jschmidt
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Zu nachtschlafener Stunde eine schwierige Frage: Gibt es eigentlich Konsens darüber (und wenn ja, seit wann), was "Geschichtsrevisionismus" ist?
Die Frage hat drei "Auslöser":
1. Auf der Seite eines Online-Buchhändler, wo ich zum Stichwort "2. Weltkrieg" recherchierte, kam mir eine Art von Vorschlagsliste entgegen mit Titeln, die sämtlich eine Mitschuld der Alliierten bzw. deren "ungesühnte Verbrechen" zum Inhalt hatten.
2. Ich sah, dass ein Forenmitglied wegen "geschichtsrevisionistischer" Beiträge gesperrt worden war.
3. Es gab in Frankreich vor kurzem eine heftige Diskussion wegen eines Gesetzes, das regeln soll, wie bestimmte historische Ereignisse zu interpretieren sind.
Um es von vornherein klarzustellen: Der Einzelfall zu 2 - es gibt vielleicht noch andere - interessiert mich als solcher nicht. Auch der medienrechtliche Aspekt spielt keine Rolle; die einschlägige Rechtsprechung zum "virtuellen Hausrecht" ist ja mittlerweile gefestigt (siehe insbesondere Hausrecht bei Internet-Foren Landgericht Muenchen_I Urteil v. 25.10.2006 - Az.: 30 O 11973/05, Kanzlei Joerg Heidrich - Forenrecht: Teilnehmer ausschließen, Lehrer-Online - "Scheiße" sagt man nicht!).
Das schwierigere Problem liegt ja auf der materialen Seite: Welche Meinungsäußerungen zu historischen Sachverhalten sind grenzwertig, welche liegen bereits jenseits der Grenze zum Geschichtsrevisionismus? Und was ist das eigentlich, was da revidiert wird?
Bestimmte, historisch bedingte Grenzen zieht unsere deutsche Rechtsordnung, indem sie etwa die Volksverhetzung (§ 130 StGB) unter Strafe stellt, und das typische Beispiel für Volksverhetzung - und zugleich der Hauptgrund, warum die Norm in dieser Form überhaupt geschaffen wurde - ist die Leugnung des Holocaust.
Aber meines Erachtens gibt es Fälle, bei denen die Frage, ob Geschichtsrevisionismus vorliegt, nur schwer oder vielleicht gar nicht beantwortet werden kann. Ich nenne mal wahllos Beispiele:
Welche Maßstäbe gibt es, die man an diese oder andere Sachverhalte anlegen kann?
Ich habe mal versucht herauszufinden, wann der Begriff erstmals aufkam und in welchem Zusammenhang, kam aber nicht recht weiter. Auch insoweit wäre ich für Hinweise dankbar. Nochmal: Es geht mir um die Perspektive des Historikers, nicht des Juristen und schon gar nicht des Politikers.
Die Frage hat drei "Auslöser":
1. Auf der Seite eines Online-Buchhändler, wo ich zum Stichwort "2. Weltkrieg" recherchierte, kam mir eine Art von Vorschlagsliste entgegen mit Titeln, die sämtlich eine Mitschuld der Alliierten bzw. deren "ungesühnte Verbrechen" zum Inhalt hatten.
2. Ich sah, dass ein Forenmitglied wegen "geschichtsrevisionistischer" Beiträge gesperrt worden war.
3. Es gab in Frankreich vor kurzem eine heftige Diskussion wegen eines Gesetzes, das regeln soll, wie bestimmte historische Ereignisse zu interpretieren sind.
Um es von vornherein klarzustellen: Der Einzelfall zu 2 - es gibt vielleicht noch andere - interessiert mich als solcher nicht. Auch der medienrechtliche Aspekt spielt keine Rolle; die einschlägige Rechtsprechung zum "virtuellen Hausrecht" ist ja mittlerweile gefestigt (siehe insbesondere Hausrecht bei Internet-Foren Landgericht Muenchen_I Urteil v. 25.10.2006 - Az.: 30 O 11973/05, Kanzlei Joerg Heidrich - Forenrecht: Teilnehmer ausschließen, Lehrer-Online - "Scheiße" sagt man nicht!).
Das schwierigere Problem liegt ja auf der materialen Seite: Welche Meinungsäußerungen zu historischen Sachverhalten sind grenzwertig, welche liegen bereits jenseits der Grenze zum Geschichtsrevisionismus? Und was ist das eigentlich, was da revidiert wird?
Bestimmte, historisch bedingte Grenzen zieht unsere deutsche Rechtsordnung, indem sie etwa die Volksverhetzung (§ 130 StGB) unter Strafe stellt, und das typische Beispiel für Volksverhetzung - und zugleich der Hauptgrund, warum die Norm in dieser Form überhaupt geschaffen wurde - ist die Leugnung des Holocaust.
Aber meines Erachtens gibt es Fälle, bei denen die Frage, ob Geschichtsrevisionismus vorliegt, nur schwer oder vielleicht gar nicht beantwortet werden kann. Ich nenne mal wahllos Beispiele:
- Die Alleinschuld Nazi-Deutschlands an der Entfesselung des 2. Weltkriegs wird bestritten (siehe oben).
- Es wird behauptet, die DDR wäre ein ganz normaler Staat gewesen, halt mit kleinen menschenrechtswidrigen Fehlern.
- Die Alleinschuld des kaiserlichen Deutschland an der Entfesselung des 1. Weltkriegs wird bestritten.
- Es wird bestritten, dass in der Sowjetunion unter Stalin Untaten größten Ausmaßes begangen wurden.
- Es wird behauptet, dass die Menschen in verschiedene Rassen eingeteilt werden können (unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz, wo "Rasse" erwähnt ist).
Welche Maßstäbe gibt es, die man an diese oder andere Sachverhalte anlegen kann?
Ich habe mal versucht herauszufinden, wann der Begriff erstmals aufkam und in welchem Zusammenhang, kam aber nicht recht weiter. Auch insoweit wäre ich für Hinweise dankbar. Nochmal: Es geht mir um die Perspektive des Historikers, nicht des Juristen und schon gar nicht des Politikers.