Ausbildung für Henker?!?

Mit unseren heutigen, westlichen Wertevorstellungen wird man dem kulturellen und rechtlichen Hintergrund der öffentlichen Hinrichtung nicht gerecht.
Auf der einen Seite der abgesonderte Status des Henkers, der sich die "Hände schmutzig machen" musste, andererseits der "Genuss" des Volkes, dass sich sicher in der Zuschauermasse am Schauspiel der gerechten Bestrafung ergötzte.
Vielleicht noch einen Talisman mitnahm, als Mahnung an die eigenen, niederen Triebe, um auf dem rechten Weg zu bleiben.
Trotzdem kann man in den dunklen Abgründen unseres Unterbewußtseins diese spezielle Form des Voyeurismus manchmal noch erkennen. Diesen Genuss nicht betroffen zu sein, der Schaulustige an Orte treibt, an denen Katastrophen stattfanden.
 
Mit unseren heutigen, westlichen Wertevorstellungen wird man dem kulturellen und rechtlichen Hintergrund der öffentlichen Hinrichtung nicht gerecht.
Auf der einen Seite der abgesonderte Status des Henkers, der sich die "Hände schmutzig machen" musste, andererseits der "Genuss" des Volkes, dass sich sicher in der Zuschauermasse am Schauspiel der gerechten Bestrafung ergötzte.
Vielleicht noch einen Talisman mitnahm, als Mahnung an die eigenen, niederen Triebe, um auf dem rechten Weg zu bleiben.
Trotzdem kann man in den dunklen Abgründen unseres Unterbewußtseins diese spezielle Form des Voyeurismus manchmal noch erkennen. Diesen Genuss nicht betroffen zu sein, der Schaulustige an Orte treibt, an denen Katastrophen stattfanden.

Man sollte aber nicht vergessen, dass die morbide Zurschaustellung, die "Pornographie des Todes", das "Fest der Matern" nur ein Aspekt der vormodernen gesellschaften ist. Es gab weder eine ausgebildete Polizei noch eine Staatsanwaltschaft, noch existierten Gefängnisse in denen in größerer Zahl Gefangene aufbewahrt werden konnten. Die strafen mussten grausam sein, sonst hätten sie jeden Sinn verloren. Es gab nicht den Anspruch einen Delinquenten zu bessern oder zu resozialisieren.

Es mag zynisch klingen, aber indem der Delinquent die Rolle des armen Sünders" annahm, das Gericht gerecht nannte, wurde er mit seiner Exekution wieder in die Gesellschaft aufgenommen. Viele delinquenten haben in ihrem ganzen Leben niemals soviel aufmerksamkeit genossen wie als verurteilte. Der Delinquent spielte seine Rolle, der gestörte Rechtsfrieden wurde wiederhergestellt. Tatsächlich war es für den erwünschten Eindruck einer Hinrichtung ganz wichtig, dass der oder die Delinquentin mitspielte. Man kannte durchaus Mitleid mit dem "armen Sünder", und manche Urteile wurden gar nicht vollstreckt. Eine Exekution war teuer, man könnte durchaus sagen, dass sie das heimische Gewerbe ankurbelte, da vom Ratsherrn bis zum Gerichtsdiener jeder die Hand aufhielt. Für diesen Aufwand und für dieses Zeremoniell musste die Hinrichtung öffentlich sein.


Der Scharfrichter hatte übrigens das Privileg, eine Delinquentin zu begnadigen, wenn sie sich von ihm heiraten lassen wollte. Es gab übrigens delinquentinnen, die diese Ehre ablehnten und es vorzogen, hingerichtet zu werden.
 
Henker betätigten sich meistens auch als Abdecker...

Es gab weder eine ausgebildete Polizei noch eine Staatsanwaltschaft, noch existierten Gefängnisse in denen in größerer Zahl Gefangene aufbewahrt werden konnten. Die strafen mussten grausam sein, sonst hätten sie jeden Sinn verloren.

Fast allen Deinen Erläuterungen kann ich, wie immer, zustimmen. Bei Quantifizierungen ("meistens") tue ich mich etwas schwer, m. E. gibt es keine verlässlichen Zahlen dazu. - Drei Hinweise noch:

1. So wie es über lange Zeit nur wenige Gefängnisse gab, so gab es in manchen Gesellschaften auch keine Henker! War eine Mordtat geschehen und der Täter zum Tode bestimmt/verurteilt, dann oblag es dem Volk selbst, bzw. der Teilmenge der durch den Mord geschädigten Familie, den Täter zu töten. Manche Hinrichtungsarten, wie etwa das Steinigen (Villeneuve, S. 47 f.), werden bis heute traditionell von einer Mehrzahl von "Henkern" ausgeübt.

2. Je stärker sich der Henkerberuf professionalisierte, desto auskömmlicher wurde er auch. Georges d'Avenal hat nachgewiesen, dass die Gehälter der französischen Henker sich im Laufe der Zeit vervielfachten: Waren es 1615 in Dijon 561 Francs, so waren es 1777 2.850 Francs und 1783 sogar 3.420 Francs; ähnliches kann man für die Tarife einzelner Straf- und Foltermethoden nachweisen (zitiert aaO, S. 146 ff.).

Charles Henry Sanson zählte mit einem Jahresgehalt von 17.000 Livres übrigens zu den bürgerlichen Spitzenverdienern in Frankreich!

3. Natürlich besteht insoweit auch ein Zusammenhang mit der Zentralisierung der Vollstreckung. Villeneuve (S. 153) berichtet, dass es "1830 noch 232 Henker in Frankreich" gab! Meine Hypothese geht dahin, dass es in früheren Jahren noch sehr viel mehr gegeben hat; Zahlen habe ich allerdings nicht.

PS: Dank an Jacobum für den Link!
 
Zuletzt bearbeitet:
Könnte man dazu auch sagen, dass diese Menschen (welche die Hinrichtungsopfer bewarfen usw.) im Grunde nur ein Spiegelbild von sich selbst sahen, davon vielleicht abgeschreckt, mit dem Bewerfen versuchten, sich selbst zu "retten". Damit will ich ausdrücken, dass sie ihre eigene Schuld in diesem Punkt erkannt haben und sie zerstören wollten? ... Vielleicht etwas zu weit hergeholt. :D

D. h. die Menschen machten sich keine Gedanken um die evtl. Unschuld des Opfers, sondern nahmen das Urteil der Herrscher als vollkommen gerechtfertigt und richtig hin?

Erster Absatz: Die verheimlichte "Sünde" (z.B. gewisse Triebe, Neigungen) bleibt heimlich und durch Verhöhnung des "Spiegels" wird ohne Wissen der Herrschenden (z.B. Kirche) Wiedergutmachung betrieben.
Zweiter Absatz: Es wird auch Menschen gegeben haben, die sich Gedanken über Schuld oder Unschuld bzw. Angemessenheit von Strafen Gedanken gemacht haben. :)
 
Jetzt zu meiner eigentlichen Frage: Wo hat man das Enthaupten mit dem Schwert gelernt?
Nochmal zur Ausgangsfrage:
Nach etlicher Sucherei habe ich dies Henker/ Blutvogt/ Carnifex: Der ... - Google Buchsuche gefunden.

Eine reguläre Ausbildung gab es offenbar zu keiner Zeit, vielmehr die Weitergabe innerhalb von Familien und Abgucken der Kunst des "Meisters" durch den "Gesellen". Immerhin ist auch die Rede von einer "zunftähnliche(n) Berufs- und Standesorganisation" (S. 195), wobei unklar ist, ob sie eine Funktion im Bereich der beruflichen Fort- und Weiterbildung hatte.

Interessant auch Otto Beneke, Von unehrlichen Leuten, Hamburg 1863, mit überaus detaillierten Darlegungen zum "Scharfrichter und seinen Gesellen" (S. 118-208)!
 
Hmm, alle Antworten sind m. E. gut und schön - auch interessant! Aber ich vermisse die Erklärung, wieso im Mittelalter und früher schon, die Straftaten und deren Bestrafungen/Aburteilungen im Gegensatz zu HEUTE öffentlich vollzogen wurden?

Nun, ich versuche mal eine mögliche Erklärung auf meine Art -(Das Grösste und Schönste ist das Einfache)- abzugeben: Eine Straftat galt als Bruch des öffentlchen Friedens, so folgerte man damals, so daß auch jede Strafe in aller Öffentlichkeit vollzogen, nicht wie heute der Öffentlichkeit entzogen werden müsse. Und als Richtstätten Orte zu wählen seien, wo eine möglichst große Zahl von Menschen dem Strafvollzug zuschauen könne, also der Markt oder ein Hügel (Galgenhügel/Galgenberg) vor dem Stadttor.


Mit meinen besten Grüßen
und bis bald- freue mich drauf :winke:

Simplex Simplicissimus
 
Ich tippe da eher auf die abschreckende Wirkung.

Huhu Florian17160,

richtig - nur das ist heute genau so - Strafe und Bestrafung, also die Gesetze sollten früher wie auch heute eine abschreckende Wirkung, mit größtmöglicher Nachhaltigkeit, bei möglichen bzw. potenziellen Straftätern, bewirken. Heute versuchts man über die Medien mit publizierten Aufklärungsquoten und publizierten Strafverfahren - kurzum schon im Gesetzerlass eine Abschreckung zu erzeugen.

Mit meinen besten Grüßen

Simplex Simplicissimus
 
Moment mal: Die meisten Gerichtsprozesse sind öffentlich. Da wir aber heute keine Schandstrafen mehr kennen und auch nicht mehr hinrichten, wie soll denn da die Strafe öffentlich sein (abgesehen von der Verletzung der Menschenrechte des Bestraften durch öffentliches Zurschaustellen)?
 
Hinrichtungen

Also, ich bin begeistert!!!

Mein Thema: und so viele kluge Beiträge wurden dazu in diesem GF geschrieben.

Man könnte viele Details noch diffenrenzieren, Aspekte ergänzen usw. Aber im Grunde ist dem Gesamtbild, die die vielen qualifizierten Beiträge vermitteln, nichts hinzuzufügen.

Auch ich habe dazugelernt, neue Links entdeckt, und -für die eingeweihten Benutzer dieses Forums sei es gesagt - mich über einen Buchtipp (Dank an @ Jacobum) besonders gefreut ;-)))

LG Galgenpapst
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mir kommt gerade ein Gedanke, den ich noch gerne anbringen möchte: Vielleicht ist dieser Trieb und diese Lust ja der Drang, in die intimste Privatsphäre eines Menschen einzudringen (Tod -> sehr persönlich, Big Brother bzw. etliche Privatfernsehsendungen -> Eindringen in sehr persönliche Lebensbereiche eines Menschen).lg
Diesen Gedanken finde ich sehr interessant. Das Sterben ist etwas sehr intimes und auch elementares, das Sensationslust hervorruft.

Zu einer Scharfrichter-Zunft, die es gegeben haben dürfte, weil es ja auch die Bezeichnung "Henkers-Meister" oder Scharfrichtermeister" gab, habe ich noch nichts wirklich schlüssiges gefunden.
1459 erschienen in Breslau 14 Scharfrichter. Die Bürger waren in heller Aufregung und manche befürchteten eine Massenhinrichtung. Allerdings wusste der Stadtrat von nichts und wiegelte ab.
Die Scharfrichter hielten mit der Absicht, eine Zunft zu schaffen ihre Tagung ab. Das wurde dem Rat, durch die Bürgerschaft aufgewiegelt, zu viel und er wies alle Scharfrichter, samt der eigenen, kurzerhand aus. Das war der Grund, weshalb es in Breslau über die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts keinen Scharfrichter gab.
Die Henker sollen seither ihre Zusammenkünfte heimlich durchgeführt haben. Es gab unter ihnen bald zunftmäßige Sitten, was auf eine Art "Geheimgesellschaft" hinweist.
Ich denke mal es wird auch eine Ausbildung gegeben haben und vielleicht eine Wanderschaft der Henkerlehrlinge. Alles eben eher im Verborgenen.
Das habe ich aus: "Die Geschichte der Henker" von Tankred Koch, erschienen 1988 im Kriminalistik Verlag GmbH, Heidelberg.
 
@Cephalotus: Den Kindern von Henkern war es "natürlich" verwehrt, einen ehrbaren Beruf zu ergreifen, so dass sie zwangsläufig wieder Henker werden mussten. Insofern dürfte die Ausbildung so erfolgt sein, dass der eigene Vater/Onkel etc. seine Söhne anlernte und ausbildete.

@jschmidt erwähnte schon die "Sansons", die Henkerdynastie von Paris. Besonders während der Jakobinerherrschaft gab es ja viel zu tun. Der letzte Sanson schrieb die Familienmemoiren, sehr interessant.
Tagebücher der Henker von Paris (1685 - 1847). Erster u. zweiter Band in einer Ausgabe: Henri Sanson: Amazon.de: Bücher
 
Eine Henkergeschichte, die ein kleines Schlaglicht wirft:

"1703 erstach in Hamburg der Gärtner Joachim Braksiek seine Frau. Er wurde wegen Mordes zum Tode durch das Schwert verurteilt. Zwanzig Tage später stand er auf dem Hochgericht und Meister Ismael Asthusen II. schlug zweimal fehl, bevor er den Kopf des Delinquenten herunterbrachte. Das soll sich der hamburger Scharfrichter derart zu Herzen genommen haben, dass er sich, als er nach Hause kam, niederlegte und bald darauf verstarb.
Seine Witwe beanspruchte nun das für Hamburg traditionelle Recht, nach welchem die Kranzieher den Scharfrichter zu bestatten hatten. Da Althusen schon recht lange im Amt (40 Jahre) war und keiner der Kranzieher jemals einen Henker beerdigt hatte, weigerten sich diese. Die Witwe bat nun die Bootsleute des Hafens, wovon sich einige bereit erklärten, völlig vermummt und eine Stunde vor Mitternacht, die Leiche des Henkers auf dem St. Petri-Friedhof zu begraben.
Auf dem Weg zur Begräbnisstätte schlichen sich einige der Kranzieher heran und versuchten den Bootsleuten die Vermummung herabzureißen, um zu sehen, ob nicht doch einer der ihren unter ihnen sei. Dabei kam es zur Schlägerei. Die Kranzieher wurden aber bald in die Flucht geschlagen. Die Mäntel der Sargträger jedoch waren zerrissen.
Witwe Asthusen reichte die Kosten für das Flicken der Mäntel beim Rat ein und bekam diese auch erstattet.
Nachdem ihr Mann nun unter der Erde war, musste die Fronerei neu besetzt werden. Der Rat schrieb die Stelle neu aus und wollte sie dem Meistbietenden überlassen. Frau Asthusen setzte alles in Bewegung, damit ihr Sohn diese Stelle bekam. Sie führte an, er sei als Sohn und Enkel von Scharfrichtern, die der Stadt treu gedient hatten, von Kindesbeinen an gut geschult und in alle Geheimnisse der Scharfrichterei eingeweiht. Auch habe er ein Jahr zuvor selbständig mit dem Schwert enthauptet.
Der Rat gab darauf die Stelle nicht dem Meistbietenden, sondern für 3000 Mark dem Sohn des verstorbenen Scharfrichters. Allerdings mit der Auflage, alle Schulden seines Vaters zu bezahlen und seine beiden Schwestern ebenso auszustatten, wie es der Vater mit der bereits verheirateten ältesten Schwester getan habe.
So übernahm dann Ismael Asthusen III. 1703 das Hamburger Scharfrichteramt."
 
Hier noch ein kurzer Auszug, den ich eben bei Google gefunden habe!

Sorry, dass ich diesen ohne Eigenkommentar hier einstelle, aber interessant ist das Hinrichtungsdatum 1905.
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Tod unterm Fallbeil: die Engelmacherin von St. Pauli

Von Uwe Bahnsen 23. Januar 2005, 00:00 Uhr
Vor 100 Jahren wurde die fünffache Kindesmörderin Elisabeth Wiese in der Hansestadt hingerichtet

Dienstag, der 2. Februar 1905, kurz vor acht Uhr. Ein bitterkalter Wintermorgen. Über den Hof des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis fegt ein eisiger Wind. Irgendwo läutet eine Kirchenglocke. Die Strafgefangene Elisabeth Wiese, 50, wird mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einer übergeworfenen Kutte und in Holzpantinen zur Hinrichtung geführt. Die strähnigen Haare sind kurz geschnitten. Ein Pastor begleitet die Delinquentin auf ihrem letzten Gang. Das Urteil des Schwurgerichts vom 15. Oktober 1904 wird verlesen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft ordnet die Vollstreckung an: "Scharfrichter, walten Sie Ihres Amtes!".........
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Auch ein Fall von Ausbildung.
In Deutschland wurden alle Scharfrichter nach Kriegsende verurteilt und hingerichtet. Einige von ihnen begingen Selbstmord.
Reichhart (3008 Hinrichtungen, davon 2949 mit dem Fallbeil und 59 mit dem Strang) war der einzige, der den Todesurteilen entging. Er musste den amerikanischen Scharfrichter, Sergant Wood, für die Hinrichtungen schulen und den Galgen für die Nürnberger Prozesse errichten.
Arthur Koestler schrieb, beim Aufknüpfen der Nürnberger Kriegsverbrecher sei schrecklich gepfuscht worden.
 
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