.Solon 8f berichtet, wurden auch bei den Skirophorien, einem anderen athenischen Fest, das an die Eroberung der Insel Salamis (anderer Name für Skiras) erinnert und wo sich die Männer als Frauen verkleidet hatten.
Umgekehrtes gab es übrigens auch: zu den Hochzeiten in Argos erschienen die Bräute mit einem falschen Bart! Und in Sparta wurde die frisch verheiratete Ehefrau erst mal kleider- und haartechnisch zum Mann gemacht (nach Plutarch, Lykurgos).
Soviel zur griechischen Folklore, nun zur römischen.
Juvenal erwähnt (II, 84 ff.) geheime Gesellschaften in Rom, die der Bona Dea geschminkt und in weiblicher Kleidung opferten.
Flavius Josephus schreibt im "Jüdischen Krieg" (IV, 9) über galiläische Krieger: "Noch bluttriefend verpraßten sie ihren Raub und gebärdeten sich übersättigt ohne Scheu wie die Weiber: sie kräuselten sich das Haar, legten Weiberkleider an, salbten sich mit wohlriechendem Öl und bemalten sich zur Zierde die Augen. Aber nicht nur in bezug auf Putz suchten sie es den Weibern gleichzutun, sie ließen sich auch als solche gebrauchen, und im Übermaß ihrer Geilheit ersannen sie widernatürliche Lüste: wie in einem Hurenhause wälzten sie sich in der Stadt und befleckten sie mit Werken der Unzucht. Weiber dem Gesichte nach, hatten sie in der Hand den Mordstahl. Mit zierlichen Schritten tänzelten sie einher, plötzlich verwandelten sie sich in Angreifer. Aus ihren feinen gefärbten Oberkleidern zogen sie Schwerter und durchbohrten jeden, der ihnen in den Weg kam."
Bei Sueton, Otho XII, lesen wir über den 3-Monats-Kaiser (Loeb-Translation):
"XII. Neither Otho's person nor his bearing suggested such great courage. He is said to have been of moderate height, splay-footed and bandy-legged, but almost feminine in his care of his person. He had the hair of his body plucked out, and because of the thinness of his locks wore a wig so carefully fashioned and fitted to his head, that no one suspected it. Moreover, they say that he used to shave every day and smear his face with moist bread, beginning the practice with the appearance of the first down, so as never to have a beard; also that he used to celebrate the rites of Isis publicly in the linen garment prescribed by the cult. [...]"
Über die ganz generelle kulturelle Bedeutung? Oft wird gesagt, es handele sich um den Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat, als eine Erinnerung hieran, aber da kenne ich mich nicht aus.