"Krieg und Frieden"

Marcia

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Es wurde ja schon überall dafür geworben, auch hier haben wir kurz erwähnt, dass "Krieg und Frieden", der Roman von Leo Tolstoi, wieder verfilmt wurde. Frühere Verfilmungen kenne ich nicht und bin deshalb sehr gespannt auf diesen Vierteiler, der ab morgen Abend jeweils Sonntags und Mittwochs 20.15 Uhr im ZDF gesendet wird. Die Stimmen dazu gehen auseinander, laut TV Spielfilm, deren Kritiken ich normalerweise traue, ist das Ganze "Lang und breit und gut aussehend", also durchaus episch und sehenswert.
Dass die psychologische Tiefe der Erzählweise Tolstois in einem Film, selbst einem Vierteiler, nicht annähernd erreicht werden kann, nehme ich als gegeben an und freue mich trotzdem.
Die Bilder, die das ZDF vorab sehen lässt, gefallen mir ganz gut, auch die Schauspieler sind zumindest ihrer äußeren Erscheinung nach gut gewählt. Malcolm McDowell spielt den alten Fürsten Bolkonski, darauf bin ich besonders gespannt. Hier noch zwei Links:

"Krieg und Frieden" - Teil 1

Pressestimmen zu 'Krieg und Frieden' - '400 Minuten ohne Kitsch' oder eher 'Telenovela mit Goldkante'? / wunschliste.de
 
Die Kritiken sind irgendwie nicht wirklich hilfreich.
Gerade wenn man das Vergnügen noch nicht hatte, "Krieg und Frieden" zu lesen, kann man anhand der Kritiken überhaupt nicht einschätzen, wie gut die Umsetzung gelungen ist.
Prinzipiell befürchte ich bei Fernsehproduktionen, wie es in den letzten Jahren fast immer der Fall war, daß ein berühmtes Ereignis/Etwas dann letztlich doch nur den Rahmen einer 0-8-15-Liebesgeschichte voller Kitsch liefert (Luftbrücke, etc.).
 
Prinzipiell befürchte ich bei Fernsehproduktionen,

Das ist vorab erst einmal ein sehr großer Makel. Fernsehproduktionen sind finanziell auf recht dünnem Eis produziert.
Ich schau den ersten Teil und werde entweder einschlafen (wortgewaltige Balzszenen) oder so hingerissen sein, dass ich es kaum erwarten kann ...
 
Laut Bild-Zeitung 26 Millionen Euro Budget und 15000 Komparsen. Für eine Fernsehproduktion ist das ganz schön viel Holz.
 
Laut Bild-Zeitung 26 Millionen Euro Budget und 15000 Komparsen. Für eine Fernsehproduktion ist das ganz schön viel Holz.

Aufgeteilt auf 6 Stunden Film sind 26 Millionen herzlich wenig. Es sollen auch nur 1200 Komparsen dabei sein. Die Bild-Zeitung hat anscheinend gleich noch ein paar Bild-Zeitungsleser zu Komparsen erklärt.

Der Russen-Spielfilm "Krieg und Frieden" (1968) geht noch eine halbe Stunde länger. Hat übrigens den Oscar gewonnen. 100 Millionen Dollar gekostet, 15000 Komparsen allein für die Schlachten.
"Krieg und Frieden" (1956) mit Audrey Hepburn war dagegen ein nettes Filmchen.
 
@Hurvinek: Aufgeteilt auf 6 Stunden Film sind 26 Millionen herzlich wenig.

Na ja, wie sagte Einstein noch - alles ist relativ. Ich wäre mit einem Bruchteil davon auf meinem Konto schon zufrieden.

Was die Komparsenzahl betrifft, wirst du recht haben, bin selbst schuld wenn ish so "vertrauenwürdige Quellen" nutze.

Wahrscheinlich trifft die Zahl 15000 Komparsen wirklich nur für den russischen Film von S. Bondartschuk zu. Ähnliche Dimensionen erreichte der Regisseur bei "Waterloo". Aber damals konnte man einfach mal die halbe Sowjetarmee in Kostüme stecken, für einen Schlag Kascha aus der Feldküche. Sowas ist heute unbezahlbar und kann außerdem computeranimiert werden.
 
Dann bleibt einem nur übrig, was Hurvinek ganz richtig vorgeschlagen hat: Sich den 1. Teil mal ansehen und dann entscheiden, ob sich weitere Folgen lohnen.

Ich kenne die US- und UdSSR-Verfilmungen und bin aus diesem Grund schon mal neugierig auf den direkten Vergleich.
 
Natürlich ist es vorab schwer einzuschätzen, ob einem der Film gefällt – da kann man wirklich nur einschalten und sehen, was kommt.
Wahrscheinlich ist bei mir doch ein nicht auszurottender Rest-Idealismus vorhanden, wenn ich hoffe, dass mittels solcher Verfilmungen der/die eine oder andere Lust bekommt, sich an den Roman zu wagen.
„Krieg und Frieden“ ist ein Wälzer von 1.600 Seiten, ich beziehe „wagen“ vor allem auf den Umfang; ich könnte das Buch zur Zeit nicht lesen, und mir ist die Light-Variante im Fernsehen momentan ganz willkommen.
Man sollte aber nicht vergessen: die rauschenden Bälle, opulenten Szenen, großen Gefühle – auch das ist Tolstoi. Und was die großen Gefühle angeht, da braucht es oft nur wenig, um ins Triviale abzugleiten. Tolstoi beschreibt wie kaum ein anderer echte Gefühle und ist deshalb weitab vom Kitsch; ich möchte sogar behaupten, er ist einer der wenigen Autoren, der zwischen gewagten, unechten bis zu falschen literarischen Gefühlsergüssen auf dem schmalen Grat der Kunst ganz sicher steht, weswegen Adaptionen jeglicher Art an einem Anspruch, sein Level erreichen zu wollen, scheitern müssen.
Ich glaube und hoffe aber auch, dass eine Adaption geringeren Anspruchs das, was Tolstois Romane und Erzählungen so lesenswert macht, nicht völlig entstellen können, dass auch diese Verfilmung – ich kenne die anderen, wie gesagt, nicht – etwas von Tolstois Größe, Weisheit und Güte vermitteln kann.
Mein Hinweis auf die psychologische Tiefe (die bei Tolstoi, das habe ich zu erwähnen vergessen, immer an die epische Breite gebunden ist), könnte vielleicht potentielle Zuschauer und Leser abschrecken, ich muss daher noch erwähnen, dass Tolstoi Leser auch sehr direkt – ohne den Umweg über den Intellekt - anzusprechen vermag. Ich würde das normalerweise nicht schreiben, da es immer gefährlich ist, den Verstand, wenn auch nur vorübergehend, entspannt oder untätig zu lassen, aber was Tolstoi angeht, so kann man sich, denke ich, beruhigt mit allen Sinnen auf ihn einlassen. In einem anderen Buch steht der sehr weise Satz „Man sieht nur mit dem Herzen gut“; als Skeptikerin möchte ich „nur“ gern durch das Wörtchen „auch“ ersetzen; zumindest, was Tolstois Werk anbelangt, kann man getrost dem eigenen Herzen und dem des Autors folgen.

Hier noch etwas über das Werk
Krieg und Frieden - Wikipedia
Krieg und Frieden von Tolstoi - Zuammenfassung

und den Autor
Lew Nikolajewitsch Tolstoi - Wikipedia

Als weiterführende Literatur kann ich empfehlen:

Geir Kjetsaa: Lew Tolstoi, Dichter und Religionsphilosoph ISBN 3-925825-79-7

Russische Zeitgenossen über Tolstoi - Kritiken, Aufsätze, Essays 1855-1910, herausgegeben von Eberhard Dieckmann, Aufbau-Verlag ISBN 978-3351015275

Sehr gut als Einstieg in Tolstois Werk sind seine Meistererzählungen geeignet, die bei Diogenes regelmäßig verlegt werden.
 
In der taz wird explizit vor diesem Film gewarnt:
Diese TV-Verbumfiedelung eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur könnte ein Auftragswerk der Hannoveraner Familien-, Ehe- und Kitaministerin sein. Sich diesen Wörthersee-Kostümfilm-Mist anzugucken, ist reine Zeitverschwendung.
Lesenswert, auch wegen der Reflektionen über L. N. Tolstoj, der ganze Artikel:
taz.de - ZDF-Vierteiler "Krieg und Frieden": Amor bei der Artillerie

Zu meiner persönlichen Perzeption: ich habe das Buch gelesen, obwohl ich die erste Verfilmung mit der unerträglich süßen Audrey Hepburn kannte. Das Buch hat mich gepackt, geschüttelt und mit den Füßen auf den Boden gestellt - so ziemlich das Beste, was man von einem Buch erwarten kann. Der Respekt vor diesem Werk ist so groß, dass ich es nicht in der Anrichtung als 400 Minuten ZDF-Heimatfilm verdorben haben möchte. Deshalb glotze ich vermutlich heute Abend mit größerer Begeisterung den Spiderman 2 mit Toby Maguire und dem grandiosen Alberto Molina.
 
In der taz wird explizit vor diesem Film gewarnt:

Lesenswert, auch wegen der Reflektionen über L. N. Tolstoj, der ganze Artikel:
taz.de - ZDF-Vierteiler "Krieg und Frieden": Amor bei der Artillerie

Danke für den Artikel. :)
Ich möchte mir heute abend mein Urteil selbst bilden.
Aber wegen Spiderman 2 tut es mir auch leid, ich habe ja am Freitag wieder Teil 1 gesehen, und bei Spiderman wird es ja - was auch nicht unbedingt oft der Fall ist - von Folge zu Folge besser und rasanter.
Andererseits kenne ich den Film schon, und er wird sicher nicht zum letzten Mal gesendet. Und wenn es auf dem ZDF ganz schlimm kommt, kann ich immer noch umschalten.:cool:
 
Dass die "taz" den Vierteiler verreisst und die "Süddeutsche" lobt, war doch vorauszusehen. Ich werde jedenfalls gucken, zumal meine bessere Hälfte sich kaum davon abbringen lassen wird.:D
Heute Abend sind wir eh alle schlauer.
 
Die "taz" mag keine nationalistischen Romane und Filme. Ihr Pech. Für die scheint die innovativste und erfolgreichste Zeit der Menschheit in Blumenpflücken und Tanz um Lagerfeuer mit psychedelischer Musik zu sein.
Mit einer täglichen Auflage von bundesweit 57000 Stück rangiert sie sogar hinter meiner örtlichen Heimatzeitung.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Die "taz" mag keine nationalistischen Romane und Filme. Ihr Pech. Für die scheint die innovativste und erfolgreichste Zeit der Menschheit in Blumenpflücken und Tanz um Lagerfeuer mit psychedelischer Musik zu sein.
Mit einer täglichen Auflage von bundesweit 57000 Stück rangiert sie sogar hinter meiner örtlichen Heimatzeitung.
Offensichtlich liest du sie nicht. Trotzdem schön, dass Du Dir Deine Meinung machst.
 
Die "taz" mag keine nationalistischen Romane und Filme. Ihr Pech. Für die scheint die innovativste und erfolgreichste Zeit der Menschheit in Blumenpflücken und Tanz um Lagerfeuer mit psychedelischer Musik zu sein.
Mit einer täglichen Auflage von bundesweit 57000 Stück rangiert sie sogar hinter meiner örtlichen Heimatzeitung.

Und das mit Recht, wie ich meinen möchte.:pfeif:

Nachtrag:
Ich fürchte, das Ergebnis wird nachher lauten müssen, daß die Kritiken noch schlechter sind als der Film, da sie es alle nicht vermochten, ihre jeweiligen Vorstellungen von Tolstoi überzeugend in Worte zu fassen und ihr Haltung an konkreten Beispielen zu begründen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und das mit Recht, wie ich meinen möchte.:pfeif:
Hier geht es nicht um eine Meinungsvalenz qua Auflagenstärke, sondern um die Vielfalt der Meinungen. Ansonsten wäre sicher die BILD-Zeitung das intelligenteste, angesehenste und respektabelste Blatt der Bundesrepublik. Wenn du das auch nicht meinen möchtest, bitte sehr, ist ja auch ein extremes Gegenteil, aber dann darfst du auch nicht den "Nordkurier" mit der taz vergleichen.
 
Bitte, liebe Leute, wir diskutieren hier über einen Film und nicht über Zeitungen - ich denke, das gleitet zwangsläufig in die Tagespolitik ab.
 
Nur kurz, da für mich eigentlich schon Schlafenszeit ist ;):

Die Geschichte ist zwar bis fast zur Unerträglichkeit gekürzt, wobei leider viele wichtige Feinheiten auf der Strecke geblieben sind, aber ich habe es gern gesehen und kann mich den negativen Kritiken nicht anschließen.
Andrej, Pierre, Natascha, Prinzessin Marja und Nikolai sind vom Typ her gut getroffen und werden auch ordentlich gespielt, Helene habe ich mir etwas anders vorgestellt.
Ich bleibe dabei: die literarische Vorlage ist so gut, dass etwas von ihrer Qualität (wenn auch leider viel zu wenig davon) auch mit dieser Light-Variante transportiert wird.
 
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