Abdankung Kaiser Franz II.

Alexander.

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ich habe einmal gelesen, das ein altes römischen Kastell in Verbindung mit der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II steht. Ich weiß selber nicht mehr genau, wo ich das gelesen habe, aber kann es sein das Franz II die Krone in einem Kastell niedergelegt hat oder Napoleon es in einem Kastell gefordert hat? In dem Text den ich in Erinnerung habe, hieß es, das sich die Römer in diesem Kastell im Zuge der Völkerwanderung lange behaupten konnten, und das Kastell damals - 1806 - noch relativ gut erhalten war...
ich weiß das ganze klingt etwas komisch, aber hat sich deratiges zugetragen? Oder ist es vllt. eine Sage oder etwas in der Art?
Wenn jemand etwas dazu weiß bitte sagen, jeder Hinweis hilft ^^
 
Grundsätzlich kann ich mir kaum vorstellen, dass der Kaiser Franz II. seine Abdankung irgendwie zelebrierte. Das war sicherlich einer der schmachvollsten Momente in seinem Leben und soweit mir bekannt, musste Franz II. schon mit enormem französischen Druck zu dieser Tat gezwungen sein. Ich denke daher eher, er fügte sich frustriert, verärgert und jedenfalls mit Empfindungen, die keine feierliche Abdankung naheliegend erscheinen ließen, in das, was ihm unvermeidlich erschien. Man muss sich immer vor Augen halten, wie die Habsburger über Jahrhunderte um diese Kaiserkrone gekämpft haben und welches Prestige und welchen Einfluss die Krone trotz allem Wenn und Aber noch bis ins 18.Jh. hinein für den Inhaber derselben bedeutete. Sowas wird man nicht frohen Mutes aufgeben.
 
Wie mit der Abdankung genau umgegangen wurde, weiß man auch:

"Selbst der so reichstreue Konkomissar von Hügel hatte dem Kaiser in einem Gutachten vom Frühsommer 1806 geraten, bei günstiger Gelegenheit auf die Reichskrone zu verzichten. Das geschah mit der Erklärung vom 6.8.1806. Aufschlußreich ist hier die Vorgehensweise: Die Abdankungsurkunde wurde nicht etwa den Kurfürsten oder dem Reich bekanntgemacht, sondern vom Reichsherold von der Balustrade der Wiener Jesuitenkirche am Hof verlesen. ..."
*
(Hervorhebung von mir.)

Eigentlich hätte man erwarten können, da die Abdankung des Kaisers das Reich als solches anbelangte, dass diese v.a. in Regensburg mit einer formellen Kenntnisnahme anlangte. Stattdessen aber wurde sie nur in einer Note des österreichischen Direktorialgesandten Egid Joseph Karl von Fahnenberg (1749-1826) mitgeteilt. Jedoch waren ohnehin nur noch 23 Gesandte von 40 Reichsständen (also gab es viele Reichsstände, die sich eine Person als Interessenvertreter teilten, wobei es sich wahrscheinlich v.a. um die kleineren Reichsstände handelte) anwesend. Der Rest war nach Frankfurt abgereist, um dort im Rahmen des Rheinbundes eine Tätigkeit aufzunehmen und andere waren wohl im Urlaub.

Offenbar erwartete niemand mehr im August 1806 überhaupt irgendwelche nennenswerte Entscheidungen durch Kaiser Franz II. nachdem Napoleon I. bsw. im Januar 1806 in München die Reichsritterschaft für aufgelöst erklärte. Scheinbar hörte schon zu dem Zeitpunkt eher ein großer Teil auf die Befehle des Kaisers der Franzosen statt auf den rechtmäßigen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.

Am 1. August 1806 waren schon mit einer Erklärung der Beitrittsstaaten des Rheinbundes diese, nach eigener Aussage, selbstständig durch Lossagung aus dem Reich ausgetreten.

* Aus: "Reichsstadt und immerwährender Reichstag" Hrsg.: Martin Dallmeier - Fürst Thrun und Taxis Hofbibliothek - Zentralarchiv, Verlag Michael Lassleben, Kallmünz, 2001
Hier: Peter Wolf: "Reichsdeputationshauptschkuss und das Ende des Reichstages" S. 71
 
Grundsätzlich kann ich mir kaum vorstellen, dass der Kaiser Franz II. seine Abdankung irgendwie zelebrierte. Das war sicherlich einer der schmachvollsten Momente in seinem Leben und soweit mir bekannt, musste Franz II. schon mit enormem französischen Druck zu dieser Tat gezwungen sein. Ich denke daher eher, er fügte sich frustriert, verärgert und jedenfalls mit Empfindungen, die keine feierliche Abdankung naheliegend erscheinen ließen, in das, was ihm unvermeidlich erschien. Man muss sich immer vor Augen halten, wie die Habsburger über Jahrhunderte um diese Kaiserkrone gekämpft haben und welches Prestige und welchen Einfluss die Krone trotz allem Wenn und Aber noch bis ins 18.Jh. hinein für den Inhaber derselben bedeutete. Sowas wird man nicht frohen Mutes aufgeben.

Indess, Franz hatte vorgebaut: seit 1804 war er ja auch Kaiser von Østerreich (interessant uebrigens, dass da niemand der europæischen Herrscher Einspruch erhob, wæhrend man Napoleons Kaisertitel nicht anerkannte)
Ich denke, dass er schon længer damit rechnete, dass er (bzw. seine Nachfahren) den Titel als rømischer Kaiser nicht ewig behalten konnten.
Wertlos war die Krone in jedem Fall, nach dem Austritt der Rheinbundstaaten. Der Mann war einfach nur konsequent.

Gruss, muheijo
 
@ muhejio
Das mit der Kaiserkrone Österreichs ist richtig. Wenn die Idee die Kaiserkrone des Reiches abzulegen, aber von Franz II. eigener Konsequenz kam, warum musste er dann vom französischen Gesandten also übertragenermaßen Napoleon selbst, dazu gedrängt werden?

Die Sache ist wohl schwieriger, als man anfangs denkt. Die österreichische Kaiserkrone war natürlich ganz abgesehen vom Faktor als Kaiserkrone in der Hinterhand natürlich auch sinnvoll, um eine gemeinsame Klammer um den Rest der Territorien des Habsburgerreiches zu bilden, bevor noch mehr abhanden kamen.
 
Ganz interessant vielleicht, dass der Kaiser Franz II. selbst die Formulierung Abdankung zu vermeiden suchte.

"Der letzte Vorhang fiel jedoch am 12. Juli in Paris, als sich 16 Reichsfürsten zum Rheinbund zusammenschlossen. Nun musste Wien seine schnelle Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Mit Handschreiben vom 31. Juli trug Kaiser Franz seinem Außenminister auf, alle Vorbereitungen für die Niederlegung der Kaiserwürde zu treffen, um keinen französischen Vorwand für ein militärisches Eingreifen zu liefern. Mit wohl durchdachten und juristisch ausgefeilten Worten wurde am 6. August ein Dokument veröffentlicht, in dem Franz II. seine friedliebenden Absichten betonte. Jedoch sei infolge der Gründung des Rheinbundes, die einen Bruch der Reichsverfassung darstellte, ein Vertrauensbruch mit den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reiches eingetreten. Weder von Abtritt, Rücktritt oder Verzicht war die Rede, sondern von der Niederlegung der kaiserlichen Würde und dem damit erloschenen Reich. Damit sollte das etwaige Fortführen des Kaisertums unter Napoleon unmöglich gemacht werden. Ebenso wurde die Verbindung der österreichischen und böhmischen Länder mit dem Reich gelöst und ihre Einheit mit den übrigen Erblanden bekräftigt."
*

Neben der Vermeidung des Abdankungsbegriffs fällt noch etwas anderes auf. Die Gründe für das Ende des Reiches werden genannt. Da Franz den Frieden will, musste er das Reich auflösen. Denn ohne die Auflösung wäre er durch die Reichsverfassung ja genötigt gewesen gegen die Brecher der Reichsverfassung vorzugehen. Der Austritt der Reichsfürsten, welche diesen am 1. August erklärten, aus dem Reich, war mit dem Reich und seiner Verfassung nicht vereinbar und hätte einen Reichskrieg nach sich gezogen. Doch mit welchem Reichsheer hätte er diesen unternehmen sollen. Bis auf den "vertriebenen" Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg, dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Kurfürsten von Sachsen war abgesehen natürlich vom Kaiser ein großer Teil der wichtigen Fürsten des Reiches ja "übergelaufen" bzw. von den territorialen Veränderungen der europäischen Landkarte ganz verschwunden. Eben diese "Überläufer" und vernichteten Reichsstände hatten aber ein Herzstück der Reichsarmee gebildet. ( :weinen: )
Nebenbei ist interessant, dass das erwähnte Handschreiben vom 31. Juli 1806 einen Tag vor dem "formellen" Austritt der Rheinbundstaaten aus dem Reich abgefasst worden war (!).

*
Zitiert nach: "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation - Altes Reich und neue Staaten..." Band 1 - Katalog - Sansteinverlag, Dresden, 2006
Hier: Michael Göbl zu "III. 123 Abdankungsurkunde Kaiser Franz' II." S. 246
 
@ Mods

Können wir das Thema anpinnen? Entweder hier oder besser im Unterforum zum Heiligen Römischen Reich.

Ich denke das ist ein bedeutendes Ereignis der deutschen und europäischen Geschichte, was ja auch immer mal angesprochen wird. Es war einschneidend für die Kontinuität der Herrschaft über Deutschland und weite Teile Mitteleuropas.
 
Ich denke, dass ist ein bedeutendes Ereignis der deutschen und europäischen Geschichte...

Da hast Du, wie fast immer, völlig recht! :winke:

1. Interessant ist freilich die Bedeutung, welche die Verfassungsrechtler dem Ereignis beimessen. Ernst Rudolf Huber beispielsweise (Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 1 [EA 1957]) weist darauf hin, dass von einem völkerrechtlichen Erlöschen des Reiches - als Folge der einseitigen (!) Erklärung des Kaisers vom 6.8.1806 - nicht die Rede sein könne: Das Reich war nämlich, wie durch den Westfälischen Frieden bekräftigt, ein ewiges, unauflösliches Gebilde, das allenfalls im vollen Einverständnis zwischen den Reichsständen und dem Kaiser hätte "beseitigt" werden können. Als nomineller Wahlkaiser konnte Franz II. zwar die Krone niederlegen, aber nicht die Verfassung des Reichs oder gar das Reich selbst aufheben (so auch Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte [2008], Rn. 924). 1806 wurde das Reich sozusagen "suspendiert" (Huber) - sein definitives Ende kam hiernach erst, als sich 1814/15 niemand mehr für die Weiterführung stark machte und im Deutschen Bund ein Nachfolge-Staatenbund errichtet wurde.

2. Bereits Franz' II. ebenso einseitige Annahme eines erblichen österreichischen Kaisertitels - genauer (Kotulla): "Kaiser von Österreich und der Römer" (Austriae et Romanorum Imperator - sic!) - am 11.8.1804 wird als "Verfassungsbruch" übel vermerkt. So wie Kotulla auch Frotscher & Pieroth (Verfassungsgeschichte [3.A.2002]: "Denn die Reichsverfassung schloss nach ihrer Systematik und ihrem Zweck ein Doppelkaisertum aus. Es konnte im HRR nur eine Kaiserwürde, die altüberlieferte, geben. Kein Territorialfürst war befugt, für seine Landesherrschaft eine eigene Kaiserwürde zu begründen" - schon gar nicht so'n Erzherzog von der Ostgrenze.:motz:

3. Durch Art. 1 der Rheinbundakte vom 12.7.1806 hatten sich 16 deutsche Reichsfürsten verpflichtet, auf ewig aus dem HRR auszuscheiden ("Les états de leurs Majesté ... seront séparés à perpétuité du territoire de l'Empire germanique"), und Napoleon hatte Franz II. ultimativ aufgefordert, die Kaiserkrone niederzulegen - nicht: das Reich aufzulösen! Wohlmeinende Historiker glaube deshalb, dass der Kaiser durch sein Patent vom 6.8.1806 es "auf diese Weise dem sich längst als 'Herrscher des Abendlandes' begreifenden Napoleon unmöglich machen wollte, eine legitime Nachfolge als Kaiser des HRR anzutreten. Ebenso sollte ein Übergang des vakanten Kaisertums auf die Hohenzollern ausgeschlossen werden" (Kotulla, Rn. 922).
 
@ jschmidt
0. :yes: Guter Beitrag.

1. Wie hart das auch ist, aber ich frage mich da immer nach den Alternativen. Klar, die Niederlegung der Kaiserkrone war vielleicht unvermeidlich, wenn Franz II. den erst geschlossenen Frieden nicht gefährden wollte. Was wäre nun der Zustand des Reiches gewesen? Wäre es eine Art Suspendierung gewesen? D.h., die Rolle des Kaisers war erstmal auf Eis gelegt, da ja das Kurkolleg auch noch kaum als intakt bezeichnet werden konnte. Genau des Szenario wird ja von Historikern in dem Zusammenhang scheinbar hinterfragt.

2. Das mit dem Kaisertitel für Österreich ist wohl so zu sehen, wie Du es darstellst. Die Motivation Franz II. liegt auf der Hand. Auf der anderen Seite muss man aber wohl auch postulieren, dass Franz II. damit seine Rolle als Kaiser des HRR ausnutzte, denn ohne diese hätte sich sein neu gebackenes Kaisertum wohl kaum so durchsetzen lassen. Damit ging der Kaiser Franz II. eine habsburgische Politk im Reich weiter, die aber wohl schon von Vorgängern eingschlagen worden war.

3. Ist richtig, klar. Ich schau mal, ob ich dazu noch was finde.:cool:
 
Am 1. August 1806 waren schon mit einer Erklärung der Beitrittsstaaten des Rheinbundes diese, nach eigener Aussage, selbstständig durch Lossagung aus dem Reich ausgetreten.

Neben der Austrittserklärung vom 1. August 1806 ging eine vom Charge d'Affaire Théobald Bacher unterfertigte Erklärung Napoleons die Reichsverfassung nicht mehr zu akzeptieren an die kaiserliche Vertretung noch bevor sie in Regensburg zur Diktatur gekommen war. Der Kanzleidirektor Haas schrieb daraufhin an den Reichsvizekanzler Colloredo:

"Beide Erklärungen [die des Austritts und der nicht weiteren Anerkennug der Reichsverfassung] haben miteinander gemein, dass ihre Urheber diejenigen Gebrechen der deutschen Verfassung, welche sie selbst verursacht haben, zum Grund ihrer Vernichtung nehmen."
*


* Zitiert nach: "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation - Altes Reich und neue Staaten..." Band 2 - Essays - Sansteinverlag, Dresden, 2006
Hier: Wolfgang Burgdorf zu "Wendepunkt deutscher Geschichte - das Reichsende 1806 und seine Wahrnehmung durch Zeitgenossen" S. 19-20

PS: Passt vielleicht auch gut zu Punkt 3 von jschmidt.:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie hart das auch ist, aber ich frage mich da immer nach den Alternativen.
Die Alternative wäre gewesen, tatsächlich "nur" die Wahlkaiser-Krone niederzulegen und auf bessere Zeiten zu hoffen. Aber Franz II. hat offenbar nicht mehr an eine "Wiedervereinigung" mit den abgetrennten Reichsteilen geglaubt. Vielleicht war auch im Zeitalter der (sich entwickelnden) Nationalstaaten die Reichs-Idee schon zu sehr ausgehöhlt.

Wenn man das unter 3. genannte Motiv für wahrscheinlich hält, war der Kaiser im Übrigen ja recht "clever". Denn dass Napoleon vakante Kronen "aufsammelte", hatte er ja schon bezüglich Italiens bewiesen (http://www.geschichtsforum.de/f16/napoleon-eiserne-krone-23238/).

Erklärung Napoleons die Reichsverfassung nicht mehr zu akzeptieren
Mit der Formel "ne reconnait plus l'existence de la constitution germanique" entzog Napoleon dem Reich quasi die völkerrechtliche Anerkennung (Kotulla, aaO, Rn. 919).
 
Hier noch das Ergebnis der vertieften juristischen Analyse von Gero Walter (Der Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und die Problematik seiner Restauration in den Jahren 1814/15, Karlsruhe: C.F.Müller, 1980; jur. Diss. Bonn 1979):

1. Danach war es dem Kaiser, wie gesagt, nicht rechtswirksam möglich, das Reich einseitig aufzulösen, und er bzw. seine Räte haben das auch gewusst; ebenso wenig waren die Rheinbundstaaten berechtigt, sich vom Reich zu lösen. Franz II. hatte sich auf seinen Schritt schon des Längeren, nicht erst seit Napoleons Ultimatum, vorbereitet. Ihm war bekannt, dass Preußen für Norddeutschland seit Anfang 1806 eigene Pläne verfolgte (die im Herbst zu Nichts zerronnen), und dass Napoleon das Ziel verfolgte, "Kaiser des Okzidents" zu werden (nach Raumer, Deutschland um 1800, S. 165). Dessen Wegbereiter war der Kurerzkanzler (und damit oberste Reichsbeamte) Dalberg, der allein dem Franzosen zutraute, "die römische Krone zu härten und aus ihrer Verachtung und Geringschätzung zu heben, auf dass 'das abendländische Weltreich wieder auflebe in Kaiser Napoleon, so wie es war unter Karl dem Großen, zusammengesetzt aus Italien, Frankreich und Deutschland'" (aaO, S. 168).

2. Eine rechtswirksame Auflösung des Reichs wäre bei Zustimmung der Reichsstände zustande gekommen. Diese erfolgte aber nicht - und mindestens einer der Kurfürsten, nämlich Georg III. von Hannover (zugleich König von England), erklärte förmlich beim Wiener Hof, dass er das Patent des Kaisers vom 6.8.1806 nicht anerkenne und das Reich als fortbestehend betrachte (Walter, S. 83). Auch in den Folgejahren zeigte sich Georg von der "normativen Kraft des Faktischen" äußerlich unbeeindruckt: Er führte bis zum 11.10.1814 weiter den Titel "Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, des heiligen römischen Reiches Erzschatzmeister und Churfürst". Einen Tag später freilich ließ er davon ab und die Welt wissen, er sei nunmehr "König von Hannover" - sicher eine Reaktion auf die Tatsache, dass niemand an der HRR-Idee festhalten wollte.
(Die Darstellung von Aretin [Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, S. 102], dass 1806 der König von Schweden als einziger protestiert haben soll, fand ich nirgendwo bestätigt.)

3. Wie das halt Juristen so tun, prüft Walter auch, ob Georgs III. Einrede überhaupt beachtlich war - Hannover war ja seit dem Annexionsedikt vom 1.4.1806 durch Preußen besetzt! Prüfungsergebnis: der Kurfürst verlor dadurch nicht seine Reichsstandschaft, d. h. sein Protest war wirksam, verpuffte aber. Praktisch folgenreich war immerhin die kurze Episode des "britisch-preußischen Seekriegs": Als Reaktion auf die Besetzung Hannovers erklärte das Vereinigte Königreich am 11.6.1806 den Krieg an Preußen und beschlagnahmte über 300 Handelsschiffe...
 
3. Wie das halt Juristen so tun, prüft Walter auch, ob Georgs III. Einrede überhaupt beachtlich war - Hannover war ja seit dem Annexionsedikt vom 1.4.1806 durch Preußen besetzt! Prüfungsergebnis: der Kurfürst verlor dadurch nicht seine Reichsstandschaft, d. h. sein Protest war wirksam, verpuffte aber. Praktisch folgenreich war immerhin die kurze Episode des "britisch-preußischen Seekriegs": Als Reaktion auf die Besetzung Hannovers erklärte das Vereinigte Königreich am 11.6.1806 den Krieg an Preußen und beschlagnahmte über 300 Handelsschiffe...

3. Wäre ja auch noch schöner gewesen, wenn der Rechtsbruch Preußens auch noch dem rechtmäßigen Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg seiner Rechte beraubt hätte.;)

Fragt sich insgesamt, welches Gewicht in der Tat das Wort eines Kurfürsten noch hatte, dessen Kurfürstentum mit Ende des Friedens mit Frankreich besetzt wurde? Im Juli 1803 hatte Konvention von Artlenburg doch schon wieder einen Grundpfeiler, des erst mit dem Reichsdeputationshauptschluss vom Februar geordneten Reiches, eingestürzt.
 
... der Rechtsbruch Preußens ...
Du hast völlig recht: Wenn hier die Namen von Rechtsbrechern genannt werden, gehört Preußen mit in die erste Reihe! :winke:
So gesehen haben - faktisch! - diejenigen recht, für die das Reich seit 1801 bzw. 1803 "gestorben" bzw. nicht imstande war, namhafte Herrschaftsrechte wahrzunehmen.

Fragt sich insgesamt, welches Gewicht in der Tat das Wort eines Kurfürsten noch hatte, dessen Kurfürstentum mit Ende des Friedens mit Frankreich besetzt wurde?
Gewicht hatte das ausschließlich aufgrund der Personalunion mit dem Vereinigten Königreich, das ja - wie schon 50 Jahre vorher - einen globalen Krieg mit Frankreich führte.

Freilich gehörte es, wie wir am Beispiel http://www.geschichtsforum.de/f303/reichsitalien-der-fr-hen-neuzeit-21716/ diskutiert haben, zur guten (?) völkerrechtlichen Übung, Rechtspositionen auch dann zu verteidigen, wenn die Entwicklung darüber hinweg gegangen zu sein schien - immer hoffend, damit noch einen Tauschwert in der Hand zu haben.

Walter (S. 91) sieht die Haltung Georgs III. im Übrigen auch durch das "Reichsherkommen" (d. h. durch reichsstaatsrechtlichen Usus) gestützt: Die Entwaffnung Hannovers durch Napoleon 1803 und die dadurch begünstigte Besetzung des Landes durch Preußen 1806 hatten ja keineswegs Ewigkeitscharakter. Die preußische Regierung war sich ihrer Sache so unsicher, dass sie noch im September 1806 versuchte, "Georg III. zu einem freiwilligen Verzicht zu bewegen, wobei sie sich zu der Erklärung genötigt sah. sie denke nicht daran, Hannover gegen seinen Willen zu behalten" (ebd.).
 
Hier noch das Ergebnis der vertieften juristischen Analyse von Gero Walter (Der Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und die Problematik seiner Restauration in den Jahren 1814/15, Karlsruhe: C.F.Müller, 1980; jur. Diss. Bonn 1979):

1. Danach war es dem Kaiser, wie gesagt, nicht rechtswirksam möglich, das Reich einseitig aufzulösen, und er bzw. seine Räte haben das auch gewusst; ebenso wenig waren die Rheinbundstaaten berechtigt, sich vom Reich zu lösen. Franz II. hatte sich auf seinen Schritt schon des Längeren, nicht erst seit Napoleons Ultimatum, vorbereitet. Ihm war bekannt, dass Preußen für Norddeutschland seit Anfang 1806 eigene Pläne verfolgte (die im Herbst zu Nichts zerronnen), und dass Napoleon das Ziel verfolgte, "Kaiser des Okzidents" zu werden (nach Raumer, Deutschland um 1800, S. 165). Dessen Wegbereiter war der Kurerzkanzler (und damit oberste Reichsbeamte) Dalberg, der allein dem Franzosen zutraute, "die römische Krone zu härten und aus ihrer Verachtung und Geringschätzung zu heben, auf dass 'das abendländische Weltreich wieder auflebe in Kaiser Napoleon, so wie es war unter Karl dem Großen, zusammengesetzt aus Italien, Frankreich und Deutschland'" (aaO, S. 168).

2. Eine rechtswirksame Auflösung des Reichs wäre bei Zustimmung der Reichsstände zustande gekommen. Diese erfolgte aber nicht - und mindestens einer der Kurfürsten, nämlich Georg III. von Hannover (zugleich König von England), erklärte förmlich beim Wiener Hof, dass er das Patent des Kaisers vom 6.8.1806 nicht anerkenne und das Reich als fortbestehend betrachte (Walter, S. 83). Auch in den Folgejahren zeigte sich Georg von der "normativen Kraft des Faktischen" äußerlich unbeeindruckt: Er führte bis zum 11.10.1814 weiter den Titel "Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, des heiligen römischen Reiches Erzschatzmeister und Churfürst". Einen Tag später freilich ließ er davon ab und die Welt wissen, er sei nunmehr "König von Hannover" - sicher eine Reaktion auf die Tatsache, dass niemand an der HRR-Idee festhalten wollte.
(Die Darstellung von Aretin [Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, S. 102], dass 1806 der König von Schweden als einziger protestiert haben soll, fand ich nirgendwo bestätigt.)


"Der schwedische König und sein englischer Amtsbruder als Kurfürst von Hannover erhoben gegen das Vorgehen Franz´ II. Protest."
Zit. nach Willoweit, Dt. VerfG., 4. A., 2001, S. 227.

Nach Hartung, Dt. VerfG., 8./9. A., 1950/1969, S. 162, habe Preußen noch im Sommer 1806 versucht, die Kaiserwürde weiterzuführen (was dann aber nach der verlorenen Schlacht v. Jena hinfällig wurde).

Also auch insoweit keine Zustimmung mit der Politik des Hauses Habsburg.
Aber selbst das Haus Habsburg hat wohl versucht, sich ein Hintertürchen offenzuhalten:
"In der Tat hatte Franz II. durch die Annahme des von jeder Wahl und von jedem Territorium unabhängigen Kaisertitels für sich in Anspruch genommen, der einzige legitime Träger des römischen Reichs- u. Kaisergedankens zu sein..... Es ist müßig, darüber zu streiten, ob die juristischen Winkelzüge des letzten Kaisers des Heil. Röm. Reiches dt. Nation es vermocht haben, in
Österreich wenigstens ein heimliches Römisches Reich zu erhalten. Eine staatsrechtliche Kontinuität vom Ersten Reich zum österreichischen Kaiserreich liegt jedenfalls nicht vor."
Zit. nach Kimminich, Dt. VerfG., 1970, S. 287f.

Das sind meiner bescheidenen Meinung nach zumindest brauchbare Hin- weise dafür, die These vom staatsrechtlichen Untergang des HRRdN am 06.08.1806 anzuzweifeln.
Weitere Anmerkungen würden wohl den eigentlichen Faden sprengen; zumal dies mein "Erstbeitrag" ist, den ich nicht zum Ausgangspunkt hitziger Diskussionen machen möchte, sondern lediglich auf die Tatsache, dass es nicht nur den König v. England gegeben hat, der die Legitimität
des Aktes von Franz II. angezweifelt hat, hinweisen.
Allerdings ist davon der weitere Verlauf der Geschichte - bekanntlich - nicht sonderlich berührt worden.
Zur Intention Napoleons möchte ich ebenfalls kurz auf Kimminich, S. 286, gleichsam zur Bestätigung hinweisen:
"Verschiedene Aussprüche Napoleons..., er sei Karl der Große, das Schwert der Kirche und ihr Kaiser, ließen vermuten, daß Napoleon mit dem Titel Kaiser der Franzosen nicht zufrieden war, sondern nach dem echten, von Karl dem Großen begründeten Kaisertum strebte."

Im Übrigen vielen Dank für den Hinweis auf das Buch von Walter.
Dass mich die Thematik interessiert, sieht man daran, dass ich diesen doch etwas älteren Faden"ausgegraben" habe. Noch einen schönen Sonnabend und Götz zum Gruß.
 

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