Erfundenes Mittelalter?

Ich werde mal einen Nachmittag oder zwei opfern und das Historische Museum von Regensburg besuchen...
Danach setze ich mich hier ins Forum und schreibe etwas über die "mangelnden archäologischen Funde" in einer Stadt, in der grundsätzlich erst von Archäologen gebuddelt wird, bevor ein neues, unterkellertes Haus gebaut werden darf...
Ist das ein Angebot?

Gern; ich schrieb ja bereits, daß ich diese von Illig und Anwander postulierte "Fundleere" stark bezweifle.
Die Chronologiekritiker werden darauf natürlich mit "alles nur falsch datiert" o.ä. antworten - oder weiterhin ausweichen...
:fs:
 
Ein Thema, über das sich die Illigianer höchst beharrlich ausschweigen, sind etwa auch die Ausgrabungen auf dem Bemberger Domberg...
 
Illig war meines Wissens der erste, dem auffiel und der Schlüsse daraus zog, daß nach der gregorianischen Kalenderrefom um 10 Tage korrigiert wurde, statt um 13
Er war nicht der erste.
Er war nur der erste, der die Zusammenhänge der Kalenderreform nicht verstanden und aus diesem Unverständnis eine Verschwörungstheorie gemacht hat.

Die 3-Tages-Differenz, die Illing moniert, findet sich in Wirklichkeit immer noch in unserem Kalender - wenn man an der richtigen Stelle schaut.

Gut erklärt ist das in #23 auf folgender Seite:
Tempus vivit! Das erfundene Mittelalter
 
Um das in Kurzform aufzulösen: Papst Gregor XII. bezog seine Kalenderkorrektur um 1582 auf das Konzil - eben 325; damit ergibt sich die Korrektur um 10 Tage.
Beleg: Bulle inter gravissima
Während des Konzils gab es keine Kalenderkorrektur, sondern die Festlegung der Verwendung des Julianischen Kalenders für die Christenheit (und das ist durchaus dokumentiert!) - und folglich gibt es auch keine unbewiesene Behauptung in dieser Richtung!
Mehr und ausführlicher dazu auf Einige Anmerkungen zur "Illigschen Lücke"

Hallo timotheus,

ich hatte zwar gesschrieben, mich an diesem Thema nicht mehr zu beteiligen. Aber ich möchte das mit der Bulle Inter Gravissimas so nicht stehen lassen, da uninformierte Leser den Schluß ziehen könnten, es gäbe doch solche Dokumente.
Es handelt sich gar nicht um ein Dokument von Nicea, die Bulle Inter Gravissimas stammt von Papst Gregor XIII. um 1582, in der er begründet, warum er nur 10 Tage Korrektur vornimmt, obwohl seit Beginn des Julianischen Kalenders nach gültiger Zeitrechnung 13 Tage aufgelaufen waren. Indem er sich auf das Konzil in Nicea (325) bezieht und es praktisch als erneuten Startpunkt des julianischen Kalenders interpretiert, benötigt er nur noch 10 Tage Korrektur:

" 7. Damit nun die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche, die von den Vätern des Konzils von Nicea auf den 21.April festgelegt wurde, wieder auf den selben Tag fällt, schreiben wir vor und verordnen, daß im Oktober 1582 zehn Tage einschließlich, vom 5. bis 14., ausfallen sollen..."

Es handelt sich also um eine Aussage von Gregor XIII., dessen Kalenderreform von 1582 einen zeitlichen Abstand von 1257 Jahren zu Nicea hatte. Der Kongressbericht von 1982 zum 400. Jahrestag der Kalender-Reform bestätigt, daß es keinen Hinweis einer Einschiebung der 3 fehlenden Tage in Nicea gegeben hat - somit ist die Behauptung Gregors XIII. in seiner Bulle von ihm erfunden.
Gregor wußte genau was er tat, als er neben der Korrektur des Kalenders wegen der nur 10 Tagen einen neuen Startpukt des Julianischen Kalenders auswählte. Bei einem zeitlichen Abstand von 1257 Jahren zu Nicea konnte er sicher gehen, da keine sonstigen einschlägischen Akten vorhanden waren, mittels seiner Autorität diesen Schritt begründen und nebenbei den Kalenderspung gegen Nachrechnungen seiner Zeitgenossen absichern.
So gesehen ist die Bulle eigentlich ein Argument für die 300 Jahre Kalendereinschub und spricht für die Chronologie-Kritiker.
 
Also wusste Gregor deiner Meinung nach, dass Nicea keine 3 Tage, aber dafür andere Menschen 300 Jahre einschoben.

Das folgt der Logik dieser Verschwörungstheorie, da wird in einem größeren Rahmen gedacht. ;)

Aber nochmal die Frage in die Runde, wer hier sich mit Illigs Thesen befaßt, also das Buch gelesen hat? Ich jedenfalls nicht, weswegen ich mir einfach kein Urteil darüber erlauben mag. :)
 
@Tekker: Aber nochmal die Frage in die Runde, wer hier sich mit Illigs Thesen befaßt, also das Buch gelesen hat? Ich jedenfalls nicht, weswegen ich mir einfach kein Urteil darüber erlauben mag.

Vielleicht sollte man das wirklich (ein zweites Mal) tun, es wäre unfair, Dinge zu verreißen, die man nicht selbst genau kennt. Auch wenns schwer fällt.
 
Aber nochmal die Frage in die Runde, wer hier sich mit Illigs Thesen befaßt, also das Buch gelesen hat?
Wie oben geschrieben: Den Fehler habe ich mal gemacht.
Illig ist ähnlich zusammengestrickt wie die Lügen des v. Däniken, die Thesen sind nur zu halten, wenn man einen Großteil der Forschung und Fakten ignoriert.

Ich jedenfalls nicht, weswegen ich mir einfach kein Urteil darüber erlauben mag. :)
Hast Du schon mal Deinen linken Fuß in heißen Kakao gehalten? Nein?
Würdest Du Dir trotzdem das Urteil erlauben, das dies eine sinnlose und schmerzhafte Sache ist?
Na also! :winke:
 
[Gregor wußte genau was er tat, als er neben der Korrektur des Kalenders wegen der nur 10 Tagen einen neuen Startpukt des Julianischen Kalenders auswählte.

Ich muss da mal was fragen.

Ich bin ja ein realistisch denkender Mensch und ich kann einfach nicht glauben, dass das alleine auf Gregors Mist gewachsen ist.
Der hatte doch als Papst was anderes zu tun und musste sich da wohl eher auf seine Berater verlassen.
Oder?
 
Gregor wußte genau was er tat, als er neben der Korrektur des Kalenders wegen der nur 10 Tagen einen neuen Startpukt des Julianischen Kalenders auswählte. Bei einem zeitlichen Abstand von 1257 Jahren zu Nicea konnte er sicher gehen, da keine sonstigen einschlägischen Akten vorhanden waren, mittels seiner Autorität diesen Schritt begründen und nebenbei den Kalenderspung gegen Nachrechnungen seiner Zeitgenossen absichern.
So gesehen ist die Bulle eigentlich ein Argument für die 300 Jahre Kalendereinschub und spricht für die Chronologie-Kritiker.

Moment... das verstehe ich jetzt nicht. Du hast die ganze Zeit davon gesprochen, dass zu wenige Tage gestrichen wurden. Wenn ich mir jetzt aber diesen Teil deines Beitrags ansehe, schreibst du gerade selbst, dass da doch noch eine Korrektur vorgenommen wurde... jetzt stellt sich mir die simple Frage: Wenn die 10 Tage zu wenig waren und Gregor das Ganze korrigiert hat.... wie kommt dann jemand auf die Idee, es wurden IMMER NOCH 3 Tage zu wenig gekürzt? Ich verstehe diese ganze Argumentation irgendwie nicht mehr so ganz :confused: Und wie schon mehrfach von Anderen erwähnt... warum sollte die ganze Welt (auch die nicht-christliche) bei so einem Riesenbetrug mitmachen wollen? Denke, die meisten Kulturen würden sich weigern die Geschichte ihrer evtl Helden umzudatieren nur weil ein komischer Mann in weißen Kleidern mitten in Europa sich denkt, er müsste 300 Jahre dazudichten... dieselben würden sich heutzutage auch weigern, 300 Jahre ihrer Geschichte wieder zu streichen, weil ein Herr Illig etwas größenwahnsinnig ist..

Sorry, aber irgendwie hab ich das Gefühl, du schreibst bei Illig ab und denkst nicht mit beim Lesen... Aber vielleicht ist das ja nur mein Eindruck.

@florian:
Nein, der Papst war Alleinentscheider. Immer und überall. Die Berater hatten nur eine dekorative Funktion, damit er nicht immer allein auf dem Podium steht. Darum haben die Kardinäle ja auch purpurne Kleider und der Papst weiße... damit er sich besser abhebt und schön zur Geltung kommt. :ironie:
 
... ich hatte zwar gesschrieben, mich an diesem Thema nicht mehr zu beteiligen...

Um Mißverständnisse zu vermeiden: ich ziehe mir nicht den Schuh an, daß ich Dich gezwungen hätte, Deinem Vorhaben untreu zu werden!

... ich möchte das mit der Bulle Inter Gravissimas so nicht stehen lassen, da uninformierte Leser den Schluß ziehen könnten, es gäbe doch solche Dokumente.
Es handelt sich gar nicht um ein Dokument von Nicea, die Bulle Inter Gravissimas stammt von Papst Gregor XIII. um 1582, in der er begründet, warum er nur 10 Tage Korrektur vornimmt, obwohl seit Beginn des Julianischen Kalenders nach gültiger Zeitrechnung 13 Tage aufgelaufen waren. Indem er sich auf das Konzil in Nicea (325) bezieht und es praktisch als erneuten Startpunkt des julianischen Kalenders interpretiert, benötigt er nur noch 10 Tage Korrektur...
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Es handelt sich also um eine Aussage von Gregor XIII., dessen Kalenderreform von 1582 einen zeitlichen Abstand von 1257 Jahren zu Nicea hatte. Der Kongressbericht von 1982 zum 400. Jahrestag der Kalender-Reform bestätigt, daß es keinen Hinweis einer Einschiebung der 3 fehlenden Tage in Nicea gegeben hat - somit ist die Behauptung Gregors XIII. in seiner Bulle von ihm erfunden.

Ich verbitte mir entschieden, daß Du mir Dinge unterstellst, welche ich gar nicht geschrieben habe!
Wo habe ich behauptet, diese Bulle sei nicht von Gregor XIII.?
Wo habe ich außerdem behauptet, es hätte beim Konzil von Nicäa eine Korrektur der 3 Tage gegeben?
Anm.: Niemand außerhalb der Chronologiekritik behauptet so etwas... :fs:

Gregor wußte genau was er tat, als er neben der Korrektur des Kalenders wegen der nur 10 Tagen einen neuen Startpukt des Julianischen Kalenders auswählte. Bei einem zeitlichen Abstand von 1257 Jahren zu Nicea konnte er sicher gehen, da keine sonstigen einschlägischen Akten vorhanden waren, mittels seiner Autorität diesen Schritt begründen und nebenbei den Kalenderspung gegen Nachrechnungen seiner Zeitgenossen absichern.

Natürlich wußte er genau, was er tat: Papst Gregor XIII. ging es darum, das Datum des wichtigsten christlichen Hochfestes (Ostern) zu korrigieren. Und für ihn war demzufolge relevant, seit wann die Christenheit den Julianischen Kalender benutzte - und das ist nun einmal seit dem Konzil von Nicäa der Fall: dort erfolgte die verbindliche Festlegung, daß der Julianische Kalender fortan von der Christenheit zu verwenden sei.
Warum habe ich wohl zur Verdeutlichung den Artikel von Uwe Hamelberg verlinkt?

So gesehen ist die Bulle eigentlich ein Argument für die 300 Jahre Kalendereinschub und spricht für die Chronologie-Kritiker.

Siehe meine Anmerkungen von eben; wer die Bulle pro Chronologiekritik sehen will, sollte sich ein wenig genauer mit dem Kontext und Hintergrund der Gregorianischen Kalenderreform sowie dem Umgang mit historischen Dokumenten befassen, ehe er derartige Schlüsse zieht.
 
Siehe meine Anmerkungen von eben; wer die Bulle pro Chronologiekritik sehen will, sollte sich ein wenig genauer mit dem Kontext und Hintergrund der Gregorianischen Kalenderreform sowie dem Umgang mit historischen Dokumenten befassen, ehe er derartige Schlüsse zieht.

Quellenarbeit ist ein wenig viel verlangt für einen geneigten Chronologiekritiker, der seine persönlichen Wunschbilder vom Ablauf der Vergangenheit über die Aussagen der Quellen stellt.
 
@Brahmenauer: Ich finde, dass Illig ein paar schöne Fragen in seinen Büchern aufgeworfen hat, leider versucht er sie mit teilweise lächerlichen Thesen zu beantworten (ein Teil der Thesen hat aus meiner Perspektive immerhin eine fruchtbare Diskussion - wenn auch nicht mit Tillig - hervorgerufen).

Allerdings ist das krampfhafte Beharren auf einigen Dingen schon komisch. Unterstellen wir mal, dass die 300 Jahre wirklich nur erfunden wären, warum hat Gregor seine Kalenderumstellung dann so durchgeführt? Wäre da nicht in einem Umfeld der Religionsstreitigkeiten in halb Europa und der Idee einer Bewegung der Erde um die Sonne (was ja fundamental für die Erkenntnis einer nicht glatten Zahl von Tagen pro Jahr ist) eine gänzlich andere Erklärung sinnvoller gewesen?

Und kannst Du eine Begründung dafür liefern, warum nicht 325 als Bezugsjahr gewählt werden sollte? Schließlich wurde genau da der Frühlingsanfang um vier Tage verschoben.

Solwac
 
Trotz der ordnenden Bemühungen der Moderatoren gibt es 2 Erfundenes-MA- bzw. Illig-Threads, die sich nicht allzusehr unterscheiden... Ich nehme mal diesen hier.

1. Angesichts der Vielfalt der antiken astronomischen Aufzeichnungen (Ägypten, China, Griechenland ...), mit denen sich immer wieder auch moderne Astronomen befaßt haben, wäre ein Chronologiefehler von 300 Jahren längst aufgefallen. Da bin ich mir so sicher, daß ich es zugegebenermaßen bislang nicht für nötig hielt, dem selber im einzelnen nachzugehen, obwohl ich grundsätzlich kritisches Hinterfragen für richtig halte.
2. Deshalb eigentlich unnötig, aber anschaulich:
Die Ausbreitung des Islam in seinen ersten 100 Jahren ist so schon verblüffend, faszinierend. Nach Illig fällt sie aber auch noch in die erfundene Zeit! Das fiel mir schon beim ersten Lesen von Illigs Buch auf.
3. Bezeichnenderweise ging Illig zumindest in seinem ersten Buch weder auf Astroonomie noch Islam ein. Nach Stil und Faktenfülle des Buches würde ich aber Illig ohne weiteres für einen fähigen Historiker halten (anders als manchen seiner Jünger). Deshalb möchte ich folgende Erklärung als Hypothese anbieten:

Illig hat, wie er selbst beschreibt, an Themen gearbeitet, bei denen man auf Schritt und Tritt über Fälschungen stolpert. Da drängte sich, vielleicht nach Feierabend beim Wein oder Bier mit Kollegen, der Gedanke auf "Ist denn da überhaupt noch was echt? Man könnte fast meinen, die ganze Zeit wäre eine Erfindung!" - absolut verständlich so weit.
Nun werden gerade dem gewissenhaften Historiker Ruhm und Reichtum selten nachgeworfen. Ein Buch mit dem Titel "Im Mittelalter wurde zeitweise so viel gefälscht, daß man ganze Perioden für frei erfunden halten könnte" würde sich schlecht verkaufen und auch sonst wenig Echo finden. Für Fachleute ist das ja nicht neu, für Laien klingt es zu trocken. Ganz anders, wenn man das "man könnte" scheinbar ernsthaft durchspielt. Ein genialer Marketingtrick für ein Buch über Karl den Großen! Und warum nicht legitim? Er hat dadurch ganz ohne Ritterromantik massenhaft Menschen dazu gebracht sich mit dem Mittelalter auseinanderzusetzen. Leider kann er nicht zugeben, daß das nur ein Kunstgriff war - aber Menschen, die ihm folgendend dem Mittelalter ein solches Maß an Fälschung zutrauen, sind doch wohl selber schuld, wenn sie ihm als modernen Autor jedes Wort glauben.
 
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