Zur zeit Attilas herrschten die Hunnen unter anderem über die Alanen, Heculen, Ostgoten, Scythen, Westgoten, Gepiden, Skiren, Ruger, Langobarden und Thüringen. Aber hatte Attila auch tatsächlich kontrolle über die eroberte Gebiete? Kann man wirklich von ein Hunnenreich sprechen? Und wie verwaltete er sein Reich?
Über einige der oben aufgezählten Völker herrschte Attila nicht und sie zählten auch nicht zum Machtbereich der Hunnen. So flüchteten die Westgoten vor ihnen 376 unter Fritigern über die Donau und mit Erlaubnis der Römer unter chaotischen Bedingungen ins Römische Reich, während die Ostgoten unter hunnische Herrschaft gerieten.
Die Langobarden siedelten bis Ende des 5. Jh. an der unteren Elbe, wo der Ort Bardowick und der Bardengau an sie erinnern, und zogen erst um 490 n. Chr. Richtung Süden nach Mähren und zu Beginn des 6. Jh. nach Pannonien. Unter hunnische Oberherrschaft gerieten sie in ihren Elbsitzen wahrscheinlich nicht, obwohl sich das nicht endgültig sagen lässt.
Wie das Reich Dschingis Khans, der unter seinem Banner nicht nur alle mongolischen, sondern auch die türkischen und tungusischen Nomaden Zentralasiens vereinigte, so umfasste das Reich Attilas, das einen hunnischen und vermutlich türkischen Kern hatte, alle sarmatischen, ostgotischen, gepidischen und andere Völker zwischen Ural und Rhein.
Sicher ist, dass bedeutende germanische Stämme wie die
Ostgoten zur Zeit Attilas schon seit zwei Menschenaltern unter hunnischer Oberhoheit standen, sodass ihre Könige gegenüber Attila etwa im Verhältnis von Lehnsleuten lebten und kämpften.
In Siebenbürgen waren die
Gepiden unter Attilas Herrschaft geraten, im NO des Karpatenbogens die über eine große Fläche verstreuten
Rugier. Von den
Thüringern ist sicher, dass sie Attila gehorchten. Dass die Hunnen mit der Unverhofftheit schneller Truppen wiederholt am Rhein auftauchten, wissen wir aus dem Schicksal der
Burgunder.
Bei den Rheinfranken hatten die
Brukterer enge hunnische Beziehungen, dazu kamen noch
Heruler, Quaden und
Markomannen, wie u.a. der langobardische Geschichtsschreiber
Paulus Diaconus berichtet.
Angesichts der logistischen bzw. geografischen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass das Hunnenreich Attilas einerseits nur lose gefügt war. Andererseits ist zu vermuten, dass sich kein germanischer Stamm gegen ihn auflehnte, da Attila eine echte Machtposition inne hatte, und den abhängigen Germanen bewusst war, dass die Hunnen mit großer Schnelligkeit überall zuschlagen konnten. Das Schicksal der Burgunder, das sich tief im Bewusstsein der Germanen einprägte, war ein warnendes Beispiel!
Bekannt ist, dass Könige, Fürsten und Gesandte der zwangsweise verbündeten Völker und Stämme oft wochen- und sogar monatelang am Hofe Attilas weilten und man kann vermuten, dass es dort zu "bilateralen Konsultationen"
kam, wie man heute sagen würde. Manche, wie der Gepidenkönig
Ardarich und der Ostgotenkönig
Valamer, waren unter Attilas Beratern so einflussreich, dass ein enger Gedankenaustausch anzunehmen ist.
Dass Attila machtvoll über seine Vasallenvölker gebot, zeigt die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, wo Ostgoten, Gepiden, rechtsrheinische Franken, Heruler, Skiren und andere Völker mindestens die Hälfte des hunnischen Heeres stellten. Sie hätten die Gelegenheit nutzen können, auf römischer Seite gemeinsam mit ihren Stammesgenossen, den Westgoten, Burgundern und linksrheinischen Franken, zu kämpfen, was sie erstaunlicherweise nicht taten. Ob nun aus Gründen der Vasallentreue, der Angst vor den Hunnen oder weil die Eliten unter hunnischer Oberherrschaft reiche Beute heimbrachten, sei dahingestellt.