Wer hat da eigentlich wen herausgefordert?
Also wo ist das Problem?Wo die Schuld?
Irgendwie hast du es mit der "Schuld" und dem "Herausfordern"
Nachfolgend eine kleine Liste von Publikationen und Autoren, die das DR in einer herausfordernden Position sehen und nicht wenig sehen es auch in der Position, die Dynamik für den Eintritt in den WW 1 beschleunigt zu haben und ebenfalls nicht wenige sehen entweder eine "Alleinschuld" über eine "überwiegende Schuld". Viellicht ist diese Liste hilfreich, um unsere unterschiedlichen Positionen zu klären.
1. Michalka Hrsg; Der Erste Weltkrieg (mit sehr guten Beiträgen, die fast en Gros Deinen Positionen widersprechen. Insbesondere auch zum Thema Flottenrüstung)
2. Rauchensteiner: Der Tod des Doppeladlers (hervorragend die Sicht von Ö-U und ganz deutlich wird Berlin die Rolle des Dynamisierers zugeschrieben)
3. Ferguson: Der falsche Krieg (interessante Sichtweise aus die ökonomischen Rahmenbedingungen und eine "Pseudo-Rechtfertigung" des "Präventivkrieges" durch das DR, aufgrund der vermuteten Verschiebung des militärischen Gleichgewichts zuungsten des DR nach 1914)
4. Ritter: Staatskunst und Kriegshandwerk, Bd. 2
5. Ritter: Der Schlieffenplan (Darstellung der Veränderung der Aufmarschplanung von Moltke, über Waldersee zu Schlieffen und ein schöner Beleg gegen deine These, die ganze Welt würde den Plan kennen. Selbst der österreischische Generalstab ist nur sehr spärlich mit Informationen versorgt worden, wie Ritter darstellt)
6. Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente (Ein Muss für die Beurteilung der Konflikte zwischen dem Kanzler und den Militärs, vor allem aber auch die deutliche Fronstellung zu Tirpitz)
7. Bethmann Hollweg (Dülfer Hrsg): Betrachtungen zum Weltkrieg (Es wird deutlich, wie ein "Erzkonservativer" in einen mehr oder minder starken Gegensatz zu einem sich noch stärker militarisierenden Deutschland und zu den protagonistischen Kriegstreibern gerät, gegen die er "Realpolitik" zu betreiben hatte)
8. Fischer: Griff nach der Weltmacht (Der exponierteste Vertreter der "Alleinschuldtheorie", der umfassend und faktenreich seine Position darstellt)
9. Nipperdey: Deutsche Geschichte (Für mich gut, wenn er über Innenpolitik etc. schreibt, aber nicht so hilfreich, wenn er sich auf das Gebiet der Außen- oder Militärpolitik wagt. Zum Ausbruch des WW I und seiner Vorgeschichte ist er sehr "wortkarg")
10. Berghahn: Sarajewo 28.Juni 1914 (Sehr gute, knappe und analytische Darstellung der Vorgeschichte. Unterstützung der Fischerthese)
11. Ulrich: Die nervöse Großmacht: (Sehr gute Darstellung der Vorgeschichte und des Ausbruchs. Unterstützung von Fischers These)
12. Wehler: Deutsche Gesellschafts-Geschichte; 1849-1914: (Hervorragende Darstellung der Vorgeschichte, sehr faktenreich und tendenziell eher eine Unterstützung der These von Fischer)
Da gebe ich dir Recht. Was ich mich noch frage zu selbigen Punkt, Frankreich hatte auch eine protektionistische Zollpolitik gefahren, trotzdem gelang ein weitaus engere Zusammenarbeit, besonders auf dem Finanzmarkt, ein ganz klares versäumen des Deutschen Reiches.
Wie Silesia schon geschrieben hat (auch bei Ferguson: Cash Nexus dargestellt), war das DR kein "Finanzplatz" und hatte Probleme sich entsprechende Kredite zu besorgen. Das galt für den WW I und auch später für den WW 2. Das sind einfach historisch gewachsene Vorteile der Kolonialmächte gewesen. Die Auswirkungen waren im inneren zu sehen, indem der wachsende Finanzbedarf für das Militär, das benötigte Kapital für das weitere wirtschaftliche Wachstum reduzierte. In diesem Sinne wirkte sich die Hochrüstung negativ auf die Wirtschaftskraft des DR aus. Und außenpolitisch konnte nicht ausreichend Projekte finanziert werden, da auch in diesem Fall nicht genügend Kapital zur Verfügung stand.
In diesem Sinne hat die Hochrüstung den Handlungsspielraum der Diplomtie ebenfalls eingeschränkt.
Ich hab diese Sichtweise hereingebracht weil die von dir formulierte nur ein Bestandteil des damaligen politischen Kalkühls waren. Für solche weittragenden Entscheidungen spielten immer mehrere Gründe eine Rolle und Bethmanns Einstellung zu diesem Thema sähe gewiss anders aus wäre der Flottenbau nicht auf massive Kritik in England gestossen.
Die Flotte wurde eben nicht gebaut um England "herauszufordern".
Und genau das ist auch seine Aufgabe. Er hat dafür zu Sorgen, dass Deutschland nciht in eine "unhaltbare" Position durch eine Isolierung gerät. Und genau das bewirkte der Flottenbau. Die Argumentation, man könne durch den Flottenbau die Engländer zu einer Annäherung zwingen, waren blanker Unsinn und Wuscnhträume. England hatte zu keiner Zeit ein Interesse, eine dominante, hegemoniale deutsche Supermacht in der Mitte Europas zu unterstützen.
Wohl eher Rohstoffimport, in den Aussenhandelsbilanzen des DR zu damaliger zeit finde keine Commonwealth Staaten, vieleicht Kanada.
Export in Commonwealth Staaten Hauptgrund für wirtschaftlichen Aufstieg des DR? Wäre mir ziemlich neu.
Einfach zwei Quellen als Anwort, damit es objektiviert wird:
1. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1849-1914, S.611: 1913 war das DR der zweitplazierte im Welthandel, dicht hinter England und kanpp vor den USA
2. Berghahn: Sarajewo: "Nicht weniger als 62 Prozent des Handels wurden 1913 unter den europäischen Staaten abgeweickelt, während 13,2 Prozent über den Atlantik gingen. Deutschland und England waren gegenseitig ihre besten Kunden" S. 29
Ich sehe das eher so, 2 Mächte die sich die Welt aufteilen empfinden es eben als "störend" wenn da ein dritter als konkurrent auftritt . Welt geteilt durch 2 mehr als durch 3. Klar das diese 3. Macht nur durch lautes auftreten zu seinem "Recht" kommt, jedemfalls wenn man hier überhaupt von Recht sprechen kann. Jedenfalls kann man hier keinen Schuldigen finden.
Siehe oben Literatur. Ein großer Teil der etablierten Historiker widerspricht deiner persönlichen Meinung.
Du sagts es ja schon, alle westlichen Mächte buhlten um das Osmanische Reich, England baute die Kriegsschiffe für dieses, Frankreich, DR und England formten das osmanische Militär um, das DR baute eine Bahn.
Also wo ist das Problem?Wo die Schuld?
Als soveräner Staat darf man doch seine Interessen wahr nehmen, so wie es England,Frankreich,Rußland,USA und das DR gemacht haben.
Natürlich darf man. Ob es allerdings auch sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Bleiben wir kurz bei der Riezlerschen Theorie, Konflikte zu "lokalisieren" bzw. an die "Pheriperie" zu drücken (ein Gedankengang, den übrigens bereits Bismarck formuliert hat), dan wäre es sinnvoll gewesen, die Gegensätze der traditionellen Kolonialmächte zu verschärfen.
Durch die Intervention durch das DR trat aber der gegenteilige Effekt ein und die alten Kolonialmächte haben sich arrangiert und damit kam die "Hauptkonfliktlinie" zurück nach Europa. Sodass unter strategischen Gesichtspunkten die Wahrscheinlichkeit von Konflikten erhöht wurde, anstatt sie in der Wahrscheinlichkeit zu reduzieren. Wie es Riezler und Bismarck intendiert haben.
Und deswegen konterkarierte das Engagement mit dem Bahnbau die "wohlverstandenen deutschen Interessen". Und sind unter anderem ein Beleg für die planlose, punktuell auftretende Weltpolitik.
Tja, ein Militär hat so seine "Einfälle", sicherlich haben auch andere Strategen solche Theorien in Friedenszeiten entwickelt, Totalen Krieg haben schliesslich alle beteiligten geführt.Dann muss Ludendorff ja ein richtige genie gewesen sein, wie oben schon gesagt hat er den totalen krieg richtig vorausgeahnt, der von allen Beteiligten schliesslich so geführt wurde.
Teilweise richtig. Für Ludendorff war die Führung des "Totalen Krieges" nicht nur ein zeitlich begrenztes Unternehmen, um den Krieg erfolgreich zu beenden. Für ihn war es ein weltanschauliches System und in eine Vorstellung über die Organisation von Staaten eingebunden. Er war mit Leib und Seele ein (brillanter) Soldat, ein übler Militarist und ein menschenverachtender "Militär-Diktator". dazu mal als direktes Zitat:
Wikipedia: "Totaler krieg: Er bezeichnet bei ihm den Vorrang des
Krieges vor der
Politik.
[2] Ludendorff zieht in seinem Buch
Der totale Krieg den Schluss, dass die „seelische Geschlossenheit“ des Volkes einen kriegsentscheidenen Faktor darstellt. Aus diesem Grund muss alles geschehen, damit diese Geschlossenheit erreicht und erhalten werden kann. Dazu gehöre, das Volk über den Sinn und Zweck des Krieges aufzuklären. Gegenüber Kriegsgegnern, die die Einheit und Geschlossenheit in Frage stellen können, könnten Maßnahmen wie
Schutzhaft notwendig sein. Als Kriegsgegner wurden von Ludendorff das
Judentum, die
Katholische Kirche und die
Sozialisten benannt"
Sorry, aber offentsichtlich kennst Du nicht die Aussagen über die Ermunterung von Serbien seitens Rußlands. Serbien wurde gedrängt kontraproduktiv aufzutreten da es im falle eines Krieges auf Rußland zählen könne. Den "Blancoscheck" bitte auf diesem Hintergrund sehen.
Der Schock konnte nicht ausgenutzt werden weil erst mal ein Untersuchungsverfahren eingeleitet wurde, nachdem in diesem dann die serbische Beteiligung herausgestellt wurde nahm es seinen lauf.
Dass es Zusagen von Seiten Russlands gegenüber Serbien gab, weiss ich. Und das es im Russichen Generalstab offensichtlich auch Personen gab, die einen Krieg präferierten, weiss ich auch. Dennoch: Die Serben sind den Forderungen von Ö-U - überrschenderweise und das war auch eigentlich nicht antizipiert (vor allem nicht durch das DR) worden - entgegengekommen. (Ist nichts mit "konterproduktiv".) Eine Einschränkung ihrer Souveränitat wollte sie allerding nicht akzeptieren. Verständlich oder ?
Natürlich sollte der "Schock" ausgenutzt werden. das waren ja gerade die Forderungen aus Berlin an Wien. Man wollte Fakten schaffen unter dem Eindruck des Mordes, um den diplomatischen Erfolg mit geringen zusätzlichen Gefahren "einfahren" zu können.
Der Schlieffenplan war weltweit bekannt, die ungünstige strategische Lage ebenso. Wer hatt dann folglich dann Schuld? Wer hat die Kausalitätenkette in gang gesetzt? Rußland wusste das eine Generalmobilmachung seinerseits das DR zwingen wird als erster loszuschlagen.
Das ist eine heftige Spekulation, dass der Schlieffenplan weltweit bekannt war. Man hat vielleicht in GB und Frankreich erahnt, das es Überlegungen gab, über Belgien anzugreifen. Was sehr wahscheinlich ist, wenn man sich die Dislozierung der französischen Streitkräfte im Juli / August 14 ansieht.
Ansonsten magst du dir viellicht in Ritter; Der Schlieffenplan mal ansehen, welchen Geheimhaltungsstufen (Verteiler!!!) dieser Plan unterlag. Vermutlich hat noch nicht mal der Ö-U-Generalstab jemals eine der Denkschriften oder Planungen zu Gesicht bekommen. Soviel zum Thema, war weltweit bekannt.
Das deutsche Reich hat die Kausalkette in Gang gesetzt. Da gibt es keine alternative Interpretation. Sorry.
Hauptsächlich dürfte der russische Aufmarsch dann diese Pläne zerstört haben.
Auch in diesem Fall, ein deutliches Nein. Habe bereits zwei mal dargestellt, dass es die zeitlichen Rahmenbedingungen (Lüttich) für den Westaufmarsch waren, die die Dynamisierung ausgelöst haben und eine diplomatische Lösung nicht zugelassen haben. Da hat Russland eine völlig nebensächlche Rolle gespielt, auch wenn Bethmann in seiner offiziellen Rede zur Begründung des Krieges, auf die russische Mobilmachung abstellte.
Das war blanke Rechtfertigungs-Ideologie, die innenpolitisch notwendig war, um die SPD zur Annahme der zusätzlichen Kosten für die Kriegsführung zu gewinnen.