Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Lieber Quijote: Zu Caelius siehe #423

...Wenn man tatsächlich von Wäldern und Sümpfen ausgeht...

Von WÄLDERN und Sümpfen: Sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht oder vor lauter (brennbaren) Bäumen den Wald?
von Wäldern UND Sümpfen: Ich behaupte doch nicht, die Schlacht habe in sumpfigen Bruch- oder Auwäldern stattgefunden, wo es in der Tat nicht einfach gewesen wäre, trockenes Feuerholz zu sammeln. Daß es ohne Brandbeschleuniger schwierig war einen - frischen – Varus zu verbrennen, habe ich in ebenfalls in # 423 ausgeführt und das ist bei Dio ja erwähnt. Dies negiert nicht die Möglichkeit, verblichene Gebeine ordentlich in einer ordentlichen Totenfeier zu verbrennen – notfalls mit ölgetränktem Leinenstoff, Olivenöl, griechischem Feuer oder einem anderen Brandbeschleuniger. WENN es denn in NRW/Niedersachsen wirklich soooo viel regnet, daß kein einigermaßen trockenes Reisig zu finden ist (ich komme ja aus Raetien und da scheint immer die Sonne).

...Um den Bogen zu Kalkriese zu schlagen... Ich habe nie versucht, den Bogen nach Kalkriese zu SCHLAGEN! Dieser Thread heißt ja auch "Kalkriese als Ort...zweifelhaft"

Aber gut: Hier mein Bekenntnis bzgl Kalkrieses:
Ich nehme an, daß es sich bei den Kalkrieser Toten um varuszeitliche Gefallene handelt (wobei ich mir bei der Datierung der Münzfunde nur zu 95% sicher bin und ich Caecina nicht völlig ausschließen kann – zumindest nicht zum derzeitigen numismatischen Forschungsstand).

Ich bezweifle, daß es sich um das Hauptgefecht handelte, da es wenn – der Dio-Version der Schlacht zuzuordnen wäre* (evt. Numonius Vala? siehe Velleius oder jemand anderes). Da ich aber Dios Bericht bezweifle, glaube ich auch nicht, daß die Knochengruben von Germanicus bzw. seinen Legionären angelegt wurden. Die Knochen wurden ja eben nicht brandbestattet, sondern verlocht – um nicht zu sagen – wahllos (sicherlich in mangelnder Unterscheidungsmöglichkeit von Vieh und Mann) verscharrt. Denn selbst WENN das Hauptgefecht oder Teile davon in Kalkriese stattgefunden haben sollten, dann würde ich mein Feuerholz eher auf dem Berg als im Sumpf suchen (...und auch dort welches finden können). Dies Nicht-Verbrennen der Knochen als Germanicusaktion zu deuten, wäre mir nur erklärlich, wenn die Knochenlese als quasi "Panik-"Aktion von kleinen Römer-Raid´s ausgeführt worden wäre, nach dem Motto: "Leute, teilt euch in kleine Gruppen auf! Jeder sammelt soviel er kann und ab in die Erde damit!", während der Rest der Soldaten – mit dem Rücken zur Sammelaktion, das Auge zum Feind – in den Wald starrt, um Ausschau zu halten, ob sich nicht ein Germane blicken läßt. Diese Annahme ist doch völlig UNRÖMISCH (fast bin ich geneigt zu sagen: Nur der Amerikaner verbrennt seine Boys zusammen mit den Haustieren! Aber dann wird man wg. zuviel Heiterkeit mit Ignoranz oder Verwarnung bestraft) Die K-Rieser Knochengruben könnten - wenn sie wirklich von Römischen Spaten denn ausgehoben wurden - m. Meinung nach bestenfalls daher rühren, daß man nach Errichtung des Tumulus´ noch ein paar Knochen gefunden hat (ich glaubs nicht).

Warum? Und damit zum nächsten Punkt:

Vergil habe ich nicht als Zeugen für Brandbestattung herangezogen, sondern als Zeugen für die sprachliche Trennung von Cineres ATQUE Ossa. Also für die Trennung von verbranntem Hausrat, Dachbalken etc. (Cineres) und (zweifelsohne beim Stadtbrand) verbrannten Knochen (ossa) (Sinngemäß also: Ossa=Leichenbrand, auch wenn ich mir des Vorkommens von "Cinis mortuorum" durchaus bewußt bin). Deine Erwähnung des Caelius-Steins, Quijote, der von erlaubten Knochenbestattungen spricht, wo weder Knochen noch Asche zu erwarten wären (Epitaph!?!), bestärkt mich in meinen Annahmen, daß das Vorauszusetzende weggelassen wurde, weils logisch war (s.u.). Da ich wie gesagt kein Linguistiker hoffe ich, hierfür in diesem Forum Antworten zu erhalten.

Da hier im Eifer des Gefechtes wenig genau ** gelesen zu werden scheint, zur Verdeutlichung:

Ich behaupte: Die –oberflächlich betrachtet kenntnisreiche, weil detailliert erscheinende – Überlieferung des Dio vom Schlachtgeschehen ist hübsch gruselig zu lesen, entspricht aber eher dem Geschmack des antiken Lesers, als daß das gemeinsame Zusammentreffen derartig vieler Germanien-Topoi den Tatsachen entsprechen könnte und wenn, beschreibt es m. E. nach nicht den Untergang des Feldherrn, sondern eines untergeordneten Schlachtgeschehens in dessen Gefolge***.

Ich möchte auch nichts beweisen bezüglich Kalkrieses und muß daher K-Riese nicht in Übereinstimmung oder Opposition mit/zu Dio bringen. Ich halte beide Seiten (Caecinates : Variani) in ihren Argumenten für – mal mehr, mal weniger – begründet bzw. schlüssig. Übrigens habe ich, mein bester Quijote, auch nicht behauptet, die Knochen in den Gruben seien verbrannt worden, sondern sie durch gezielte Auslassung in meine Betrachtungen nicht einbezogen, weil sie für meine Argumentation irrelevant sind.

Denn ich behaupte, daß die Bestattungsbräuche der frühen Kaiserzeit eine Verbrennung kulturhistorisch wahrscheinlich machen. Und meine Ausführungen in # 419 bezogen sich lediglich auf die Wahrscheinlickeit einer Brandbestattung von Gefallenen und das Aussehen bzw. die Funktion des Tumulus.

Um obige Behauptung zu stützen, habe ich angeführt, daß das Fehlen der Überlieferung einer Verbrennungshandlung bei Tacitus durchaus daher rühren kann, weil das Vorauszusetzende ausgelassen werden kann und wurde. Aber da bist Du, o Quijote, der Erfahrenere und ich bitte um Auskunft. Im dem Sinne, wie du selbst ausgeführt hast: "...schrieb er naturgemäß von einem Tumulus..." sage ich "...ließ er den Verbrennungsvorgang weg, weil er ohnehin logisch war".
Uff.

*WEISSE FAHNE AN ALLE*:

Können wir jetz mal kurz aus unseren Knochengruben und Grassoden-Wällen herauskommen und einfach mal auf neutralem Boden über die Florus-Theorie reden, sie z. B. gemeinsam mit Velleius und Tacitus vergleichen, ehe wir wieder hier in diesen Eis-Kalten-Krieg zurückmüssen???

*kleinlautfrag*

So, als habe es Kalkriese nie gegeben und wir hätten nur die literarische Überlieferung???
Also eine klassische Beurteilung der klassischen Quellen???

Ich bitte nicht, daß ihr eure gelehrten Standpunkte oder eure Glaubensüberzeugungen aufgeben sollt, sondern nur, daß wir alle unsere Gehirne durch Änderung des Betrachtungsstandpunktes kurz entlüften könnten...

Nehmen wir doch Kalkriese – nur für einen Moment – einfach als das, was es ist: Ein archäologischer Glücksfall, der (augenblicklich noch) mehr Fragen als Antworten aufwirft – egal, ob Varus im Kalkrieser Morast steckenblieb oder Caecina rauskam oder nicht!

*mitemphatischemPathos:*

ES GIBT EIN LEBEN AUSSERHALB DER NIEWEDDER SENKE!!!

Glaubt es mir! Vertraut mir!!!
Mitbürger,... Römer,... Freunde!!!

Liebe Grüße an alle Seiten von eurem neutral-multilateralen und überparteilichen

Momus, dem Rest-Romanen
PS: Für mich ist´s halt neu hier. Ihr dürft euch schon seit Jahren miteinander streiten... *neid*

* Ceterum censeo... Florus-Thread
** falls dies an meinem Schreibstil oder der Kryptik meiner Gedanken liegen sollte, bitte ich mich dieses Forums zu verweisen.
*** wie auch Leopold von Ranke! Ceterum censeo: Filum Flori
 
Zuletzt bearbeitet:
...Wenn man tatsächlich von Wäldern und Sümpfen ausgeht...

Von WÄLDERN und Sümpfen: Sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht?
von Wäldern UND Sümpfen: Ich behaupte doch nicht, die Schlacht habe in sumpfigen Bruch- oder Auwäldern stattgefunden, wo es in der Tat nicht einfach gewesen wäre, trockenes Feuerholz zu sammeln. Daß es ohne Brandbeschleuniger schwierig war einen - frischen – Varus zu verbrennen, habe ich in ebenfalls in # 423 ausgeführt und das ist bei Dio ja erwähnt. Dies negiert nicht die Möglichkeit, verblichene Gebeine ordentlich in einer ordentlichen Totenfeier zu verbrennen – notfalls mit Leinenstoff, Olivenöl, griechischem Feuer oder einem anderen Brandbeschleuniger.
Alle Quellen behaupten, die Schlacht habe in Wäldern und Sümpfen stattgefunden. Die Kalkrieser Topographie vor 2000 Jahren passt dazu. Edit: Nur damit das nicht missverstanden wird: Wälder und Sümpfe gab es in den hiesigen Gefilden einige mehr. Die Topographie sollte also nicht als "Beweis" für die Schlacht herangezogen werden.


...Um den Bogen zu Kalkriese zu schlagen...
Ich habe nie versucht, den Bogen nach Kalkriese zu SCHLAGEN! Dieser Thread heißt ja auch "Kalkriese als Ort...zweifelhaft"
Den hab' ja auch ich geschlagen.

Ich nehme an, daß es sich bei den Kalkrieser Toten um varuszeitliche Gefallene handelt [...] Ich bezweifle aber, daß es sich um das Hauptgefecht handelte, da es wenn – bestenfalls der Dio-Version der Schlacht zuzuordnen wäre* (evt. Numonius Vala? siehe Velleius oder jemand anderes).
Wieso das? Kalkriese ist auf jeden Fall ein Ort, wo ein Tross war, mit Maultieren, möglicherweise auch Frauen (ein Knochen wird einer Frau zugeordnet, ist aber unsicher). Kalkriese ist also mit Sicherheit nicht der Ort, wo sich eine Kavallerieeinheit, die sich abgesetzt hat, aufgerieben wurde. Es wäre möglich, dass hier Einheiten unter dem Befehl des Lucius Asprenas, der Neffe des Varus, ein Scharmüzel gehabt hätten.

Dadurch glaube ich auch nicht, daß die Knochengruben von Germanicus bzw. seinen Legionären angelegt wurden. Die Knochen wurden ja eben nicht brandbestattet, sondern verlocht – um nicht zu sagen – wahllos (sicherlich in mangelnder Unterscheidungsmöglichkeit von Vieh und Mann) verscharrt.
Das ist ganz unterschiedlcih, insbesondere einige Schädel wurde offensichtlich doch sehr bewusst mit einer gewissen Ehrfrucht behandelt.

Vergil habe ich nicht als Zeugen für Brandbestattung herangezogen, sondern als Zeugen für die sprachliche Trennung von Cineres ATQUE Ossa. Also für die Trennung von verbranntem Hausrat, Dachbalken etc. (Cineres) und (zweifelsohne beim Stadtbrand) verbrannten Knochen (ossa) (Sinngemäß also: Ossa=Leichenbrand, auch wenn ich mir des Vorkommens von "Cinis mortuorum" durchaus bewußt bin). Da ich wie gesagt kein Linguistiker wäre es schön, hierfür Antworten zu erhalten.
Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass es im Einzelnen Fälle gibt, dass mit einem ohne entsprechendem Attribut versehenen ossum ein verbrannter Knochen gemeint ist. Aber das Substantiv ossum bedeutet erst mal nur Knochen, ohne eine Zustandsbeschreibung. Alles andere ist höchst spekulativ.

Ich behaupte: Das Fehlen der Überlieferung einer Verbrennungshandlung bei Tacitus kann durchaus daher rühren, daß das Vorauszusetzende ausgelassen werden kann und wurde. Im dem Sinne, wie du, O Quijote selbst ausgeführt hast: "...schrieb er naturgemäß von einem Tumulus..." sage ich "...ließ er den Verbrennungsvorgang weg, weil er ohnehin logisch war" Damit habe ich nicht die Kalkrieser Gruben in ihrer Bedeutung schmälern wollen, sondern anzuregen versucht, daß die Gruben nicht von Germanicus stammen müssen.

Ich wurde inzwischen darauf aufmerksam gemacht, dass Tacitus auch von der Zerstörung des Tumulus berichtet. Das macht die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich erbaut wurde, höher. Denn den Bau konnte er anhand seines Alltagswissens voraussetzen, die Zerstörung nicht.
Wenn ich nach Occams Rasiermessermethode vorgehe, ist es doch wahrscheinlich, dass es sich bei den Kalkrieser Knochengruben um einen Teil der drusischen (nicht verwechseln mit der gleichnamigen religiösen syrisch-libanenischen Gemeinschaft) Bestattungsaktion handelt: Es ist ein Schlachtfeld mit römischer Anwesenheit, die Kochen lagen einige Jahre auf der Erdoberfläche, das Gelände ist bis ins 13. Jahrhundert nicht genutzt worden. Anwohner haben hier also kein Interesse gehabt, aufzuräumen. Der ekelhafte Teil des Verwesungsprozesses war längst vorbei und die Gerippe störten niemanden, da hier niemand lebte.

Ich behaupte weiters: Die –oberflächlich betrachtet kenntnisreiche, weil detaillierte –Überlieferung des Dio vom Schlachtgeschehen ist hübsch gruselig zu lesen, entspricht aber eher dem Geschmack des antiken Lesers, als daß das Zusammentreffen derartiger Germanien-Topoi den Tatsachen entsprechen könnte und wenn, beschreibt es nicht den Untergang des Feldherrn, sondern eines untergeordneten Schlachtgeschehens in dessen Gefolge***.
Da bin ich mit dir einer Meinung, der Cassius wird viel zu ernst genommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alle Quellen behaupten, die Schlacht habe in Wäldern und Sümpfen stattgefunden. Die Kalkrieser Topographie vor 2000 Jahren passt dazu. Edit: Nur damit das nicht missverstanden wird: Wälder und Sümpfe gab es in den hiesigen Gefilden einige mehr. Die Topographie sollte also nicht als "Beweis" für die Schlacht herangezogen werden.

In der Tat: Alle. Auch Florus (s.u.)

1. Velleius, der mir nicht im Original vorliegt, spricht davon, daß das Heer eingeschlossen wurde "durch die Schlaffheit des Führers, die Hinterlist des Feindes und ein ungerechtes Schicksal." Dann weiter, daß ihm "nicht einmal eine straflose Gelegenheit zum Kampf oder Ausbruch gegeben war" ehe er die Grusel-Topoi bemüht: "Das Heer wurde von Wäldern, Sümpfen und Hinterhalten eingeschlossen und (...) niedergemetzelt" (Vell 119, 1ff)
Aus o. g. Gründen kann von hier aus nicht unterscheiden, ob i. Original ein Unterschied zw. "eingeschlossen" und "eingeschlossen" besteht.
Die Wälder und Sümpfe aber können auch sprachlich ein Sommerlager des Varus eingeschlossen haben, ohne daß davon auszugehen wäre, daß die armen Romani mit den Füßen im Wasser waten oder über Wurzeln stolpern mußten. Auch innerhalb eines (Sommer-)Lagers (in welchem Varus "wie ein Stadtprätor auf dem Forum (...) Recht sprach" Vell. 118, 1f) könnten die Römer durch der Germanen Tücke eingeschlossen worden sein. Und genau dazu spricht

2. Florus in Fl 2, 30.29-39 von einem abgehaltenen Landtag, von Sorglosigkeit, mit welcher Varus die Germanen zu Gericht vorlud und daß die Germanen von allen Seiten in das Lager hereinbrachen. Dann auch hier die Germanien-Topoi: "Nichts war blutiger als das Gemetzel in Sümpfen und Wäldern." quod erat expectandum.

3. Frontinus erwähnt (in Nr.15, strat. 2, 9, 4), daß Arminius die Köpfe derer, die er getötet hatte, aufspießen und an den feindlichen Wall herantragen ließ. Wobei ich selbstverständlich einräumen muß, daß das auch auf den Diobericht passen könnte.

Wieso das? Kalkriese ist auf jeden Fall ein Ort, wo ein Tross war, mit Maultieren, ...
hast natürlich recht.
Von wem ist eigentlich die Gesichtsmaske? Kavallerie?

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass es im Einzelnen Fälle gibt, dass mit einem ohne entsprechendem Attribut versehenen ossum ein verbrannter Knochen gemeint ist. Aber das Substantiv ossum bedeutet erst mal nur Knochen, ohne eine Zustandsbeschreibung.

Biste sicher, daß das auch für den Plural gilt?
Ich habe in meinem zwar "Großen" aber doch nur "Schul-"WB Latein gelesen: "ossa, -ium Gebeine, bsd. eines verbrannten Toten"

Alles andere ist höchst spekulativ.
Daß eine Verlochung von Knochen alles andere als typisch römisch ist, habe ich bereits erklärt. Sind dir spätrepublikanisch/frühkaiserzeitliche Referenz-Gruben bekannt (Perser bei Marathon ausgenommen, da ja gerade nicht vergleichbar)?


... dass es sich bei den Kalkrieser Knochengruben um einen Teil der drusischen (nicht verwechseln mit der gleichnamigen religiösen syrisch-libanenischen Gemeinschaft) Bestattungsaktion handelt:

Eine drusianische Bestattungsaktion? Quelle erbeten.

...Anwohner haben hier also kein Interesse gehabt, aufzuräumen. Der ekelhafte Teil des Verwesungsprozesses war längst vorbei und die Gerippe störten niemanden, da hier niemand lebte.

Was ist mit dem Gehöft, welches du erwähntest. Ging das mit der Bestattungsaktion unter die Erde?

Da bin ich mit dir einer Meinung, der Cassius wird viel zu ernst genommen.

WELCOME TO THE FLORUS FILE!

PS: Dank an jschmidt: By Jove, I got it.
 
Das erste Rasenstück

Würde man die Grabstätte der Legionen finden, wäre das dann der Ort der Varusschlacht?
Oder darf man annehmen dass Germanicus die Überreste kilometerweit geschleppt hat?
Was wäre der entgültige Beweis?
 
1. Velleius, der mir nicht im Original vorliegt, spricht davon, daß das Heer eingeschlossen wurde "durch die Schlaffheit des Führers, die Hinterlist des Feindes und ein ungerechtes Schicksal." Dann weiter, daß ihm "nicht einmal eine straflose Gelegenheit zum Kampf oder Ausbruch gegeben war" ehe er die Grusel-Topoi bemüht: "Das Heer wurde von Wäldern, Sümpfen und Hinterhalten eingeschlossen und (...) niedergemetzelt" (Vell 119, 1ff)
Aus o. g. Gründen kann von hier aus nicht unterscheiden, ob i. Original ein Unterschied zw. "eingeschlossen" und "eingeschlossen" besteht.
Velleius benutzt das Wort inclusus:
"inclusus silvis, paludibus, insisiis ab eo hoste ad internecionem trucidatus est, quem ita semper more pecudum trucidaverat, ut vitam aut mortem eius nunc ira nunc venia temperraret."

Daß eine Verlochung von Knochen alles andere als typisch römisch ist, habe ich bereits erklärt. Sind dir spätrepublikanisch/frühkaiserzeitliche Referenz-Gruben bekannt (Perser bei Marathon ausgenommen, da ja gerade nicht vergleichbar)?

Die Bestattung von Gefallenen sechs Jahre nach einer Schlacht ist auch alles andere als typisch.

Eine drusianische Bestattungsaktion? Quelle erbeten.
Gedanklicher Kurzschluss. Weil Vater und Cousin des Germanicus beide Drusus hießen. Mach aus "drusisch" "neronisch". :rotwerd:

Was ist mit dem Gehöft, welches du erwähntest. Ging das mit der Bestattungsaktion unter die Erde?

Das Gehöft war schon vor der Schlacht nicht mehr existent, wobei aber nicht eindeutig ist, ob die Reste noch sichtbar waren oder nicht. Jedenfalls ist in dem Streifen, wo die Grassoden vor dem Wall abgestochen worden auf einer Breite von ca. 20 Metern der archäologische Befund rasiert, dafür finden sich im Wallmaterial die Abfälle (gebrannte Knochen, Scherben) des Gehöfts. Weiter entfernt vom Wall finden sich noch Pfostenlöcher und Abfallgruben. Bis ins 13. Jahrhundert, als dann Plaggen aufgetragen wurden, ist das Gelände unberührt.

Würde man die Grabstätte der Legionen finden, wäre das dann der Ort der Varusschlacht?
Oder darf man annehmen dass Germanicus die Überreste kilometerweit geschleppt hat?

Auseinanderfallende Knochen? Wahrscheinlich nicht.
 
Alle Quellen behaupten, die Schlacht habe in Wäldern und Sümpfen stattgefunden. Die Kalkrieser Topographie vor 2000 Jahren passt dazu. Edit: Nur damit das nicht missverstanden wird: Wälder und Sümpfe gab es in den hiesigen Gefilden einige mehr. Die Topographie sollte also nicht als "Beweis" für die Schlacht herangezogen werden.

Darin besteht das Problem. Zur dem Zeitpunkt existierte in Kalkriese eine Hudelandschaft. D.h. die Wälder wurden durch menschlichen Einfluß (Beweidung, Holzentnahme, Laubheugewinnung,...) verändert. Diese Bearbeitung fand auch in der Landschaft am Nordrand des Wiehengebirges seit ca. 4000v.Chr. statt. Somit hatte diese Gegend schon bis zur Zeitenwende 4Jahrtausende Kulturlandschaftsentwicklung hinter sich. Von 860 bis 60v.Chr. gab es in Kalkriese eine weitgehende Siedlungskontinuität.
Und zur römischen Kaiserzeit gab es auch wieder eine leichte Siedlungsintensivierung.
Da Hudewälder ein parklandschaftsähnliches Aussehen vorweisen, kann hier dann kein dichtes Unterholz existieren, das überraschende Angriffe zuläßt. Aufgrund ihrer Beschaffenheit können Hudewälder leichter (auch von großen Grupppen) begangen werden. Eine Beschreibung, daß die Römer von Wäldern (ein Urwald ist nicht durch größere Gruppen begehbar) und Sümpfen eingeschlossen waren, trifft hier im Hinblick auf die "Kulturlandschaft" nicht zu. Ferner befand sich auch der Helweg vor dem Samtforde ("antike Autobahn") in diesem Gebiet.
Und wie bereits angemerkt wurde, gab es überall in Germanien Wälder und Sümpfe. In jeder Niederung durch die ein Bach floß, kam es zu sumpfigen Gebieten. Aber in Kalkriese gab es keine "undurchdringlichen Gebiete", die die Römer vor ernsthaften Problemen gestellt hätten.
(Quelle über die Landschaft: geobotanische-naturwissenschaftl. Untersuchungen von M.Speier und U.Dieckmann)

Es wäre möglich, dass hier Einheiten unter dem Befehl des Lucius Asprenas, der Neffe des Varus, ein Scharmüzel gehabt hätten.

Aha...so hat CATOs Überlegung doch einiges bewirkt....
 
Liegt der Cherusker gar im Hinterhalt?

Ganz einfach....ich behaupte, daß es kein 3Legionssommerlager gegeben hat.
Wie ich hier schon erwähnte, saß Varus bestimmt nicht in einem Zelt, wenn er doch so ein Lager, wie es in Anreppen gab, nutzen konnte. Auch wäre die Versorgung über die Lippe-Linie gewährleistet worden. Ganz anders verhält sich die Situation an der Weser. Südlich von Hameln wäre ein großes 3Legionslager mit einer mehrmonatigen Nutzung nur schwer über den Wasserweg zu versorgen gewesen.

Ferner ist ein Überfall in einem Lager eher zweifelhaft, da die Germanen dort deutlich in der Unterzahl gewesen wären. Auch taten sich die Germanen sehr schwer damit, Kastelle zu stürmen, die gut und ausreichend verteidigt wurden (siehe Aliso).
 
Ganz einfach....ich behaupte, daß es kein 3Legionssommerlager gegeben hat.

Ok. Der Reihe nach:

1. 3Legions...lager.: Von der Zerstreuung der Legionen spricht ja auch Dio und neuere Forschungen haben ermittelt, daß die Sollstärke einer Legion sich um die diversen Dienste, zu denen die einzelnen Soldaten kommandiert werden (Schreibstuben des Statthalters, Straßenbau, Legionsziegelei, straßenpolizeiliche Aufgaben etc.) nicht unerheblich reduziert.
2. Sommerlager.: Ich weiß nicht, ob der Begriff eines ausdrücklichen "Sommer"lagers von neuzeitlichen Exegeten stammt oder ob er antik ist. Daß es zur varianischen Zeit zumindest ein "unteres Winterlager" gab, ist durch Velleius überliefert.
3. Hauptlager: Angesichts der archäolog. Funde (z.B.Waldgirmes) und der Äußerungen bei nahezu allen antiken Autoren kann man davon ausgehen, daß sich die Römer Germaniens sicher fühlten und daß sie dieses in eine Provinz umwandeln wollten bzw. Germanien bereits als eine solche betrachtet haben. Für mich ist es nicht denkbar, daß es kein Lager von zentraler Bedeutung, will sagen mit Praetorium und Principia des Statthalters gegeben haben soll. In diesem Sinne verwandte ich das Wort "Sommerlager". Wenn dir das Wort zu belastet erscheint, heißen wir dieses statthalterliche, administrative und vermutl. auch militärische Zentrum ab jetzt "Hauptlager". In dieses Hauptlager lud Varus Germanen vor seinen Richterstuhl (Flor. 2, 30) und "glaubte, er spräche als Praetor auf dem Forum Recht" (Vell. 118). Siehe die Quellen unten.

Wie ich hier schon erwähnte, saß Varus bestimmt nicht in einem Zelt, wenn er doch so ein Lager, wie es in Anreppen gab, nutzen konnte.

Auch ich gehe davon nicht aus! Anreppen hätte zumindest die Qualität eines von mir oben beschriebenen Hauptlagers besessen. Ich halte aber ein noch nicht entdecktes für wahrscheinlicher.

Auch wäre die Versorgung über die Lippe-Linie gewährleistet worden. Ganz anders verhält sich die Situation an der Weser. Südlich von Hameln wäre ein großes 3Legionslager mit einer mehrmonatigen Nutzung nur schwer über den Wasserweg zu versorgen gewesen.

Daß die Versorgung eines Hauptlagers aus militär.logist. Gründen jederzeit gesichert sein muß, ist unzweifelhaft. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß die trügerische Sicherheit, in der sich die Römer wiegten, den "saumseligen" Varus zu Fehlentscheidungen verleitet haben könnte (siehe unten).

Ferner ist ein Überfall in einem Lager eher zweifelhaft, da die Germanen dort deutlich in der Unterzahl gewesen wären. Auch taten sich die Germanen sehr schwer damit, Kastelle zu stürmen, die gut und ausreichend verteidigt wurden (siehe Aliso).

Bezüglich längerer Belagerungen und Angriffe bei "ausgelöstem Alarmzustand" (im Sinne des Bewußtseins, sich inmitten von Feindesland zu befinden) gebe ich dir recht.
Aber: Was wäre, wenn die Römer die Anwesenheit von vielen Germanen im unmittelbaren Umfeld des Lagers, evt. sogar innerhalb des Lagers, als erwartungsgemäß und daher als "normal und harmlos" betrachtet hätten? Etwa während eines Landtages?
In Aliso war man bereits im Alarmzustand, daher konnte sich das Lager halten, andere Lager sind untergegangen.

FÜR ALLE, die nicht so in das Thema eingearbeitet sind, wie die üblichen Verdächtigen in diesem Thread, die wichtigsten Quellen (Dio explizit ausgenommen):

Erst Florus:
"Doch es ist schwieriger, Provinzen zu behalten als sie zu schaffen. (...) Er (Varus) wagte es, einen Landtag abzuhalten, und er erließ unvorsichtig Vorschriften, als könne er der Gewalttätigkeit der Barbaren durch die Ruten des Liktors und die Stimme des Herolds Einhalt gebieten. Jene (die Germanen) dagegen, (...) griffen, sobald sie der togen gewahr wurden und der Gerichtsentscheidungen, (...) unter der Führung des Arminius zu den Waffen. Derweil vertraute Varus dem Frieden so sehr, daß er sich nicht einmal beunruhigte, als Segestes als einziger der Fürsten die Verschwörung verriet. So griffen sie den Ahnungslosen und nichts derartiges Befürchenden überraschend an, als jener – welche Sorglosigkeit – Leute vor Gericht lud, und von allen Seiten brachen sie herein. Das Lager wurde ausgeraubt, drei Legionen wurden überwältigt. Varus folgte dem allgemeinen Untergang mit gleichem Schicksal (durch Selbstmord) (...). Nichts war unerträglicher als der Hohn der Barbaren, besonders aber gegenüber den Gerichtsherren,. Den einen stachen sie die Augen aus, den nderen hieben sie die Hände ab; einem wurde der Mund zugenäht, zuvor aber die Zunge herauisgeschnitten. Diese hielt ein Barbar in der Hand und sagte: Endlich hast du Natter aufgehört zu zischen. Selbst der Leichnam des Konsuls (d.h. Varus), den die Soldaten aus Ehrfuircht beerdigt hatten, wurde wieder ausgegraben. Feldzeichen und zwei Legionsadler besitzen die Barbaren noch heute, bevor der dritte in die Hände der Feinde geraten konnte, riß ihn der Standartenträger ab, steckte ihn in die Öffnungen seines Wehrgehänges und verbarg sich so im blutigen Sumpfe."

Nun Velleius, der zeitlich und berufsmäßig nächste Zeitzeuge:
Er (Varus) war mehr an das geruhsame Lagerleben gewöhnt, als an den Gefechtsdienst. (...) Als er das Heer, das in Germanien stand, komandierte, meinte er, (die Germanen) seien Menschen, die außer Sprache und Gestalt nichts Menschlliches hätten, und wer mit dem Schwert sich nicht bändigen lasse, könne mittels des Rechts besänftigt werden. Mit diesem Vorsatz ging er ins Innere Germaniens wie zu Menschen, die sich ander Süße des Friedens freuten und zog die Sommercampagne hin mit Rechtsprechen und formvollendeter Verhandlungsführung.
Jene (die Germanen) hingegen sind (...) äußerst schlau (...). Sie täuschen eine erdichtete Reihe von Rechtsstreitigkeiten vor, fordern einander vor Gericht, sagen dann wieder Dank, weil die römische Gerechtigkeit den Fall geschlichtet habe (...). So verleiten sie den Quintilius zur größter Sorglosigkeit, und es kam sogar dahin, daß er glaubte, er spräche als Prätor auf dem Forum Recht und stehe nicht mitten im germanischen Gebiet an der Spitze eines Heeres. Die Nachlässigkeit des Heerführers nützte ein junger Mann (...) namens Arminius (...), der unsere vorausgehenden Kriegszüge ständig begleitet hatte (...), zu einem Verbrechen aus. Sehr klug hatte er erkannt, daß derjenige besonders rasch besiegt werden kann, der nichts befürchtet, und fast immer Sorglosigkeit am Beginn eines Unglücks steht. Zunächst weihte er nur wenige, dann mehrere in seine Pläne ein. Er sagt und beweist ihnen, daß die Römer besiegt werden können. Den Beschlüssen läßt er Taten folgen und bestimmt den Zeitpunkt des Überfalls. Dies wird Varus durch einen treuen Mann dieses Stammes (...) Segestes angezeigt. (...) Doch das Schicksal (...) hatte ihm (Varus) all seine Verstandesschärfe genommen. (...) Daher weigerte er sich , der Sache glauben zu schenken, und erklärt, daß er die Erwartung auf loyale Haltung ihm gegenüber nach den Verdiensten einschätze. Nach der ersten Anzeige blieb nicht länger Zeit für eine zweite. (...)
Das Heer (...) wurde durch die Schlaffheit des Führers, die Hinterlist des Feindes und ein ungerechts Schicksal eingeschlosse, wobei ihnen, wie gern sie dies auch wollten, nicht einmal eine straflose Gelegenheit zum Kampf oder Ausbruch gegeben war (...) Das Heer wurde von Wäldern, Sümpfen und Hinterhalten eingeschlossen und von einem Feinde bis zur völligen vernichtung niedergemetzelt. (...) Der Heerführer hatte mehr mut zu sterben als zu kämpfen und tötete sich selbst (...) So rühmlich das Beispiel des einen Lagerpräfecten, des L. Eggius, war, so schimpflich verhielt sich der andere, Ceionius, der als die Schlacht den weitaus größten Teil der Soldaten schon vernichtet ahtte, die Kapitulation veranlaßte und lieber durch das Henkerbeil als im Kampf sterben wollte. Numonius Vala aber, der Legat des Varus (...) gab ein unheilvolles Beispiel, indem er das Fußvolk ohne Reiterschutz ließ und mit den Alen fluchtartig abrückte, um den Rhein zu erreichen (...). Den halbverbrannten Körper des Varus hatte der wilde Feind zerfleischt (...).

Jetzt der Bericht von Tacitus bezgl. des Schlachtfeldbesuches, von mir provokativ interpretiert (die Interpretationen sind durch ??? gekennzeichnet):
"Dann gelangte man an die traurigen Stätten (...). Das erste (Haupt-???) Lager des Varusließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hauptplatzes (Principia???) noch die Arbeit von drei Legionen erkennen. Danach sah man an dem halbeingestürzten und dem niedrigen Graben (Abschnittsbefestigung innerhalb des 1. Lagers???) die Stelle, an der sich die bereits zusammengeschmolzenen Reste festgesetzt hatten. Mitten auf dem Felde lagen bleichende Knochen (...) In Hainen in der Nähe standen die Altäre der Barbaren (bestanden diese Heiligtümer bereits vor den Römern, wurden sie anläßlich des bei Florus erwähnten Landtages (vgl. Ara Ubiorum, oder die als solche interpretierte Ara zu Cambodunm), oder erst nach der Schlacht errichtet???), an denen sie die Tribunen und die Zenturionen 1. Ranges gschachtet hatten. Männer, die jene Niederlage überlebt hatten und aus der Schlacht oder der Gefangenschaft entkommen konnten, berichteten, hier seien die Legaten gefallen, dort seien die Adler erbeutet worden, wo Varus die erste Wunde erhalten, wo er durch einen mit unseliger Hand selbst geführten Stoß den Tod gefunden habe, von welcher Erhöhung Arminius zu dem versammelten Heer gesprochen habe. Wieviel Kreuzbalken für die Gefangenen, welche Gruben (Kalkrieser Knochengruben??? Also doch!) er habe machen lassen und wie er im Übermut die Feldzeichen und Adler verspottet habe. (...)

Meine Bewertung: Florus beschreibt einen klassischen Handstreich. Velleius bestätigt ihn teilweise und widerspricht ihm nicht und Tacitus kann man so interpretieren, daß die Clades Variana innerhalb des oben vermuteten Hauptlagers stattgefunden haben könnte.
Spekuliert man weiter, daß das ganze im Rahmen des überlieferten Land- und Gerichtstages stattgefunden: Erst das Opfer für den Kaiser durch die versammelten Häuptlinge mit Treuegelöbnis, dann die Gerichtsverhandlung des Varus, zu welcher der Konsul – zur Feier des Tages – mit allen Legaten erscheint und von den ranghöchsten Officieren umringt ist. Natürlich sind einige auf Posten. Als Lagerpraefect Eggius wahrscheinlich. Aber niemand schöpft Verdacht, daß die Feinde inmitten des eigenen Lagers sind.
Dein Argument der zahlenmäßigen Unterlegenheit gilt auch für eine Schlacht im Gelände. Das Überraschungsmoment lag in beiden Fällen auf Seiten der Germanen.

So es ist wieder mal spät und ich habe noch zu arbeiten... Wahrscheinlich habe ich in der Eile etwas übersehen,...

Seid also nachsichtig, weise Väter dieses Threads.

Grüße von Momus, dem Rest-Romanen
 
Jetzt der Bericht von Tacitus bezgl. des Schlachtfeldbesuches, von mir provokativ interpretiert (die Interpretationen sind durch ??? gekennzeichnet):
"Dann gelangte man an die traurigen Stätten (...). Das erste (Haupt-???) Lager des Varusließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hauptplatzes (Principia???) noch die Arbeit von drei Legionen erkennen. Danach sah man an dem halbeingestürzten und dem niedrigen Graben (Abschnittsbefestigung innerhalb des 1. Lagers???) die Stelle, an der sich die bereits zusammengeschmolzenen Reste festgesetzt hatten.

[...] Tacitus kann man so interpretieren, daß die Clades Variana innerhalb des oben vermuteten Hauptlagers stattgefunden haben könnte.

Wohl kaum. Ich sehe wenig Sinn darin, innerhalb eines ordentlich befestigten Lagers noch einen niedrigen Graben auszuheben. Gesetzt den Fall, Tacitus hätte wirklich eine solche Anlage beschreiben wollen, dann hätte er das sicher getan.
 
Moin Hyo

Aber du wirst doch sicher bestätigen, daß – nach dem Fallen zahlreicher Verteidiger – eine Abschnittsbefestigung zur Aufrechterhaltung der Widerstandsfähigkeit notwendig ist. Daß befestigte Plätze verkleinert werden müssen, wenn die Bemannung kleiner wird ist doch logisch: Das sieht man bei spätantiken Befestigungen innnerhalb von Römerlagern. Und als erstes Beispiel fällt mir die Mayafestung in Aguateca ein, wo ja im Gange einer Belagerung eine Abschnittsbefestigung errichtet wurde.

Und wenn sich Tacitus auf ein Marschlager bezieht, ist doch die beschreibung nicht weniger seltsam...

Was heißt eigenlich niedriger Graben? niedriger Wall ja, tiefer Graben auch aber niedriger Graben

Mit Gruß
 
Moin Hyo

Aber du wirst doch sicher bestätigen, daß – nach dem Fallen zahlreicher Verteidiger – eine Abschnittsbefestigung zur Aufrechterhaltung der Widerstandsfähigkeit notwendig ist. Daß befestigte Plätze verkleinert werden müssen, wenn die Bemannung kleiner wird ist doch logisch:
Allerdings sollte dann der verkleinerte Abschnitt wenigstens annähernd so robust sein wie der aufgegebene Abschnitt.

Und wenn sich Tacitus auf ein Marschlager bezieht, ist doch die beschreibung nicht weniger seltsam...
Wieso? Wer den Tacitus-Text unvoreingenommen liest, wird ohne weiteres auf ein Marschlager tippen. Niemand käme im Traum anhand der Lektüre des Textes darauf, daß Tacitus eine Verkleinerung des ersterwähnten Lagers beschreiben könnte.
 
die festigkeit der Abschnittsbefestigung sollte solide gebaut sein. Doch unter Feindeinwirkung???

Inwiefern "nicht im Traum"? Spricht denn Polybius nur von niedrigen Gräben bei Marschlagern?
 
Wieso? Vorher war doch kein Römer in der Gegend. Das ist doch kein atypisches Verhalten.

Teile des Cheruskers Ansicht. Die Stimmung im Heer und beim Feldherrn (Alpträume) war doch entsprechend und das Geschehen von 9 nach war doch über die Maßen präsent.http://www.geschichtsforum.de/images/smilies/sonstige/angsthab.gif

Für atypisch kann dies Verhalten nur jemand halten, der nicht gedient hat.
http://www.geschichtsforum.de/images/smilies/sonstige/richter.gif
 
Teile des Cheruskers Ansicht. Die Stimmung im Heer und beim Feldherrn (Alpträume) war doch entsprechend und das Geschehen von 9 nach war doch über die Maßen präsent.http://www.geschichtsforum.de/images/smilies/sonstige/angsthab.gif

Für atypisch kann dies Verhalten nur jemand halten, der nicht gedient hat.
http://www.geschichtsforum.de/images/smilies/sonstige/richter.gif

Ich stelle fest, die Botschaft meiner Worte ist nicht angekommen. ich sprach nicht vom Verhalten der acht Legionen des Germanicus (schon ein wenig mehr, als die drei Legionen des Varus), sondern von der Begräbnissituation. Es ist atypisch, dass man einen Körper erst sechs Jahre nach dem Tod beerdigt.
Normalerweise macht man das, bevor der Verwesungsprozess einsetzt und die Geschichte so richtig ekelhaft wird.

Dann nehme ich an, daß du dich mit "neronisch" auf Ahenobarbus beziehst?;)

Ich beziehe mich auf Nero Claudius, vulgo Germanicus.
 
Zuerst einmal:
Großen Respekt vor Rest-Romanes Beitrag #419. Hier wird ein Sachverhalt angesprochen, der m.E. noch zu wenig in Betracht gezogen wurde.
Dazu fällt mir ein, dass in der Nähe des Trasimenischen Sees tiefe, ovale Gruben gefunden wurden, in denen nach Ansicht der Archäologen, hunderte von Toten aus der römischen Niederlage verbrannt wurden. Und zwar nach der „Bustus-Art“, wie sie Rest-Romane hier geschildert hat.
Allerdings muss man in Betracht ziehen, dass eine Verbrennung von Körpern etwas anderes ist, als die Verbrennung von Knochen (zumindest aus heutiger Sicht). Wie das im römischen Ritus gesehen wurde, kann ich nicht sagen, aber Rest-Romanes Ausführungen erscheinen mir sehr nachvollziehbar.

Den Überlegungen bezüglich einer Lagerschlacht, wie sie aus Florus entnommen werden kann, stehe ich allerdings skeptisch gegenüber. Grundsätzlich wäre es natürlich vorstellbar, dass sich zusammengeschmolzene Reste in einer Ecke des Lagers durch einen Abschnittswall zu schützen versuchten. Die Errichtung eines solchen Erdwerkes dürfte nicht schwieriger gewesen sein, als der Bau eines Marschlagers unter Feindeinwirkung.

Für mich spricht jedoch die geographische Angabe des Tacitus deutlich gegen eine Lagerschlacht: Anstelle von „teutoburgiensi saltu“ (was auch immer ein saltu gewesen sein mag), hätte man eher „castra xy“ als Ortsangabe erwartet.


Salve Cato
 
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Es wäre möglich, dass hier Einheiten unter dem Befehl des Lucius Asprenas, der Neffe des Varus, ein Scharmüzel gehabt hätten.

Um noch einmal auf L. Asprenas zurückzukommen:

Blendet man einmal die Schilderungen der römischen Chronisten aus, und betrachtet nur die tatsächlich vorliegenden Fundstücke aus Kalkriese, kann man aus numismatischer und epigraphischer Sicht drei wesentliche Aussagen festhalten:
1.) Die Münzfunde datieren den Komplex in das Jahr 9 n.Chr.
2.) Verschiedene Inschriften belegen eine Cohors I
3.) Die Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide verweist, unter Berücksichtigung der bekannten Einwände, auf die Anwesenheit der Legio I

Zieht man jedoch die durchaus berechtigten Einwände von Wolters gegen die Münzdatierung Bergers hinzu, so erweitert sich der zu betrachtende Zeitraum bis in das Jahr 16 n.Chr.

Da nach heutigem Wissensstand weder die Anwesenheit von Asprenas, noch jene des Varus oder Caecina in Kalkriese eindeutig belegt werden kann, bleibt nur die Erkenntnis, dass dieser Fundplatz mehr Fragen stellt als Antworten zulässt.

Salve Cato
 
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