Joghurt und die osmanische Küche

Na also, dann ist dieses anscheinend auch vielleicht ein "Mythos" bulgarischer Nationalisten... (Obwohl diese dann ja das Wort als "thrakisch" bezeichnen mögen...)
Vielleicht sollten wir mal Sergei Koroljew fragen, der müsste es 100%ig wissen, wie es heute dort heißt.
 
Na also, dann ist dieses anscheinend auch vielleicht ein "Mythos" bulgarischer Nationalisten... (Obwohl diese dann ja das Wort als "thrakisch" bezeichnen mögen...)
Vielleicht sollten wir mal Sergei Koroljew fragen, der müsste es 100%ig wissen, wie es heute dort heißt.

Es gibt ja auch das Synonym "kiselo mljako", das dürfte das heute allgemein übliche Wort sein.
 
Im Russischen gibt es "kisloe moloko" übersetzt saure Milch. Laut russischer Enzeklopedie
ist Jogurt (ein Wort aus dem türkischen) ein Getränk der Völker Vorderasiens aus saurer Milch.
 
Die Anhänger der Mysterien des Orpheus glaubten daran, daß die Seele im Körper wie in einem Gefängnis eingeschlossen und durch Leidenschaften und Triebe an ihn gebunden sei. Deshalb müsse sich der Mensch durch Askese einer Reinigung unterziehen. Dazu gehörte der Verzicht auf den Verzehr von Fleisch und das Schlachten von Tieren. Orphiker gelten als die Ur-Erfinder des Joghurts. Viele von ihnen trugen Kleider aus Hanf. Ähnlich wie die Inder in der buddhistischen Lehre sahen die Orphiker im Dasein eine abzubüßende Strafe und hingen der Lehre von der Seelenwanderung an. Sie glaubten auch an eine Ursünde des Menschen. Und wie die buddhistischen Inder gingen sie davon aus, daß man durch ein frommes und reines Leben dem Kreislauf der Wiedergeburten entkommen könne.

aus: Eurasien historisch: DIE THRAKER - Eurasisches Magazin
 
Hi,
wie versprochen, Scan-Zitate, aus einem seriösem Werk. (Willkürliche) Auszüge in diesem Post, der Rest der Zitate im Anhang.

Autor betrieb ausgedehnte Feldstudien, um den Rätseln der vielfältigen Küchen in jedem Tal mit charakteristischen Unterschieden aufzuspüren.

Es werden hier also nicht nur die osmanische Palastküche angesprochen, sondern auch die Volksküchen. der einfachen Bauern und Nomaden.

Patricia Rochard/Boehringer Ingelheim (Hg): Türkei. Abendland begegnet Morgenland. 16.-18. Jh. Eine Ausstellung im Rahmen der Internationalen Tage Ingelheim. Mainz 1992. S. 200 ff.

Große Imperien haben große Küchen hervorgebracht. Der fruchtbare Boden und die Tüchtigkeit der Bauern und Fischer des türkischen Reiches, verbunden mit der Begeisterung und dem Können seiner Küchenchefs und häuslichen Köche, haben feine, wohlschmeckende Gerichte entstehen lassen, die die türkische Küche neben der französischen und chinesischen zu einem der drei herausragendsten Beispiele für kulinarische Kunst in der Welt gemacht haben. Im Lauf ihrer Entwicklung, von der Küche der türkischen Stämme Zentralasiens bis zu der Küche von heute, hat die türkische Kochkunst einen individuellen Charakter angenommen, der in der Anlage der Küche, den Kochgeräten, den Gerichten und Garmethoden, dem Anrichten von Speisen und in bestimmten Sitten zum Ausdruck kommt. Abwechslungsreichtum und Vielfalt werden auf jedem Gebiet der Kochkunst gleichermaßen gepflegt.

Die Geschichte der türkischen Küche kann unterteilt werden in die zentralasiatische, die Seldschuken- und die osmanische Periode:

Die zentralasiatische Periode (vor 1038)

Das Wissen über die Nahrung und die Eßgewohnheiten der frühen türkischen Nomadenstämme in Zentralasien ist begrenzt und beruht auf Mutmaßungen. Wahrscheinlich ernährten sie sich, ebenso wie andere Nomadenstämme, von Schafs- und Pferdefleisch, ungesäuerten Backwaren oder Brot aus Weizenmehl, Milch und Milchprodukten wie Joghurt. Man weiß heute, daß Koumiss, ein fermentiertes Getränk aus Stutenmilch, und Ayran getrunken wurden. Hinweise aus Gemeinden von Kazantürken und Tataren in Anatolien, die noch immer viele zentralasiatische Bräuche bewahrt haben, deuten darauf hin, daß eine Reihe von Nahrungsmitteln aus der zentralasiatischen Periode bis heute überlebt hat. Mantı (eine Art Ravioli), Çörek (ringförmige Brötchen), verschiedene Pasteten und Tarhana (eine Art getrockneter Quark), sie alle stammen aus Zentralasien. Eine der frühesten schriftlichen Quellen über die präislamischen Türken, die Orhun-lnschriften, bezieht sich auf eine Begräbniszeremonie für einen Regenten der Göktürken, der zwischen dem sechsten und dem achten Jahr-hundert ein großes Reich in Zentralasien errichtete. Sie zeigt, daß diese Jäger sich hauptsächlich von Hirsch- und Hasenfleisch ernährt haben.

Die Periode der Seldschukenherrscher (1038-1299)

Aus der Zeit der Seldschukensultane haben mehr schriftliche Informationen über die Ernährung überlebt. Der »Divanu Lugat-i Turk«, ein Wörterbuch, das Kaşgarlı Mahmut in den Jahren 1072 und 1073 zusammenstellte, um die Araber Türkisch zu lehren, enthält nicht nur die Namen bestimmter Nahrungsmittel, sondern beschreibt auch einige Gerichte. Zu denen, die als alte türkische Gerichte bezeichnet werden, gehören: Tutmac Nudelsuppe); Yufka (flaches, ungesäuertes Brot); Katma, Juga oder Katmer (ein Schichtgebäck); Ekmek (Brot); Joghurt; Ayran; Kımız; Koumiss; Çörek (ein ringförmiges Brötchen); Pekmez (Sirup aus gekochtem Traubensaft); und Kavut Helva (eine Speise aus Reismehl). Es gibt auch Hinweise auf das Kochen in einer Erdgrube, auf die Verwendung von Grillrosten, Spießen und irdenen Kochgefäßen.
[...]

Eintopf (Yahni), Speisen am Spieß (Kebabs), eine Suppe aus Weizenmehl und Joghurt (in Anatolien Togya Çorbasi genannt), Sauerrahm, Joghurt, Käse, Getränke wie Milch, Ayran, Koumiss und Wein - all das wurde laut den Erzählungen von Dede Korkut verzehrt. Die literarischen Werke von Mewlana Jala-luddin-i Rumi, der im 13. Jahrhundert lebte, enthalten viele Hinweise auf die Eßkultur dieser Zeit. Mewlana, der die Philosophie von Harmonie und Zusammenarbeit vertrat, die Menschen in Liebe vereinen kann, liefert unschätzbare Informationen zum Thema Essen.
[...]

Als der Seldschukenherrscher Alaaddin Keykubat I. (1227-1237) zum ersten Mal als Monarch in Konya, der Hauptstadt des Seldschukenreiches, eintraf, gab es Feuerwerke und Zeremonien, wie man sie nie zuvor gesehen hatte, und es wurden Bankette und Trinkgelage ausgerichtet. In H. T. H. Houtsma's Ausgabe der »Seldschukenarchive« werden diese Festmähler wie folgt beschrieben: »Verschiedene Arten von Reis und geschmorte Hauptgerichte, gedünstete und gebratene Gemüse, Fleischragouts, ungeschälte, in heißer Asche gegarte Gemüse, Braten, gegrillte Hühner, Tauben, Rebhühner und Wachteln, alles in Gold- und Porzellanschüsseln, wurden gemäß den Traditionen der beiden ogusischen Türkenstämme auf einem erhöhten Platz angerichtet. Ogusischen Bräuchen entsprechend trank man Koumiss und eine Vielfalt von gesüßten Fruchtsäften.«
[...]
Die Germiyan-Oğlu-Beyi-Yakup-Bey-Suppenküche in Kütahya beispielsweise bot ihren Mitgliedern und Reisenden, die Obdach suchten, zwei Mahlzeiten und vier Laibe Brot täglich: ein Fleischgericht täglich (sowohl das Gericht als auch das Brot mußten hervorragend sein); Reis und Weizensuppe; Fleisch, Reis und Gemüse, wie Spinat und Rüben; Helva aus Mehl, Butter und Zucker sowie süßes Backwerk mit Honig. Für diejenigen, die zu spät für die Mahlzeiten eintrafen, gab es Butter, Käse und ungesäuerte Brotfladen.
[...]

Die osmanische Periode (1299-1923)

Während der osmanischen Periode wurde die türkische Küche immer mehr verfeinert. In den Palastküchen und in den Häusern des Adels und hoher Beamter erreichte die spezialisierte Kunst der Köche ein sehr hohes Niveau. So entstand die Istanbuler Küche oder Palastküche, die als Höhepunkt der türkischen Kochkunst gilt. Als Sultan Mehmet II. der Eroberer, 1453 Konstantinopel besetzte, befahl er als erstes den Bau eines Palastes, in dem er residieren konnte. In einem berühmten kaiserlichen Dekret legte er die Anstandsregeln fest, denen bei Hofe zu folgen war, die Regeln des Protokolls, denen gehorcht werden mußte, und die Tischsitten, die im 1478 vollendeten Topkapi-Palast gelten sollten.
[...]

Die bereits im Mewlewije-Kloster im 13. Jahrhundert auszumachende kulinarische Spezialisierung fand ihre Vollendung im 15. Jahrhundert. Das gesamte Personal der Palastküchen strebte danach, exquisite Gerichte zu kreieren, und experimentierte mit neuen Ideen, um bestehende Gerichte zu verbessern. Der Adel und die Beamten bewirteten einander regelmäßig und wetteiferten darum, die besten Speisen anzubieten. Diejenigen, deren Küchen denen des Palastes nicht nachstanden, erlangten Ruhm, und die Sultane beehrten sie mit einem Besuch. So wurde während der Regierungszeit von Sultan Mehmet II. der Großmufti Abdullah Molla (das Oberhaupt der islamischen Staatskirche, das im Rang direkt nach dem Großwesir kam, dem Oberhaupt der Regierung) für seine Großzügigkeit, seinen Reichtum, seine Vornehmheit und seine Küche berühmt. Eines Abends, zur Zeit des Fastenbrechens im Ramadan, versammelte der Sultan seine Minister und stattete der Residenz des Muftis einen unangemeldeten Besuch ab. Der Diener, der sich plötzlich dem Sultan gegenübersah, eilte aufgeregt zu seinem Herrn. Der Mufti ermahnte den Diener, nicht in Panik zu geraten, und wies ihn an, dem Sultan sein eigenes Mahl zu servieren und den anderen Gästen zwei oder drei Tabletts von den Speisen zu reichen, die für den Harem reserviert waren. Nach dem Mahl lobte der Sultan die Üppigkeit der Gerichte und bewunderte die Bedienung und das Tafelgeschirr, wollte aber wissen, wieso das Kompott aus getrockneten Früchten (Hoşaf), das auf das Reisgericht folgte, nicht in einer ebenso kunstvollen Schüssel serviert worden sei wie die anderen Speisen. Der Mufti erklärte, um die Textur der Frucht nicht zu verderben, erlaube er nicht, daß sie mit zerstoßenem Eis angerichtet werde, sondern lasse statt dessen den Saft in einer Schalenform gefrieren und das Kompott in dieser Eisschale reichen. Ebenso wie in den Palastküchen wurden in den Küchen aller großen osmanischen Häuser Köche beschäftgt, die sich innerhalb der kulinarischen Kunst spezialisiert hatten.
[...]
Unter osmanischer Herrschaft wurden nur die besten Zutaten nach Istanbul gebracht. Der Verkauf minderwertiger Nahrungsmittel wurde durch ein System sehr strenger Kontrollen verhindert.
[...]​

Zweifellos hat es in der Entwicklung der türkischen Küche viele gegenseitige Befruchtungen gegeben. Als die Türken von Zentralasien nach Westen kamen, wurden sie beeinflußt von den Küchen der Länder, die sie durchquerten, und auch von einigen Speisen früherer anatolischer Kulturen. Ein wichtiges Merkmal der türkischen Küche ist ihre Fähigkeit, alles erfolgreich anzupassen, was sie übernommen hat.
[...]

Çerkez Tavuğu (tscherkessisches Huhn), Arnavut Çiğeri (albanische Leber), Kürt Köftesi (kurdische Fleischbällchen) und Arap Köftesi (arabische Fleischbällchen) sind Beispiele für ausländische Gerichte, die in der türkischen und anatolischen Küche weit verbreitet sind.[..]

Mahlzeiten und Sitten
[..]

Es heißt, diese Mahlzeit habe ihren Namen erhalten, weil die Männer, die den ganzen Abend außer Haus waren, um zu trinken, mitten in der Nacht heimzukommen pflegten und ihre Frauen baten, ihnen ein Frühstück oder eine Suppe zu machen, um das Getrunkene zu kompensieren. Die Frau, ärgerlich, aber aus Respekt schweigend, murmelt: »Nimm, leg dich aufs Ohr und laß mich in Ruhe!«
[..]​

Tischdecken und Bedienung
[..]

Im elften Jahrhundert wurden zu religiösen Festtagen oder anläßlich von Hochzeiten eines Khans Bankettgerichte, bekannt als Kenc Liyu, in Form eines Minaretts aufgetürmt, das bis zu 30 Arşin (ein altes türkisches Maß, das etwa 70 cm entspricht) hoch war, und das die Besucher dann zerstörten und verzehrten.
[..]​

Im Palast von Istanbul gab es Festmähler, bei denen bis zu 100 Speisen gereicht wurden; in Anatolien waren es bis zu 40.
[..]
Es wird vorgeschlagen, als Mezes mindestens 40 oder 50 verschiedene Dinge und reichlich Haselnüsse, Pistazien und Mandeln anzubieten; der Tisch sollte üppig gedeckt sein mit Fischrogen, Kaviar und verschiedenen Arten von Pastirma (Dörrfleisch, gewürzt mit Kümmel und Knoblauch), und mit Ausnahme von Reis sollten schwere Speisen wie gefüllte Pasteten und dergleichen vermieden werden. Angeblich wurden in späteren Zeiten in verschiedenen Tavernen Istanbuls Abendmahlzeiten mit ungefähr der gleichen Vielfalt an Speisen angeboten, und der Bezirk Yedi Kule (Sieben Türme) soll wegen seiner Mezes einen besonderen Ruf gewonnen haben.
[..]

Wollt ihr mehr?
 

Anhänge

  • türkische Küche.txt
    77,8 KB · Aufrufe: 1.368
Zuletzt bearbeitet:
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen! Ich habe übers Wochenden Besuch von einem Freund aus Zentralasien..einige der oben genannten Speisen (Manty usw) bildeten meine Nahrungsgrundlage in den letzten Tagen.

Kymis (vergorene Milch mit bis zu 16 % Alkohol) kann man mittlerweile auch in Deutschland kaufen (leider nur mit ca. 2 %).


P.S. Tarhana, das Zeug sieht aus wie Golfbälle, ist genauso Hart und schmeckt ..widerlich!
 
Tarhana wird als erste Instantsuppe bezeichnet. Musste wahrscheinlich nicht "roh" essen, sondern daraus ne schmackhafte Suppe herstellen. Ich kenne es jedenfalls nur als Suppe, und diese ist so milde im Geschmack, bzw. so "deutsch"/"international", dass du sicherlich irgendwas falsch gemacht hast? ;) Oder ist du einen Maggi-Brühwürfel auch roh im Stück? ... :D
 
Zuletzt bearbeitet:
ahh, das kann sein, denn ich hatte versucht das Zeug zu knabbern! :weinen: Weil ich nicht wusste wozu das nütze sein sollte, man übersetzte es mir in etwa als :"trockene Smetana (Sahne)"
 
Also, das nenne ich mal einen echt köstlichen Beitrag...

Dann werde ich mal meinen bulgarischen, jogurt-geschmacklichen Senf dazugeben.

Ich habe oft gelesen, die Thraker haben das Joghurt bereits so gemacht, wie es noch heute in Bulgarien gemacht wird.

Sie sollen für Ihre Joghurt-Produktion (auf bulgarisch "Кисело мляко" = "saure Milch") ein Bakterium genutzt haben, der nur auf dem Balkan vorkommen soll, den sogenannten Lactobacillus Bulgaricus (der ist auch der Grund, warum die Joghurtprodukte des Balkans so einzigartig köstlich sind).

Mir scheint das ganz plausibel, da die Thraker ja für ihre Viehzucht bekannt waren...aber auch die Osmanen haben vieles gebracht.

Produkte wie Ayran (Frage: Ist Ayran und Ayrak eigentlich das gleiche?) und Kefir sind in Bulgarien ausserordentlich beliebt.

@askan: Bei welchen Geschäften kriegt man kymis? Weisst du was von Österreich? (Bin Med-Trinker, und möchte auf kymis umsteigen).

 
Aksan, Muhahahaharhar. Andere Länder, andere Sitten... was hast du denn für Freunde, wollten die dich veräppeln... Naja, nun weißt du ja, das die Suppe eigentlich gut schmeckt, den rohen Tarhana hab ich noch nie probiert...

Wir haben ja schon festgestellt, dass der Joghurt wahrscheinlich eine parallele Erfindung in verschiedenen Regionen sein könnte. Vielleicht haben ja auch die Reiternomaden der Skythen dieses in ganz Eurasien verbreitet? Jedenfalls ist Joghurt etymologisch türkisch.

Ich scanne nochmal was, auch zur griechischen Küche, aus einem Mittelmeerkochbuch, wo in einzelnen Kapitel durch kulinarische Historiker einige Ursprünge erläutert werden.
OK?
 
Wir haben ja schon festgestellt, dass der Joghurt wahrscheinlich eine parallele Erfindung in verschiedenen Regionen sein könnte. Vielleicht haben ja auch die Reiternomaden der Skythen dieses in ganz Eurasien verbreitet?

Könnte gut möglich sein. Immerhin waren die Skythen und die Thraker dicke Homies...und die Thraker haben dann das Joghurt "perfektioniert".

Jedenfalls ist Joghurt etymologisch türkisch.

Will ich nicht abstreiten.

Ich scanne nochmal was, auch zur griechischen Küche, aus einem Mittelmeerkochbuch, wo in einzelnen Kapitel durch kulinarische Historiker einige Ursprünge erläutert werden.
OK?

Ich bitte darum!

Kannst mir gleich was über Bifteki Jemisto mitsenden...ich kriege dieses Gericht einfach nicht hin...
 
So, hier nun erstmal Auzüge aus dem Balkan-Kapitel (inkl. Griechenland) - Türkei kommt später:
aus:
Goldstein, Joyce [Mitarb.], Johnson, Peter [Mitarb.], Ehrhardt, Cornell [Übers.]: Rund um das Mittelmeer : eine kulinarische Reise ; mit 235 Originalrezepten aus Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Israel, Libanon, Syrien, Türkei, Griechenland, Zypern, Italien, Spanien, Korsika und der Provence. München Christian Verlag 1995. 3-88472-265-4

S. 20:
Das dreikontinentale Osmanische Reich war das letzte und in vielerlei Hinsicht auch das größte der Imperien am Mittelmeer. Im 16. Jahrhundert eroberte Mehmet II. Konstantinopel und festigte damit die Einheit des Osmanischen Reiches. Unter Süleyman drangen die Osmanen sogar bis nach Wien vor, und das »Reich der drei Meere« erstreckte sich von Ungarn bis zum Irak und von der arabischen Halbinsel bis zum Maghreb. In den Reichszentren Istanbul und Damaskus blühten Handel und Gewerbe. Als Erben der klassischen islamischen Kultur und zahlreicher byzantinischer Traditionen (die religiösen selbstverständlich ausgenommen) schufen die Osmanen eine kraftvolle und fruchtbare Synthese kulinarischer Stile, die sich in weiten Teilen Europas und der arabischen Welt niederschlug.
[...]
S. 22:
Das Nachweisen kultureller Einflüsse ist eine heikle und vage Angelegenheit. Häufig gerät man dabei mit dem Nationalstolz eines Volkes in Konflikt, und eindeutige Quellen und Belege stehen selten zur Verfügung. Selbst im Bereich der Literatur und der Kunst, wo unter Umständen konkrete Daten analysiert werden können, steht man vor ähnlichen Problemen. [...] Die Etymologie der Namen von Nahrungsmitteln und Gerichten ist vermutlich der beste und zuverlässigste Anhaltspunkt. Wenn in einer bestimmten Nationalküche der Name einer Speise aus einer fremden Sprache übernommen wurde oder sich davon ableitet, liegt es nahe, daß auch die entsprechende Speise übernommen wurde - insbesondere, wenn die Ursprungssprache die einer siegreichen Staatsmacht oder Kultur ist. Beispiele hierfür sind die arabischen Lehnwörter, die man im Spanischen, im Italienischen und vereinzelt auch im Französischen findet, sowie die türkischen Bezeichnungen in der Küche Griechenlands und des Balkans. [...]
S. 23:
Aufgabe eines kulinarischen Historikers ist es, in jedem Fall aufzuzeigen, wer was von wem übernommen hat.

S. 120:
Ein Großteil der heutigen griechischen Küche geht auf die jahrhundertelange osmanische Herrschaft zurück. Ein Beleg hierfür ist die große Zahl von griechischen Speisenamen, die sich aus dem Türkischen ableiten: dolmathes, gefüllte Gemüse, von dolma; pilafi, Reis, von pilav; keftedes, Hackfleischklößchen, von köfte; tsoureki, süßes Brot, von çörek; yuvetsi, Schmortopf, von qüvec; tsatziki, Gurken-Joghurt-Salat, von cacik; lukoumades, Fettgebäck, von lokma; bourekakia, Teigtaschen, von börek - die Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen. Die Behauptung, daß sich hinter diesen Namen ursprünglich griechische Gerichte verbergen, denen die osmanischen Herrscher ihre eigenen Namen gaben, ist wenig stichhaltig. Wie andere unterworfene Völker genossen auch die Griechen ein hohes Maß an kultureller Autonomie unter den Osmanen, und es findet sich in keinem anderen Bereich des griechischen Vokabulars eine vergleichbare Gruppe von Lehnwörtern. [...]
Die unverfänglichste Schlußfolgerung, die sich zu diesem strittigen Punkt der griechisch-türkischen Beziehungen treffen läßt, ist wohl die, daß beide Völker ihre ganz verschiedenen Beiträge leisteten zu einer kulinarischen Synthese, die während der osmanischen Herrschaftszeit zur höchsten Perfektion gelangte.
[...]
S. 121:
Wenn wir die stolze hellenistische Behauptung mißachten, daß Griechenland selbst geographisch gesehen eine eigene Welt darstelle und daher nicht zum Balkan gehöre, läßt sich Griechenland als der einzige Balkanstaat mit einer Mittelmeerküste bezeichnen. Dennoch ist es gerechtfertigt, die meisten Landstriche des ehemaligen Jugoslawien sowie Albanien mit ihren Landesküchen mediterran zu nennen. Die Adria, an der sie liegen, ist in Wirklichkeit ein riesiger Meeresarm des Mittelmeers. Überdies wurzeln die kulturellen und kulinarischen Merkmale der Balkanländer größtenteils in einer nach Süden ausgerichteten Orientierung zur wirklichen mediterranen Welt.

[...] Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, daß die widerstreitenden Volksgruppen [des Balkans] im wesentlichen die gleiche Küche haben, die auf die osmanischen Türken zurückgeht. Das Vordringen der Türken auf dem Balkan begünstigte die Entwicklung der Landwirtschaft, da die Steuern für die Bauern drastisch gesenkt und Straßen zu den wichtigsten Städten angelegt wurden. Die Küche, die sie den Balkanstaaten bescherten, war die Manifestation einer allen gemeinsamen Lebenshaltung, die sich während der osmanischen Herrschaft entwickelte; das ästhetische Bewußtsein, die Bedeutung der Familie, der Häuser- und Städtebau waren bei Muslimen und Christen - trotz gegensätzlicher Religionen - weitgehend identisch. Die gemeinsame Küche ist auch der dauerhafteste Aspekt des osmanischen Erbes auf dem Balkan; [...] die Serben essen [...] Gerichte, die ihnen ausgerechnet die Türken hinterließen.
Es versteht sich von selbst, daß der kulinarische Einfluß der Türken in den Regionen am stärksten ausgeprägt ist, wo die Mehrheit der Bevölkerung den islamischen Glauben der Osmanen annahm - Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien. Vor 1992 hätte sich dies leicht durch einen Besuch im Ascinica belegen lassen, einem beliebten Restaurant in der Bascarsija, dem mittlerweile zerstörten Zentrum der Altstadt von Sarajevo. Die dort servierten Speisen - deftige Suppen, pilav, gefüllte Gemüse, Eintöpfe und riesige Tabletts mit Käse-börek - entsprachen genau dem Angebot eines durchschnittlichen anatolischen Restaurants. Und in allen zentralen und südlichen Landstrichen des früheren Jugoslawien waren türkische Gerichte verbreitet wie cevapcici, gehacktes Lamm- oder Rindfleisch auf Spießen, die türkischen şiş köfte; djuvec, das Schmorgericht, dem wir bereits in Griechenland begegnet sind; sarma, gefüllte Kohlblätter; poğaca, Teigtaschen; und kaymak, angedickte Sahne, die zumeist zu Nachspeisen gegessen, mitunter aber auch zu Brot gereicht wird.
Andererseits haben bestimmte serbische Spezialitäten, die Schweinefleisch enthalten, aus naheliegenden Gründen keine Beziehung zu den Osmanen. Beispiele hierfür sind: plieskavi-ca, gegrillte Hackfleischklößchen aus Schweine- und Kalbfleisch; raznjici, Spieße mit Schweine- und Kalbfleisch; und bosanski lonac, ein bosnischer Eintopf aus Rind, Schwein, Lamm, Kalbsfüßen und Speck. Die nordserbische Provinz Wojwodina hat eine große ungarische Bevölkerungsgruppe, was sich auch in der Küche niederschlägt. Türkische kulinarische Einflüsse fehlen auch weitgehend an der dalmatinischen Küste von Kroatien, wo man seit jeher eine enge Beziehung zu Italien auf der anderen Seite der Adria hatte, [...]. In Dalmatien sind daher Pasta-Gerichte sehr beliebt, und die Region ist bekannt für einen Schinken, der stark an prosciutto erinnert. Und sobald wir in das nach Norden ausgerichtete Kernland Kroatiens kommen, verlassen wir eindeutig die kulinarische Domäne des Mittelmeerraums und betreten den Einflußbereich der schwerverdaulichen germanischen Küche.
Albanien ist durch Isolation, Kommunismus und die anarchische Auflösung der kollektiven Landwirtschaft in der nachkommunistischen Ära dreifach verarmt. Die linguistischen Zeugnisse lassen jedoch auf eine generelle Übereinstimmung mit türkischen kulinarischen Vorbildern schließen.
 
Ob die sprachliche Bezeichnung gleichzeitig auch die Herkunft des Produktes zeigt, bezweifle ich persönlich sehr. Denn wenn es danach geht, müssten wir vergleichen welche Küche und Leckereien der byzantinische Kaiserhof um 1071 vorweisen konnte und welche Produkte die in Kleinasien eingefallenden Nomadenstämme hatten. Dann müssten wir die Einflüsse aus dem iranisch/persischen Raum abziehen und wir wären schlauer...
ICH kann das nicht, lynxxx, du etwa ? :winke:
Mike Hammer: Zur sprachlichen Bezeichnung von Gerichten und die Verwendung zur etymologischen Herleitung des Ursprungs durch Historiker, siehe meinen Text oben. So wird es eben in der Wissenschaft gemacht, egal was du bezweifelst...

Es geht doch gar nicht um die Küche um 1000 oder die um 1453. Es geht z.B. um die heutige griechische Küche, und die ist stark beeinflusst von den Jahren 1450-1850, jedenfalls wesentlich mehr, als von den Jahren 0-1450. Natürlich haben die aus Zentralasien einwandernden türkischen Nomaden 1071 keine so raffinierte Küche mitgebracht, wie wir sie heute vorfinden, oder in Dokumenten von 1550 oder 1800 vorfinden. Diese entwickelte sich erst zu einem Amalgam verschiedenster Traditionen, und die zentralasiatische Tradition spielte wohl eine relativ geringerere Rolle. Aber aus Vorhandenem wurde dann was neues geschaffen, etwas weiter entwickelt, raffinierter, delikater, was wiederum in anderen Provinzen nachgekocht wurde, so wie die verschiedensten Provinzstatthalter, "Bürgermeister", Kaufleute, etc. in ihren Wohnhäusern versuchten, den neuesten Istanbuler Modegeschmack nachzueifern, usw.

Nochwas zu Sultan: Dieses Wort kommt IMHO in der Paret-Übersetzung nur einmal im Koran vor, aber in der Bedeutung von "Vollmacht". Nix Herrscher... hab aber auch nur in meinem PC-Paret gesucht, nicht weiter recherhiert, dafür gibt es zudem einen anderen Thread hier im Subforum.
Das ist fraglos so. Die Erklärung, dass die osmanischen Palastküchen zunächst die byzantinischen Köche weiter beschäftigten und aus dem Namensbestandteil Basileios der Sultan wurde, halte ich für durchaus plausibel. Übersetzung ist eine Form der versteckten Entlehnung...
El Quijote: Das Sultan kommt von Basileos? Das muss aber vorher passiert sein, also vor 1453, denn schon 500 Jahre vorher verliehen die Kalifen von Bagdad diesen Titel an z.B. die Groß-Seldschuken.
Und ich glaube nicht, dass die byzantinischen Köche unbedingt nun groß weiter beschäftigt wurden, denn man darf nicht vergessen, dass die Osmanen ja nicht aus dem Nichts kamen, sondern schon 80 Jahre in Edirne in Palästen residierten, davor 50 Jahre in Bursa. Also es kann schon sein, das mal Bedarf herrschte, aber dann war der Bedarf an byzantinischen Köchen schon weit vor der Eroberung gedeckt worden, sollte er bestanden haben. (z.B. nach der Heirat mit byzantinischen Prinzessinnen) So wie ungarische Kanonengießer eingekauft wurden. Nicht erst aus einem ruinösem und heruntergewirtschafteten Konstantinopel.

Wie ich das verstanden habe, stammt die Palastküche der Sultane aus dem Byzantinischen. Inwiefern es sich um rein byzantinische Gerichte ohne Ergänzungen aus anderen Bereichen handelt, ist vermutlich schwer ausfindig zu machen bei einem Gebiet, das von zahlreichen Völkern beeinflusst wurde.

EDIT: Immer wenn Gerichte in der Bezeichnung das Wort "Sultan" oder dergleichen beinhalten, kann man vermutlich davon ausgehen, dass sie weitgehend byzantinischen Ursprungs sind.
Hulda:
Wo hast du das denn verstanden, dass die osmanische Palastküche aus dem Byzantinischen kommt? Woher hast du denn deine Vermutung, dass immer wenn das Wort "Sultan" auftaucht, es byzantinischen Ursprungs ist? In meinen obigen Links im ersten Post? Oder aus deinem Kochbuch von 1984?
PS: Wie ich schon oben bei El Quijote schrieb, kamen die Türken nicht zu der Belagerung Konstantinopels direkt aus dem Altai-Gebirge bei der mongolischen Grenze... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote: Das Sultan kommt von Basileos? Das muss aber vorher passiert sein, also vor 1453, denn schon 500 Jahre vorher verliehen die Kalifen von Bagdad diesen Titel an z.B. die Groß-Seldschuken.

Die These, die ich lediglich paraphrasierte, war, dass bei der Übersetzung der griechischen Gerichtenamen ins Türkische aus dem Basileos das türkische Sultan wurde. Das natürlich nur, weil die Türken den Titel Sultan schon länger trugen, sonst wäre die These unsinnig. Aus "Basileos' Γρισβρει"* wurde dann eben "Sultans Grîsbreı"*.

*Grießbrei, und der Versuch das dt. Wort auf Griechisch/Türkisch zu schreiben.
 
Ergo: Durch den großen Austausch kultureller Natur im Balkan unter Osmanischer Herrschaft sind die meisten Gerichte entstanden...
 
Mir fällt grad nur ein Gericht ein, mit "Sultan" im Namen: "Dem Sultan hat's gefallen" oder "Des Sultans Entzücken", ein Auberginenpüree, welches durch die Initiative von Sultan Murad IV. im 17. Jh. entstanden sein soll (letzteres Buch, S. 19). Da sehe ich keine (direkte) Verbindung mehr zur Palastküche des Basileos. Kennst du mehr Gerichte?

Nachher kommt dann noch was zur türk./osmanischen Küche und derer gegenseitige Beeinflussung z.B. mit der iranischen Küche.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kenne nur noch "Der Imam fällt in Ohnmacht", wenn ich mich recht entsinne gefüllte Auberginenschiffchen.
 
Nur leider selten in ihrer "Köstlichkeit" in Deutschland auch probierbar. In Hamburg gibt es von hunderten Restaurants vielleicht zwei (!), die ein wenig Einblicke in diese hohe Kochkultur geben können. Dazu noch mal zwei, die wenigstens ein bischen die autentische Volksküche Anatoliens nach Art der Mutter nachkochen. (Stand Ende der 90er, danach habe ich mich nicht mehr auf dem Laufenden gehalten).

Das scheint mir noch ne echte Marktlücke zu sein, einige edle Restaurants mit dem von französischen Edel-Restaurants vergleichbarem Niveau, oder auch keine Marktlücke, denn viele Besucher verbinden nun mal keine hohe Kochkunst mit den Türken. Und ohne PR oder Imagewandel wird's vielleicht schwierig bei den zu fordernden Preisen auch Kundschaft zu erhalten. Ausserdem erfordern einige Gerichte stundenlanges Kochen, ob das rentabel ist?
 
Nur leider selten in ihrer "Köstlichkeit" in Deutschland auch probierbar.

Falls Du zufällig ein Rezept für einen überdurchschnittlichen İmam Bayıldı (selbstverständlich vegetarisch, die Hackfleischdinger zählen ja nicht) in der Hinterhand haben solltest - ich wäre interessiert.
 
Zurück
Oben