Größter Aufstand im römischen Reich

Bookworm

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Moin

ich suche mal wieder etwas, worauf Google mir nicht antworten will. Und zwar will ich wissen, was der größte/blutigste/schlimmste/verheerendste Aufstand im römischen Reich war (zwecks Vergleichsmöglichkeit mit dem Austand der Boudicca in Britannien).
Ich bin mir sicher, dass einer von euch eine (muss ja keine exakte sein) Antwort weiß.

Gruß
Bookworm
 
Das ist nicht so einfach zu sagen, weil die Geschichte des römischen Reiches besonders in der Kaiserzeit eine von pausenlosen Rebellionen, Sezessionen und Usurpationen ist.
Ein großer "Aufstand" war die Sezession des Postumus im Jahre 260, bei dem sich die westlichen Provinzen vom Reich lösten und für einige Jahre das sogenannte "gallische Sonderreich" entstand. Allerdings unternahmen die Kaiser nicht besonders viel gegen Postumus, und umgekehrt regte sich nicht allzu heftiger Widerstand im Sonderreich, als Aurelian es 275 zerschlug.
Ein weiterer gewaltiger Aufstand und vor allem flächenmäßig sehr groß war freilich der des Vercingetorix gegen Caesar im Jahre 52 v. Chr. Allerdings kann man sich darüber streiten, ob Gallien da nun schon ein Teil des Reiches war.
Die schlimmsten Zerstörungen hat es aber wohl bei der Niederschlagung des jüdischen Bar Kochba-Aufstands 132 bis 135 nach Christus gegeben. Angeblich sollen dabei über 500 000 Menschen getötet worden sein; vielleicht ist die Zahl übertrieben, doch wurden wohl auch sehr viele Städte zerstört. Die Kämpfe während der jüdischen Aufstände - auch beim ersten von 66 bis 70 n. Chr. - waren ohnehin von besonderer Heftigkeit.
Wie überhaupt die Kämpfe bei den jüdischen Aufständen
 
Ich würde auch den jüdischen Aufstand nennen.
Schließlich wurde daraus ein Krieg der sieben Jahre dauerte (66 - 73 n. Chr.) und in zwei Phasen geführt wurde (endgültiges Ende 132 - 135 n. Chr unter Hadrian).
Jerusalem wurde beim zweiten Krieg vollends zerstört und umbenannt. Auch Iudea wurde umbenannt. So hatte dieser Aufstand wohl die weitreichendsten Folgen.
Ob man die Ursurpatoren als Aufständische sehen sollte, weiß ich nicht. Für mich hat ein Aufstand nicht das Ziel die Macht über das Römische Reich zu erlangen, sondern vielmehr die Macht der Römer aus einem bestimmten Gebiet (z.B. Iudea oder Boudicca in Britannien, oder die Numantiner in Hispanien 147 - 133 v. Chr.) zu vertreiben.

s.d.caes.
 
Okay, das ist schonmal gut. Also zählt der Boudicca Aufstand mit 80.000 Toten + 70.000 toten Römern eher zur Mittelklasse?
 
Was ist mit Spartacus?

Römische Geschichte ist nicht gerade das Gebiet, auf dem ich brilliere, aber wenn ich an meinen lange zurückliegenden Geschichtsunterricht denke, dann sind sind mir sehr hohe Verlustzahlen erinnerlich.

Jacobum
 
Die Frage ist aber, ob man anhand überlieferter Verlustzahlen auf die Bedeutung des Aufstandes schließen sollte. Immerhin soll und muss man jede Zahlenangabe aus dieser Zeit doch mit sehr viel Vorsicht genießen.

Ich denke, es gibt bessere Kriterien, um die Bedeutung eines Aufstandes zu bewerten.
 
Okay, das ist schonmal gut. Also zählt der Boudicca Aufstand mit 80.000 Toten + 70.000 toten Römern eher zur Mittelklasse?

Ich würde schon mal stark die genannte Zahl anzweifeln (die müsste, wenn ich mich recht erinnere, aus den Annalen des Tacitus stammen). Denn er bezieht sich darin auf Zivilisten. Da aber Britannien zu diesem Zeitpunkt kaum romanisiert war, dürfte die Zahl bei weitem nicht so hoch gewesen sein. Die römische Militärpräsenz war sehr stark, aber nicht mal auf diese Weise dürften die Römer 59 n. Chr. 70 000 Soldaten aufgebracht haben (es waren vier Legionen und noch etliche Hilfstruppen, aber kaum mehr als 40 000 Mann). Insgesamt würde ich schon sagen, dass es Aufstände gegeben hat, die Gebiete des Reichs schwerer in Mitleidenschaft gezogen haben. Ich denke, die Bedeutung des Aufstands lag darin, dass er die Römerherrschaft in Britannien für eine Weile ernsthaft gefährdet hat. Boudicca gelang es, mit Verulamium, Camulodunum und Londinium alle drei wichtigen römischen Verwaltungssiedlungen zu zerstören (und nach Ansicht der Archäologen lässt sich dies auch an Zerstörungsschichten feststellen). Sie drang tief in das angeblich sicher geglaubte Gebiet in Südengland ein. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als das römische Gebiet erstens noch an offen feindliche Stämme (z.B. in Wales grenzte) und zweitens die Römer auf die Mithilfe von Klientelstämme angewiesen waren, die oftmals eine zwiespältige Haltung gegenüber den Eroberern hatten (wie die Briganten). Auch die Boudiccas' Icener waren ja ein solcher Stamm. Es hätte die Gefahr bestanden, dass Boudicca auch die anderen britischen Stämme mitreißt.
 
Bei den Sonderreichen und zahllosen Gegenkaisern und Gegengegenkaisern bin ich allerdings unschlüssig, ob man da jeweils von einem aufstand sprechen kann. Oft blieb ja dem Kommandeur einer Armee gar nichts anderes übrig, als sich zum Imperator zu erklären, wollte er die Reichsverteidung koordiniert übernehmen- und nicht von der eigenen Soldateska erschlagen werden. Der Aufstand des Spartacus war der letzte große Sklavenaufstand und traf Rom bis ins Mark. Seit Hannibal hatte keiner mehr Rom in Italien in offener Feldschlacht besiegt.

Dennoch bin ich insgesamt und auch mit Blick auf den großen Judenaufstand während Trajans Partherkrieg und den Bar Kochba Aufstand geneigt, mich Tiberius Caesar anzuschließen. Es ist ja auch kennzeichnend, daß Roms Herrschaft den eroberten Völkern offenbar erträglich erschien. Bereits zu Caesars Zeiten drängten gallische Pairs in den Senat. Aus Spanien gingen Seneca, Lucanus, Martial, Trajan, Hadrian und Marc Aurel hervor. Wirklich ernsthafte zentrifugale Aufstandsbewegungen, die generell Roms Herrschaftsanspruch in Frage stellten, denen gewisse Grundprinzipien der hellenistisch- römischen Kultur schlichtweg unannehmbar waren, entzündeten sich in Judäa und im Umgang mit den Juden. Der Judenaufstand in Ägypten und der Cyrenaica bewirkte nicht zuletzt das Scheitern von Roms Partherfeldzug. Die Statthalter, die Rom nach Judäa schickte, waren wirklich nicht gerade preisverdächtig und jeder ein kleines bißchen schlechter, als sein Vorgänger.Man muß allerdings den Römern zugestehen, daß sie durchaus bereit waren, den Juden Zugeständnisse zu machen. Juden konnten an besonderen Tagen Getreidespenden abholen, um den Sabath zu achten. Die Vertreibung und Diaspora der Juden änderte bis zu Constantin nichts an der Eigenschaft des Judentums als religio licita. Auch das Christentum ist ja letztlich aus dem Judentum hervorgegangen. In den historischen Nachwirkungen, der zahlenmäßigen Stärke der Aufstandsbewegung und was es schließlich Rom an Substanz und Material kostete, sie niederzuschlagen, denke ich, daß die Juden den Römern am meisten zugesetzt haben. Sie konnten Aufstände niederschlagen, Judäa vollständig im römischen Sinne zu "befrieden", ist Rom nie gelungen.

Trotz der fatalen Folgen
 
Ich habe auch zuerst an Spartacus gedacht. Das Bedrohliche an diesem Aufstand war, dass er sich im Kernland des Römischen Reiches abgespielt hat. Es müssen also unmittelbar mehr römische Bürger betroffen gewesen sein als z. B. in Britannien oder Judäa. Die höchste Anzahl an Aufständischen, die ich zu Spartacus gehört habe, sind 200.000, aber das ist natürlich übertrieben. In der letzten Schlacht sollen 60.000 Sklaven getötet worden sein plus die 6.000 Gekreuzigten entlang der Via Appia. Wie auch immer: Wenn ein so großes Heer Aufständischer über zwei Jahre lang fast ungehindert durchs Land zieht, muss es unvorstellbare Verwüstungen hinterlassen haben. Ein römischer Bürger, der nicht hinter einer einigermaßen wehrhaften Stadtmauer wohnte (und das waren die meisten), hat zu dieser Zeit ein sehr unsicheres Leben geführt, sowohl in Hinsicht auf seine körperliche Unversehrtheit als auch auf seinen Besitz.

Was hier noch nicht genannt wurde ist der Sertoriuskrieg in Spanien. Das Besondere an dieser Erhebung war die Verbindung von Römern (Marianern) mit Lusitanern und Afrikanern zu einem gemeinsamen Aufstand. Der Aufstand dauert acht Jahre (80 - 72 v. Chr.) und kein geringerer als Pompeius Magnus kassiert ein paar empfindliche Niederlagen. In einem Hinterhalt des Sertorius bei Lauro verliert er 10.000 Mann. 75 wird er in einer Schlacht verwundet, 74 muss ihm der Senat Geld und zwei Legionen schicken, weil seine eigenen Mittel erschöpft sind. Gefährlich war auch das Bündnis von Sertorius mit Mithridates. Rom drohte von Osten und Westen in die Zange genommen zu werden.
 
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Größter Aufstand im Reich

Für mich wäre, von der Bedeutung her, der Bundesgenossenkrieg einer der wichtigsten Aufstände im Reich. 100.000 Aufständische, das Rückgrat der Armee in so vielen Schlachten, erhebt sich im Herzen des Imperiums. Der Aufstand kann zwar unter großen Verlusten zurückgeschlagen werden, lässt aber selbst die Konsverativen zur Einsicht kommen, dass der Aufstand nur mit zugeständnissen an die Aufständischen beendet werden kann.
 
Wenn man möchte, kann man übrigens auch die Sezession des eroberten rechtsrheinischen Germanien als "großen Aufstand" in Betracht ziehen - Tacitus schreibt, dass das Gebiet Rhein-Weser fast schon befriedet gewesen sei, und was so peu à peu aus der Erde kommt in den letzten Jahren weist darauf hin, dass viele, wenn nicht alle, Römer der augusteischen Zeit bis zum Verrat des Arminius gleichfalls Germanien als ein zweites Gallien betrachteten (mit wilderen Bewohnern und fehlender Infrastruktur, aber macht nichts, die Städte - wie Waldgirmes - baut man dann eben selber) und dementsprechend auf gute Geschäfte, neue Märkte und fette Beute hofften.
Die Verluste waren gewaltig, abgesehen von den drei Legionen und mehreren Kohorten/Alen des Varus eine ungenannte, auf jeden Fall sehr große Menge von Soldaten des Germanicus und Tiberius.

Aber, wie gesagt, über die Kategorisierung als "Aufstand" kann man sich streiten angesichts des für die Germanen erfolgreichen Ausgangs.
 
Interessante Diskussion.

Jüdischer Aufstand und Spartacus dürften auch nach meiner Meinung die größten Ereignisse dieser schwierig zu definierenden Kategorie sein.

Den Bundesgenossenkrieg würde ich eher nicht als "Aufstand" werten.

"Größer als Boedicaa" ist auf jeden Fall kein Problem. Denn Britannien war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuverlässig erobert, das fällt also eher in die Kategorie des Cheruskeraufstands (Varusschlacht), des pannonischen Aufstands, des Sartoriusaufstands.

Deutlich mehr Aufstand, d.h. sich auf bereits sicher beherrschtes Gebiet beziehend, war auch der Civilis-Aufstand von 69/70.
Und der hatte deutlich größere Dimensionen als Boedicaa: Untergermanien und eine Reihe gallischer Stämme waren unter Kontrolle der Aufständischen, die römischen Kastelle zwischen Nijmwegen und Mainz wurden geplättet, und es haben sich sogar vier römische Legionen den Aufständischen unterworfen!

Vespasian mußte neun Legionen schicken, um die Sache wieder unter Kontrolle zu bringen, das ist deutlich mehr als bei allen anderen Kandidaten mit Ausnahme von Spartacus.
 
Randbemerkung:
beim Bataveraufstand wurden zwar insgesamt 9 Legionen gesandt, nicht alle kamen aber zum Einsatz oder waren notwendig.

Kandidaten zur Diskussion ist auch der Sklavenaufstand von 136-134 und 104-101 v. Chr. auf Sizilien, ebenso wie der Saturninusaufstand zu Zeiten Domitians.

Will man den "germania capta" These-Anhängern folgen wäre auch Arminius' Aktion ein Aufstand gewesen.

Sulla zerstörte das von Aristion 88 v. Chr aufgestachelte Athen.... also Kandidaten gibt es viele. Da ists dann doch wieder fraglich, was "der größte" bedeutet.
 
> nicht alle kamen aber zum Einsatz
Ja - aber die Größenordnung zeigt, wie ernst das in Rom genommen wurde.

> Da ists dann doch wieder fraglich, was "der
> größte" bedeutet.
Das ist schwierig. Die Zahl der Aufständischen bzw. die zur Bekämpfung nötigen Legionen, die Zahl der Opfer, die Größe und Bedeutung des Aufstandsgebiets, die Länge der Kämpfe ...

Interessanter ist aber eigentlich die Frage, was man überhaupt als "Aufstand" zählen will.

M. E. gehört dazu ein fest etabliertes Herrschaftsverhältnis, gegen das eine Gruppe von Untertanen bewaffnet aufbegehrt, um entweder selber an die Herrschaft zu kommen oder wenigstens ihr Gebiet von der bisherigen Herrschaft zu lösen.

Boedicaa, Arminius oder Sertorius sind da schon problematisch, weil Rom da noch beim Erobern war und "fest etabliert" nicht wirklich stimmt.
Judäa paßt etwas besser, obwohl es hier um ein Klientelkönigreich ging, nicht um eine integrierte Provinz.

Die Bundesgenossen würde ich explizit ausnehmen, weil sie eben formal gar keine Untertanen waren, sondern eben Verbündete, die das Bündnis aufkündigten.

Und selbst Spartacus könnte man problematisieren, weil das letztlich eher ein bewaffneter Fluchtversuch war.

Aber Sklavenrevolten werden eben (da ist vielleicht mein Definitionsversuch nicht korrekt) immer als Aufstände bezeichnet, obwohl in der Regel wohl immer die planvolle Absicht fehlt, selber eine Herrschaft zu übernehmen.
 
Pannonische Aufstand (6-9n.Chr.)

PATERCULUS schreibt, daß die Gesamtzahl von aufständischen Stämmen und Völkern mehr als 800.000 betragen habe. Davon sollen ca. 200.000 Waffenfähige als Fußsoldaten und 9.000 Reiter zur Verfügung gestanden haben. Dieses Heer wollte gen Italien (die Grenze bei Nauportum und Tergeste lag am nächsten) ziehen. Tiberius mußte daraufhin seinen Feldzug mit 12 Legionen gegen die Markomannen abbrechen. Augustus befürchtete, daß der Feind binnen 10Tagen vor Rom stehen könnte. Daher wurden sämtliche Veteranen wieder einberufen und Männer und Frauen mußten, nach ihrem Vermögen bemessen, Freigelassene als Soldaten ausrüsten.
Die Römer mußten sich anfangs den Angriffen der aufständischen Gesamtstreitmacht fernhalten und versuchten ihr Glück darin, daß sie einzelne Heeresverbände bekriegten. Aber einmal wurden 5Legionen mit Hilfstruppen und der thrakischen königlichen Reiterei eingezingelt und fast vernichtet. Nur mit Mühe retteten die Römer den Sieg.
Tiberius hatte in seinem Lager 10Legionen, 70Kohorten, 10Schwadrone Reiterei, mehr als 10.000 Veteranen und eine große Anzahl Freiwilliger versammelt. Nach den Bürgerkriegen hat es bis dahin keine so große römische Streitkraft gegeben.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Den pannonischen Aufstand hatte ich oben ja schon erwähnt, und richtig, der hatte auch eine anständige Größenordnung.

Wobei auch hier fraglich ist, ob es wirklich ein "Aufstand" ist oder eher ein Rückschlag wg. noch nicht wirklich gelungener Eroberung.
 
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