Wirtschaft und Thesaurierung bei den Germanen zur Zeitenwende

@ Maelonn, um ehrlich zu sein, frage ich mich, was du mit deinem Beitrag bezweckst. Im Gegensatz zu dir hat Cherusker für seine Position, die er hier vertritt, gewisse Argumente auf seiner Seite, wie auch El Quijote etwa genauso gute für die seinige hat. Daher finde ich es unhöflich und deine Bemerkung inadäquat, daß Cherusker Blödsinn schreibe!
Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt: da nimmt sich der Empfänger nichts mit dem Sender. Ich habe von Cherusaker allzuoft vorgeworfen bekommen, ich hätte keine Ahnung oder solle lieber mal in die Bücher schauen.
Das der Tonfall hier nichts zu suchen hat, darin stimme ich aber zu, von keiner Seite. Weder klar formuliert (Maelonn) noch in zynischen Randbemerkungen oder Formulierungen.

Was die Argumente anbelangt sei auf die unmittelbar vorangegangene Diskussion verwiesen, wie die römische Quellen zu lesen seien. Cherusker nimmt sie als Argument wörtlich und unkritisch, nicht wenige (wenn wie immer auch nicht alle) aus der Fachwelt verweisen dabei auf ein verzerrtes Bild, welches bereits die Römer vermittelt bekamen. Übrigens teilen sich Paul van Ossel und Carnap-Bornheim die Einführung zur Welt der Germanen in "Rom und die Barbaren".

Dazu auch nochmal das Wort an M. Todd
Wir können von unserem heutigen Standpunkt aus die Siedlungsform in der germanischen Welt innerhalb ihres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontextes sehr viel besser darstellen als ein Schriftsteller der klassischen Antike. Das muß man sich klar vor Augen führen, denn es wird immer wieder versucht, die Archäologie der Besiedlung auf der Basis der Berichte von Caesar und Tacitus zu erklären und einzuordnen. Doch dabei zeigt sich immer deutlicher, dass dieser Ansatz völlig ungeeignet ist und leicht zu Irrtümern führen kann.
M. Todd, Die Germanen, Stuttgart, 2000, S. 61
Insofern ist das o.g. vollkommen korrekt und zurecht kritisiert. Auf der Basis der römischen Quellen sich ein Bild der (sic!) germanischen Gesellschaft zu machen kann nur zu einem vollkommen verzerrten Ergebnis führen.


Ansonsten würde ich vorschlagen, die Einführungen zu den Germanen zu lesen, darin wird vieles beantwortet. Zum Teil klarer als Manchem recht sein wird.
Zum inhaltlichen also


Und dann das weitere Gerede von der "noch 'halbnomadischen' Lebensweise", etwa weil "die Viehwirtschaft dominiert hat"? Und wie habe ich mir solch halbnomadierenden Germanen vorzustellen? Wie im Mesolithikum mit wechselnden Stationen?
:pfeif:
Dazu:
Diese unregelmäßige Besiedlungsmuster wurden durch die große Mobilität innerhalb einer Gegend noch verstärkt. Auslöser für die Verlegung waren Generationenwechsel und die begrenzte Haltbarkeit der hölzernen Bauten.
P. van Ossel auf S. 74 seines Artikels in Rom und die Barbaren.

Ach, die "Leute haben ihre Rinder nicht gefressen! Oder jedenfalls nicht oft. Fleisch stand nur ganz selten auf ihrem Speiseplan. Nur Rinder, die LEBEN, nutzen dem Viehzüchter!" Maleonn, wie stellst du dir das jetzt wieder vor? Haben sich die Rinder gar deswegen so stark vermehrt, weil sie im hohen Alter sterben durften? Ist das gar der Grund, daß die Germanen ihre Felder nicht beackern konnten, weil sie zur viele Rinder hatten - wohl kaum. Na einen Grund nennst du:
"Also haben sie 'Milchwirtschaft' betrieben. Und wenn sie nicht vom Fleisch ihres Viehs gelebt haben, wovon dann? Ihre Diät war eine überwiegend vegetarische. Sie waren aber keine Sammler mehr. Also muss die Masse dessen, was sie gegessen haben, durch ACKERBAU erzeugt worden sein."
Ich frage mich allerdings, wofür haben sie ihre Schafe und Schweine gehabt? Oder hatten sie die gar nicht gezüchtet? Und überhaupt: wie kriegten sie die Milch aus den Bullen ohne Euter?
:pfeif:
Dazu wieder
In einigen Siedlungen wurde etwa ein Drittel der Schafe während ihrer ersten 18 Lebensmonate getötet. Auch Ferkel wurden geschlachtet, Kälber jedoch weniger. Riner hielt man eindeutig wegen ihrer Milch und der Produkte, die sich daraus herstellen ließen. Die Häute der ausgewachsenen Tiere wurden zu gegebener Zeit zu Leder verarbeitet und auf vielfältige Art verwendet.
M.Todd (s.o.) S. 73
Zur Erläuterung, Todd wertet hier Knochenfunde in Siedlungen aus.
Das Kälber seltener geschlachtet werden hängt sicher auch mit der Vermehrungsgeschwindigkeit / den Zuchtumständen zusammen. Ein Rind trägt rel. lang, bringt weniger Kälber pro Abkalben hervor usw.
 
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Solche rückständigen Kulturen sind in erster Linie dadurch geprägt, dass sie permanent "im kritischen Bereich", an der Grenze zum Existenzminimum, wirtschaften. Genau DESHALB gab es ja die regelmäßigen Hungersnöte. Und in so einer Situation der permanenten Mangelwirtschaft wäre es kollektiver Selbstmord, wenn die Hälfte der Bevölkerung (die Männer!) sich auch noch aus der Produktion AUSKLINKEN WÜRDEN! Diese Gesellschaften waren mühsam in der Lage, sich als Ganzes am Leben zu erhalten. Sie waren völlig außerstande, so viel Überschuss zu produzieren, dass es möglich gewesen wäre, die halbe Bevölkerung von der Produktion freizustellen. Gerade Du sagst doch immer, dass die Germanen keine Überschusswirtschaft hatten!
(...)
Der germanische Mann hat nicht gearbeitet. Der hat sich nur zum Kämpfen vom Bärenfell erhoben; ansonsten hat er sich von seinen Sklaven füttern lassen. Die Idee geht aber nicht auf! Sklavenhaltung macht nur in einer ÜBERSCHUSSWIRTSCHAFT Sinn. In einer MANGELWIRTSCHAFT (wie sie in Germanien normal war) ist jeder Sklave bloß ein weiteres Maul, das man füttern muss! In jedem Fall hätte es sehr viel mehr Sklaven als Germanen geben müssen, um so ein System "am Laufen" zu halten. Dafür gibt es in den historische Quellen aber KEINEN! Hinweis.
(...)
Die Argumentation scheint mir nicht ganz stimmig zu sein. Insbesondere der 2. Teil. In einer Mangelwirtschaft mag man die Sklaverei nicht einführen wollen, aber eine Überschusswirtschaft könnte um den Kriegerethos zu fröhnen mit der Sklavenhaltung beginnen und sich damit der Mangelwirtschaft nähern.
Mangelwirtschaft steht doch nicht vor ausklinken der Männer, sondern danach. Ich habe das Gefühl, dass Du in deinem Gedankenspiel Kausalitäten und Ereignisabfolgen durcheinanderbringst.
Wieviel davon auf die Germanen zutrifft, ist nochmal eine andere Sache.
 
Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt: da nimmt sich der Empfänger nichts mit dem Sender. Ich habe von Cherusaker allzuoft vorgeworfen bekommen, ich hätte keine Ahnung oder solle lieber mal in die Bücher schauen.
Das der Tonfall hier nichts zu suchen hat, darin stimme ich aber zu, von keiner Seite. Weder klar formuliert (Maelonn) noch in zynischen Randbemerkungen oder Formulierungen.
OT:
Topos.
Du hast Dich und Deine Bemerkungen (da wolltest Du mir doch kürzlich "Nachhilfe" geben) leider vergessen. Ich habe Dich erst wieder daran erinnern müssen.
Du schreibst jedesmal der Tonfall würde Dir nicht gefallen, bist aber selbst sofort mit verschiedenen Äußerungen dabei, z.B. und hast Du hier nicht vor längerer Zeit zugegeben, daß Du sofort dagegen schreiben mußt, wenn Du nur meinen Namen siehst?

Daher sehe ich Deine Erklärungen hier nur als Topos an, bevor dann der eigentlich aussagende Teil zum Thema kommt.
 
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Velleius Paterculus, Historia Romana II 118

“Die Leute dort sind aber – wer es nicht erfahren hat, wird es kaum glauben – bei all ihrer Wildheit äußerst verschlagen, ein Volk von geborenen Lügnern. (…) Bald schleppte einer den anderen vor Gericht, bald bedankten sie sich dafür, dass das römische Recht ihren Händeln ein Ende machte, dass ihr ungeschlachtes Wesen durch diese neue und bisher unbekannte Einrichtung allmählich friedsam werde, und was sie nach ihrer Gewohnheit bisher durch Waffengewalt entschieden hätten, nun durch Recht und Gesetz beigelegt würde.“


Auch V. Paterculus´ Beschreibungen der Germanen deuten auf eine Gesellschaft voller innerer Konflikte hin.
Er beschreibt offensichtlich kein Volk friedliebender Ackerbauern. Und was ist mit der Möglichkeit von „kriegerischen Ackerbauern“?
Schauen wir einmal, was Caesar dazu aussagt:
(De Bello Gallico VI 21. -22.):

„Die Germanen weichen von diesen Sitten (der Gallier) stark ab. (…) Ihr ganzes Leben bringen sie mit Jagd und Kriegsübungen zu; von Kind an sind sie auf Strapazen und Abhärtung bedacht. Die am längsten keusch bleiben, erhalten bei den Ihrigen größtes Lob; dies so glauben sie, mache sie groß und stark.(…)
Für den Ackerbau haben sie keine besondere Vorliebe und der größte Teil von ihnen ernährt sich von Milch, Käse und Fleisch. Niemand von ihnen verfügt über ein gewisses Maß an Ackerland oder über Grundeigentum, sondern die Behörden und die Fürsten weisen für jedes Jahr den Geschlechtern und den Sippen sowie denjenigen, die sich deshalb zusammengetan haben, so viel Ackerland dort an, wie und wo es ihnen gut scheint, und veranlassen sie, nach einem Jahr anderswohin zu gehen. Dafür geben sie viele Gründe an. Sie wollen nicht durch langjährige Gewöhnung an einen und denselben Besitz ihre kriegerischen Neigungen gegen den Ackerbau vertauschen, sie sollen nicht nach Großgrundbesitz trachten können, etc. (…)


Es ist anzunehmen, dass Caesar hier die freien, wehrfähigen Germanen beschreibt und Sklaven, Wehruntüchtige (also Kinder und Alte) sowie Frauen ausklammert.
Jene Gruppen gehörten ebenso zu der Wirtschaftsgemeinschaft einer Sippe und übernahmen die Aufgaben des alltäglichen Lebens. Prinzipiell wird die harte körperliche Arbeit auf den Feldern nicht vom Herrn und seinen Söhnen übernommen worden sein, sondern wurde auf Sklaven übertragen. In diesem Punkt unterschieden sie sich nicht wesentlich von den Römern.

Wie es für eine patriarchalische Gesellschaft üblich ist, verstanden sich die freien Männer auf dem Hof als Hüter des Ganzen und Beschützer der Sippe. Sie beschäftigten sich mit Dingen, die ihnen wichtig erschienen: vor allem Reit- und Kampfübungen. Diese Fähigkeiten waren unabdingbar, wenn die Existenz der Sippe bzw. des Stammes gesichert werden sollte. Wer schwach war, konnte in den allgemein unruhigen Zeiten rasch selbst zur Beute anderer werden und in die Sklaverei geraten.
 
Velleius Paterculus, Historia Romana II 118

“Die Leute dort sind aber – wer es nicht erfahren hat, wird es kaum glauben – bei all ihrer Wildheit äußerst verschlagen, ein Volk von geborenen Lügnern. (…) Bald schleppte einer den anderen vor Gericht, bald bedankten sie sich dafür, dass das römische Recht ihren Händeln ein Ende machte, dass ihr ungeschlachtes Wesen durch diese neue und bisher unbekannte Einrichtung allmählich friedsam werde, und was sie nach ihrer Gewohnheit bisher durch Waffengewalt entschieden hätten, nun durch Recht und Gesetz beigelegt würde.“


Auch V. Paterculus´ Beschreibungen der Germanen deuten auf eine Gesellschaft voller innerer Konflikte hin.
Er beschreibt offensichtlich kein Volk friedliebender Ackerbauern. Und was ist mit der Möglichkeit von „kriegerischen Ackerbauern“?
Diese Stelle beinhaltet doch keinerlei Aussage zur Wirtschaft der Germanen. Sie stellt doch einzig und allein die geistig-kulturelle Schwäche der Germanischen Gesellschaft im vergleich zu der römischen Gesellschaft dar. Es ist eine Gesellschaft in der Konflikte durch Gewallt gelößt werden und die von wechselnden Allianzen und Verbindungen geprät ist. Es ist von friedliebenden Ackerbauern ebensowenig die Rede wie von friedliebenden Viehzüchtern.

Schauen wir einmal, was Caesar dazu aussagt:
(De Bello Gallico VI 21. -22.):

„Die Germanen weichen von diesen Sitten (der Gallier) stark ab. (…) Ihr ganzes Leben bringen sie mit Jagd und Kriegsübungen zu; von Kind an sind sie auf Strapazen und Abhärtung bedacht. Die am längsten keusch bleiben, erhalten bei den Ihrigen größtes Lob; dies so glauben sie, mache sie groß und stark.(…)
Für den Ackerbau haben sie keine besondere Vorliebe und der größte Teil von ihnen ernährt sich von Milch, Käse und Fleisch. Niemand von ihnen verfügt über ein gewisses Maß an Ackerland oder über Grundeigentum, sondern die Behörden und die Fürsten weisen für jedes Jahr den Geschlechtern und den Sippen sowie denjenigen, die sich deshalb zusammengetan haben, so viel Ackerland dort an, wie und wo es ihnen gut scheint, und veranlassen sie, nach einem Jahr anderswohin zu gehen. Dafür geben sie viele Gründe an. Sie wollen nicht durch langjährige Gewöhnung an einen und denselben Besitz ihre kriegerischen Neigungen gegen den Ackerbau vertauschen, sie sollen nicht nach Großgrundbesitz trachten können, etc. (…)


Es ist anzunehmen, dass Caesar hier die freien, wehrfähigen Germanen beschreibt und Sklaven, Wehruntüchtige (also Kinder und Alte) sowie Frauen ausklammert.
Jene Gruppen gehörten ebenso zu der Wirtschaftsgemeinschaft einer Sippe und übernahmen die Aufgaben des alltäglichen Lebens. Prinzipiell wird die harte körperliche Arbeit auf den Feldern nicht vom Herrn und seinen Söhnen übernommen worden sein, sondern wurde auf Sklaven übertragen. In diesem Punkt unterschieden sie sich nicht wesentlich von den Römern.

Wie es für eine patriarchalische Gesellschaft üblich ist, verstanden sich die freien Männer auf dem Hof als Hüter des Ganzen und Beschützer der Sippe. Sie beschäftigten sich mit Dingen, die ihnen wichtig erschienen: vor allem Reit- und Kampfübungen. Diese Fähigkeiten waren unabdingbar, wenn die Existenz der Sippe bzw. des Stammes gesichert werden sollte. Wer schwach war, konnte in den allgemein unruhigen Zeiten rasch selbst zur Beute anderer werden und in die Sklaverei geraten.

Würde man dieser Interpretation folgen, so wäre die freie germanische Gesellschaft geprägt durch eine Oberschicht aus der einzig die Führungskräfte(Könige, Herrscher, Anführer) hervorragen. Das Problem dabei ist jedoch einerseits dass es äusserst unwahrscheinlich ist, dass es keine "unterschicht" gibt und vor allem wie solch eine Entwicklung von statten gehen soll, ohne das es Landwirtschaft gab. Wie du so schön schreibst, unterscheidet sich die Oberschicht sicherlich nicht groß von der römischen, in der die Arbeit an Sklaven weiter gegeben wurde. Dennoch wurde Landwirtschaft betrieben, wenn auch von den Sklaven bzw. den, von dir als nicht existent beschriebenen, unteren Schichten. Sieht man von der sehr politisch gefärbten Intention Caesars ab, so schreibt er doch, dass es Ackerbau gab, dass die freien Germanen Landzuweisungen bekommen haben und diesen Boden auch bestellten.
 
Wie du so schön schreibst, unterscheidet sich die Oberschicht sicherlich nicht groß von der römischen, in der die Arbeit an Sklaven weiter gegeben wurde. Dennoch wurde Landwirtschaft betrieben, wenn auch von den Sklaven bzw. den, von dir als nicht existent beschriebenen, unteren Schichten.

Von einem Schichtensystem wie bei den Römern oder im Mittelalter kann man in Norddeutschland zur Zeitenwende nicht ausgehen. Es gab wohl so etwas wie Führungssippen, denen bei militärischen Unternehmungen Gefolgschaft geleistet wurde.

Dennoch wurde Landwirtschaft betrieben, wenn auch von den Sklaven...
Richtig, von Sklaven und anderen Mitgliedern der Sippe. Diese sorgten für den Unterhalt, die freien Männer für den Zusammenhalt und die Sicherheit.


Sieht man von der sehr politisch gefärbten Intention Caesars ab, so schreibt er doch, dass es Ackerbau gab, dass die freien Germanen Landzuweisungen bekommen haben und diesen Boden auch bestellten.

Auch richtig. Niemand hat behauptet, dass es keine Ackerflächen in Germanien gab. Aber ihr Umfang war begrenzt und Caesar und Tacitus betonen die Verachtung der (freien) Germanen gegenüber den Feldarbeiten. Als Statussymbol galt Viehbesitz und nur sekundär Landbesitz.
 
Cherusker: auch wenn es mir völlig zuwider ist:
Die "Nachhilfe" hast du daraus gemacht. Das dies weder so gemeint noch so forumliert war kann man im Thema "Kalkriese zweifelhaft?" nachlesen.
Und ich habe, entgegen deiner Darstellung, hier keineswegs stolz zugegeben das ich persönliche Aversionen hege, sondern dies klipp und klar als Fehler eingeräumt und arbeite daran. Wie in diversen meiner Beiträge zu lesen ist, schätze ich meine Rolle in diesem persönlichen Kindergartengetue keineswegs falsch ein und rechtfertige schon gleich gar nicht mit dem Verhalten der anderen.
Inhaltlich wäre es trotzdem einmal interessant, von dir auch nur Ansatzweise die Quellenkritik verstanden zu sehen oder die Argumente deiner gegenüber nicht verhöhnt und unbeantwortet zu sehen.
Ich werde mir persönliche Bezüge weiter versuchen zu verkneifen, nun noch verstärkt, da es mir offensichtlich mehrfach nicht gelungen ist.

Velleius Paterculus, Historia Romana II 118
Schauen wir einmal, was Caesar dazu aussagt:
(De Bello Gallico VI 21. -22.):

Ich gehe davon aus, dass du es gesehen hast:
Neben der Tatsache, das gerade bei der Paterculusstelle wunderbar klar wird, wie verzerrt die Einblicke in die germanische Gesellschaft waren, bewertet ein großer und auch von dir herangezogener Teil der Forschungswelt die römischen Quellen eben so.
Sie sind nicht beim Wort zu nehmen. Selbst wenn man dies versucht kommen widersprüche auf, Quijote hat dies ja ebenfalls bereits rausgestrichen.

Die archäologischen Quellen widersprechen, und ich dachte darum ging es ursprünglich in der Disskusion den Behauptungen:

Die Landwirtschaft wäre rudimentär
Richtig ist die Formulierung: der Schwerpunkt lag auf der Viehwirtschaft.

Falsch ist die Behauptung: es gab keine Vorratshaltung und / oder Speicher.
Richtig ist: der produzierte Überschuß war nicht ausreichend, größere außergemeinschaftliche Personenkreise zu ernähren.

Ich denke, wenn wir dies so stehen lassen können, dürfte auch dieses Thema langsam wieder zum Ursprung zurück kehren.
 
Die Frage ist hier, wie ernst ist jemand zu nehmen, der die Elchjagd der Germanen beschreibt, wie es Cäsar macht? .

Komisch, warum habe ich geahnt, dass das mit den Elchen kommt?
Man kann die Glaubwürdigkeit von Chronisten in Zweifel ziehen, aber es wäre schön, wenn man wenigstens einen aufzubieten hätte, der die eigene These stützt.


Richtig ist die Formulierung: der Schwerpunkt lag auf der Viehwirtschaft.

Richtig ist: der produzierte Überschuß war nicht ausreichend, größere außergemeinschaftliche Personenkreise zu ernähren.

Zustimmung!


Ich denke, wenn wir dies so stehen lassen können, dürfte auch dieses Thema langsam wieder zum Ursprung zurück kehren. .

Oje, etwa wieder zur Geldwirtschaft bei den Germanen der Zeitenwende? :autsch:


Ups, wo ist denn Dein Beitrag geblieben, El Quijote? :lupe:
 
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Schauen wir einmal, was Caesar dazu aussagt:
(De Bello Gallico VI 21. -22.):

„Die Germanen weichen von diesen Sitten (der Gallier) stark ab. (…) Ihr ganzes Leben bringen sie mit Jagd und Kriegsübungen zu; von Kind an sind sie auf Strapazen und Abhärtung bedacht. Die am längsten keusch bleiben, erhalten bei den Ihrigen größtes Lob; dies so glauben sie, mache sie groß und stark.(…)
Für den Ackerbau haben sie keine besondere Vorliebe und der größte Teil von ihnen ernährt sich von Milch, Käse und Fleisch. Niemand von ihnen verfügt über ein gewisses Maß an Ackerland oder über Grundeigentum, sondern die Behörden und die Fürsten weisen für jedes Jahr den Geschlechtern und den Sippen sowie denjenigen, die sich deshalb zusammengetan haben, so viel Ackerland dort an, wie und wo es ihnen gut scheint, und veranlassen sie, nach einem Jahr anderswohin zu gehen. Dafür geben sie viele Gründe an. Sie wollen nicht durch langjährige Gewöhnung an einen und denselben Besitz ihre kriegerischen Neigungen gegen den Ackerbau vertauschen, sie sollen nicht nach Großgrundbesitz trachten können, etc. (…)


Es ist anzunehmen, dass Caesar hier die freien, wehrfähigen Germanen beschreibt und Sklaven, Wehruntüchtige (also Kinder und Alte) sowie Frauen ausklammert.
Jene Gruppen gehörten ebenso zu der Wirtschaftsgemeinschaft einer Sippe und übernahmen die Aufgaben des alltäglichen Lebens. Prinzipiell wird die harte körperliche Arbeit auf den Feldern nicht vom Herrn und seinen Söhnen übernommen worden sein, sondern wurde auf Sklaven übertragen. In diesem Punkt unterschieden sie sich nicht wesentlich von den Römern.

Diese Stelle beinhaltet doch keinerlei Aussage zur Wirtschaft der Germanen. Sieht man von der sehr politisch gefärbten Intention Caesars ab, so schreibt er doch, dass es Ackerbau gab, dass die freien Germanen Landzuweisungen bekommen haben und diesen Boden auch bestellten.

Nein, da hat Cato schon recht. Im Originalwortlaut steht "Agri culturae non student", sie üben den Ackerbau nicht aus. Die Frage ist hier, wie ernst ist jemand zu nehmen, der die Elchjagd der Germanen beschreibt, wie es Cäsar macht? (*Sorry*). Ernsthaft weiter: Marieluise Deismann schreibt im kritischen Apparat ihrer De Bello Gallico-Übersetzung: "Cäsar war offensichtlich mit den Erzeugnissen der germ. Kultur, die man heute aus Bodenfunden kennt, nicht vertraut."
Desweiteren macht sie auf den textimmanenten Widerspruch zum Ersten Kapitel in Buch IV aufmerksam. Hier heißt es:
"Der Stamm der Sueben ist der weitaus größte und kriegerischste unter den Germanen. Er soll aus hundert Gauen bestehen, deren jeder jährlich jeweils en Heer von 1000 Mann aufstellt, um außerhalb ihres Gebietes in den Krieg zu ziehen. Der Rest, der in der Heimat bleibt, sorgt für die Ernährung der Gemeinschaft. Im nächsten Jahr stehen diese wieder ihrerseits unter Waffen, und die anderen bleiben zuhause. So sind sie in der Landwirtschaft und in Theorie und Praxis der Kriegführung in dauernder Übung."

Bei der politisch gefärbten intention für Cäsars Germanenbeschreibung hast Du natürlich völlig Recht.
 
O.k.. Hatte nur Sorge, dass man meinen Satz mit den Elchen nicht versteht, wenn der Bezug dazu fehlt.

In Caesars Beschreibungen muss nicht zwingend ein Widerspruch enthalten sein. Landwirtschaft kann hier in erster Linie Viehwirtschaft heißen. Und dass nicht alle wehrfähigen Mitglieder auf einen Kriegszug mitziehen konnten, versteht sich von selbst. Ansonsten hätte es vorkommen können, dass man nach der Rückkehr zu Hause nichts mehr vorfand. Nicht weil die Frauen mit den Sklaven durchgebrannt wären, sondern weil zwischenzeitlich die Schwäche durch einen anderen Stamm ausgenutzt wurde.


PS: Bei den Wikingern werden später auch nicht alle verfügbaren Männer in die Boote gestiegen sein. Ein Teil musste zu Hause die Hofarbeit überwachen bzw. sichern und fuhr dafür im nächsten Jahr wieder mit. Einen solchen Vorgang (bei den Germanen) könnte Caesar hier gemeint haben.
 
Bei Cäsar steht agri cultura, was in erster Linie den Ackerbau meint, nicht etwa pecuariusa.

Dann muss man diese Passage besonders quellenkritisch betrachten.
Ein gewisses Maß an Ackerbau ist ja auch archäologisch nachweisbar. Aber im Gegensatz zur Viehzucht eben weit geringer.
Ich will nicht sagen, dass Feddersen Wierde representativ ist, aber dort waren es etwa 1/6 Ackerfläche gegenüber 5/6 Weideland.
 
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Eben. Deshalb wiederhole ich: Die antiken Historiographen sind, was die inneren Angelegenheiten Germaniens angeht, nicht zuverlässig, wir müssen uns auf die Archäologie und die Historiolinguistik verlassen.
 
Ich will nicht sagen, dass Feddersen Wierde representativ ist, aber dort waren es etwa 1/6 Ackerfläche gegenüber 5/6 Weideland.

wenn das stimmt waren es doch Bauern und keine Viehzüchter
Viehzüchter brauchten ungefähr die 12fache Nutzfläche um die gleiche Nahrungsmenge zu erhallten wie Bauern
 
Vielleicht bezieht sich Caesar hier auch nur auf eine suebische Kriegerschicht mit der er es zu tun. Eine Gruppe tatsächlich nomadisierender Berufkrieger unter Führung des Ariovist.
Ähnliches schreibt ja Tacitus den Chatten zu.
Tacitus schrieb:
Ein Brauch, der auch bei anderen germanischen Stämmen vorkommt, jedoch selten und als Beweis vereinzelten Wagemuts, ist bei den Chatten allgemein üblich geworden: mit dem Eintritt in das Mannesalter lassen sie Haupthaar und Bart wachsen, und erst, wenn sie einen Feind erschlagen haben, beseitigen sie diesen der Tapferkeit geweihten und verpfändeten Zustand ihres Gesichtes. Über dem Blut und der Waffenbeute enthüllen sie ihre Stirn und glauben, erst jetzt die Schuld ihres Daseins entrichtet zu haben und des Vaterlandes sowie ihrer Eltern würdig zu sein. Die Feigen und Kriegsscheuen behalten ihren Wust. Die Tapfersten tragen überdies einen eisernen Ring - sonst eine Schande bei diesem Stamme - wie eine Fessel, bis sie sich durch Tötung eines Feindes davon befreien. Vielen Chatten gefällt dieses Aussehen, und sie werden grau mit ihren Kennzeichen, von Freund und Feind gleichermaßen beachtet. Sie eröffnen jeden Kampf; sie sind stets das vorderste Glied, ein befremdender Anblick; denn auch im Frieden nimmt ihr Gesicht kein milderes Aussehen an. Keiner von ihnen hat Haus oder Hof oder sonstige Pflichten; wen immer sie aufsuchen, von dem lassen sie sich je nach den Verhältnissen bewirten; sie sind Verschwender fremden und Verächter eigenen Gutes, bis das kraftlose Alter sie zu so rauhem Kriegerdasein unfähig macht.
Eine Art von Kriegerkaste, Männerbund etc. wär tatsächlich eine Gruppe von Nichtbauern. Eine Ausnahme von der Regel.
 
wenn das stimmt waren es doch Bauern und keine Viehzüchter
Viehzüchter brauchten ungefähr die 12fache Nutzfläche um die gleiche Nahrungsmenge zu erhallten wie Bauern
Eine seltsame Rechnung. Klingt so, als würden die Viecher Getreide kötteln.
Muspilli hatte schon geschrieben (#325), dass beide Wirtschaftsflächen zur Versorgung der Menschen in Feddersen Wierde knapp waren.

Germanen hatten auch Felder, gewiss, aber ergänzend mussten sie Waldfrüchte sammeln, d.h. Bucheckern, Eicheln, Nüsse und Beeren usw.. Diese Zutaten vermischten sie mit halb geronnener Milch zu einer Art Müsli. Fleisch stand nicht täglich auf dem Speiseplan, ist aber wie oben gezeigt, ebenfalls nachgewiesen.
 
Eine seltsame Rechnung. Klingt so, als würden die Viecher Getreide kötteln.

Kötteln taten die Viecher das Gleiche wie heute,aber um kötteln zu können brauchen sie auch Nahrung welche auch irgendwo wachsen muß.
Um den gleichen Nährwert an Fleisch zu erzeugen braucht man nun mal mehr Fläche als wenn man Getreide anbaut
 
Richtig. Aber damals standen die Viecher nicht ständig eingezäunt auf der Weide, sondern wurden auch in Hudewälder getrieben und dort gehütet.
 
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