Unterschied zwischen Dschihad und Kreuzzug?

Könnte mir hier jemand die Unterschiede( evtl. auch Gemeinsamkeiten) zwischen dem heutigen Dschihad (Gihad) und den Kreuzzügen etwas geläufiger zu machen?


Beim Dschihad gibt es zwei Interpretatiosnrichtungen. Die eine sieht ihn als inneren Kampf gegen die eigene Schwäche um Läuterung und ein gottsgefälliges Leben, die andere als bewaffneten Kampf gegen äußere Feinde des Islams, wozu Menschen anderen Glaubens, aber genauso auch Häretiker gelten. Je nach dem, welcher Interpretation man nähersteht, wird die jeweils andere als unislamisch verurteilt, aber Fakt ist, daß beide Auslegungenim islam auf eine lange Tradition zurückblicken können.

Der größte Unterschied zw. Dschihad und Kreuzzug ist, daß letzteres ein Begriff aus dem Geschichtsbuch ist, während ersteres heute noch geglaubt und praktiziert wird.
 
Möchte ich bezweifeln. Zwangschristianisierungen und religiös verbrämte Feldzüge gab es auch vorher schon. Z.B. die Zwangskonvertierung der Sachsen unter Karl den Großen.

Keine Frage, und man könnte noch viele Beispiele christlicher gewaltsamer Intoleranz zitieren, aber waren das schon Kreuzzüge? Das Wort habe ich noch nie im Zusammenhang mit dem Sachsenfeldzug Karls gehört. Ich würde sagen, all diesen Feldzügen vor den Kreuzzügen fehlte die theologische Höhe, um als Kreuzzüge gelten zu können. Sonst könnte man ja gleich die Unruhen im spätantiken Alexandria zw. Heiden und Christen als die ersten Kreuzzüge bezeichnen...
 
Na, dann mal einige Definitionen, neben den obigen Links:

Brockhaus:
"Kreuzzüge,

allgemein die im Mittelalter von der Kirche propagierten oder unterstützten Kriege gegen Ungläubige (z. B. heidnische Wenden, Prußen) und Ketzer (z. B. Albigenser) zur Ausbreitung oder Wiederherstellung des katholischen Glaubens; im engeren Sinn die sieben vom 11. bis 13. Jahrhundert geführten Kriegszüge der abendländischen Christenheit zur Rückeroberung der heiligen Stätten von islamischer Herrschaft."

Lexikon des Mittelalters:

" Der Heilige Krieg im Christentum:
Grundlage der Definition des 'hl. Krieges' waren die verbindl. Ausführungen des hl. Augustinus über das Wesen des gerechten Krieges (bellum iustum), auf denen die kanonist. Lehre des Hoch- und SpätMA (Gratian) fußte. Drei Kriterien für einen gerechten und gottgefälligen Krieg treten hervor: 1. Ein Krieg muß im Namen und auf Anordnung einer legitimen Autorität - z. B. Ks. oder Papst - geführt werden, wobei aber schon Augustinus die Idee eines unmittelbar von Gott autorisierten Krieges kennt, die sich im MA mit der Vorstellung von Christus als dem Kg. des transzendentalen Gottesreiches verbindet; dieses anzugreifen, kommt einer Störung des göttl. Heilsplanes gleich. - 2. Ein Krieg darfnur aus einem gerechten Kriegsgrund (iusta causa), hervorgerufen durch eine Unrechtshandlung (iniuria) eines Gegners, geführt werden; bei Augustinus findet sich jedoch bereits das Argument, daß ein auf göttl. Autorität beruhender Krieg seiner Natur nach gerecht sei, doch gehen nur wenige ma. Apologeten so weit wie Henricus de Segusio, der einen Krieg gegen Ungläubige allein aus der Überlegenheit des chr. Glaubens rechtfertigt. - 3. Dem Krieg müssen gute Absichten (rectae intentiones) zugrundeliegen, d. h. er soll von der caritas, der göttl. Liebe und Barmherzigkeit, getragen sein, wobei die Apologeten der K.e die Liebe zu den chr. Brüdern und Schwestern betonen, nicht aber die den Zeitgenossen unverständl. Liebe zu den Feinden."

"II. Der Kreuzzug:
Der K. wurde der Christenheit nach Auffassung der Zeitgenossen unmittelbar von Gott, durch den Mund des Papstes, befohlen; er war Bußübung und Kriegszug zugleich. Als Werk der Buße war er umrahmt von liturg. Handlungen, wie sie ähnl. das Pilgerwesen kannte, und wurde auch bevorzugt mit Begriffen der Pilgerschaft (peregrinatio) umschrieben. In seiner Eigenschaft als Krieg diente er zum einen der Rückeroberung chr. Besitzes, insbes. Palästinas, das durch das Leben und den Kreuzestod Christi geheiligt war und zudem einst zum röm. Reich gehört hatte, zum andern der Verteidigung gegen echte oder vermeintl. Glaubensfeinde innerhalb und außerhalb der chr. Welt (Muslime, heidn. Slaven und Balten, Mongolen, Schismatiker wie gr. oder russ. Orthodoxe, Häretiker, aber auch polit. Gegner des Papsttums). Neben den höchstes Ansehen gewährenden K.en zur Befreiung oder Verteidigung Jerusalems wurden K.e auch in anderen Teilen der ma. Welt (Naher Osten, Spanien /Reconquista, Nordafrika, balt. Länder, Osteuropa, sogar in Westeuropa) durchgeführt. Bei starken regionalen Unterschieden - die K.e in Spanien trugen bereits quasi-nationale Züge, die K.e im Baltikum betonten stark das missionar. Element - gilt für alle K.e, daß sie mit der Sache der gesamten Christenheit gleichgesetzt wurden und die K.sheere (selbst wenn sie regional zusammengesetzt waren) als supranational galten. Von daher muß der K. von anderen Formen des Kriegführens (wie der Verteidigung des lat. Ostens durch die dort ansässig gewordenen Christen oder den Kämpfen der Ritterorden, deren Brüder im übrigen kein K.sgelübde ablegten) unterschieden werden. Eine Wandlung des K.s im SpätMA markieren seit dem 14. Jh. die 'K.sligen', bestehend aus souveränen Staaten, die nicht mehr so sehr die gesamte Christenheit, sondern sich selbst repräsentierten."

PlayClipWMT

Über den Dschihad (="Heiliger Kampf") vorläufig diese Info:

http://lexikon.meyers.de/wissen/Djihad+(Sachartikel)

nachher vielleicht noch mehr, maßgebliche Untersuchung zum Thema ist:
Albrecht Noth: Heiliger Krieg und Heiliger Kampf in Islam und Christentum (1966).
 
Na, dann mal einige Definitionen, neben den obigen Links:
[...]
Ist doch genau was ich gesagt hab', die Literaturangaben im Brockhaus umfassen ja auch die Standartwerke von Mayer, Riley-Smith, Jaspert und Thorau. Die Sache mit der engeren und erweiterten Definition hat sich mittlerweile durchgesetzt.
 
Sollte auch nicht ersetzen, sondern ergänzen, nach dem Motto Doppelt gemoppelt hält besser... ;) Ja, im Lexikon des MA ist der Artikel von Riley-Smith
 
Der Dschihad-Begriff ist leider ein wenig komplexer, will man ihm gerecht werden.

aus:
Der Islam: Geschichte und Gegenwart - Google Buchsuche

"Ǧihād

Durch die islamistischen Bewegungen hat auch der mittelal-
terliche Begriff des Ǧihād eine Wiederbelebung und Umdeu-
tung erfahren. Das Wort, das „Anstrengung, Einsatz“ bedeu-
tet – also nicht „heiliger Krieg“ –, kommt in dieser Form oder
in verschiedenen Formen des verwandte Verbum Ǧāhada „sich
einsetzen“ mehrfach im Koran vor, aber durchaus nicht im-
mer in kriegerischer Bedeutung. Allerdings wird auch der
„Einsatz auf dem Wege Gottes“ (Ǧihād fī sabīl Allāh) den
Muslimen als gottgefällig empfohlen; in Koran 9, 24 und 9,
81 werden diejenigen getadelt, die sich weigern, ihr Vermögen
und ihre Person auf dem Wege Gottes, d. h. um Gottes willen,
einzusetzen.
Welcher Art nun dieser „Einsatz“ sein soll, das war und ist
vielfältiger Interpretation offen. Die Koranstellen beziehen
sich meist auf den Kampf gegen die heidnischen Mekkaner.
Später hat man die Eroberungskriege (futūh) ebenso als Ǧihād
aufgefaßt wie alljährliche Raub- und Beuteexpeditionen an
der Grenze oder Sklavenjagden. Aber schon der Theologe al-
Ġazzālī (1058–1111) hat den bloß militärischen Einsatz für
den Islam als den „kleinen Ǧihād“, den Kampf gegen die eige-
ne Triebseele als den „großen“ und eigentlich verdienstvollen
bezeichnet.

Die Worthülse Ǧihād läßt sich also mit mancherlei Inhalt
füllen. Im modernen Sprachgebrauch wird es oft wie unser
Wort Kampagne gebraucht, das ja auch ursprünglich aus dem
militärischen Jargon stammt: Ǧihād gegen die Armut, gegen
die Krankheit, das Analphabetentum. Militante Gruppen
kommen dagegen häufig wieder auf den militärischen Sinn
zurück: jeder Befreiungskampf, jedes Kommandounterneh-
men, jeder Selbstmordanschlag oder revolutionäre Umsturz-
versuch läßt sich leicht mit dem Etikett Ǧihād versehen und so
mit einer religiösen Legitimation ausstatten; dabei erhalten
die bei solchen gewaltsamen Aktionen zu Tode Kommenden
den Nimbus von Märtyrern."


aus:
Islam zur Einführung - Google Buchsuche

"Der Dschihad


...Häufig wird er mit der Formulierung »Hei-
liger Krieg« wiedergegeben. Für den Islam stellt der Dschihad
zunächst die einzige erlaubte Form militärischer Auseinander-
setzungen dar. Er darf nur gegen Nichtmuslime geführt werden.
Kriege unter Muslimen oder zwischen muslimischen Staaten ge-
stattet das islamische Recht nicht.
Islamische Gelehrte führen bis in die Gegenwart lebhafte
Diskussionen darum, ob der Dschi-
had eine religiöse Pflicht wie das Gebet oder das Fasten ist oder
ob er nicht zu den »Säulen des Islams« gehört. An zahlreichen
Stellen des Korans ist vom Dschihad die Rede. ...
Wie diese Feststellungen des Korans im Einzelnen interpretiert wer-
den, ist ein Thema, mit dem sich die Gelehrten immer wieder aus-
einander setzen. Die islamischen Rechtsgelehrten beschrieben in
ihrer Mehrheit als Ziel des Dschihad zunächst die Verteidigung
der Muslime gegen Angriffe von außen und die Verbreitung des
Islams mit Waffengewalt. In den im Koran angesprochenen Aus-
einandersetzungen mit den Polytheisten, den Einwohnern der
Stadt Mekka, war das Ziel durchaus auch eine zwangsweise Be-
kehrung zum Islam. Wer sich dem verweigerte, wurde getötet oder
versklavt. Doch schon hier begannen sich die Geister zu schei-
den. Muslimische Gelehrte sind heute überwiegend der Meinung,
dass mit der Verbreitung des Islams die Ausbreitung eines politi-
schen und juristischen Systems gemeint ist, nicht etwa die Ver-
breitung einer religiösen Überzeugung. Nach dem ebenfalls im
Koran zu findenden Satz »Es gibt keinen Zwang in der Reli-
gion« verzichtete man auf Zwangsbekehrungen. Vor allem stellt
der Koran fest, dass die Angehörigen der so genannten Buchreli-
gionen nicht unter Zwang zum Islam bekehrt werden dürfen. Sie
werden zur Abgabe der »Jizya« verpflichtet, genießen aber im Üb-
rigen Religions- und Ritualfreiheit.
Zunächst war der Dschihad als religiöse Pflicht aller Muslime
verstanden worden. An einer Stelle wird er mit dem Gottesdienst
der christlichen Mönche verglichen. »Dschihad ist das Mönch-
tum im Islam.«
Der Dschihad wird als eines der »Tore zum Para-
dies« betrachtet. Diejenigen Muslime, die im Dschihad ihr Leben
lassen, sind Märtyrer des Glaubens. Es können aber auch Nicht-
muslime, die unter islamischer Herrschaft leben, zum Dschihad
aufgerufen werden. Seit der Etablierung der ersten islamischen
Dynastien im 7. Jahrhundert wurde der Dschihad dann die be-
sondere Verpflichtung der islamischen Herrscher, der Kalifen. Da-
raus entwickelte sich dann ein Konzept, nach dem der Dschihad
als kollektive Pflicht der gesamten islamischen Gemeinschaft an-
gesehen wurde. Pflicht des einzelnen Muslims war er nur noch
insofern, als jener seinen Beitrag dazu leisten musste, dass der
Kampf überhaupt durchgeführt werden konnte. Selbst in den
Kampf zu ziehen gehörte nicht mehr zu den Glaubenspflichten.
Auch betonen die islamischen Rechtsgelehrten immer wieder, dass
die Ausbreitung des Islams nicht notwendigerweise durch mili-
tärische Mittel erfolgen sollte. Auch die friedliche Verbreitung
seiner Lehren und Praktiken durch Predigt, Vorbild und gedul-
dige Überzeugungsarbeit wird nun als eine Form von Dschihad
verstanden. Bei einigen Theoretikern des Dschihad findet man in
diesem Zusammenhang die Formulierung »Krieg der Worte«. Die
Pflicht zum Dschihad kann erfüllt werden durch das Herz, die
Zunge und die Hände, aber eben auch durch das Schwert. Der
Gläubige erfüllt die Glaubenspflicht des Dschihad durch das Herz,
indem er sich bemüht, den Teufel zu bekämpfen und sich gegen
dessen Verführungen zum Bösen zur Wehr zu setzen. Der Dschi-
had der Zunge und der Hände besteht darin, dass der Gläubige
das Gute befördert und das Böse zu verhindern sucht. Der Dschi-
had des Schwertes schließlich ist der militärische Kampf unter
Aufopferung des eigenen Besitzes und sogar des Lebens. Alles in
allem sehen die Gelehrten den Dschihad als eine Form religiöser
Propaganda, in der sowohl spirituelle als auch materielle Mittel an-
gewendet werden können.
Mit der Auflösung eines islamischen Einheitsstaates und der
Ausbreitung des Islams in weite Teile Afrikas und Asiens ergaben
sich Konsequenzen auch für die Lehre vom Dschihad. Es kam zu
einer Regionalisierung der Verpflichtung dieser Glaubenspflicht,
die den damaligen Kommunikationsbedingungen entsprach, aber
auch den im Inneren der verschiedenen islamischen Staaten gege-
benen Verhältnissen, die häufig durch widerstreitende wirtschaft-
liche und gesellschaftliche Kräfte gekennzeichnet waren. Das is-
lamische Recht formulierte in etwa die folgende Lösung: Falls
eine genügend große Gruppe von Muslimen sich zusammenfindet,
um den Bedingungen eines speziellen lokalen oder regionalen
Konflikts zu begegnen, besteht für die übrigen Muslime der Welt
keine Verpflichtung mehr, sich an dieser Auseinandersetzung zu
beteiligen. Die individuelle Pflicht zum Dschihad obliegt vielmehr
denen, die sich einem Feind am nächsten gegenübersehen. Je stär-
ker allerdings die Zahl der unabhängigen islamischen Emirate,
Sultanate oder Fürstentümer anwuchs, umso schwieriger war die
Frage zu beantworten, wer das Recht hatte, festzustellen, dass die
Notwendigkeit zum Dschihad bestehe. Die Mehrheit der musli-
mischen Rechtsgelehrten sah dieses Recht bzw. diese Pflicht bei
dem jeweiligen Herrscher. Daraus schlossen sie, dass der Dschi-
had für den Herrscher, im Gegensatz zu den Untertanen, eine in-
dividuelle Pflicht wie das Gebet oder das Fasten im Ramadan sei.
Die Ausrufung des Dschihad durch den Herrscher, der Eroberun-
gen zum Ziel hatte, war freilich mit einer Reihe von genau fest-
gelegten Voraussetzungen verbunden, die ein ausgesprochen
hohes Maß an Realitätssinn zeigen. Zu ihnen gehört, dass die mi-
litärischen und strategischen Bedingungen vorhanden sein muss-
ten, die ein deutliches Indiz für einen erfolgreichen Ausgang des
Unternehmens darstellten. War der Feind bereit, eine entspre-
chende Summe zu zahlen, konnte vom Dschihad auch abgesehen
werden. Auch aus dieser Regel wird deutlich, dass es im Dschi-
had des Mittelalters nicht in erster Linie um die »Ausbreitung des
Islams« als Glaube, sondern um die Ausbreitung der Herrschaft
der Muslime, also um politische, wirtschaftliche oder strategische
Ziele ging, die mit religiösen Fragen im Grunde nur wenig zu tun
hatten, ja häufig nicht mehr als eine ideologische Basis für macht-
politische Überlegungen bildeten. Die Verpflichtung zum Dschi-
had ist andererseits auch immer mit einer gewissen eschatologi-
schen Tendenz verbunden gewesen. Der Muslim ist erst dann nicht
mehr an diese Pflicht gebunden, wenn alle Menschen sich zum
Islam bekehrt oder die vorgeschriebenen Unterwerfungsgesten
und -praktiken vollzogen haben. Erst dann kann auch das Ende
der Welt eintreten."
 
Aber schon der Theologe al-
Ġazzālī (1058–1111) hat den bloß militärischen Einsatz für
den Islam als den „kleinen Ǧihād“, den Kampf gegen die eige-
ne Triebseele als den „großen“ und eigentlich verdienstvollen
bezeichnet.
:) Genau das hatte ich auch mal so gelernt und eigentlich gemeint, nur viel schlechter umschrieben:(:D, vielen Dank für den Auszug.

Das verdeutlicht, wie schwierig es ist die beiden Konzepte Gihad und Kreuzzug, in zeitgenössischer und moderner Auslegung, zu vergleichen.
 
morgen kommt mehr, nicht für die Fragestellerin, weil es für die Schule wohl zu detailliert ist, sondern für uns, weil ich einige Klischees/Ungenauigkeiten oben gelesen habe.

Als Appetizer schon mal ein Viertel des Textes. Von einem, der sich unter anderem mit dieser Thematik sehr lange und intensiv beschäftigte, und der versucht mit gängigen Stereotypen über den Dschihad mal aufzuräumen, von 1993. Leider schon gestorben, wenn er lesen würde, was in Zeitungen/Zeitschriften seit 2001 alles geschrieben wird, würde er sich im Grabe umdrehen. Im ersten Abschnitt wird ein weit verbreitetes, auch bei Historikern anzutreffendes Dschihad-Bild dargestellt, dann folgt die Erläuterung, was der eigentlich Dschihad ist.


aus:
Die Welten des Islam: Neunundzwanzig ... - Google Buchsuche

Teil 1:
"Albrecht Noth
Der Dschihad: sich mühen für Gott

Ein handlich-banales Geschichtsbild

In der nichtmuslimischen, der christlichen/westlichen Welt vor allem, läßt sich eine Art Konsens darüber beobachten, was unter muslimischem Dschihad (Ǧihād) zu verstehen sei. Danach handelt es sich um

- den »Heiligen Krieg« des Islam,
- eingeführt durch den Propheten Mohammed im Koran,
- abzielend auf die Ausbreitung des Islam mit Waffengewalt;
- er sei die permanente treibende Kraft für die Expansion des Islam auf Kosten anderer Religionen
- und, da ein religiöser Dauerauftrag, Grund für die Friedensunfähigkeit von Muslimen.
- Er stellt somit auch heute noch eine beachtliche Gefahr für alle Nichtmuslime dar.

Diese Verbindung von banalem Geschichtsbild und handlichem Beurteilungsraster hat, soweit ich sehe, vor allem drei wesentliche Ursprungsfelder:

1. Historische Tatsachen, die man in diesem Zusammenhang anführen kann, d. h. Teile dieses Vorstellungskomplexes lassen sich - wirklich oder anscheinend - verifizieren.
2. Eine jahrhundertealte und bis heute entscheidend nachwirkende christlich-kirchliche Polemik gegen die »Kriegsreligion« Islam.
3. Aussprüche und Aktionen moderner Repräsentanten des politischen Islam, die solchen Vorstellungen entsprechen.

Zum ersten Punkt kann darauf verwiesen werden, daß umfangreiche Gebiete, die bereits christianisiert waren, durch kriegerische Aktionen, die unter religiösen Aspekten standen, von muslimischer Seite dem Christentum »entrissen« worden sind, sei es endgültig (wie Syrien/Palästina, Nordafrika, Anatolien /Türkei), sei es für längere Zeit (wie Spanien, Balkan). Im übrigen ist der Dschihad tatsächlich Gegenstand der islamischen Offenbarung (Koran) und kann somit als permanenter Auftrag verstanden werden.

Punkt zwei ist vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, daß sich die abendländische Christenheit immer wieder, selbst in ihren Kerngebieten, wirklich bedroht fühlen mußte (schon früh in Spanien, im Franken-Reich, später in Südosteuropa), daß ferner der Islam theologisch durchweg als eine vom Christentum/Judentum abgespaltene, durch einen sogenannten Propheten (bewußt) in die Irre geführte Sekte qualifiziert wurde, die folglich verabscheuungswürdiger war als unwissendes, somit eher »schuldloses« Heidentum. Zudem erschien der kriegührende Islam als das negative Gegenkonzept zu dem auf dem absoluten Friedensgebot basierenden Christentum.

Zu Punkt drei kann auf die Dschihad-Propaganda und auf als Dschihad bezeichnete Aktionen der jüngsten Zeit verwiesen werden. Daß heutige Vertreter des politischen Islam nicht gerade zu den differenziertesten Geistern gehören, die die muslimische Kultur hervorgebracht hat, kann einer größeren Öffentlichkeit nicht unbedingt bekannt sein. Solch populistisches »Umfunktionieren« der islamischen Dschihad-Idee ist im übrigen - angesichts des Schadens, den es der großen Majorität von andersdenkenden Muslimen zufügt - sicher zu bedauern. Sich gegen derartigen Mißbrauch zu wehren, das muß jedoch den Muslimen selbst vorbehalten bleiben.



Materieller oder geistiger Dschihad?


Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, die weitverbreiteten Klischees vom Dschihad durch ein wirklichkeitsgetreueres Bild zu ersetzen. Dabei geht es mir - dies sei von vornherein klargestellt - am allerwenigsten um Apologetik.
..."

Forts. folgt. :winke:
 
Interessante Idee, welche anerkannten Autoritäten meinst Du?
Das leuchtet mir nicht ganz ein.
Natürlich erfolgt zuerst das Gelübde und dann der Kreuzzug... Und es ist auch klar dass sich der Papst zunächst einmal hochrangiger Unterstützung versichert.

Da Du die Frage sinngemäß verstanden hast und sie Dir selbst beantwortest, muß ich nicht näher darauf eingehen.

Selbstverständlich, dass habe ich wie oben erwähnt, vergessen, der Dschihad lässt sich eben direkt aus der Heiligen Schrift legitimieren.

Aus der Bibel?
Entschuldige den Sarkasmus, aber entweder sprichst Du vom Koran, oder der heiligen Schrift der Mohammedaner, setzt es in Anführungszeichen, oder wirst sonstwie deutlicher, bitte.
Eine Generalisierung bedeutet – m.E. - automatisch die Anerkennung dieses Schriftstückes als sakral.

Öhm, ja, mir ging es dabei um die Abgrenzung zum "persönlichen Dschihad".

Welche Abgrenzung?
Wie ich anführte, gab es kaum Abgrenzungen in der Praxis.


Der Begriff Kreuzzug ist eine neuzeitliche Konstruktion, eine Theorie der "Heiligen Kriege" ums Heilige Land. Du kannst es gerne für alles halten bzw. die Theorie erweitern, wie es andere auch gemacht haben, indem sie z.B. die erwähnten Feldzüge in Spanien oder sonstwo mit einbezogen.

Ich habe auch nie behauptet, daß „Kreuzzug“ ein mittelalterlicher Begriff ist.
Wenn Du exakt gelesen hättest, ging es mir in diesem Absatz um die von Dir gesetzte „Abgrenzung“, in der Du behauptest, daß der Dschihad – wohl im Gegensatz zu einer Wallfahrt unter Waffen - auch von Einzelpersonen geführt werden könne.

Wo steht geschrieben, daß ein bewaffneter Wallfahrer dazu nicht in der Lage war?
Die dahingehende Annahme basiert wohl auf der Vorstellung, daß die „Kreuzzüge“ lediglich Großunternehmungen mit abgesteckten Grenzen darstellten. Aber wie ich bereits erklärte, war der Entschluß zum bewaffneten Pilgern ein individueller, wie das Pilgerwesen allgemein. Ebenso was das Resultat betraf; die entstehenden Kosten, die Reiseart, sowie die Handlungen in den betreffenden Gebieten selbst waren nachweislich höchst originell.
Es wäre überraschend in der Quelliteratur ein „Manuskript zur korrekten Wallfahrt in Waffen“ aufzufinden.:D

Zudem muß ich den Begriff nicht erweitern, das haben die Protagonisten der betreffenden Zeit bereits getan. Denn, wie Du klar feststellst, ist das Wort „Kreuzzug“ ein neuzeitliches, während es damals um den „gerechten Krieg“ ging. Ein fundamentaler Unterschied in der Wahrnehmung.

Im Gegensatz eben zum Dschihad, der ja schon im Koran beschrieben wird.

Im AT, welches eine gewisse Gültigkeit auch für Christen hat, ist die Grundlage zum gerechten Krieg zu finden. Soweit ich mich entsinne, hat schon Augustin von Hippo sich darauf bezogen.


Bernahrd von Clairvaux schreit aber ad milites templi und ich meine mit miles christi meint er in diesem Zusammenhang auch ausschließlich die Templer. Er grenzt sie zu den weltlichen Rittern ja deutlich ab.

Oh, nein, Kapitel III - gleich nach der direkten Ansprache an den weltlichen Ritter - bleibt noch relativ allgemein. Die Ritterschaft, die Du erwähnst, ist Thema im Prolog, sowie erst in Kapitel V.
Daß er die weltliche Ritterschaft mit ihren internen Zwistigkeiten abgrenzt, ist eine Analogie, die bereits früher bemüht wurde (und von ihm selbst in anderen Schriften (s.: FLECKENSTEIN, J./ HELLMANN, M. (Hrsg.): „Die geistlichen Ritterorden Europas.“; Vorträge und Forschungen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte Bd. 26, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1980, S. 18)) ohne auf militärische Ordensgemeinschaften einzugehen. Wenn Du alles gelesen hättest, wäre Dir die Formulierung aufgefallen, daß es „[...] eine Sammelbezeichnung [ist], die u.a. auch Bernhard von Clairveaux in seiner „de laude novae militia“ anführt [...]“ (Hervorhebung und Ergänzung von mir).

Ich bemühe zusätzlich mal Herrn Benninghoven zur Verdeutlichung:
Das Gotteskämpfertum, das die Kirche ursprünglich lehrte, sollte ab-gewandt von der Welt den geistigen Kampf des Herrn gegen die Dämonen in der menschlichen Seele ausfechten; damit hatte der Dienst mit dem welt-lichen Schwert nicht nur nichts zu tun, sondern er galt sogar als verwerflich.In diesem Sinn ist das Wort vom >>miles Christi<< zuerst gebraucht worden; [...] Mehrere Gründe führten aber eine Änderung in dieser Haltung herbei. Einmal galt es bald, die Christenheit nach außen zu verteidigen, wo Angriffe der Ungläubigen drohten. [...] Es galt, das Denken der Ritter zu veredeln, ihre religiöse Gesinnung zu verinnerlichen, den von der abendländischen Laienwelt bis zum 10, Jahrhundert oft nur rein äußerlich angenommenen christlichen Glauben zu vertiefen. [...] Sieht die Kirche die bedeutenden Kräfte des erstarkenden Standes und lenkt seine kämpferische Leitidee in ihre Bahnen, so nimmt die Ritterschaft die gebotenen christlichen Anregungen auf, formt sie aber im Sinne ihrer Laienfrömmigkeit weiter zu ihrer eigenen Idee vom „miles Christi“. Dieser Typus des Gottesstreiters hat jetzt die buchstäbliche Bedetung eines Ritters des Herrn: „miles Christi“ ist, wer mit dem Schwert Gott als seinem Lehnsherrn dient. Das Gefolgschafts- und Treueverhältnis wird ganz natür-lich aufgefaßt: Der Ritter dient Gott, und dieser verbürgt ihm dafür den Sieg und himmlischen Lohn.
In dem Augenblick, in dem die Kirche diesen Vorstellungskreis in ihre offiziellen Verkündigungen übernimmt, ist der Gedanke des Ritters Christi, des Kreuzfahrers mit dem Schwert, zum Durchbruch gelangt und kann von geistlicher und weltlicher Autorität sanktioniertes Leitbild einer ganzen Epoche werden.[...]“ (BENNINGHOVEN, Friedrich: „Der Orden der Schwertbrüder. Fratres Milicie Christi de Livonia. ”; Böhlau Verlag, Köln/ Graz 1965, S. 2)
Daß der ursprüngliche Gedanke nicht verloren ging, hebt auch Bernhard hervor:
„[...]Sed et quando animi virtute vitiis sive daemoniis bellum indicitur, ne hoc quidem mirabile, etsi laudabile dixerim, cum plenus monachis cernatur mundus.[...]“ (LECLERCQ, J./ ROCHAIS, H.M. (Hrsg.): „Liber ad milites Templi de laude novae militiae. “; in: Sancti Bernardi opera vol. III, Editiones Cistercienses, Rom 1963, S. 2134 )


Eben das ist ja die Frage die sich der Mediävist bzw. Orientalist da stellt. Unter Saladin könnte man das durchaus so sagen, ja.
Aber darum geht es gar nicht, der Threadersteller spielte auf die theoretische Konzeption an, nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten.

Warum sollten theoretische Konzeptionen erwogen werden, wenn historische Fakten für sich sprechen?
Ich verstehe diese Antwort nicht. Hier wird doch das Thema „Rittertum und Kreuzzüge“ diskutiert, oder?


Frage 10 Kreuzzugsexperten und Du kriegst 11 verschiedene Antworten, weil Jaspert dann mit der engeren und erweiterten Definition kommt.
"Instrumentalisierter Kreuzzug" ist ja unnötig da das Konzept der "Kreuzzüge" schon davon ausgeht, der Kreuzzug als Instrument des Papstes oder wenn Du es so willst, einer anderen anerkannten Persönlichkeit, obwohl ich Dir da widersprechen mag.

„Instrumentalisierter Kreuzzug“ ist, wenn man Benninghovens Auffassung des „miles christi“ teilt, nicht weit hergeholt.
Der Gottesauftrag läge im grundlegenden Dienst des Ritters, der Lehnspflicht. Ergo obliegt ihm die Entscheidung das Kreuz zu nehmen, oder nicht, denn er hat weltliche Aufgaben zu erfüllen, die ihm die reale Pflicht auferlegen (Matthäus 22, 15-22).
Wie schwer es teilweise war, genügend Partizipanten eines (offiziellen) „Kreuzzuges“ zu gewinnen, veranschaulicht schön die Werbereise Hermann von Salzas quer durch´s Reich.
Insofern mag die Institution „Kreuzzug“ ein Instrument sein, die Teilnahme jedoch eine persönliche Entscheidung des Einzelnen, frei nach der Möglichkeit: „Stell´ dir vor es ist Krieg, aber niemand geht hin.“ Q.e.d. – es hängt/ hing vom Individuum ab, ob das Instrument funktionsfähig war/ ist, oder nicht (nebenher bemerkt: eine Frage der moralischen Strömung der Zeit).

Gerade „die“ Deutschen taten sich schwer mit den Zügen gen Heiligen Landes, wenn ich mir urkundliche Nachweise heranziehe (vgl.: RÖHRICHT, Reinhold: „Die Deutschen im Heiligen Lande - Chronologisches Verzeichnis derjenigen Deutschen, welche als Jerusalempilger und Kreuzfahrer sicher nachzuweisen oder wahrscheinlich anzusehen sind (c. 650 - 1291)"; Neudruck der Ausgabe Innsbruck 1894, Scienta Verlag, Aalen 1968).


Sicherlich sind die Quellen für die europäische Kreuzzugsgeschichte besser nachvollziehbar, weil viele geborgen/erhalten, editiert und zugänglich sind.

Islamische Quellen aus dieser Zeit sind schlicht rar oder noch nicht entdeckt bzw. editiert, aber es wird daran gearbeitet.

Ich denke schon, daß es immerhin ausreichend nachvollziehbare islamische Quellen gibt, um grundlegende Fragen zu beantworten. Von einer Diaspora kann man wahrlich nicht sprechen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Christentum und Islam haben ja nun eine sehr unterschiedliche Entstehungsgeschichte. Und der jeweilige historische Hintergrund hat diese Religionen mindestens so stark geprägt wie die eigentlichen Glaubenslehren. Um nicht zu sagen: Die Glaubenslehren haben sich de facto im wesentlichen dadurch entwickelt, daß die Theologen die Schriften so interpretiert haben, daß diese zur geschichtlichen Entwicklung paßten.


Das Christentum ist im Kern eine zutiefst friedliche Religion. Die Aussagen Jesu lassen da an Klarheit nichts zu wünschen übrig, und er hat diese Friedlichkeit ja bis zur letzten Konsequenz vorgelebt.
Dazu paßte, daß das Christentum über viele Generationen eine Religion der Machtlosen war, die Gewaltausübung ablehnten (weil sie Gewalt immer nur erlitten, nie ausübten).

Das Christentum hat sich dann von unten nach oben ausgebreitet. Von den Beherrschten ausgehend, bis dann zur Konversion des Herrschers (Konstantin).

In Folge mußte dann theologisch erklärt werden, warum eine gewisse Gewaltausübung doch nötig und gerechtfertigt sei - eine christlich geführte Regierung konnte nicht so agieren, wie es den ursprünglichen Lehren entsprach.
Augustin und andere haben diese Rechtfertigung geliefert - aber im wesentlichen nur in der Form, daß Verteidigung erlaubt sei (als "gerechter Krieg"). Schon dafür mußte er tief ins alte Testament steigen - um die klaren Aussagen Jesu zu relativieren.

Ein Angriffskrieg, auch zur Ausbreitung des Glaubens, war damit noch lange nicht legitimiert oder gar theologische Forderung.

Auch in den folgenden Jahrhunderten galt das Primat der Friedfertigkeit. Nach der Völkerwanderung waren die Christen wieder die Untertanen, und wieder wanderte die Religion von unten nach oben, zu den germanischen Eroberern.
Auch die Bekehrung der Slawen und Ungarn erfolgte im wesentlichen friedlich.


Im Islam verlief die Entwicklung deutlich anders.
Seine ursprünglichen Anhänger hat Mohammed natürlich noch durch Überzeugung gewonnen - aber in Folge breitete sich der Islam eigentlich nur durch Krieg aus, mit dem Religionsgründer als Feldherrn an der Spitze.
Egal wie man nun den Koran in Details interpretiert, und egal ab wann man es nun "Dschihad" nennt - angesichts der überragenden Vorbildwirkung der Person Mohammeds in der islamischen Glaubenswelt dominiert der "heilige Krieg" als Grundbestandteil der Religionslehre.

Aus pragmatischen Gründen gab es zwar keine flächendeckenden Zwangsbekehrungen in den eroberten Gebieten - aber dennoch war Religionsverbreitung für den Islam lange Zeit gleichbedeutend mit Angriffskrieg.

Und diese Vorstellung wurde dann vom Christentum teilweise übernommen - nicht umsonst sind es gerade die Spanier, die den intensivsten und prägendsten Kontakt mit dem Islam hatten, die dann in der neuen Welt genauso vorgingen um das Christentum zu verbreiten.
 
Du passt insgesamt mit deiner Vorstellung von dem Islam genau in das oben beschriebene banal-handliche schön einfache Beurteilungsraster von Albrecht Noth.
Abgesehen von der recht vereinfacht naiven Sicht auf die christlichen Reiche.

Ausbreitung der Herrschaft des Reiches des Islams bitte nicht verwechseln mit Ausbreitung des Glaubens der Bürger darin!
Es gab ja durchaus mal kürzere Phasen der Zwangsislamisierung in islamischen Reichen, die meiste Zeit jedoch nicht. Man hätte also durchaus mehr Möglichkeiten zu Zwangsbekehrungen haben können, wenn man es denn gewollt hätte.
 
Du passt insgesamt mit deiner Vorstellung von dem Islam genau in das oben beschriebene banal-handliche schön einfache Beurteilungsraster von Albrecht Noth.
Möglich - aber dies deswegen, weil es eben den Fakten entspricht.

Ich sehe den weiteren Folgen Deines Beitrags mit Spannung entgegen - bisher kam ja noch nichts, was meine Darstellung widerlegen würde.

Abgesehen von der recht vereinfacht naiven Sicht auf die christlichen Reiche.
Es ist eine vereinfachte, weil sehr kurze Sicht.
Aber ich sehe nicht, was daran falsch wäre.
Wohlgemerkt: Ich habe NICHT behauptet, daß diese Reiche friedlich gewesen wären. Das waren sie dezidiert nicht.
Aber dies waren sie trotz, nicht wegen des Christentums.

Ausbreitung der Herrschaft des Reiches des Islams bitte nicht verwechseln mit Ausbreitung des Glaubens der Bürger darin!
Richtig.
Ich rede ja auch nur von der Ausdehnung des islamischen Herrschaftsbereichs.
Und ich habe explizit gesagt, daß auf Zwangsbekehrungen aus verschiedenen Gründen verzichtet wurde.

Trotzdem bleibt, daß Mohammed schon recht früh auf Krieg als Mittel der Religionsausbreitung gesetzt hat, friedliche Missionierung war deutlich nachgeordnet.

Es gab ja durchaus mal kürzere Phasen der Zwangsislamisierung in islamischen Reichen, die meiste Zeit jedoch nicht. Man hätte also durchaus mehr Möglichkeiten zu Zwangsbekehrungen haben können, wenn man es denn gewollt hätte.
Richtig - aber:
Dieser Verzicht lag im wesentlichen daran, daß zuerst die Zahl der nicht-islamischen Untertanen viel zu groß war, um einen solchen Zwang wagen zu können. Und später war es schlicht eine Frage von Steuereinnahmen.
Und indirekt gab es natürlich schon eine Reihe von Zwangsmaßnahmen, die über die Generationen für eine Islamisierung sorgten.

Aber das ist hier ja gar nicht das Thema, es geht ja um Dschihad/Kreuzzug.
 
Schon richtig, daß sowohl Dschihad wie Kreuzzug verschiedene Facetten haben.

Im wesentlichen kann man aber wohl sagen, daß der Kreuzzug die christliche Reaktion oder Kopie des Dschihad war.

Vor dem Aufkommen des Islam gab es dieses Konzept und diese Begrifflichkeit im Christentum nicht.
Auch wenn die theologische Herleitung eine andere war (weil der Kreuzzug eben nicht so direkt in den Schriften steht wie der Dschihad) - letztlich hat das Abendland hier einen Kernpunkt des Islam aufgegriffen und in eigene Formen gefaßt.
Heißt das, die Christen haben den Dschihad geradezu studiert, um ihn dann zu kopieren?

In wie weit hatte das christliche Abendland überhaupt Einblick darin, wie der Dschihad konzipiert war und ablief?:grübel:
 
Vielleicht erhellen uns die weiteren Ausführungen von dem schon zitiertem Autoren Noth,

Teil 1 siehe bitte oben, wo die westliche weitverbreitete klischeehafte und falsche Vorstellung vom Dschihad kurz skizziert wurde.

aus:
Die Welten des Islam: Neunundzwanzig ... - Google Buchsuche

Teil 2:
"Albrecht Noth
Der Dschihad: sich mühen für Gott


"Materieller oder geistiger Dschihad?

Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, die weitverbreiteten Klischees vom Dschihad durch ein wirklichkeitsgetreueres Bild zu ersetzen. Dabei geht es mir - dies sei von vornherein klargestellt - am allerwenigsten um Apologetik. Ich teile z.B. in keiner Weise die Ansicht mancher, sich heute zu Wort meldender muslimischer Dschihad-Apologeten, Dschihad sei von Anbeginn und wesentlich »nur« ein allgemeines Sicheinsetzen für die Religion des Islam gewesen, konkreter Kampf dagegen eher eine »Spielart« innerhalb dieses weitgefaßten Rahmens. Zudem - und hier wird ein angeblicher Ausspruch des Propheten angeführt (Koran-Verse stehen als Belege nicht zur Verfügung) - sei der Dschihad mit der Waffe in der Hand dem geistigen Dschihad, dem Kampf gegen die bösen Kräfte der eigenen Seele, immer nachgeordnet gewesen; der innere Kampf stelle somit den eigentlichen Dschihad dar. Nein: Dschihad meint in den koranischen Offenbarungen - und daran lassen auch die frühen muslimischen Kommentatoren, die unter keinerlei Rechtfertigungszwang standen, nicht den geringsten Zweifel - eindeutig kämpferischen Einsatz gegen die sich der Annahme des Islam verschließenden polytheistischen »Ungläubigen« (auf der Arabischen Halbinsel), ein kriegerisches Vorgehen, das sich in einer Vielzahl von militärischen Unternehmungen konkretisiert hat, von denen die bedeutenderen vom Propheten selbst angeführt worden sind. Der innere Dschihad andererseits ist allem Anschein nach ein aus dem konkreten kämpferischen Dschihad nachträglich abgeleitetes Bild: Das sündhafte Verlangen der Seele zu unterdrücken erfordert Anstrengungen wie der bewaffnete Kampf gegen einen gefährlichen und hartnäckigen Feind.

Gewiß wird also keine beschönigende Apologetik das Ziel der folgenden Ausführungen sein, wohl aber der Versuch, einen Eindruck davon zu vermitteln, daß Dschihad, ein zentrales Konzept des Islam, alles andere darstellt als ein undifferenziert-emotionales Gebilde aus Kriegslust und Beutegier mit den Nichtmuslimen als Objekt und Opfer. Basis unserer Beschreibung des islamischen Dschihad-Konzepts werden Koran, islamisches religiöses Gesetz/Scharia (šarīʿa) und historische Ausdrucksformen und Konsequenzen von Dschihad sein.

Der individuelle Kampf

Zunächst und grundlegend: Dschihad ist nicht gleich »Heiliger Krieg«. Allenfalls mit der Verwendung des Wortes »heilig« kann man sich noch abfinden, wenn klar ist, daß man damit »religiös verdienstvoll« meint. »Krieg« dagegen ist völlig irreführend, weil Dschihad eine auf das Individuum bezogene Tätigkeit bezeichnet, genau: »das sich Bemühen«, meist mit dem Zusatz »für Gottes Sache unter Einsatz von Gut und Leben«. Subjekt dieses »sich Bemühens« ist immer der einzelne Muslim, nicht etwa eine Institution wie z.B. der Staat. Die Tätigkeit Dschihad, für die es bezeichnenderweise auch keinen Plural gibt, ist somit von völlig anderer Qualität als das - im Arabischen natürlich auch vorhandene - Wort »Krieg«. Unter »Krieg« läßt sich ja wohl gemeinhin ein größeres bewaffnetes Unternehmen verstehen, das Organisation verlangt, von einer politischen Formation gleich welcher Art getragen wird, durch eines oder mehrere (Kriegs-)Ziele bestimmt und begrenzt wird; »Krieg« kann auch ein längerer Zustand werden. Nichts davon wird durch den Begriff »Dschihad« abgedeckt oder vorausgesetzt. Das »verdienstvolle Kämpfen eines Muslim für die Sache Gottes« kann natürlich mit Krieg verbunden sein, ist aber jederzeit auch außerhalb dieses Rahmens denkbar. Das Wissen von dieser Individualbezogenheit des Dschihad ist im übrigen die erste unerläßliche Voraussetzung für das Verständnis des gesamten Dschihad-Konzepts, seiner Inhalte, Ausformungen und möglichen Folgen.
Führen wir gleich hier ein zeitgenössisch-typisches Beispiel für ein eklatantes Mißverständnis an, welches daraus resultiert, daß der individualbezogene Dschihad als »Heiliger Krieg« verstanden wird: Wenn heute ein muslimischer Potentat zum Dschihad aufruft, meint das nicht mehr, als daß er Muslime, die auf ihn hören wollen, zum freiwilligen und verdienstvollen Kampf bewegen will, weil er die Voraussetzungen dafür gegeben sieht oder auch nur im Wege einer Propaganda-Kampagne solche Voraussetzungen konstruieren läßt. Mit einer »Kriegserklärung« im völkerrechtlichen Sinne hat das nicht das geringste zu tun: Adressaten eines solchen Aufrufs sind - intern! - Muslime, nicht aber ein auswärtiger Gegner. Gefolgschaft kann er im übrigen nicht erzwingen, und andererseits wären Muslime auch ohne seinen Aufruf berechtigt, »ihren Dschihad« zu betreiben, wenn sie es für richtig und dem Islam förderlich hielten.

... unter Einsatz von Besitz und Leben

Das Fundament des Dschihad-Konzepts ist bekanntlich im Koran zu finden. Der historische Hintergrund der entsprechenden - gar nicht einmal sehr zahlreichen - Offenbarungen, der dann für die Zukunft das Konzept in Theorie und Praxis bestimmen sollte, läßt sich kurz zusammenfassen: Nicht lange nach der Übersiedlung, der sogenannten Hidschra (hiǧra), des Propheten und seiner Anhänger von ihrer Heimatstadt Mekka in die Oasenlandschaft Medina scheint der Prophet die Notwendigkeit gesehen zu haben, kriegerisch vor allem gegen seinen eigenen, größtenteils die Annahme des Islam ablehnenden Stamm Quraisch sowie gegen mit diesem verbündete Stammesgruppen vorzugehen. Die kriegerische Betätigung als solche zu rechtfertigen bestand nach den Maßstäben der Zeit, für die Wehrhaftigkeit und Kampfbereitschaft sehr positiv im gedanklichen Kontext von Stärke, Ehre und Ruhm gesehen wurden, kein Grund, und so erscheint in den einschlägigen koranischen Offenbarungen das Thema des »gerechten Krieges« (im Abendland: bellum iustum) nur ganz marginal. Das zentrale Problem war vielmehr, eine ausreichende Zahl von Muslimen zur Teilnahme an kriegerischen Aktionen zu bewegen; denn die Herausforderung des mächtigen Quraisch-Stammes und seiner Verbündeten war einerseits ein unkalkulierbares Risiko, und andererseits konnte Mohammed selbst in seiner Eigenschaft als Prophet - auch dies den Regeln der Zeit entsprechend - Heerfolge nicht erzwingen.
Die Folge dieser spezifischen historischen Situation zur Zeit des Propheten war, daß die den Dschihad betreffenden koranischen Offenbarungen als sehr intensive und eindringliche Werbung für die Teilnahme an kriegerischen Unternehmungen erscheinen. In diesen Zusammenhang gehört wohl auch die Verwendung der (neuen) Formulierung »dschihad (= sich bemühen/alternativ: qitâl — kämpfen) unter Einsatz von Besitz und Leben für die Sache Gottes«. Das rein physische Kämpfen wird durch seine Einordnung in den Rahmen einer generellen und bis zum Äußersten (Leben!) gehenden Opferbereitschaft für Gott spirituell überhöht, erhält damit aber auch gleichzeitig einen stärker verpflichtenden Charakter. Dazu kommen in einigen Dschihad-Offenbarungen Versprechungen und Drohungen: das Versprechen etwa, beim Tod im Kampf unter Umgehung des göttlichen Gerichts direkt in Gottes Nähe aufzusteigen (hier der Ausgangspunkt für das spätere Kriegermartyrium), oder die Drohung, sich durch Kampfverweigerung praktisch aus der Gemeinschaft der Muslime selbst auszuschließen.
Die situationsbedingte Intensität der koranischen Dschihad-Werbung hat die Frage aufkommen lassen, ob der Dschihad nicht, wie etwa das rituelle Gebet und das Ramadan-Fasten, zu den Pflichten eines jeden Muslim gerechnet werden müsse, somit einen integrierenden Bestandteil des Muslimseins darstelle. In einem Prozeß, der hier nicht weiter erläutert werden kann, hat sich schließlich bei der großen Majorität der Muslime die Meinung durchgesetzt, daß eine Verpflichtung für alle Muslime nur in Fällen extremer Gefahr gegeben sei, ansonsten Freiwilligkeit bestehe. Erst durch dieses »Splitting« wurde der Weg frei für einen religiös verdienstvollen freiwilligen Dschihad, nennen wir ihn »heiligen Kampf«. Dieser freiwillige »heilige Kampf« hat eine lange und äußerst facettenreiche Geschichte im Rahmen der muslimischen Ökumene gehabt; verweisen wir hier nur auf ein Beispiel der allerjüngsten Zeit: Türkische Muslime haben sich nach Bosnien begeben, um dort ihre Glaubensbrüder gegen die Serben zu unterstützen.

Die Meinungsvielfalt der Gelehrten

In der Lebenszeit des Propheten ist Dschihad in Lehre und Praxis nur grundlegend verankert worden. Die Ausarbeitung zu einem umfangreichen und äußerst differenzierten Gesamtkonzept geschah in den ersten zwei bis drei Jahrhunderten nach dem Tode des Propheten im Rahmen des islamischen religiösen Gesetzes, der Scharia. Der Erstellung dieses Konzepts lagen die praktischen Erfahrungen der Muslime in ihren kriegerischen Auseinandersetzungen mit Nichtmuslimen, vor allem auch in der Phase der atemberaubenden muslimischen Expansion im siebten/beginnenden achten Jahrhundert, zugrunde. Zunächst in Einzelabhandlungen zum Dschihad, dann in den entsprechenden Kapiteln der umfassenden Scharia-Handbücher werden in äußerst differenzierter Form alle nur denkbaren Aspekte des Kampfes gegen Nichtmuslime nach den sich zunehmend fester etablierenden islamrechtlichen Normen diskutiert.
Charakteristisch für die Behandlung des Dschihad in der Scharia ist nun die außerordentliche Meinungsvielfalt in nahezu allen zur Debatte stehenden Sachkomplexen, so daß von dem Dschihad in dem Islam überhaupt nicht die Rede sein kann und darf, zumal auch den unterschiedlichen Normen der Scharia sehr verschiedenartige Ausformungen in der Dschihad-Praxis entsprechen. Um dies verständlich werden zu lassen, ist es notwendig, einige Worte darüber zu verlieren, wie die Scharia von Muslimen und für Muslime definiert worden ist.
Die Scharia, deren Subjekt Gott selbst - niemals ein weltlicher Gesetzgeber! - ist, hat die Aufgabe, alle Lebensumstände und Handlungen der Muslime unter dem Aspekt des »richtigen« Verhaltens zu regeln. In allen Einzelheiten ist sie jedoch nur Gott bekannt. Den Menschen hat Gott dagegen »nur« die wichtigsten Leitlinien durch die Offenbarungen des Korans und - indirekt - durch die Anweisungen und Verhaltensweisen seines Gesandten, des Propheten Mohammed, mitgeteilt. Die Einzelheiten auf der Basis dieser Leitlinien nach bestem Wissen und Gewissen festzulegen, ist Aufgabe der Gläubigen selbst, speziell der mit der Materie besonders gut vertrauten Religionsgelehrten ('ulamâ'/fuqahâ'). Eingeräumt wird nun - und dem dürften Erfahrungswerte zugrunde liegen -, daß auch die besten Kenner im Einzelfall bei intensivem Bemühen zu verschiedenen Ansichten über das »Richtige« gelangen können. Zu entscheiden, was in solchen Fällen das bei Gott »Richtige« ist, liegt außerhalb der menschlichen Fähigkeiten, Daher wird die Meinungsvielfalt (arab. ikhtilâf), so sie denn auf der Basis jeweils ehrlichsten Bemühens zustande kommt, als eine unvermeidbare Gegebenheit, ja als etwas Positives akzeptiert. Infolgedessen läßt sich diese Meinungsvielfalt, dieser Ikhtilâf, geradezu als ein Charakteristikum des Scharia-Schrifttums benennen, wobei sich dieser Ikhtilâf sowohl in den verschiedenen (als orthodox anerkannten) Schulrichtungen der Scharia als auch innerhalb dieser Schulrichtungen manifestieren kann. Die Dschihad-Kapitel bilden selbstredend keine Ausnahme. Wie also erscheint unter diesem Aspekt der Dschihad in der Scharia?

Dschihad und Scharia

Die Behandlung des Dschihad im Scharia-Schrifttum folgt durchweg keiner Systematik in dem Sinne, daß man »logisch« aus allgemeinen Grundsätzen die Spezifika fortschreitend entwickelt, man geht vielmehr gleichsam »historisch« vor: Nach einer kurzen einleitenden Diskussion über die Grundlegung von Dschihad zur Zeit des Propheten erscheint als Richtlinie und Ordnungsprinzip der weiteren Ausführungen und Überlegungen die abstrahiert-idealisierte Form des Ablaufs eines kriegerischen Unternehmens (gegen Nichtmuslime), von der Bestellung eines Anführers und der Bestimmung des Teilnehmerkreises bis (in der Regel) zum Friedensschluß samt dessen Konsequenzen. Innerhalb dieses weitgespannten Rahmens werden dann alle »normalen« oder auch möglichen Situationen, denen die kämpfenden Muslime begegnen können, gewissermaßen »durchgespielt« und das jeweils »richtige« Verhalten - auch und gerade durch Heranziehen einer Fülle von Fallbeispielen - diskutiert und zu bestimmen versucht. Hierbei werden von den verschiedenen Scharia-Schulen, aber durchaus auch innerhalb ein und derselben Schulrichtung, bisweilen stark divergierende Meinungen vertreten, der oben charakterisierte Ikhtilâf ist ein markant in Erscheinung tretendes Element der Diskussion. Im geschilderten Rahmen werden nun - grob skizziert und ohne daß die Reihenfolge genau festläge - folgende Sachzusammenhänge thematisiert:

- Historische Grundlegung von Dschihad und die Frage von Pflicht und Freiwilligkeit,
- Führungsfragen und Teilnahmeberechtigung,
- das Verhalten während der kriegerischen Aktionen (ius in bello),
- das Verfahren mit den mobilen und immobilen Vermögenswerten, die den Muslimen durch Kampf zugefallen sind,
- die verschiedenen Arten von nichtmuslimischen Gegnern, vor allem: Mit wem darf man Verträge schließen, mit wem nicht?
- Kampf gegen »aufrührerische« Muslime,
- Friedensformen und Friedensfolgen:
- Vertragsschlüsse mit Nichtmuslimen, die als Minderheiten in die muslimische Ökumene integriert werden können - im wesentlichen die Anhänger von Offenbarungsreligionen -, ihre Pflichten und Rechte,
- mögliche Friedensschlüsse mit Nichtmuslimen, die nicht unterworfen werden können,
- die Rechtsstellung von Muslimen, die sich in Friedenszeiten auf nichtmuslimischem Territorium aufhalten (z.B. Kaufleute) und umgekehrt.
Dschihad und Frieden

Bereits dieser sehr grobe Überblick über die Themenbereiche, die unter Dschihad rubriziert werden, dürfte dies deutlich werden lassen: Für Muslime stellt sich Dschihad als ein außerordentlich umfangreicher und differenzierter Komplex von Rechtsfragen und Lösungsvorschlägen dar, ein Komplex zudem, der - nota bene! - auch in keineswegs marginaler Form den Frieden und dessen Konsequenzen mit einschließt, ja beide als integrierende Bestandteile der rechtlichen Diskussion betrachtet."

Forts. folgt:
 
Fortsetzung:
Teil 3:


"Nun sind allerdings die Friedensformen, auf die die Dschihad-Diskussion der Scharia gleichsam konzentrisch zuläuft, durchweg verschiedene Varianten einer Pax Islamica. Diese Varianten aber zeichnen sich durch einen erstaunlichen Realismus und eine hohe Flexibilität aus. Zunächst einmal ist man sich in der Scharia-Diskussion - bei allem Ikhtilâf in Einzelfragen - einig, daß das alleinige Ziel des Dschihad der Muslime nicht die Konversion der Gegner zum Islam sein kann und darf. Als Ziel des Dschihad erscheinen vielmehr die Erhaltung, Stärkung und Erweiterung der muslimischen Ökumene. Letzterer ist sicherlich auch mit der Konversion der Gegner gedient, aber auf der Basis von Koran 9:29 und der Praxis des Propheten selbst steht noch eine andere Möglichkeit zur Verfügung: Nichtmuslime werden in die muslimische Ökumene integriert, indem sie sich in einem (islamrechtlich geschützten!) Unterwerfungsvertrag zu einer Abgabe (ǧizya) verpflichten und dafür von den Muslimen eine Schutzgarantie für Leben, Besitz und freie Ausübung ihrer Religion erhalten. Vertragsfähig in diesem Sinne waren ursprünglich nur Christen und Juden, doch läßt sich - der immer präsente Ikhtilâf ist dabei allerdings in Rechnung zu stellen! - eine majoritäre Tendenz erkennen, die Anhänger aller etablierten Religionen als potentielle Vertragspartner anzuerkennen. Hier spiegelt sich in der Scharia ohne Frage die Praxis der Dschihad-Kämpfer während der muslimischen Expansion des 7. bis 8. Jahrhunderts wider, die von der Vertragsoption extensiv Gebrauch gemacht haben, ein Verhalten, durch welches sich wohl in erster Linie Schnelligkeit, Weiträumigkeit und Dauerhaftigkeit der muslimischen Erfolge erklären dürfte, welches aber eben auch dazu führte, daß die Bevölkerung der muslimischen Ökumene im ersten muslimischen Jahrhundert teilweise bis zu 90 % nichtmuslimisch gewesen ist.

Dschihad und Camp David

Darüber hinaus kennt die Dschihad-Scharia aber auch die Möglichkeit, die Feindseligkeiten gegenüber Nichtmuslimen einzustellen, wenn diese nicht bezwingbar sind, somit außerhalb der muslimischen Ökumene verbleiben. Die Wahrung muslimischer Belange (letztlich auch: Pax Islamica!) muß auch in Zeiten muslimischer Unterlegenheit möglich sein. Von einer selbstvernichtenden Opferbereitschaft um jeden Preis ist - auch mit Bezug auf das Koranwort: »und stürzt euch nicht mit eigenen Händen ins Verderben« - Abstand zu nehmen. Leitender Aspekt ist in solchen Fällen das Gemeinwohl (maslaha), und dies kann auch Friedensschlüsse nach außen notwendig machen, bis hin zur Tributzahlung durch Muslime. Erwartungsgemäß begegnen wir auch in diesen Zusammenhängen mannigfachem Ikhtilâf, der sich auf die Feststellung und Begründung von Gemeinwohl im Einzelfall zu beziehen pflegt. Ein Beispiel aus neuerer Zeit: Der Camp-David-Frieden mit Israel ist durch ein scharia-rechtliches Gutachten der in Rechtsfragen einflußreichen ägyptischen al-Azhar-Universität überzeugend für zulässig erklärt worden. Allerdings ließen sich auch Gegenmeinungen scharia-rechtlich untermauern! Daß im übrigen auch langfristige Friedenszustände nach außen aus dem Dschihad-Konzept ableitbar sind, hat sich in der muslimischen Geschichte immer wieder gezeigt, so im Verhältnis zum Byzantinischen Reich oder zu Kreuzfahrerstaaten. Schließlich setzt ja die Dschihad-Scharia selbst derartige Friedenszustände voraus, wenn sie - wie oben erwähnt - den wechselseitigen Aufenthalt von Kaufleuten auf muslimischem und nichtmuslimischem Territorium - in Friedenszeiten! - in extenso thematisiert.
Das islamische Dschihad-Konzept
, ein sehr differenzierter Regelungskomplex für den als religiös verdienstvoll angesehenen Kampf des einzelnen Muslim zur Verteidigung und Stärkung des Islam, ein Regelwerk zudem, welches - in beträchtlicher Meinungsvielfalt - das »richtige« Verhalten des Dschihad-Kämpfers (oder eben auch größerer Gruppen von diesen) in allen denkbaren Situationen des Kampfes gegen Nichtmuslime bis hin zum Friedensschluß diskutiert, hat weder die Zwangskonversion noch die Vernichtung der Nichtmuslime im Blick. Ziel ist vielmehr die jeweils günstigste (aus muslimischer Sicht) Pax Islamica, die situationsbedingt sehr verschiedene Formen haben kann. Die Schaffung der Möglichkeit, daß nichtmuslimische Minderheiten jahrhundertelang - rechtlich geschützt - in einer muslimischen Umgebung bei freier Religionsausübung (mehr als) überleben konnten, dürfte dabei eine der bedeutsamsten historischen Auswirkungen dieses Dschihad-Konzepts gewesen sein.
Heute folgen Kriege in muslimischen Ländern gewiß nicht mehr scharia-rechtlichen Normen; Zwänge und Gesetze ganz anderer Art bestimmen deren Zustandekommen und Verlauf. Unter zwei Aspekten kann allenfalls die ältere Dschihad-Tradition mitunter noch bemüht werden:
1. In extremen Situationen, dann etwa, wenn sich die Gemeinschaft der Muslime als solche bedroht fühlt oder durch Propaganda der Eindruck erweckt werden kann, dies sei der Fall, kann durch Aufrufe zum freiwilligen »heiligen Kampf« eine Emotionalisierung und ein Mobilisierungseffekt erzielt werden, der aber in der Regel militärisch nur von geringer Bedeutung ist. Im Umfeld des Golfkrieges hatten wir es mit derartigen Erscheinungen zu tun. Bemerkenswert war seinerzeit allerdings auch der Ikhtilâf: Die muslimischen Gegner Saddam Husseins konnten - islamrechtlich fundiert - nachweisen, daß eine Dschihad-Situation überhaupt nicht gegeben sei.
2. Maßnahmen und Entscheidungen im Bereich von »Krieg/Frieden« werden mitunter sekundär islamrechtlich begründet und/oder abgesichert. Sie können damit auch einer strenggläubig muslimischen Bevölkerung als mit der Religion in Einklang und akzeptabel dargestellt werden. Das oben erwähnte al-Azhar-Gutachten zu Camp David gehört in diesen Zusammenhang."
 
Heißt das, die Christen haben den Dschihad geradezu studiert, um ihn dann zu kopieren?
Wohl nicht - die theologischen Feinheiten der Dschihad-Definition mit ihren verschiedenen Facetten (wie in Lynxx' Beiträgen sehr schön dargestellt) wird kaum jemand in Europa gekannt oder gar verstanden haben (vermutlich sind die auch bei den meisten weniger gebildeten Moslems nur grob bekannt gewesen).

Aber Europa hatte die kriegerische Ausdehnung des Islam über einige Jahrhunderte miterlebt, und natürlich auch die Motivation dahinter.
Und man sieht doch recht deutlich, daß das Europa der Kreuzzugszeit Ideen zum Glaubenskrieg aufkommen, die dem frühen Christentum völlig fremd waren und die auch das Christentum nach Augustinus nie vertreten hatte.
 
Apropos:
Das sind "nicht nur theologische Feinheiten", sondern grundlegende Missverständnisse, die bei manchem heutigen Benutzer des Dschihad-Begriffs offenbar werden. (Das meine ich allgemein, nicht auf obigen Post bezogen.)

Inwieweit die christliche Welt begriff, um was es dabei im Mittelalter ging, entzieht sich meiner Kenntnis, da aber auch Nichtmuslime unter islamischer Herrschaft zum Dschihad aufgerufen wurden, könnte es einen Austausch gegeben haben. (Das hat aber nichts mit den Kreuzzügen zu tun -> Siehe "Heiliger Krieg" im Lex. d. MA).
Abgesehen davon, hält sich die Anzahl an Herrschern/Kalifen, die den Dschihad als Konzept explizit gebrauchten um ihre Heere zu mobilisieren in Grenzen.

Der letzte Dschihad-Aufruf im Osmanischen Reich durch den Kalifen/Sultan verhallte trotz Massenmedien, ganz in der gegenteiligen Erwartung vieler Briten und Deutschen, denn auch relativ ungehört.
Wahrscheinlich wurde noch nie in der Geschichte des Islams so viel über Dschihad gesprochen, wie in heutigen Tagen... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber Europa hatte die kriegerische Ausdehnung des Islam über einige Jahrhunderte miterlebt, und natürlich auch die Motivation dahinter.
Und man sieht doch recht deutlich, daß das Europa der Kreuzzugszeit Ideen zum Glaubenskrieg aufkommen, die dem frühen Christentum völlig fremd waren und die auch das Christentum nach Augustinus nie vertreten hatte.

Ich hatte es zuvor schon kurz angesprochen bzw. verlinkt: die Situation, daß man den eigenen christlichen Glauben durch Nichtchristen bedroht sah - und darunter wurde verstanden, daß man die Kirche und/oder die Gläubigen als bedroht ansah -, hatte es schon vorher immer wieder gegeben. Interessanterweise sah man da auch schon auch die muslimischen Sarazenen als Bedrohung an, dies aber neben vielen anderen (Ungarn, Wikinger, Slawen - allesamt natürlich vor deren Christianisierung), die übrigens durchaus auch etwa zeitgleich lagen. Neu war für die (Orient-)Kreuzzüge allerdings die Verknüpfung mit dem Pilgergedanken bzw. der Wallfahrt.

Was den Glaubenskrieg betrifft, so ließe sich auch darüber mitunter streiten (was ich an der Stelle nicht tun will).
Zumindest aber ging es - wenn wir denn "Kriegführung um des Glaubens bzw. der Religion willen" gelten lassen - nicht um die Verbreitung des christlichen Glaubens lateinischer Prägung (denn mit dem status quo der nebeneinander existierenden Religionen hatte man sich im 11. Jh. längst abgefunden - einmal abgesehen von der Unmöglichkeit der Eroberung des inwzischen derart weitreichenden islamischen Gebiets), sondern darum, wem das Heilige Land, die Heiligen Stätten und insbesondere Jerusalem (zumal das irdische und as himmlische Jerusalem von den Zeitgenossen gleichgesetzt wurden) rechtmäßig (nach damaligem Verständnis wohlgemerkt) gehörten.
 
Und schauen wir ins Zentrum der (vorislamischen) Christenheit: Die Sasaniden vs. Ostrom/Byzanz!

Um mal wieder das Mikroskop mit dem Feldstecher zu tauschen... ;)
 
Warum sollten theoretische Konzeptionen erwogen werden, wenn historische Fakten für sich sprechen?
Ich verstehe diese Antwort nicht. Hier wird doch das Thema „Rittertum und Kreuzzüge“ diskutiert, oder?

Offenbar sprechen die historischen Fakten ganz und gar nicht für sich, ansonsten gäbe es nicht den in der Kreuzzugsforschung vorhandenen Definitionspluralismus, fast jeder Kreuzzugshistoriker hat seine eigene theoretische Konzeption. In meinem ersten Beitrag habe ich lediglich den Versuch unternommen, die mir bekannten Definitionen, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen.
Einem Mayer oder Riley-Smith kann man, denke ich, nicht nachsagen sie hätten die Quellen zu sorglos studiert. Wenn beide die päpstliche Ausrufung als Voraussetzung für die Klassifizierung einer Unternehmung als Kreuzzug voraussetzen, so habe ich das übernommen. Selbstverständlich steht es Dir frei eine eigene Konzeption anzubieten.

Oh, nein, Kapitel III - gleich nach der direkten Ansprache an den weltlichen Ritter - bleibt noch relativ allgemein. Die Ritterschaft, die Du erwähnst, ist Thema im Prolog, sowie erst in Kapitel V.
Daß er die weltliche Ritterschaft mit ihren internen Zwistigkeiten abgrenzt, ist eine Analogie, die bereits früher bemüht wurde (und von ihm selbst in anderen Schriften (s.: FLECKENSTEIN, J./ HELLMANN, M. (Hrsg.) [...]

Ich habe tatsächlich nur die von Dir erwähnten Kapitel, im Rahmen einer Quellenübung gelesen. Wie gesagt, wenn ich mich recht erinnere, offenbar war da nichts mit "recht". Jedenfalls vielen Dank für die Klarstellung :).
 
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