Los der Zivilbevölkerung unter sowjetischer Besatzung

Barbarossa

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In Fernsehdokus wird z. Z. recht häufig über den Zweiten Weltkrieg berichtet, auch, wie sich die Rote Armee zur Zivilbevölkerung verhielt. Ich habe schon viele dieser Dokus gesehen in denen Zeitzeugen auch oft berichteten, daß ihr Leid nicht mit dem Ende des Krieges vorbei war. Das betraf zwar in besonderem Maße die deutsche Bevölkerung aus den Ostgebieten, da sie ja rigoros vertrieben wurden, falls sie nicht schon vorher geflüchtet waren, oder auch von massenhaften Vergewaltigungen in der SBZ.
Aber es litt eben nicht nur die deutsche Zivilbevölkerung unter der Besatzung, sondern z. B. auch die Ostpolen, die durch die "Umsiedlungspolitik" Stalins ganz genau so ihre Heimat verloren, weil sie in Zügen in die bis dahin deutschen Ostgebiete deportiert wurden.

Meine Frage zu dieser Thematik lautet nun:
Wie erging es der Bevölkerung in den übrigen Ländern?
Möglicherweise gab es da je nach Gebiet bzw. Land auch Unterschiede.

Wie war es:
- in den Baltischen Ländern,
- im Kern-Polen (das von Umsiedlungen nicht betroffen war),
- in den übrigen späteren Ostblock-Staaten (CSSR, Ungarn, Rumänien, Bulgarien),
- im östlichen Österreich (inklusive Wien),
- auf der Insel Bornholm (1945/46 unter sowjetischer Besatzung)
 
"Das Schwarzbuch des Kommunismus 2" (deutsche Ausgabe) gibt u.a. Auskunft über die Sowjetisierung in Rumänien, Bulgarien und Estland. Daneben werden auch die Verbrechen der griechischen und italienischen Kommunisten in der Zeit der Komintern beleuchtet. In verschiedenen anderen Ausgaben Osteuropas wurden zusätzlich in den Ländern wo das Buch erschien eine nationale Analyse vorgenommen.
Der spanische Bürgerkrieg 1936-1939 war Tummelplatz der sowjetischen Kommunisten und ihrer Jagd nach nicht hundertprozentig gleichgeschalteten Linken. Eine Republikanisierung wie es ein großer Teil der Spanier beabsichtigten war nicht im Sinne der Sowjetunion. Zudem war Spanien viel zu weit aus dem sowjetischen Machtbereich entfernt.

Zu Bornholm: die Rote Armee war auf dem Eiland nicht einmal 12 Monate.

Die deutsche Bevölkerung wurde keineswegs aus den deutschen Ostgebieten von der Roten Armee vertrieben. Über Vertreibung der Deutschen aus dem "sowjetischen Teil" Ostpreußens habe ich keine Literatur.
Im heutigen Polen waren die Grundlagen der Vertreibung der deutschen Bevölkerung:
* Dekret des Ministerrats vom 28. Februar 1945 über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Volksgemeinschaft.
* Gesetz vom 6. Mai 1945 über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Volksgemeinschaft.
* Gesetz vom 6. Mai 1945 über das verlassene und aufgegebene Vermögen.
* Gesetz vom 3. Januar 1946 betreffend der Übernahme der Grundzweige der nationalen Wirtschaft in das Eigentum des Staates.
* Dekret vom 8. März 1946 über das verlassene und ehemals deutsche Vermögen.
* Verordnung des Ministers für die wiedergewonnenen Gebiete vom 24. März 1946 über die Durchführung einer Erfassung des ehemals deutschen beweglichen Eigentums.
* Dekret vom 13. September 1946 über den „Ausschluß von Personen deutscher Nationalität aus der polnischen Volksgemeinschaft“

Hierzu gehören auch die slawischen Masuren. Durch jahrhundertelange Germanisierung waren sie bei den Polen ab 1945 als Deutsche geführt. Nur durch Bekennung zum Polentum (da sie auch slawisch sprachen) konnten die Masuren einer Vertreibung durch obige Gesetze entgegenwirken.
 
Als Klassiker gilt hier Alfred de Zayas' ""A Terrible Revenge. The Ethnic Cleaning of the East European Germans" (1985), das im Jahr 1986 unter dem Titel "Anmerkungen zur Vertreibung der Deutschen aus dem Osten" auch in deutscher Sprache erschienen ist.

Daneben sehr informativ (und quasi aus erster Hand):
"Ostpreußisches Tagebuch: Aufzeichnungen eines Arztes aus den Jahren 1945 - 1947 " von Hans Graf von Lehndorff.

Zur Umsiedlung von Russen ins bis dahin deutsche Ostpreußen:
"Als Russe in Ostpreußen: Sowjetische Umsiedler über ihren Neubeginn in Königsberg/Kaliningrad nach 1945" von Eckhard Matthes.
 
"Hierzu gehören auch die slawischen Masuren. Durch jahrhundertelange Germanisierung waren sie bei den Polen ab 1945 als Deutsche geführt. Nur durch Bekennung zum Polentum (da sie auch slawisch sprachen) konnten die Masuren einer Vertreibung durch obige Gesetze entgegenwirken.

Nicht nur Masuren. Auch Teil der Kaschuben und vor allem, was ist am meissten traurig, Słowińcy (keine Ahnung wie sie auf deutsch heissen - Slowintzen?). Die slawische Minderkeit, getrennt von Kaschuben, mit eigenem Dialekt und Literatur. Musem der slowinischen Kultur gibt es jetzt in Słupsk. In jeder polnischen Enzyklopadie wirst Du lesen, dass "der letzte Słowiniec in 1968 gestorben ist". Das ist nicht Wahrheit. In 1945 Słowińcy sprachen schon nur deutsch, und als "Deutsche" wurden zu Emigration gezwungen.
Aus Weischselmundung wurden aber auch die "Olendry" vertiebt. Wenn Du die Landkarte der Weichselmundung nimmst, wirst Du dort das regulare, geometrische Kanal-Netz sehen. In XVII Jhd. haben hier unsere Konige die Emigranten aus Niederlanden besiedelt, die als Mennoniten vor religiosen Verfolgungen weglaufen mussten. Sie konnten im Polen wohnen, aber mussten bei Regulazion der Weichselmundung arbeiten.
 
Nicht nur Masuren. Auch Teil der Kaschuben und vor allem, was ist am meissten traurig, Słowińcy (keine Ahnung wie sie auf deutsch heissen - Slowintzen?).

Die heißen (bzw. hießen) Slowinzen.

In jeder polnischen Enzyklopadie wirst Du lesen, dass "der letzte Słowiniec in 1968 gestorben ist". Das ist nicht Wahrheit. In 1945 Słowińcy sprachen schon nur deutsch, und als "Deutsche" wurden zu Emigration gezwungen.

Es ist mitunter nicht ganz einfach, den Tod einer gesprochenen Sprache aufs Jahr genau festzulegen. 1945 war Slowinzisch sicher keine gesprochene Sprache mehr, es gab aber noch alte Leute, die es in ihrer Jugend halbwegs gelernt hatten und noch ein paar Brocken beherrschten. Es wäre also schon möglich, daß der letzte Slowinze, der noch ein kleines bißchen Slowinzisch konnte, erst 1968 verstorben ist.
http://www.uni-klu.ac.at/eeo/Slowinzisch.pdf
 
^Zum nördlichen Ostpreußen:
Danke Repo!
Das war jetzt eine sehr interessante Leselektüre - aber auch ziemlich erschütternd.
:winke:

Meine Großmutter mußte auch flüchten und zwar aus Pommern. Sie erzählte, daß ihr die Flucht auf einem Schiff gelang, mit dem sie nach Rügen fuhr. Das war auch für sie eine schwere Zeit (genau wie für alle meiner Großeltern, da sie durchweg alle Heimatvertriebene sind bzw. waren), aber gehungert hat sie nicht, wie sie mir ausdrücklich sagte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wäre also schon möglich, daß der letzte Slowinze, der noch ein kleines bißchen Slowinzisch konnte, erst 1968 verstorben ist.
http://www.uni-klu.ac.at/eeo/Slowinzisch.pdf


Ich glaube, dass das einfach die offizielle Version war, um das Slowinzen-Problem zu enden. Besonders, dass sich die polnischen Antropologen und Sprachwissenschaftler seit 1960en immer mehr fur Slowinzen interessiert haben (Skansen in Kluki, Museum in Słupsk, zahlreiche Untersuchungen von Unversitat Krakau in dieser Zeit).
 
Danke Repo!
Das war jetzt eine sehr interessante Leselektüre - aber auch ziemlich erschütternd.
:winke:

Meine Großmutter mußte auch flüchten und zwar aus Pommern. Sie erzählte, daß ihr die Flucht auf einem Schiff gelang, mit dem sie nach Rügen fuhr. Das war auch für sie eine schwere Zeit (genau wie für alle meiner Großeltern, da sie durchweg alle Heimatvertriebene sind bzw. waren), aber gehungert hat sie nicht, wie sie mir ausdrücklich sagte.

Aus dem Bestiz meiner Schwiegermutter steht in meinem Bücherregal die "Pommersche Passion"
war wohl ganz anders, aber auch erschütternd, fürchterlich.
falls es Dich interessiert kann ich ISBN usw. heraussuchen.

Schwiegermamas ältester Sohn hat die Flucht nicht überlebt, (der 2. starb an der Mauer) Schwiegerpapas 1. Frau und Sohn sind sei Januar 1945 verschollen,

Ich denke man muss diese Berichte einfach auch lesen, um diese Menschen überhaupt verstehen zu können.
 
Meine Grosseltern erzählten mir das an dem Tag als die Russen ins Glatzer Gebiet (Schlesien) kamen für kurze Zeit das Plündern aufhörte. Denn Polnische, Tschechische Partisanen ( oder Strauchdiebe?) und die Reste der Wehrmacht wechselten sich ab, wenn es ums Plündern ging. Von den Russen selbst ging keine Agression oder Plünderung aus, es wurden lediglich gewisse zuvor autoritättragende Leute verhaftet (wenn sie nicht schon vorher von Nachbarn gelyncht wurde und flohen).
 
Hat eigentlich einer nähere Infos zu Treuenbrietzen?
Anfang Mai 1945

Ich meine jetzt nicht die Ermordung der italienischen "Fremdarbeiter".
 


Das kenne ich, aber natürlich danke fürs raussuchen.

Es scheint da aber tatsächlich eine größere "..." gegeben zu haben. Die über das damals übliche hinaus geht.
Von einer "Stadt ohne Männern" usw. ist die Rede.

Nur ist es mir bisher nicht gelungen etwas zu finden, was ich mir getraue "ohne Zange" anzufassen.
Oder relativ nichtssagende und vorsichtige siehe oben.
 
FOCUS Online schrieb:
Gemeinhin wertet man die Verbrechen der Roten Armee als Vergeltung für die deutschen Untaten in der Sowjetunion – und wer wird diese Ursache leugnen wollen? Allerdings führten sich die Sowjettruppen in den Ländern, die sie von den Nazis „befreiten“, ebenfalls wie Barbaren auf, sie plünderten und vergewaltigten im Baltikum genauso wie auf dem Balkan, und als sich der jugoslawische Kommunist Milovan Djilas bei Stalin darüber beschwerte, fragte der, was denn schon dabei sei, wenn sich ein Soldat „mit einer Frau amüsiert, nach all den Schrecknissen“.
Das beantwortet meine ursprüngliche Frage weitgehend.

Danke!
 
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