Ius primae Noctis

Ich sehe das jpn nicht in der frühen Neuzeit, sondern eher im frühen Mittelalter, als noch archaische Riten und Bräuche die mittlerweile missionierten Sachsen bestimmten.

Was die "archaische" Zeit betrifft, so schien dem allgemein geschätzten "Meyer" (Bd. 10, S. 393) vor 100 Jahren die Sache klar:
Jus primae noctis (lat., »Recht der ersten Nacht«, Herrenrecht, Droit de seigneur, Droit de culage, Droit de prélibation), das Recht des Gutsherrn, bei der Verheiratung seiner weiblichen Hörigen ihnen zuerst in der Brautnacht beizuwohnen. Obwohl viel bestritten von der Wissenschaft (vgl. besonders K. Schmidt, Das Jus primae noctis, Freiburg 1881), läßt sich das J. doch nachweisen. Es wird uns bezeugt aus alter Zeit von den Adyrmachiden, den Kephalenen, später von den Germanen, Schotten, Iren und Basken, aus neuester Zeit von südamerikanischen Stämmen und von den Völkern des Morgenlandes, von Eskimos, dem australischen Stamme der Wa Teita und von den Australnegern, also aus allen Zeiten und allen Ländern. [...] Wie die Stammesgenossen, so haben später die Häupter des Stammes unbefangen den Töchtern ihres Stammes beigewohnt, und erst das Christentum hat allmählich mit dieser völlig begreiflichen Gewohnheit nach und nach aufzuräumen vermocht. Als Überbleibsel hiervon ragte dann noch lange in die Zeit höherer oder sagen wir offen mit einem gewissen Beigeschmack »verfeinerter« sittlicher Auffassung der Geschlechtsgemeinschaft der sogen. Jungfernzins herein, d. h. eine Abgabe, die der Ehemann dem Grundherrn dafür geben mußte, daß dieser einstmals das Recht hatte, die Blüte seiner weiblichen Hörigen, falls ihm beliebte, zu pflücken. Vgl. Wilutzky, Vorgeschichte des Rechts (Bresl. 1902–03, 3 Tle.).
Der zuletzt angedeutete finanzielle Aspekt kam ggf. der Kirche zugute: Im Mittelalter bestand (nach Sägmüller, Kirchenrecht, Bd. 2, S. 134. f. unter Verweis auf K. Schmidt)
da oder dort ein Gebot der Enthaltsamkeit in den ersten drei Nächsten (Tobiasnächte). Wollten die Gatten hiervon frei sein (jus primae noctis), so hatten sie eine Taxe zu erlegen
Dieses Enthaltsamkeitsgebot wiederum muss nicht zwangsläufig aus kirchlichen Quellen resultieren: Auch im insoweit unverdächtigen Kamasutra wird eine entsprechende Empfehlung gegeben (Kamasutra, III,2)! Manchmal allerdings vermischen sich zuweilen Tobiasnacht und Herrenrecht in der Überlieferung (z. B. in Urlaub in der Belgischen Eifel bei Familie Rauw).

Der erwähnte Wettlaufer macht im Hauptteil seiner Arbeit deutlich, dass der Topos "Herrenrecht" tatsächlich im Mittelalter entstand. Er stellt ihn in den "Kontext der bizarren Gewohnheitsrechte", was bedeutet, dass man nach einer förmlichen Rechtsgrundlage vergeblich suchen wird. (Gewohnheitsrecht nahm damals freilich einen ungleich höheren Stellenwert ein als heute.)
 
Du brauchst hier nicht mit deinen Nord-Ostfranken oder Spätburgundern zu kommen.

Es wird ja wohl erlaubt sein zurückzufragen, auf welche Gesellschaften germanischer Stämme bzw. Reichsbildungen Du Dich beziehst.
Anm.: Ich habe weder etwas von Nord-Ostfranken noch von Spätburgundern geschrieben - und auch dazu überhaupt nichts ausgeführt. Und apropos Spätburgunder: wir können auch gern über Weinsorten sprechen, aber das gehört wohl eher in den Bereich Smalltalk...



Eine archaische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der noch die alte Sippenstruktur das Gemeinwesen bestimmt.

Hat niemand bestritten; dennoch danke für die Erklärung.

Ich meine beispielsweise die Friesen, die sich vom 7. bis 9. Jahrhundert nur widerwillig missionieren ließen. Bei ihnen hatten die uralten Bräuche der Blutsverwandschaft überdauert (die übrigens mangels einer eigenen Schrift auch nur mündlich weitergetragen wurden).

Hat ebenfalls niemand bestritten.
Ich möchte dabei aber darauf hinweisen, daß das Aufgreifen einzelner Beispiele wie Friesen oder auch Sachsen nicht zwangsläufig allgemein verbindlich für die Gesellschaft im Frühmittelalter ist - v.a. auch wenn wir bedenken, daß sie noch inmitten des Frühmittelalters (nämlich um 800 bzw. in den Jahren kurz danach) ins Frankenreich integriert wurden.

Aber bleiben wir dennoch kurz bei den Friesen: die uralten Bräuche der Blutsverwandtschaft, die mündlich weitergegeben wurden, interessieren mich. Du bist bitte so freundlich, sie mir kurz zu nennen, da ich dazu auf die Schnelle nichts finden konnte.

(Unde usque hodie gens Saxonica triformi genere ac lege preter conditionem servilem dividitur (Wid. I, 14).

Widukind beschreibt hier eine Standestrennung zwischen Adel und Freien nach Abstammung und Gesetz, die sich bei den Franken so nicht beobachten läßt.
Zu dieser rechtlichen Trennung gehörten wohl die Ehehindernisse, die Rudolf von Fulda in der Translatio S. Alexandri (863) erwähnt:
Et id legibus firmatum, ut ulla pars in copulandis coniugiis propriae sortis terminos transferat, sed nobilis nobilem ducat uxorem, et liber liberam, libertus coniungatur libertae, et servus ancillae (Translatio S. Alex. c. 1; 13, 675).

Auch dies hat niemand bestritten, wiewohl grundsätzlich anzumerken ist, daß sich bei allen germanischen Stämmen infolge sozialer Differenzierung eine aristokratische Führungsschicht herausgebildet hatte - wenn auch von Stamm zu Stamm unterschiedlich ausgeprägt.

Im Übrigen hast Du mir zwar jetzt einige Erklärungen geliefert, daß ich die Punkte 1 und 2 beantwortet sehen kann, aber trotzdem noch immer keine endgültig Begründung für die von mir genannten Punkte 3 und 4 bzw. die eindeutigen Belege, um die ich gebeten hatte. Wenn die o.g. Bräuche der Blutsverwandtschaft gemeint sind, müßtest Du eben an der Stelle konkret werden.



Ich kann dir folgende Literatur dazu empfehlen:

M. Last, Die Sozialordnung der Sachsen nach den Schrift-Quellen, in C. Ahrens (Hg.), Sachsen und Angelsachsen, 1978
G. v. Olberg, Aspekte der rechtlich-sozialen Stellung der Frauen in den frühmittelalterlichen Leges, in: W. Affoldt (Hg.), Frauen in Spätantike und Frühmittelalter (1990)
Dies., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges Barbarorum (1991)
H. Park, Die Stände der Lex Saxonum, in: Concilium medii aevi 2 (1999)

Ich konnte leider nicht alle sofort nachschlagen, aber soweit ich es überblicken kann, geht es auf unser Thema bezogen auch dort stets um das mundium, welches nach älterem germanischem (Gewohnheits-)Recht zu zahlen war, damit der Mann das Recht auf die Heimführung der Braut und das eheliche Beilager erwarb.
Anm.: Der Herr Affoldt nennt sich übrigens Affeldt, aber das war sicher nur ein Tippfehler...



Was die "archaische" Zeit betrifft, so schien dem allgemein geschätzten "Meyer" (Bd. 10, S. 393) vor 100 Jahren die Sache klar:
Jus primae noctis (lat., »Recht der ersten Nacht«, Herrenrecht, Droit de seigneur, Droit de culage, Droit de prélibation), das Recht des Gutsherrn, bei der Verheiratung seiner weiblichen Hörigen ihnen zuerst in der Brautnacht beizuwohnen. Obwohl viel bestritten von der Wissenschaft (vgl. besonders K. Schmidt, Das Jus primae noctis, Freiburg 1881), läßt sich das J. doch nachweisen. Es wird uns bezeugt aus alter Zeit von den Adyrmachiden, den Kephalenen, später von den Germanen, Schotten, Iren und Basken, aus neuester Zeit von südamerikanischen Stämmen und von den Völkern des Morgenlandes, von Eskimos, dem australischen Stamme der Wa Teita und von den Australnegern, also aus allen Zeiten und allen Ländern. [...] Wie die Stammesgenossen, so haben später die Häupter des Stammes unbefangen den Töchtern ihres Stammes beigewohnt, und erst das Christentum hat allmählich mit dieser völlig begreiflichen Gewohnheit nach und nach aufzuräumen vermocht...

Zwar finde ich es auch interessant, daß "Meyer" die Sache vor etwa 100 Jahren so klar schien, aber das hilft uns nun hierbei nur bedingt weiter. Schließlich hat sich gerade bzgl. populärer Geschichtsmythen und - irrtümer in den letzten Jahrzehnten einiges bewegt.
Aber sei's drum...

Nur soviel: hier werden verschiedene Phänomene miteinander vermischt, die zwar miteinander darin konvergieren, daß es eben um die erste Nacht i.S.v. Defloration geht, jedoch ein unterschiedliches Motiv haben. Das ius primae noctis - egal, wie man es nun sieht - steht eben als ein Herrenrecht i.S.v. Macht über andere, die genannten Beispiele vorchristlicher Zeit bzw. außereuropäischer Kulturen stehen im Kontext der sog. rituellen Defloration, wonach dies nur mächtigen Männern - eben Stammesoberhäupter u.dgl. - gefahrlos möglich ist (Stichwort: Angst vor Blut des ersten Verkehrs, das als schädlich angesehen wurde) oder von diesen i.S.v. Initiation des Überganges der Jungfrau zur Frau auszuüben war.
Es ist also im jeweiligen kulturellen Kontext durchaus erklärbar, nur sind Vermischungen ähnlicher Phänomene fatal - v.a. wie hier, wo sie eben durchaus unterschiedlichen Hintergrund haben.

... Als Überbleibsel hiervon ragte dann noch lange in die Zeit höherer oder sagen wir offen mit einem gewissen Beigeschmack »verfeinerter« sittlicher Auffassung der Geschlechtsgemeinschaft der sogen. Jungfernzins herein, d. h. eine Abgabe, die der Ehemann dem Grundherrn dafür geben mußte, daß dieser einstmals das Recht hatte, die Blüte seiner weiblichen Hörigen, falls ihm beliebte, zu pflücken. Vgl. Wilutzky, Vorgeschichte des Rechts (Bresl. 1902–03, 3 Tle.).
Der zuletzt angedeutete finanzielle Aspekt kam ggf. der Kirche zugute: Im Mittelalter bestand (nach Sägmüller, Kirchenrecht, Bd. 2, S. 134. f. unter Verweis auf K. Schmidt) da oder dort ein Gebot der Enthaltsamkeit in den ersten drei Nächsten (Tobiasnächte). Wollten die Gatten hiervon frei sein (jus primae noctis), so hatten sie eine Taxe zu erlegen
Dieses Enthaltsamkeitsgebot wiederum muss nicht zwangsläufig aus kirchlichen Quellen resultieren: Auch im insoweit unverdächtigen Kamasutra wird eine entsprechende Empfehlung gegeben (Kamasutra, III,2)! Manchmal allerdings vermischen sich zuweilen Tobiasnacht und Herrenrecht in der Überlieferung (z. B. in Urlaub in der Belgischen Eifel bei Familie Rauw).

Hier werden aber in der Tat Tobiasnächte, ius primae noctis und mundium (Ablösesumme bzw. Auslösesumme für die Braut) miteinander vermengt...

Selbst Wettlaufer - von mir an der Stelle jetzt als Beispiel genannt, weil hier schon mehrfach angesprochen - zeigt dabei auf, daß zum einen zwischen Tobiasnächten und ius primae noctis zu differenzieren ist und zum anderen die Betonung auf die Heiratsabgaben zu setzen ist.
Am konkreten Beispiel hatte ich die eigentliche Bedeutung - Ablösesumme bzw. Auslösesumme für die Braut - ja bereits aufzuzeigen versucht: http://www.geschichtsforum.de/326142-post13.html

Der erwähnte Wettlaufer macht im Hauptteil seiner Arbeit deutlich, dass der Topos "Herrenrecht" tatsächlich im Mittelalter entstand. Er stellt ihn in den "Kontext der bizarren Gewohnheitsrechte", was bedeutet, dass man nach einer förmlichen Rechtsgrundlage vergeblich suchen wird. (Gewohnheitsrecht nahm damals freilich einen ungleich höheren Stellenwert ein als heute.)

Er differenziert dabei allerdings schon zwischen Herrenrechten i.S.v. Gewohnheitsrechten und einem verbrieften ius primae noctis.
Und daß es auch bei Wettlaufer eher beim Versuch der Verdeutlichung geblieben ist, hatten wir auch schon: http://www.geschichtsforum.de/326273-post18.html
 
3. warum es für einen Adligen (auch hier wären wiederum Hierarchien interessant, aber sei's drum) erstrebenswert gewesen sein sollte, mit fast jedem seiner Untertanen (den "Gemeinen") blutsverwandt zu sein,
4. warum es eine Ehrerbietung sein soll, die leiblichen Nachkommen anderer Leute großzuziehen.


Hallo timotheus :winke:

zu 3.) Die potentielle Blutsverwandschaft stärkte im damaligen durch Sippenverband geprägten Gesellschaftsgefüge den Zusammenhalt und besonders die Gefolgschaft. Wurde ein Mitglied der Sippe durch einen Fremden ermordet, waren die übrigen Mitglieder zur Vergeltung verpflichtet. Durch das jpn ließ sich diese Vorstellung potentiell auf den ganzen Stamm übertragen.

zu 4.) Weil es nicht das Kind "anderer Leute" war, sondern das des Herrn. Ihm und damit dem ganzen Stamm zu dienen, galt als Pflicht und u.U. als Ehre.

LG Nicole :)
 
Die potentielle Blutsverwandschaft stärkte im damaligen durch Sippenverband geprägten Gesellschaftsgefüge den Zusammenhalt und besonders die Gefolgschaft. Wurde ein Mitglied der Sippe durch einen Fremden ermordet, waren die übrigen Mitglieder zur Vergeltung verpflichtet.
Dagegen hat grundsätzlich auch niemand Einwände, aber Blutsverwandtschaft ist nicht deckungsgleich mit dem Sippenverband (zumal der Begriff Sippe ehedem unscharf ist), da bspw. neben den Blutsverwandten auch die Verschwägerten dazugehören - und das übrigens auch bei Germanen.
Ich erlaube mir, dazu aus Herder Lexikon "Germanische und keltische Mythologie" - Herder Spektrum - Freiburg/Basel/Wien, 3. Aufl. 1993 zu zitieren:
Germanen schrieb:
...
Die einzelne Familie war dem Sippenverband eingegliedert. Mehrere Sippen bildeten eine Völkerschaft, mehrere Völkerschaften einen Stamm. Dieser war politisch in Gaue und Hundertschaften gegliedert. Die Gaufürsten gingen aus dem Adel (als eine höhere Klasse der Freien abgehoben) hervor [ich würde da zwar eher von aristokratischer Führungsschicht sprechen, aber sei's drum - Anm. von mir]. Die Freien waren wehrpflichtig, und aus ihnen wurde auch für die Zeit des Krieges ein Herzog [bisweilen findet man in der Literatur auch die Bezeichnung "Heerkönig" - Anm. von mir] gewählt. Neben den Freien gab es Halbfreie, die sich aus Unterworfenen und Freigelassenen zusammensetzten und persönlich frei, aber an die Scholle gebunden waren, und völlig unfreie Knechte (Sklaven)...

Wie dem auch sei, kann ich bei alledem nicht erkennen, warum sich
Durch das jpn ließ sich diese Vorstellung potentiell auf den ganzen Stamm übertragen.
daraus zwangsläufig ergeben soll...



Weil es nicht das Kind "anderer Leute" war, sondern das des Herrn.
Das ist doch unlogisch: in einer patriarchal und teils polygyn, teils monogam, teils monogam mit polygynen Zügen geprägten Gesellschaft - und über die sprechen wir bei Germanen bzw. germanischen Völkern - ist diesbezüglich wichtig, daß es das eigene Kind ist. Ist es das nicht, sondern das Kind eines Anderen, so wird es nicht dadurch besser, daß jener Andere ein Herr ist.

Ihm und damit dem ganzen Stamm zu dienen, galt als Pflicht und u.U. als Ehre.
Was hat das jetzt damit zu tun?
Mir scheint, daß Du da Pflicht und Ehre ein wenig überschätzt bzw. recht weit faßt...



PS: Abgesehen davon harre ich noch immer der weiteren Belege :fs:
 
Irgendwo vermischen sich doch da die verschiedensten, allesamt falschen, Vorstellungen.

Für das frühe Mittelalter ist doch z.B. klar, dass die Germanen einen ethnischen Stammesbegriff gar nicht kannten. Die nahmen auf ihren Zügen doch mit, wer mitwollte, egal ob blond oder rothaarig:D, wie sie unterwegs auch "verloren", wer nicht (mehr) mitwollte.
Wie soll sich daraus eine solche Vorstellung entwickeln? Dass der Häuptling jeder "beigewohnt" haben muss, um eine "Verwandtschaft" zu konstruieren.

Das ist doch Gedankengut, das erst im 19. Jahrhundert entstanden ist, und im übrigen längst auf den Müllhaufen entsorgt wurde. Lediglich solche pikanten Details werden immer mal wieder kolportiert. Was nichts dran ändert, dass es Unsinn ist.
 
zu 3.) Die potentielle Blutsverwandschaft stärkte im damaligen durch Sippenverband geprägten Gesellschaftsgefüge den Zusammenhalt und besonders die Gefolgschaft. Wurde ein Mitglied der Sippe durch einen Fremden ermordet, waren die übrigen Mitglieder zur Vergeltung verpflichtet. Durch das jpn ließ sich diese Vorstellung potentiell auf den ganzen Stamm übertragen.
Ist das nicht mehr für den Stamm, denn für den Adligen von Vorteil?
 
Kleiner Einwurf meinerseits:
Childerich I. soll laut Gregor von Tours abgesetzt worden sein weil er es zu wild mit den Töchtern seiner fränkischen Untertanen getrieben hat.
Zu diesem Zeitpunkt (ca. 460 -480) waren die Franken zum allergrößten Teil keine Christen.
 
Kleiner Einwurf meinerseits:
Childerich I. soll laut Gregor von Tours abgesetzt worden sein weil er es zu wild mit den Töchtern seiner fränkischen Untertanen getrieben hat.

Ulrich Nonn (in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, Sp. 1818) spricht von "einer offenbar sagenhaft entstellen Nachricht Gregors von Tours". In modernen Geschichtsbüchern wird die angebliche, mit den merkwürdigsten Details ausgeschmückte Geschichte von der Vertreibung des Triebtäters zu den Thüringern und der Rückkehr (nach acht Jahren) ausgespart.

Nach Hans K. Schulze (Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen [1994], S. 24) lassen Gregors Erzählungen, vor allem die über Childerichs Sohn Chlodwig, immerhin "erkennen, welche Taten und Untaten man ein paar Jahrzehnte später einem germanischen König zutraute".

Felix Dahn (Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, Bd. 3 [1883]) kolportiert die Vertreibungsgeschichte (S. 42) und qualifiziert Childerich als "einen Freund der Römer (und der Kirche)" (S. 43), auf den die Provinzialen "mit sehnlicher Liebe" geblickt hätten - ob der die Blicke mißverstanden hatte?;)
 
Laut des Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte:

Auf der Suche nach wirklichen Belegen i.S.v. festgeschriebenen Paragraphen wurden Historiker wohl nur in der relativ kleinen Gemeinde Maur (Schweiz) überhaupt fündig. Dort steht im Artikel 4 der Offnung von 1543:

Einmal abgesehen davon, daß die Historiker davon ausgehen, daß davon in Realität nicht wirklich Gebrauch gemacht wurde, liegt zudem hierbei mE auch der hauptsächliche Sinn nicht auf "soll für die erste Nacht der Bräutigam den Meier bei seinem Weib liegen lassen", sondern vielmehr auf "soll es auslösen mit fünf Schillingen und vier Pfennigen". Es geht also vornehmlich um das Lösegeld, welches für die Braut nach altem Gewohnheitsrecht zu zahlen war: der Mann kaufte die Braut dem (Grund-)Herrn ab, dem sie gewohnheitsgemäß "gehörte".

Wenn dem so ist, wäre das doch ein historischer Beleg für ein tatsächlich existierendes Rechtsinstitut, wenngleich nur in einer schweizerischen Gemeinde. Die Frage wurde sicherlich erst spannend, wenn jemand das festgesetzte Geld nicht hatte. Ich kann nun nicht beurteilen, ob das viel oder wenig Geld war. Der Fall mag aber hin und wieder aufgetreten sein, wo jemand das Geld nicht besaß oder nicht zahlen wollte.
 
Soviel ich weiß, gab es das auch in Frankreich als "droit de seigneur" ... :grübel:
 
Wenn dem so ist, wäre das doch ein historischer Beleg für ein tatsächlich existierendes Rechtsinstitut, wenngleich nur in einer schweizerischen Gemeinde. Die Frage wurde sicherlich erst spannend, wenn jemand das festgesetzte Geld nicht hatte. Ich kann nun nicht beurteilen, ob das viel oder wenig Geld war. Der Fall mag aber hin und wieder aufgetreten sein, wo jemand das Geld nicht besaß oder nicht zahlen wollte.

Wie dazu bereits geschrieben: Es ist absolut nicht verbrieft, ob dieser Fall je zur Anwendung kam; und außerdem liegt der Fokus eben nicht so. Es ging dabei darum, daß überhaupt Ablöse bezahlt wurde (daß Zahlungen nicht freiwillig erfolgen bzw. man sich gern darum drückt, ist ja keine Erscheinung erst der Moderne)...

Soviel ich weiß, gab es das auch in Frankreich als "droit de seigneur" ... :grübel:

Ja - und?
Lateinisch ius primae noctis, deutsch Recht der ersten Nacht, französisch droit de seigneur - als authentischer Brauch für das Mittelalter nachweisbar ist es nach aktuellem historischen Forschungsstand trotzdem nicht...
 
Wie dazu bereits geschrieben: Es ist absolut nicht verbrieft, ob dieser Fall je zur Anwendung kam; und außerdem liegt der Fokus eben nicht so. Es ging dabei darum, daß überhaupt Ablöse bezahlt wurde (daß Zahlungen nicht freiwillig erfolgen bzw. man sich gern darum drückt, ist ja keine Erscheinung erst der Moderne)...

Was heißt hier drücken??? Wenn jemand das Geld nicht hatte, konnte ein Pärchen demnach nur heiraten, wenn beide bereit waren das Risiko einzugehen, daß der Meier Schwein genug ist, die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen. Es soll ja immer schon Fälle gegeben haben, wo zwei Leute einfach nicht voneinander lassen wollten und nicht bereit waren, sich in dieser Frage den Gesetzen der Realität zu beugen. Der Gesetzgeber hätte ja stattdessen auch eine Fronzeit anordnen können.

Gesetze haben auch einen prägenden Charakter auf die Vorstellungen der den Gesetzen Unterworfenen darüber, was Recht und billig ist. Vielleicht ist dann die Mär vom Ius primer noctem aus einem kleinen Dorf in Gallien, pardon, der Schweiz, weitergetragen worden, bis man vielerorts glaubte, derartiges könne womöglich dem eigenen Landesherren oder seinen örtlichen Sachwaltern auch zustehen.
 
Wenn jemand das Geld nicht hatte, konnte ein Pärchen demnach nur heiraten, wenn beide bereit waren das Risiko einzugehen, daß der Meier Schwein genug ist, die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen. Es soll ja immer schon Fälle gegeben haben, wo zwei Leute einfach nicht voneinander lassen wollten und nicht bereit waren, sich in dieser Frage den Gesetzen der Realität zu beugen.

:ironie:
Es soll auch schon Fälle gegeben haben, daß ein Mann die Frau eines anderen äußerst reizend gefunden hat, aber ebenso Fälle, daß er die Frau eines anderen Mannes überhaupt nicht attraktiv fand.
:ironie:

Aber ernsthaft...

Wenn kein Geld o.ä. vorhanden war, hatte es sich oftmals bzw. gemeinhin mit dem Heiraten gleich von vornherein erledigt.

Möglicherweise hast Du bereits davon gehört bzw. gelesen, daß sich das Heiraten in früheren Zeiten desöfteren bzw. gewöhnlich gerade auch danach richtete, ob der zukünftige Mann seiner künftigen Angetrauten etwas zu bieten - i.S.v. zumindest dem Lebensstandard, den sie gewohnt war - hatte. Konnte dies der Mann nicht, so stimmte gewöhnlich bereits die Familie der Braut der Heirat nicht zu bzw. verbot die Verbindung bzw. versuchte, die Verbindung zu verhindern. Dazu brauchst Du noch nicht einmal ins europäische Mittelalter zu schauen, sondern wirst bis in die Moderne hinein noch fündig...



Der Gesetzgeber hätte ja stattdessen auch eine Fronzeit anordnen können.

Und welchen Sinn sollte so etwas haben?
Frondienst - oder genauer gesagt: Scharwerk - mußte gewöhnlich ehedem geleistet werden; und der Arbeitstag dauerte sowieso so lange, wie Tageshelligkeit herrschte.



Gesetze haben auch einen prägenden Charakter auf die Vorstellungen der den Gesetzen Unterworfenen darüber, was Recht und billig ist. Vielleicht ist dann die Mär vom Ius primer noctem aus einem kleinen Dorf in Gallien, pardon, der Schweiz, weitergetragen worden, bis man vielerorts glaubte, derartiges könne womöglich dem eigenen Landesherren oder seinen örtlichen Sachwaltern auch zustehen.

Das ist eine "interessante" Auffassung bzgl. Recht und Gesetzgebung im Mittelalter.
Um es kurz zu umreißen, vgl. bspw. folgenden Überblick: Recht im Mittelalter - regionalgeschichte.net

Was das vielleicht ist es ja dann weitergetragen betrifft, so würde ich an der Stelle - wenn ich richtig gemein wäre - übrigens schlüssige Belege bzw. zumindest nachvollziehbare Begründungen jenseits von Vermutungen, welche durch unser Weltbild (das bekanntlich bspw. durch die antiaristokratischen und antiklerikalen Gedanken der Aufklärer geprägt ist) gefiltert sind, verlangen.
Tue ich jetzt aber (noch) nicht... :fs:
 
Ja - und?
Lateinisch ius primae noctis, deutsch Recht der ersten Nacht, französisch droit de seigneur - als authentischer Brauch für das Mittelalter nachweisbar ist es nach aktuellem historischen Forschungsstand trotzdem nicht...
Und mit welcher Logik sollte man einem Rechtszustand, den es nach deinem dafürfinden nicht gab, nicht nur eine solche Rechts-Bezeichnung, denn man spricht aj von dem "Recht/Anspruch der ersten Nacht" sondern dafür sogar eine lateinische geben, wie das damals in Rechtsfragen üblich war? :grübel:

Und warum sollte dieser Rechtszustand dann auch noch übersetzt werden bzw. in den Sprachgebrauch umliegender Länder übergehen? :grübel:

Wäre es allein um das "Abkaufen der Gattin", bzw. einen Handel gegangen, hätte man sicher einen anderen Begriff verwendet. Für die Lehnsherren schien sich hier jedoch durch den Verzicht auf dieses Recht eine zusätzliche Geldquelle erschlossen zu haben, indem der zukünftige Gatte seinem "Herren" eben dieses Recht abkaufte. Allerdings war das eine Sache auf Gegenseitigkeit. Was, wenn das Mädchen nun besonder hübsch war und dem Lehnsherren das "Zubrot" egal war, wenn er mehr Lust auf sie, als auf das Geld hatte hatte? :grübel:
 
OT:
Bei diesem Thema überfällt mich immer ein Grinsen.

Ich war so knapp 16, als ich familienforschend per Moped die Pfarrhäuser im Südwesten abklapperte.
Hat mir ein evangelischer Pfarrer ausführlich erklärt, dass es "hier am Ort" das "Recht der ersten Nacht" gegeben hätte. Und wie sehr das die Bevölkerung "verbessert" hätte.

Ich hörte es an, mit roten Ohren:red:

Ich war 16, und es war ein ev. Pfarrer...
 
Ich war so knapp 16, als ich familienforschend per Moped die Pfarrhäuser im Südwesten abklapperte.
Hat mir ein evangelischer Pfarrer ausführlich erklärt, dass es "hier am Ort" das "Recht der ersten Nacht" gegeben hätte. Und wie sehr das die Bevölkerung "verbessert" hätte.
Wie ER das wohl gemeint hat? Wie kann das die Moral gebessert gehaben? :grübel: Uneheliche Kinder gab es doch so oder so ...
 
Wie ER das wohl gemeint hat? Wie kann das die Moral gebessert gehaben? :grübel: Uneheliche Kinder gab es doch so oder so ...


Der hat doch nicht von Moral geredet. Der hat die "Edelinge" als so eine Art Zuchtstier gesehen.

Weiter hat er ausgeführt, dass in den Dörfern um Stgt. herum, fast überall "kleine Herzöge" herum gerannt wären.
Verbesserung der Gene durch "Ius primae noctis"

Eine ganz ähnliche Ansicht habe ich übrigens mal vom Aufsichtsratschef (Enkel eines als Genie geltenden) eines großen deutschen Unternehmens gehört, als er auf die größere Anzahl seiner "auswärtigen" Kinder angesprochen wurde.


Sieht eigentlich keiner die zutiefst männerfeindliche Komponente dieser (sehr sagenhaften) Regelung?

Die Braut vergnügt sich im seiden Himmelbett, und der Bräutigam liegt fluchend auf dem Strohsack.

Da kriegt doch der Bauernkrieg und das "in die Spieße jagen" des Helfensteiners eine ganz neue Komponente.
 
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