Inwieweit unterscheidet sich die Schlüsselgewalt der Germanen von der im Mittelalter

Lediglich im Bereich des Haushalts hatte die Frau eine "Schlüsselgewalt", d.h. sie durfte selbstständige Rechtsgeschäfte abschließen. Das Handbuch "Deutsche Rechtsgeschichte" sagt zum persönlichen Verhältnis der Ehegatten im Mittelalter ....:

Vielen Dank für
a) "Sachsenspiegel" (dass ich an den nicht gedacht habe) :autsch:
b) die "Deutsche Rechtsgeschichte" (deren Erscheinungsjahr zum Glück auch noch deutlich jünger ist als meins - "augenzwinker")

Das bringt uns der Sache doch deutlich ein ganzes Stück näher! :yes:
 
Im Sachsenspiegel heißt es, dass nach der Eheschließung die Frau zur Genossin des Mannes wird, was sich auch im Güterrecht niederschlug.
Lediglich im Bereich des Haushalts hatte die Frau eine "Schlüsselgewalt", d.h. sie durfte selbstständige Rechtsgeschäfte abschließen. Das Handbuch "Deutsche Rechtsgeschichte" sagt zum persönlichen Verhältnis der Ehegatten im Mittelalter:

Du hast völlig zu Recht den Sachsenspiegel und das Conradsche Standardwerk [2] zitiert. Ich ergänze nur Weniges, wobei ich eine unbestrittene Erkenntnis aus Jacob Grimms Deutschen Rechtsalterthümern voranstelle: "kein theil des deutschen rechts hat eine solche mannigfaltigkeit der stimmungen und gewohnheiten entwickelt, wie die lehre vom vermögen der ehgatten." Die Rechtslandschaft war ebenso buntscheckig wie die politische.

1. Von der Muntgewalt zur Genossenschaft
Das Mundium muss man sich als umfassendes Bestimmungsrecht vorstellen, dass in älterer Zeit auch das Recht zum "züchtigen, verkaufen, tödten" umfasste (Grimm, S. 450). Der Mann war in jeder Hinsicht seines Weibes "Vogt und Meister". [2]
Sicher hat sich dabei im Laufe der Jahrhunderte einiges geändert, wenngleich es umstritten geblieben ist, ob man im Ergebnis von einem "genossenschaftlichen" Verhältnis zwischen Mann und Frau sprechen kann; die ältere Rechtslehre war sich sicher, daß die Vermögensrechte der Frau während der Ehe auf den Mann übergingen und erst danach (bei Trennung, Tod) "gleichsam wieder aufwachten" (Grimm). Aber auch von dieser Seite wird zugestanden, dass - auch unterm Einfluss der Kirche - einiges für die "Hebung der Gattin" getan wurde.
Erwähnenswert scheint mir noch, dass mancherorts
- das Verfügungsrecht des Mannes sich nur auf das bewegliche Vermögen der Frau erstreckte, nicht aber auf Liegenschaften,
- von diesem Verfügungsrecht natürlich Ausnahmen vereinbart werden konnten ("besondere Gedinge"),
- der Mann erst dann die Verfügungsrechte über das Vermögen der Frau erhielt, nachdem die Ehe vollzogen war. [3]

2. Eigene Verwaltungsrechte der Frau
Zum Stichwort Schlüsselgewalt noch ein paar Varianten:
- Die Frau kann frei über "gewisse kleine, zu ihrem Gebrauch bestimmte und ihr gehörige Gegenstände" verfügen.
- Die Frau ist "Vorsteherin des inneren Hauswesens, mit der Befugniß, dasselbe zu verwalten und die darauf bezüglichen Geschäfte frei vorzunehmen" (Bremer Recht).
- "Die in dem Kreise des gewöhnlichen Hauswesens liegenden Geschäfte nimmt die Ehefrau immer, vermöge ihrer Stellung im Hause, vor, ohne daß es erst eines besonderen Auftrags bedarf."
- Die Frau hat Verfügungsrechte bis zu gewissen Summen.


[1] 1. Auflage 1954, 2. Auflage 1962, 3. Auflage 1972?
[2] Laut Schröder (Geschichte des ehelichen Güterrechts) ist im fränkischen Recht der Mann der "mumper" der Frau - das Wort kannte ich noch nicht.
[3] Ohne Fleiß kein Preis, könnte man sagen. Die Lübecker freilich schafften die Voraussetzung der "Beschreitung des Bettes" schon frühzeitig ab - Weicheier!;)
 
@ jschmidt:
2. Eigene Verwaltungsrechte der Frau
Zum Stichwort Schlüsselgewalt noch ein paar Varianten:
- Die Frau kann frei über "gewisse kleine, zu ihrem Gebrauch bestimmte und ihr gehörige Gegenstände" verfügen.
- Die Frau ist "Vorsteherin des inneren Hauswesens, mit der Befugniß, dasselbe zu verwalten und die darauf bezüglichen Geschäfte frei vorzunehmen" (Bremer Recht).
- "Die in dem Kreise des gewöhnlichen Hauswesens liegenden Geschäfte nimmt die Ehefrau immer, vermöge ihrer Stellung im Hause, vor, ohne daß es erst eines besonderen Auftrags bedarf."
- Die Frau hat Verfügungsrechte bis zu gewissen Summen

Na, das klingt doch schon sehr nach Neuzeit (und übersteigt doch - im Vertrauen - die Möglichkeit mancher Frauen im privaten Bereich im Zeitalter der Gleichberechtigung).

Apropos "Weicheier": In Lübeck wusste man eben schon rechtzeitig, dass die armen Ehefrauen doch viel "Haue" bekamen, wenn sie etwas Anderes behaupteten (zudem hätte so ein um die "Kohle" gekommener Ehemann zu unlauteren Mitteln gegriffen - siehe Karl der Kahle und Kaiserin Richezas Kampf gegen seine Verleumdungen, sie ging ins Kloster und gründete Andlau, die 2. Frau Richildis hat dann auch irgendwann "den Schleier" genommen. Karl der Kahle starb ohne Erben). :devil:
 
Ein kleiner Beitrag zu einer besonderen Art der "Schlüsselgewalt" in den Jahren 1400 - 1500. In "Wie es einmal war, die Geschichte unserer Heimat" von Albert Brunk (1928) erwähnt der Verfasser im Kapitel "Alte Rechtsbräuche in unserer Heimat" folgendes:
"Der Schlüssel auf dem Grab. Bei dem Tode des Vaters trat der Sohn oder andere Erben an seine Stelle und führte sein Werk weiter. War das aber unmöglich, weil die Schulden zu hoch waren und der Erbe den Verpflichtungen nicht nachkommen konnte, dann gab er den Toten das Eigentum zurück. Die Lebenden nahmen ihr persönliches Eigentum an sich, verschlossen das Haus und legten den Schlüssel auf dem Grabe des früheren Besitzers nieder. Das war keineswegs eine symbolische Handlung, sondern ein Rechtsvorgang, mit dem die Erben dem Toten das Eigentum zurückgaben und für sich selbst auf alle Ansprüche daran verzichteten.
Dadurch konnte eine Witwe noch nach dem Tode des Mannes eine Ehetrennung erwirken. Sie nahm ihre Kleider und Wertsachen an sich, verschloss das Haus und legte den Schlüssel zusammen mit der Geldbörse
des Mannes auf dessen Grab. Sie gab damit alle Rechte an dem ehelichen Vermögen auf."
Über weitere Modalitäten (Abgeltung der Gläubiger, anschließendes Verfahren über den Besitz des Toten) wurde nichts vermerkt. Vielleicht wurde ähnlich wie bei Verbrechern verfahren, deren Besitz an die Herrschaft fiel.
(Ich überlege gerade wieviel Schlüssel wohl heute auf den Gräbern liegen würden?) :pfeif:
 
War das aber unmöglich, weil die Schulden zu hoch waren und der Erbe den Verpflichtungen nicht nachkommen konnte, dann gab er den Toten das Eigentum zurück. Die Lebenden nahmen ihr persönliches Eigentum an sich, verschlossen das Haus und legten den Schlüssel auf dem Grabe des früheren Besitzers nieder.

Heutzutage nennt man das im Erbrecht die "Ausschlagung des Erbes", was jeder Erbe tun kann, besonders wenn der Erblasser überschuldet ist und somit der Erbe für die Schulden eintreten muss.

Vielleicht sollte man den genannten mittelalterlichen Brauch wieder einführen und der Erbe dem überschuldeten toten Erblasser die Schlüssel auf's Grab legen! :D
 
Heutzutage nennt man das im Erbrecht die "Ausschlagung des Erbes", was jeder Erbe tun kann, besonders wenn der Erblasser überschuldet ist und somit der Erbe für die Schulden eintreten muss.

Vielleicht sollte man den genannten mittelalterlichen Brauch wieder einführen und der Erbe dem überschuldeten toten Erblasser die Schlüssel auf's Grab legen! :D

Man stelle sich`mal die vielen Schlüssel in der heutigen Zeit vor!! (Heute kommt ja auch kein säumiger Schuldner mehr in den Schuldturm. Andererseits wäre es eine Belebung der Bauwirtschaft bei den vielen Türmen, die gebaut werden müssten).:D
 
@ jschmidt:


Apropos "Weicheier": In Lübeck wusste man eben schon rechtzeitig, dass die armen Ehefrauen doch viel "Haue" bekamen, wenn sie etwas Anderes behaupteten (zudem hätte so ein um die "Kohle" gekommener Ehemann zu unlauteren Mitteln gegriffen - siehe Karl der Kahle und Kaiserin Richezas Kampf gegen seine Verleumdungen, sie ging ins Kloster und gründete Andlau, die 2. Frau Richildis hat dann auch irgendwann "den Schleier" genommen. Karl der Kahle starb ohne Erben). :devil:

Wieso hat mich keiner korrigiert? "Richeza" oder Richardis war natürlich die Frau "Karl des Dicken" und nicht die des "Kahlen". Dessen 1. Frau hieß Ermentrud. :cry:
 
Von welchen "Germanen" ist hier eigentlich die Rede?
Auf den bunten Flickenteppich der Rechtsgewohnheiten auf dem Kontinent wurde ja schon hingewiesen.

Vom Kontinent weiß ich in dieser Beziehung ja nicht viel.
Aber in Skandinavien war die Rechtsstellung der Frau sehr unterschiedlich, konnte in Norwegen von Tal zu Tal differieren. Man denke zum Vergleich nur an die Hausgesetze der Adelshäuser in der Neuzeit.

Einheitlich kann man wohl nur sagen, dass Frauen keine unmittelbare Möglichkeit hatten, Dinge mitzubestimmen, die das Gemeinwesen betrafen. Sie nahmen weder an der Gesetzgebung noch an der Rechtsprechung teil. Frauen waren im Thing nicht zugelassen.
Aber schon bezüglich des Kriegshandwerks werden bei Saxo Grammaticus Amazonen erwähnt. Auch wenn dieser konkrete Bericht möglicherweise nicht historisch ist, so darf man doch davon ausgehen, dass sowohl die Überlieferung, aus der er schöpfte, als auch seine Leser dies nicht als eine absurde Vorstellung betrachteten.

Aber Frauen konnten in Norwegen zur Sagazeit durchaus einen Hof besitzen und betreiben. Das zeigt die Namenskunde, wo alte Hofstätten nach Frauen benannt sind. Dass das selten vorkam, liegt daran, dass einen Hof aufzubauen doch eine körperlich ungewöhnlich harte Arbeit war.

In Grönland hat eine skandinavische Frau ein eigenes Schiff ausgerüstet, um damit nach Vinland zu fahren.

Bei der Eheschließung ist die Lage eher undurchsichtig. Es gab dynastische Ehen (nicht nur bei regierenden Geschlechtern, sondern auch bei Bauern, wenn Hof zu Hof kommen sollte), wo die Frau schlicht "verheiratet" wurde. Aber immer wieder wird auch berichtet, dass die Ehe von der Zustimmung der Frau abhängig gemacht wurde. Nach einigen Quellen konnte sie zwar selbst nicht wählen, sondern hatte nur ein Veto-Recht, nach anderen konnte sie selbst bestimmen, Witwen sogar in aller Regel. Ich denke, dass da die innerfamiliäre Tradition und auch die jeweilige Autorität der beteiligten Personen eine größere Rolle spielte als irgendwelche Vorschriften. Wahrscheinlich ist auch, dass viele Mädchen aufgrund ihrer Erziehung sich der Bedeutung der Gattenwahl im Hinblick auf das weitere Schicksal ihrer Familien bewusst waren und die Maßstäbe bereits verinnerlicht hatten.

Dass das Gefühlsleben da anders justiert war als heute, zeigt sich für mich in den zahlreichen Berichten darüber, dass die beteiligten Personen nur auf Grund der Beschreibung des anderen bereits "in Liebe entbrannten".
 
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