Fachwerkhäuser

K

Köbis17

Gast
Als ich neulich in der schönen Altstadt von Tübingen unterwegs war, sind mir die vielen Fachwerkhäuser aufgefallen und ich habe mich gefragt, was uns heute noch mit dem Fachwerkhaus verbindet.
Diese Häuser haben einen besonderen eigenen Charme, egal ob sie frisch gestrichen renoviert sind oder alt und schief auf bessere Zeiten warten, wenn man sich in einem stillen Winkel eines alten Fachwerkhauses setzt und die schiefen Wände, die knorrigen Balken, die abgelaufenen breiten Eichendielen, die abgenutzten Bodenplatten, die überall sichtbaren Gebrauchspuren oder auch die alten Inschriften der alten Deeleneinfahrt auf sich wirken lässt.

Die Fachwerkkonstruktionen war für jeden Haustyp geeignet, da sie solide und langlebig waren. Fähige Handwerker und die Baumaterialien gab es in den Regionen überall. Zu den Bauten, die als Fachwerkkonstruktionen errichtet wurden, gehören:

Burgen und Schlösser
Rathäuser und prunkvolle, vielgeschossige Patrizierhäuser
große, prächtige Schulzenhöfe und einfache Pachthöfe
Scheunen, Remisen und Werkstätten
Handwerker-, Tagelöhner- und Ackerbürgerhäuser
Kirchen, Klöster und viele mehr

Wie ist die Geschichte dieser Art von Häusern zu bauen? Sie reicht über 700 Jahre und dennoch haben wir die Kunst der Zimmerleute, hochwertige Fachwerkkonstruktionen zu entwerfen und zu errichten, nach und nach verloren. Gibt es viel Verlorengegangenes Wissen?
 
Die Fachwerkkonstruktionen war für jeden Haustyp geeignet, da sie solide und langlebig waren. Fähige Handwerker und die Baumaterialien gab es in den Regionen überall. Zu den Bauten, die als Fachwerkkonstruktionen errichtet wurden, gehören:

Wie ist die Geschichte dieser Art von Häusern zu bauen? Sie reicht über 700 Jahre und dennoch haben wir die Kunst der Zimmerleute, hochwertige Fachwerkkonstruktionen zu entwerfen und zu errichten, nach und nach verloren. Gibt es viel Verlorengegangenes Wissen?
1.
Was heißt hier "war"? Fachwerkhäuser werden noch immer gebaut. Gerade in den letzten zehn Jahren wird in die Richtung weiter gedacht. Fachwerk ist immer noch oder wieder, gerade in Zeiten des ökologischen Bauens, modern. Zugegebener Maßen bin ich auch schon Architekten begegnet, welche dies Entwicklung ignorieren und mir erklären wollten, dass Fachwerkbau ad acta gelegt wäre.

2.
Auch das stimmt nicht.
Das Wissen wird noch gebraucht, ob zum Neubau oder zur Restaurierung und auch durchaus noch vermittelt:
Propstei Johannesberg gGmbH
Grlitzer Fortbildungszentrum fr Handwerk und Denkmalpflege e.V.
Diese zwei Stellen kann ich persönlich empfehlen, in Fulda d.h. in der Propstei Johannesberg habe ich selbst mal ein Gefach gefüllt.
 
Gibt es viel verlorengegangenes Wissen?

Eigentlich nicht. Fachwerkbauten werden ja bis heute errichtet, wenn dann auch meist in musealen Kontexten.
Man braucht eine Grundmauer. Auf der Grundmauer (Schwelle) liegt das Schwellholz, auf dem Ständer aufgestellt werden. In jedem Geschoss werden Balken dazwischen gelegt, die neue Ständer tragen. Auch sind die Ständer untereinander (und hier gibt es in der Ausführung die größten regionalen Unterschiede) mit Zwischenhölzern verbunden, deren Hauptzweck die Stabilität des ganzen Gebildes ist. Die Zwischenräume wurden mit Flechtwerk ausgefüllt, dieses mit Lehm verkleistert, manchmal wurde es auch druch Mauerwerk ersetzt.
 
Lieber Brissotin, dieses Thema sollte zum diskutieren anregen, nicht zum Verbessern...:winke:

Das sich natürlich heute noch mit der Rekonstruktion zu renovierender Fachwerkhäuser beschäftigt wird, ist anhand vieler schön erhaltener Fachwerkhäuser zu sehen. Und das grade mit dem ökologischen Bauen auch auf historische Bauverfahren zurückgegriffen wird, finde ich richtig gut und beweist umso mehr, das diese Art Häuser zu bauen doch etwas besonderes ist.

Und die alten Baumeister hatten dies besser im Griff, als daß heute der Fall ist, ohne dabei die heutige Zunft der Architekten angreifen zu wollen. Denn die technischen Mittel, die in der jeweilgen Zeit zur Verfügung standen, sind nicht die, die man heute kennt. Logisch haben wir davon gelernt und profitieren von dern Erfahrungen im Bereich der Statik.

Aber um nicht durch modernes ökologisches Bauen zu nah an die heutige Zeitgeschichte zu geraten, wäre es doch einfach erstmal sinvoll auf vergagenes zurück zuschauen.
 
Grüezi

Es gibt gewichtige Gründe, warum die Fachwerk-Konstruktionen nicht mehr gebaut wurden. Die Fachwerk-Konstruktionen haben halt erhebliche Nachteile gegenüber zum Beispiel dem Ständerbau: Der Holzverbrauch ist recht gross. Die zahlreichen Holz-Verbindungen sind stark der Witterung ausgesetzt und neigen deshalb zu Bauschäden. Dem konnte man nur mit widerstandsfähigeren und kostspieligeren Hölzern (z.B. Eiche) begegnen. Oder man bekleidet die Wände mit Schindeln, Brettern usw. Doch dann kann man auch gleich auf die aufwendige Fachwerkkonstruktion verzichten, da sie sowieso nicht mehr sichtbar ist.
So gesehen war das Verschwinden des Fachwerkbaus (nicht zu verwechseln mit dem Tragwerk mit dem Namen „Fachwerk“) ein evolutionärer Prozess, der bis heute anhält. Im aktuellen Holzbau sind wir nun beim Tafelbau und Rahmenelementen angelangt.
Fachwerkkonstruktionen sind im Neubau eher etwas für verklärte Idealisten, mit Vernunft hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.

Gruss Pelzer

.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Brissotin, dieses Thema sollte zum diskutieren anregen, nicht zum Verbessern...:winke:
Und die alten Baumeister hatten dies besser im Griff, als daß heute der Fall ist, ohne dabei die heutige Zunft der Architekten angreifen zu wollen. Denn die technischen Mittel, die in der jeweilgen Zeit zur Verfügung standen, sind nicht die, die man heute kennt. Logisch haben wir davon gelernt und profitieren von dern Erfahrungen im Bereich der Statik.

Aber um nicht durch modernes ökologisches Bauen zu nah an die heutige Zeitgeschichte zu geraten, wäre es doch einfach erstmal sinvoll auf vergagenes zurück zuschauen.

Dazu ist zu sagen , das statische Berechnungsgrundlagen für historische Fachwerkhäuser
mir nicht bekannt sind. Statik zu errechnen begann wohl
mit Bauten für die Eisenbahn ( Brücken zB) und für grosse öffentliche
Bauten. Holzbau- Statiken kenne ich für Dachstühle an grossen
öffentlichen Gebäuden ( Zb. Schule um 1900 ) und für eine sehr grosse
Scheune , ebenfalls vor dem WK I errichtet.
Würde mich interessieren , ältere Entwürfe kennenzulernen.

Abgesehen davon sind die Fachwerkbauten meist mehrfach statisch
überdimensioniert. Insofern ist ein solider Fachwerkbau sehr dauerhaft
und leidet meist nur an äusserer Abrasion durch das Wetter.
Durch die Holzkonstruktion ist der Bau auch in gewisser Weise elastisch-
ein Erdbeben würde ein Fachwerk besser abfangen , als eine gemauerte
Konstruktion:)
Tödlich ist jedoch Nässe und nachfolgender Pilz/Schädlingsbefall für die
Dauerhaftigkeit der Stützkonstruktion.
 
Durch die Holzkonstruktion ist der Bau auch in gewisser Weise elastisch-
ein Erdbeben würde ein Fachwerk besser abfangen , als eine gemauerte
Konstruktion:)
.

Nicht würde, sondern tut.
Beim Erdbeben 1978 in Albstadt sind Fachwerkhäusern und Stahlbeton-Bauten ohne Kratzer stehen geblieben.
Alles zwischen 1900 und 1950 gebaute hat böse gelitten, oder ist gleich eingefallen.
 
Habe irgendwo gelesen (ich glaube bei Tante Wiki), dass in Deutschland noch über 1 Million Fachwerkhäuser stehen! Ohne die ausgebombten Innenstädte des II. Weltkriegs wären es wohl noch viel mehr heute.
 
Grüezi

Bei Fachwerkhäusern sollte man bedenken, dass die Holzkonstruktionen früher oft flächig verputzt waren. Das nun sichtbare Fachwerk wurde erst bei neuzeitlichen Renovationen freigelegt und war nie dafür vorgesehen. Das Erscheinungsbild vieler Fachwerkhäusern wird so komplett verfälscht.:motz:

Übrigens - in meiner Gegend stehen gut ein Dutzend Wohnhäuser, die seit mehr als 500 Jahren bewohnt sind. Allesamt Block- und Bohlenbauten, wie hier üblich...


Gruss Pelzer

.
 
Grüezi

Bei Fachwerkhäusern sollte man bedenken, dass die Holzkonstruktionen früher oft flächig verputzt waren. Das nun sichtbare Fachwerk wurde erst bei neuzeitlichen Renovationen freigelegt und war nie dafür vorgesehen. Das Erscheinungsbild vieler Fachwerkhäusern wird so komplett verfälscht.

Jetzt war ich der Meinung, dass die verputzten Fachwerkhäuser auf Feuerschutzbestimmung des späten 18. Jahrhunderts zurückgehen.
Zuvor eigentlich nur Sichtfachwerk gebaut wurde.

Für Württemberg bin ich mir da fast sicher.
 
Jetzt war ich der Meinung, dass die verputzten Fachwerkhäuser auf Feuerschutzbestimmung des späten 18. Jahrhunderts zurückgehen.
Zuvor eigentlich nur Sichtfachwerk gebaut wurde.

Für Württemberg bin ich mir da fast sicher.
Da magst du Recht haben. Das wir von Region zu Region wohl etwas unterschiedlich gewesen sein.

Gruss Pelzr

.
 
Dem konnte man nur mit widerstandsfähigeren und kostspieligeren Hölzern (z.B. Eiche) begegnen. Oder man bekleidet die Wände mit Schindeln, Brettern usw. Doch dann kann man auch gleich auf die aufwendige Fachwerkkonstruktion verzichten, da sie sowieso nicht mehr sichtbar ist.
So gesehen war das Verschwinden des Fachwerkbaus (nicht zu verwechseln mit dem Tragwerk mit dem Namen „Fachwerk“) ein evolutionärer Prozess, der bis heute anhält. Im aktuellen Holzbau sind wir nun beim Tafelbau und Rahmenelementen angelangt.
Fachwerkkonstruktionen sind im Neubau eher etwas für verklärte Idealisten, mit Vernunft hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.

Bei Fachwerkhäusern sollte man bedenken, dass die Holzkonstruktionen früher oft flächig verputzt waren. Das nun sichtbare Fachwerk wurde erst bei neuzeitlichen Renovationen freigelegt und war nie dafür vorgesehen. Das Erscheinungsbild vieler Fachwerkhäusern wird so komplett verfälscht.:motz:


Also im Bergischen Land (etwa südlich vom Ruhrgebiet, östlich von Düsseldorf, Köln, nördlich von Siegburg, bekannt durch die Herrschaft Jülich-Kleve-Berg) ist der schieferverschindelte, seltener auch holzbedeckte Fachwerkbau normal. In Ostwestfalen, im Münsterland und in Teilen Niedersachsens ist der "freie" Fachwerkbau sehr häufig und war es auch in der Vergangenheit. Häufig ist er mit Inschriften versehen, die unterschiedlichen Dinge nennen. Bauherr, Baujahr, Segens- und Sinnsprüche, Bibelverse.
 
Da der Threadersteller nicht geschrieben hat, dass ihn ausschließlich deutsche Fachwerkhäuser interessieren, erlaube ich mir mal einen Link zu setzten, den ich letztens bei der Recherche zur Theodosianischen Landmauer Istanbuls fand, auch wenn einige wieder sagen werden, "der lynxxx schon wieder..." ;)

Bzgl. Erdbebensicherheit von Fachwerk- und Holzhäusern:

From "opus craticium" to the “Chicago frame"
Earthquake resistant traditional construction

"ABSTRACT: Earthquake-resistant traditional construction? One may consider the phrase to be
an oxymoron. There are many examples of traditional construction that have fared well in large
earthquakes. This is certainly important for historic preservation efforts, as the analysis and
documentation of this phenomenon can bolster attempts to preserve the fabric of historical
structures. There is, however, an even more powerful lesson to be learned from these historic
structures – a lesson on how to improve new construction. This is crucial, as in recent
earthquakes in diverse parts of the globe it is the modern buildings that often have proved to be
most fatal. This paper will explore examples of timber-laced non-engineered masonry
construction that have proven to be comparatively resistant to earthquake damage."

http://www.conservationtech.com/RL'...2006-India-SAHC/sm2LANGENBACH-SAHCplenary.pdf

Als Erweiterung:
Rennaissance des traditionellen türkischen Holzhauses nach den verheerenden Erdbeben?
http://www.icomos.org/iiwc/seismic/Tobriner.pdf
 
Jetzt muss ich aber auch mal etwas dazu sagen.

Man sollte doch nie vergessen, warum es Fachwerkhäuser gab.
Das "Der ist Steinreich" kommt nicht von ungefähr.
Steine waren teuer und Holz hatte man.
Fachwerkhäuser sind nicht enstanden, weil sie besser waren, als Steinhäuser, sondern wegen der Armut.
Holz war da, Stroh war da und Lehm war da.
So war nämlich der Ursprung. In den Fächern wurden Staken eingesetzt und diese mit einem Lehm-Strohgemisch verkleidet.
Das fand man dann irgendwie schick und dachte sich Umgebindehäuser aus.
Da wurden um ein Haus ohne Dach, Stiele aufgestellt, die dann das Dach tragen. Sieht schick aus, aber architektonisch nicht notwendig.

Wir sollten aufhören, unsere Vorfahren zu verdammen mit unseren Ökowahn. Es war das beste zu dieser Zeit, so ein Haus zu bauen.
 
Wir sollten aufhören, unsere Vorfahren zu verdammen mit unseren Ökowahn. Es war das beste zu dieser Zeit, so ein Haus zu bauen.


Hat doch keiner verdammt.
Hättest Du bei uns 78 mal geschaut, ganze Straßenzüge mussten abgebrochen werden.
Und die 500 Jahre alten Fachwerkhäuser standen wie eine eins.
 
Übrigens... nur für den Fall, dass es jemanden interessiert :D

In London gibt es nur noch sehr sehr wenige Fachwerkhäuser, bzw. mit Holz gebaute Häuser. Eines davon ist das "George", ein Lokal und ein Neueres - das wieder aufgebaute "Globe Theatre".

Für Letzteres waren eine Unmenge an Genehmigungen und juristische Streitereien erforderlich, da in London seit dem großen Brand 1666 (kurz nach der letzten Pestepidemie) das Verbauen von Holz in Stadthäuser verboten ist. Bei dem Brand (der beinahe drei Tage wütete) wurde fast die gesamte City vernichtet. Seitdem gelten Bauvorschriften, die die Brandgefahr eindämmen sollen, wie zum Beispiel, dass nur noch Ziegel und Stein als Baumaterial verwendet werden dürfen und dass höhere Stockwerke nicht mehr überhängen dürfen (zwecks Gefahr beim Zusammenbruch)...

Tante Wiki gibt dazu einen kleinen Überblick.
 
Übrigens... nur für den Fall, dass es jemanden interessiert :D

In London gibt es nur noch sehr sehr wenige Fachwerkhäuser, bzw. mit Holz gebaute Häuser. Eines davon ist das "George", ein Lokal und ein Neueres - das wieder aufgebaute "Globe Theatre".

Für Letzteres waren eine Unmenge an Genehmigungen und juristische Streitereien erforderlich, da in London seit dem großen Brand 1666 (kurz nach der letzten Pestepidemie) das Verbauen von Holz in Stadthäuser verboten ist. Bei dem Brand (der beinahe drei Tage wütete) wurde fast die gesamte City vernichtet. Seitdem gelten Bauvorschriften, die die Brandgefahr eindämmen sollen, wie zum Beispiel, dass nur noch Ziegel und Stein als Baumaterial verwendet werden dürfen und dass höhere Stockwerke nicht mehr überhängen dürfen (zwecks Gefahr beim Zusammenbruch)...

Tante Wiki gibt dazu einen kleinen Überblick.

Vieleicht liegt es auch daran, das die Bäume in England für die Flotte gebraucht wurden und nicht für gottverdammte Häuser.
 
Nee :)

Lag wirklich an dem Brand. England hatte genug Wälder, zumindest zu der Zeit noch :D weiß nicht, wie weit die Abrodung heute ist.

Übrigens hab ich das mit dem Brand nicht von Tante Wiki, sondern von einem Schauspieler der RSC (Royal Shakespeare Company), der uns einen Vortrag unter Anderem über das Globe Theatre und dessen Geschichte hielt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer sich schönes Fachwerk ansehen möchte der sollte mal nach Nordhessen fahren,Homberg/Efze mit Marktplatz und vor allem Fritzlar mit Marktplatz,Häuser um 1500 und älter gibt dort noch wesentlich mehr zu sehen
Marktplatz-Fritzlar.jpg
zB Dom mit Domschatz und die mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Türmen
 
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