Von "Macedonismus", Historiographie und die Geschichte

S

SergejKorolev

Gast
Grüß euch!

Ich habe diesen Thread aus aktuellem Anlass eröffnet, denn wer in Youtube durch die Videos blättert, wird bemerken, das es große Konflikte zwischen den Ländern auf dem Balkan gibt.
Besonders ausgeprägt sind diese Konflikte zwischen FYROM, Bulgarien und Griechenland.
Leider ist auch die Geschichtsschreibung und auch das, was in den Schulen gelehrt wird, auch nicht vor diesen Einflüssen gefeiht...

Die historiografischen Konflikte zwischen Bulgarien und FYROM sind durch Behauptungen von beiden Seiten stark angefacht worden.

Einige davon:

Zar Samuil I. sei der erste Mazedonische König gewesen.
Es gab niemals eine Besiedlung durch die Kuberbulgaren auf dem Gebiet Macedoniens
Kyrill und Method seien Macedonen gewesen.
Die Bulgaren waren ursprünglich ein Tatarisches Volk.

Bei den Griechisch-FYROM Konflikten historiografischer Natur heißt der Zankapfel vor allem Alexander der Große

Ich möchte hier, zusammen mit euch, werte Mitglieder des Forums, klären, was die Gründe hierfür sind, was die Wahrheit ist und wie man diese Konflikte beilegen kann.
 
Hier ist mal ein erster Input (auf deutsch):

Zum Gedenken an den Historiker und Freund Milco Lalkov:
Rez. EG: I. Baeva (Hg.): Ironijata na istorika - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher

Es ist ein Aufsatz, der mal in groben Zügen die bulgarische Historiographie der letzten Jahrzehnte beleuchtet, ihre Entwicklung, ihre Positionen, auch ganz kurz zum Makedonismus. Übrigens werden auch Nachbarn tangiert. Man kann anhand dieses kurzen Artikels vielleicht auch schauen, welche bulgarischen Historiker in welchen ihrer Forschungsgebiete lesenswert sind, und um welche Historiker man vielleicht besser einen Bogen machen sollte, legt man wert auf relative Neutralität und internationalen Standard.

Zitat:
"Resümierend ist festzustellen, dass die “beschwerliche Übergangsphase”, in der Thomas Meininger die bulgarische Geschichtswissenschaft vor einem Jahrzehnt verortet hat [4], ganz offensichtlich weiter anhält."

Und nun ran an die Beispiele von SergejKorolev. Wo sind die Mediävisten und Cracks unter euch? ;)

Gute N8. :winke:
 
Oje oje. Hier im Forum gibt es regelmäßig deswegen Theater, was auch schon mit Sperren für User geendet hat. Ich weiß, dass sich manche deutsche Forianer über diese emotionalen Debatten inzwischen oft lustig machen oder einfach nur genervt sind. Mir geht es ähnlich, beim Stichwort Balkan oder Kurdistan leuchtet die rote Lampe mit Signalton auf...
 
Zuletzt bearbeitet:
Jaa, ich verstehe das.

Ehrlich gesagt geht mir das auch schon tierisch auf dem Wecker...
und ich bin ein Balkaner (Großvater Bulgare, Großmutter Halb-Macedonierin,Halb-Bulgarin).

Das Problem an der Sache ist, dass das ein hervorragender Nährboden für Nationalisten ist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Jaa, ich verstehe das.

Ehrlich gesagt geht mir das auch schon tierisch auf dem Wecker...
und ich bin ein Balkaner (Großvater Bulgare, Großmutter Halb-Macedonierin,Halb-Bulgarin).

Das Problem an der Sache ist, dass das ein hervorragender Nährboden für Nationalisten ist.

Was ich nicht verstehe, ist warum sich die slawischen Bewohner der Fyrom sich heutzutage gerne als Makedonen (in Anlehnung an die antiken hellenischen Makedonen) ansehen und nicht als Bulgaren, was sie ja eigentlich sind oder waren ?

Tito scheint da ganze Arbeit geleistet zu haben !

Und stimmt das eigentlich, dass viele Bewohner Fyroms die bulgarische Staatsangehörigkeit beantragt und bekommen haben ?
 
Sie waren schon vorher ein Teil des jugoslawischen Königreichs, wo man sie vor allem serbisieren wollte, darin liegt auch das Problem, sie wurden im Laufe der Jahrhunderte serbisiert, bulgarisiert, islamisiert ...
Es ist ungefähr dasselbe wie bei Montenegro, vielleicht durch den serbischen Einfluss ein bisschen verschwommener.
Die montenegrinischen Fürsten waren ursprünglich gleich serbische Fürsten, doch im Laufe der Jahrhunderte und der osmanischen Besetzung gingen beide verschiedene Wege, erkennbar an den heutigen Grenzen.
Obwohl sich 40% der Montenegriner als Serben fühlen, fühlt sich der Großteil als eigenständiges Volk mit eigener Geschichte, ja sogar als die "besseren Serben".
Die FYROmakedonier an der serbischen Grenze sprechen eher serbisch, die an der bulgarische Grenze (Strumica) eher bulgarisch, so ähnlich sind auch die Sympathien für die größeren Nachbarn verteilt.
Bei so einer Mischmaschpartie würde ich ungern pauschalisieren.
Tatsächlich nahm sich, glaube ich, der Expräsident Makedoniens, Ljubco Georgevski, gleich nach seiner Wahlniederlage die bulgarische Staatsbürgerschaft.
Es gibt aber genauso Makedonen, welche in den exjugoslawischen Ländern zu großem Ruhm gekommen sind, und sich diesen zugehörig fühlen, beispielsweise der verstorbene Sänger Tose Proeski oder auch Zoran Vanev, da gibt es mehr als genug.

Natürlich ist der Bezug zu den historischen Makedoniern sehr gering, ich verstehe auch wenn das den einen oder anderen Griechen ärgert, aber da ist halt schwer etwas zu ändern, vor allem, da sich dieser Glauben in einem Großteil der Makedonier manifestiert hat, die haben halt ihr eigenes Amselfeld.

Nur kurz:
So musste ich mir auch, während die Unruhen in Makedonien andauerten, auch Sachen anhorchen wie "Wir müssen die Albaner angreifen, Krieg führen, wie Alexander damals !", das ist natürlich zäh, aber dem kannst du nur mit Verständnis gegenüber dem Unwissen entgegenkommen, mehr auch nicht.
 
Brushian, danke für die Info.
Dwas mich wundert, ist das viele (einige?) Slawomakedonen sich anscheinend schwer tun mit dem Gedanken Slawen zu sein. Würden sie sagen, ich bin ein Slawomakedone, weil ich in dem Gebiet lebe und wir haben unsere eigene Geschichte, dann wäre das o.k.
Diese ganzen Alexander- und antike Makedonen-Geschichte irritiert mich jedoch immer wieder.

Mich würde interessieren was bulgarische User zu dem Thema sagen, das war der einzige Grund weshalb ich zu dem Thema überhaupt was geschrieben habe. Diskussionen über antike Makedonen pro oder contra sind für mich uninteressant.
 
Dann sollte unser neuer Forianer S.K. (Raketenpionier) mal was sagen. Ich schätze euch alle, weil ihr wirklich sachlich das Problem angeht. Leider selten der Fall...:winke: Lösen werden wir es auch nicht, das muss in den Köpfen der Menschen geschehen.
 
Slawomakedonen sich anscheinend schwer tun mit dem Gedanken Slawen zu sein

Ganz im Gegenteil, viele sagen, dass sie die nächsten Verwandten der Russen und Ukrainer sind, da die mak/c/zedonischen Namen großteils auf ev, ov und ki enden, das soll mal einer verstehen, die Nordwestmakedonier benutzen gar das serbische "pomozbog" als Gruß, sehen sich auch als ihre direkten Brüder, andere widerum fühlen sich als Bulgaren, die dritten wollen von Bulgarien garnichts hören, verabscheuen es, wenn man sie mit jenen gleichsetzt :w00t1:

Einfach traumhaft ...

Lösen werden wir es auch nicht, das muss in den Köpfen der Menschen geschehen.

Darin liegt das Problem, hehe, am besten einfach jeden das glauben lassen, was er will und keine Konflikte provozieren.:yes:
 
Was ich nicht verstehe, ist warum sich die slawischen Bewohner der Fyrom sich heutzutage gerne als Makedonen (in Anlehnung an die antiken hellenischen Makedonen) ansehen und nicht als Bulgaren, was sie ja eigentlich sind oder waren ?

Tito scheint da ganze Arbeit geleistet zu haben !

Und stimmt das eigentlich, dass viele Bewohner Fyroms die bulgarische Staatsangehörigkeit beantragt und bekommen haben ?
Da gibt es etliche Völker, die eine "andere" Identität im Laufe der Geschichte angenommen haben, die vielleicht nicht mehr viel mit ihrer Ethnie zu tun hat. Da sind die Makedonen nicht alleine. Nehmen wir die Türken, die oftmals (nicht immer) ihre Identität direkt (!) von die zentralasiatischen Türken herleiten, statt richtigerweise von turkifizierten Anatoliern (-Mischmasch). Oder die autochthone Bevölkerung Spaniens, die Westgoten, die häufig nach der arab. Eroberung arab.-islamisiert wurden und bald ihre Identität darin sahen, nicht mehr in ihrer eigentlichen Herkunft. Usw.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann sollte unser neuer Forianer S.K. (Raketenpionier) mal was sagen. Ich schätze euch alle, weil ihr wirklich sachlich das Problem angeht. Leider selten der Fall...:winke: Lösen werden wir es auch nicht, das muss in den Köpfen der Menschen geschehen.

Bin schon da...

Sie waren schon vorher ein Teil des jugoslawischen Königreichs, wo man sie vor allem serbisieren wollte, darin liegt auch das Problem, sie wurden im Laufe der Jahrhunderte serbisiert, bulgarisiert, islamisiert ...
Es ist ungefähr dasselbe wie bei Montenegro, vielleicht durch den serbischen Einfluss ein bisschen verschwommener.
Die montenegrinischen Fürsten waren ursprünglich gleich serbische Fürsten, doch im Laufe der Jahrhunderte und der osmanischen Besetzung gingen beide verschiedene Wege, erkennbar an den heutigen Grenzen.
Obwohl sich 40% der Montenegriner als Serben fühlen, fühlt sich der Großteil als eigenständiges Volk mit eigener Geschichte, ja sogar als die "besseren Serben".
Die FYROmakedonier an der serbischen Grenze sprechen eher serbisch, die an der bulgarische Grenze (Strumica) eher bulgarisch, so ähnlich sind auch die Sympathien für die größeren Nachbarn verteilt.
Bei so einer Mischmaschpartie würde ich ungern pauschalisieren.
Tatsächlich nahm sich, glaube ich, der Expräsident Makedoniens, Ljubco Georgevski, gleich nach seiner Wahlniederlage die bulgarische Staatsbürgerschaft.
Es gibt aber genauso Makedonen, welche in den exjugoslawischen Ländern zu großem Ruhm gekommen sind, und sich diesen zugehörig fühlen, beispielsweise der verstorbene Sänger Tose Proeski oder auch Zoran Vanev, da gibt es mehr als genug.

Natürlich ist der Bezug zu den historischen Makedoniern sehr gering, ich verstehe auch wenn das den einen oder anderen Griechen ärgert, aber da ist halt schwer etwas zu ändern, vor allem, da sich dieser Glauben in einem Großteil der Makedonier manifestiert hat, die haben halt ihr eigenes Amselfeld.

Nur kurz:
So musste ich mir auch, während die Unruhen in Makedonien andauerten, auch Sachen anhorchen wie "Wir müssen die Albaner angreifen, Krieg führen, wie Alexander damals !", das ist natürlich zäh, aber dem kannst du nur mit Verständnis gegenüber dem Unwissen entgegenkommen, mehr auch nicht.


Stimme ich dir voll und ganz zu...

Ganz im Gegenteil, viele sagen, dass sie die nächsten Verwandten der Russen und Ukrainer sind, da die mak/c/zedonischen Namen großteils auf ev, ov und ki enden, das soll mal einer verstehen, die Nordwestmakedonier benutzen gar das serbische "pomozbog" als Gruß, sehen sich auch als ihre direkten Brüder, andere widerum fühlen sich als Bulgaren, die dritten wollen von Bulgarien garnichts hören, verabscheuen es, wenn man sie mit jenen gleichsetzt :w00t1:

Einfach traumhaft ...



Darin liegt das Problem, hehe, am besten einfach jeden das glauben lassen, was er will und keine Konflikte provozieren.:yes:

die Endungen -ev,-ov, und -ki gibt es genauso im Bulgarischen...

BSP: Meine Mutter heisst Swetoslavova Stanulova, mein Halbbruder Georgiev

Der berühmte Bulgarische Schriftsteller hieß Georgi Rakovski

Ich glaube, das die Serben immer noch einen großen Einfluss auf das Bildungssystem in FYROM haben. So sind die meisten Geschichtsbücher Macedonischer Art in Serbien bzw. von Serben geschrieben worden.

Die Reaktion der Bulgaren ist da natürlich hin und wieder sehr amüsant, zB hat Bojidar Dimitrov einen Preis von ich glaube 50 000€ ausgesetzt für denjenigen, der hieb- und stichfeste Beweise hat, das Kyrill und Methodi Macedonen waren.

Bei meinen Macedonischen Wurzeln weiss ich mit Sicherheit, das die sich mit
Sicherheit als Bulgaren sahen, auch der mein Ur-Opa, der ein Geschäftsmann größeren Kalibers in Skopje war.

Leider verabscheuen einige Macedonen die Bulgaren, aber die paar sind meistens serbische Macedonen. Man kann da nichts gegen machen, aber man kann vielleicht mit Hilfer solcher Foren wie hier der aktiven Verfälschung der Geschichte entgegenwirken, indem man neutral und wertfrei diese Themen behandelt.
 
Das es "serbisch" und "bulgarisch" orientierte Slawo-Mazedonen gibt höre ich jetzt zum ersten Mal... Dachte, dass die Fronten recht klar zwischen Menschen slawischer und albanischer Abstammung laufen.

MOD: Tagespolitische Passage entfernt...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Oder die autochthone Bevölkerung Spaniens, die Westgoten, die häufig nach der arab. Eroberung arab.-islamisiert wurden und bald ihre Identität darin sahen, nicht mehr in ihrer eigentlichen Herkunft. Usw.
Das kann man nicht so sagen. Die meisten Aufstände gegen die cordobesische Zentralherrschaft wurden nicht von Christen sondern von muwalladun, also arabisierten Römern und Goten getragen, die Banu Qasi hatten sich ihr Patronym nach ihrem römischen Vorfahren Cassius abgeleitet und ein hoher Beamter des Kalifenhofes, Ibn al-Qutiyya ('Sohn der Gotin') leitete seine Herkunft vom westgotischen König Witiza ab. Die 'Gotin' war dessen Tochter Sarah, die der Legende nach, um ihr Erbe gegen ihre Brüder zu verteidigen bis nach Damaskus zum Kalifen gezogen war und zurück in Spanien einen Offizier des Tariq geheiratet hatte. Das Bsp. ist also zum Vergleich mit den verschiedenen Formen des Makedonismus schlecht geeignet.
 
Das kann man nicht so sagen. ... Das Bsp. ist also zum Vergleich mit den verschiedenen Formen des Makedonismus schlecht geeignet.
Komisch, das hatte ich in einigen deiner Post so ähnlich mal gelesen, oder zumindest zu zusammenfassend aufgefasst. Als es darum ging, den Begriff "Reconquista" nicht zu verwenden. Aber egal, ich denke, es wird Mike H. klar sein, dass die Makedonen nicht die einzigen waren/sind.
 
Komisch, das hatte ich in einigen deiner Post so ähnlich mal gelesen, oder zumindest zu zusammenfassend aufgefasst. Als es darum ging, den Begriff "Reconquista" nicht zu verwenden. Aber egal, ich denke, es wird Mike H. klar sein, dass die Makedonen nicht die einzigen waren/sind.

Dann muss ich Dich falsch verstanden haben. Oder Du mich. Aber das sollten wir an passenderer Stelle klären.
 
ALso ich kenne mich mit dem Thema nicht so gut aus, aber ich habe mal gelesen (weiss leider nicht mehr wo), dass Mazedonen ursprünglich einfach nur eine MIschung aus Serben und Bulgaren sind, welche dann zu einem eigenen Volk erhoben wurden.
Dass sich so gut wie alle MAzedonen als Nachfahren der antiken Makedonen fühlen ist, glaub ich, unbestritten, aber ich denke, dass dies doch eher Wunschdenken ist.
ZUmal es, soweit man das überhaupt feststellen kann, keinen Bezug zur antiken makedonischen Sprachen gibt:

JOna Lendering: Ancient Macedonia:
Much is still uncertain, but two conclusions appear to be irrefutable:
  1. The Macedonians did not speak a Slavic language, which belongs to an altogether different branch of Indo-European, called Balto-Slavo-Germanic;
  2. Macedonian and Greek were related but different, but it is not certain whether they were different languages (which means that they have a different grammar and syntaxis) or dialects.
Allerdings gibt es da auch zu wenig Material als das man etwas mit Sicherheit behaupten könne.
 
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