Große Depression 1929/1930, wer kam gut durch?

Ich bin da ganz schmerzfrei zwischen den Lagern.
Ich persönlich auch (wenn du wüsstest, was ich mir manchmal selbst so aus den unterschiedlichsten Theorien zusammenbastle :D)

Warum nicht guten Analysen folgen?
np, nur sollten wir dann nicht über Schulen sprechen. Galbraith war nun mal Keynesianer und dieser Schule zumindest dem Großteil seines Wirkens über verbunden. Würde man nun monetaristische Theorien mit Galbraith in Verbindung bringen, würde sich der Gute wohl im Grabe umdrehen, nachdem er sich als entschiedenen Gegner des Monetarismus betrachtete.

Die Blase bestand nicht nur auf den Kapital-, sondern auch auf den Realgütermärkten (Grundstückspreise, zB Florida).
Auch auf die Gefahr hin, dass ich gerade wieder eine eigene Theorie stricke, aber den Immobilienmarkt hätte ich nicht zu den Realgütermärkten, sondern zu den Faktormärkten gezählt.

Die Ursache der Blase würde ich an die Anthropologen überweisen: Gier und Phantasie.
Und wodurch die Gier? Irgendjemand muss ja den Investoren was vom schnellen Geld erzählt haben, ansonsten hätten sie ja nicht noch zu bereits überhöhten Preisen und schuldenfinanziert immer noch mehr investiert. Gibts irgendwo eine Übersicht welche Teilmärkte in den 20ern besonders investitionsstark waren? ich hab schon etwas geblättert, bei mir aber leider nichts gefunden.

Nach meiner mikroökonomischen Erfahrung sind gezahlte Preise am wenigsten von Geldmengenausdehnungen abhängig.
D'accord - siehe mein Schuhbeispiel :D Ernsthaft: nicht auf die gezahlten Preise, auf das Preisniveau aber durchaus.
 
Auch auf die Gefahr hin, dass ich gerade wieder eine eigene Theorie stricke, aber den Immobilienmarkt hätte ich nicht zu den Realgütermärkten, sondern zu den Faktormärkten gezählt.
Ich hatte die Immobilienskandale der Floridahäuser im Sinn. Da kann ich mich mit der Bezeichnung Produktionsfaktor nicht recht anfreunden.

Irgendjemand muss ja den Investoren was vom schnellen Geld erzählt haben, ansonsten hätten sie ja nicht noch zu bereits überhöhten Preisen und schuldenfinanziert immer noch mehr investiert. Gibts irgendwo eine Übersicht welche Teilmärkte in den 20ern besonders investitionsstark waren? ich hab schon etwas geblättert, bei mir aber leider nichts gefunden.
Ich schaue mal.
Wer wertet, was ein "überhöhter" Preis ist? Die Schuldenfinanzierung funktioniert, sofern die Renditen höher beobachtet und erwartet werden. Fehlt nur noch jemand, der bei unvollständigen Informationen ins Risiko geht.

D'accord - siehe mein Schuhbeispiel :D Ernsthaft: nicht auf die gezahlten Preise, auf das Preisniveau aber durchaus.
Da reicht meine Vorstellungskraft bzgl. Preise für Unternehmensbeteiligungen und Immobilien und deren Preisanstieg nicht aus, siehe oben.
 
Die Ursache der Blase würde ich an die Anthropologen überweisen: Gier und Phantasie.
Nur - das war schon immer so. Die Frage ist, ob der Gierige zum Zuge kommt oder nicht.

Die Ursache für eine Börsenblase & deren Platzen würde ich mal so formulieren : Wenn es mehr Trittbrettfahrer als Fahrgäste gibt, kippt der Zug um.
 
Ein paar Zahlen für die USA: Juli 1928/September 1929:

Index Eisenbahnaktien: 137,4 - 182,0
Index Industrieaktien: 211,1 - 364,0
Aktienumsatz (Stück): 39,2 Mio. - 100,1 Mio.
Aktienemissionen: 1928 3,56 Mrd. $ - I. Hj/1929: 3,48 Mrd. $

Kontokorrentbelastungen bei New Yorker Banken: 35,1 Mrd $ - 50,3 Mrd. $

Zinsen Commercial Papers: 5,0% - 6,12%
Zinsen Tagesgeld: 6,12% - 8,5% (im Juli 29: 9,38%) außerbörslich im Sommer und Herbst 1929 bis 17%

Großhandelspreise-Index: 98,3 - 97,5 (Basis: 1926)

Nach der großen Krise 1921 schwankten die Indizes für Industrielle Gesamtproduktion sowie Automobilindustrie um rd. 100, um dann allerdings vom Jan 1928 bis August 1929 auf rd. 130 zu steigen. Die Ernte 1929 war unbefriedigend trotz großem Flächenzuwachs1928/29.

Quelle: Institut für Konjunkturforschung, Monatsberichte.
 
Nur - das war schon immer so. Die Frage ist, ob der Gierige zum Zuge kommt oder nicht.
Womit sich die Katze in den Schwanz beißt. Wie willst du verhindern, dass "der Gierige" genau in dem Kontext eben nicht zum Zuge kommt? Es gibt bis heute kein probates Mittel um gegen Finanz- und Spekulationsblasen präventiv vorzugehen. Um mal im Kontext der Weltwirtschaftskrise zu bleiben: Wessen Aufgabe wäre es denn gewesen gegen die Spekulationsblasen vorzugehen? War das platzen der jeweiligen Blasen tatsächlich vorherzusehen? Wer hätte auch die entsprechenden Mittel gehabt um den Blasen an sich, oder zumindest deren Platzen entgegenzuwirken/abzumildern?

Ich hatte die Immobilienskandale der Floridahäuser im Sinn. Da kann ich mich mit der Bezeichnung Produktionsfaktor nicht recht anfreunden.
So gehts mir mit der Bezeichnung Realgut, aber sei es drum, welchem Markt die Immobilienwirtschaft zugeordnet wird ist wirklich zweitrangig.

Wer wertet, was ein "überhöhter" Preis ist?
Kommt ganz darauf an, wen du fragst. Ein Jurist wird dir was anderes erzählen als ein VWLer oder ein BWLer. In der Rückbetrachtung der einzelnen Blasen könnte man das natürlich anhand des jeweiligen Kursverlaufs auswerten.

Die Schuldenfinanzierung funktioniert, sofern die Renditen höher beobachtet und erwartet werden. Fehlt nur noch jemand, der bei unvollständigen Informationen ins Risiko geht.
Und genau das ist für mich eine Kernaussage zum Thema Spekulationsblasen und deren platzen: extrem riskante Investmentstrategien von Leuten, die glauben sie könnten, aber objektiv betrachtet eben nicht können. Und genau diese Risikospekulanten, die eben nicht über die einschlägigen Informationen verfügen trifft es beim Platzen von Blasen in aller Regel als erstes (um mal wieder den Dreh zur Ausgangsfrage zu bekommen).

Da reicht meine Vorstellungskraft bzgl. Preise für Unternehmensbeteiligungen und Immobilien und deren Preisanstieg nicht aus, siehe oben.
Ich glaube, ich kann grad nicht folgen... Ich war beim Preisneiveau, also wieviel Geld für ein Sozialprodukt.

Ein paar Zahlen für die USA: Juli 1928/September 1929:

Index Eisenbahnaktien: 137,4 - 182,0
Index Industrieaktien: 211,1 - 364,0
Aktienumsatz (Stück): 39,2 Mio. - 100,1 Mio.
Aktienemissionen: 1928 3,56 Mrd. $ - I. Hj/1929: 3,48 Mrd. $

Kontokorrentbelastungen bei New Yorker Banken: 35,1 Mrd $ - 50,3 Mrd. $

Zinsen Commercial Papers: 5,0% - 6,12%
Zinsen Tagesgeld: 6,12% - 8,5% (im Juli 29: 9,38%) außerbörslich im Sommer und Herbst 1929 bis 17%

Großhandelspreise-Index: 98,3 - 97,5 (Basis: 1926)

Nach der großen Krise 1921 schwankten die Indizes für Industrielle Gesamtproduktion sowie Automobilindustrie um rd. 100, um dann allerdings vom Jan 1928 bis August 1929 auf rd. 130 zu steigen. Die Ernte 1929 war unbefriedigend trotz großem Flächenzuwachs1928/29.

Quelle: Institut für Konjunkturforschung, Monatsberichte.
Danke! Du hast nicht zufällig noch irgendwo den Leitzins und das Geldmengenaggregat griffbereit? Ich muss selbst nochmal suchen gehen, ich bin mir sicher, dass ich irgendwo mal einschlägige Statistiken hatte...
 
Gierig oder nicht: Solange man scheinbar legal Papiere auflegen und auf zukünftige Ernten spekulieren kann, für die es bis dato keinen reelen Gegenwert gibt, wird es diese Blasen geben.

Würde ich ein fiktives Auto verkaufen, käme ich wegen Betrug ins Gefängnis.

PS: Hat das nicht alles mal mit Tuplenwiebeln begonnen?
 
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Kaum eine der großen Wirtschaftskrisen lässt sich auf Erntespekulationen zurückführen, die Blasen entstanden überwiegend auf den Kapital- und Immobilienmärkten, nur selten auf den Rohstoffmärkten und dabei am seltensten im Zusammenhang mit den Ernten nachwachsender Rohstoffe. Das einzige Beispiel das mir konkret in dem Zusammenhang einfällt ist die Große Tulpenmanie von 1637, aber seitdem waren alle großen Crashes auf anderen Märkten.

Auch wenn ich mich wiederhole, ich sehe das Problem eher bei den unbedarften, uninformierten und auch oft uninteressierten Anlegern, die von der Gier getrieben auch noch ein Stück vom Kuchen haben wollen. Man denke nur an den allgemein um sich greifenden Aktienhype kurz vor dem Dotcom-Crash, während seriöse Investmentspezialisten schon lange Warnungen aussprachen, dass das nicht mehr lange gut geht, haben Lieschen Müller und Max Mustermann noch fleißig gekauft und nachdem das Geld dann weg war aber auch fleißig gejammert, weil ja die bösenbösen Banken und die bösenbösen Spekulanten...
 
Wobei die Banken "guten" Kunden ihre Fonds schon auch aufdrängen, kein Wunder nachdem es "Kopf-Prämien" gibt ... :motz:
 
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Hat die Adele Spitzeder - Skandalbankerin zu München - schon im 19. Jh praktiziert. Schließlich wurde im November 1872 ihre "Dachauer Bank" wegen "betrügerischen Bankrotts" geschlossen und die Spitzeder in Untersuchungshaft gebracht. :winke:
 
Wobei die Banken "guten" Kunden ihre Fonds schon auch aufdrängen, kein Wunder nachdem es "Kopf-Prämien" gibt ... :motz:
Du schmeißt jetzt gerade ganz wild die unterschiedlichsten Kapitalmarktprodukte durcheinander. Mal ganz davon abgesehen, dass das Geschäftsgebahren und das Anlegerverhalten anno 2010 kaum noch was mit dem Ausgangsthema zu tun haben dürfte.

Hat die Adele Spitzeder - Skandalbankerin zu München - schon im 19. Jh praktiziert.
Das war allerdings eher ein Schneeballsystem. Damit wären wir aber wenigstens wieder beim Crash einer Spekulationsblase, nämlich bei der Gründerzeitkrise, die ja auch dafür gesorgt hat, dass die Spitzeder aufgeflogen ist.
 
Du schmeißt jetzt gerade ganz wild die unterschiedlichsten Kapitalmarktprodukte durcheinander.
Ich finde doch, dass alle Kapitalmarktprodukte mehr oder weniger betroffen sind, zumal die Vorgehensweise gleich bleibt, ob es sich hierbei nun um "Äpfel" oder "Birnen", Immobilien oder Versicherungen handelt. Es wird gerne mal auf Anteile, Papiere, Scheine etc.pp gehandelt, für die es keinen reellen Gegenwert gibt, die reine Luftblasen sind, das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt sind. Vermutungen können eintreten, müssen es aber nicht :grübel:. Dann werden sie "hochgelobt", so dass sie jeder haben will, was sie umgehend wertvoller macht (auch wenn sie immer noch Luftgebilde sind). Also will sie jeder haben, der Preis steigt ins Unermessliche, bis der erste preisgibt, dass es keinen wirklichen Gegenwert gibt. panik bricht aus, jeder will seinen Anteile loswerden, die nun keiner mehr haben will ...

Es gibt angeblich einigermassen sichere Fonds, die sich auf Immobilien und Versicherungsanteile konzentrieren (;)) und die unsicheren, weil reine Aktienfonds. Meine Bank offerierte mir auch noch "halbsichere".

Und mit oberem Post wollte ich darlegen, dass es oft gerade nicht die gierige Lieschen Müller ist, die bei solchen Geschäften draufzahlt. Und was heisst schon gierig, wenn du auf Konto- oder Sparguthaben nur 1%, meinetwegen auch 1,5% erhältst, bei allen anderen Geldgeschäften jedoch ungleich mehr, solange du nur die richtigen triffst?

Ist es nicht interessant, dass 1785-1815, oder noch länger Zinsen aus Mitgiften, Renten und anderen Kapitalerträgen in England grundsätzlich mit 5% berechnet wurden? Ein unabhängiger Gentleman der 100.000 Pfund geerbt hatte, konnte also damit rechnen 5000 per anno zur Verfügung zu haben ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Lili schrieb:
Wie willst du verhindern, dass "der Gierige" genau in dem Kontext eben nicht zum Zuge kommt?
Wir müssen aufpassen, dass wir den Rahmen des GF nicht verlassen.
Ich halte es grundsätzlich für fatal, das Phänomen der Blasenbildung allein mit Charakterschwächen der handelnden Personen zu interpretieren (genauso wenig wie eine Diktatur allein mit der Bosheit des Diktators erklärt werden sollte).
Es wird auf Anteile, Papiere, Scheine etc.pp gehandelt, für die es keinen reellen Gegenwert gibt, die reine Luftblasen sind, das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt sind.
Das ist der Punkt. Blasen bilden sich, wenn die Liquidität zu hoch ist, dem "investierten" Geld also kein entsprechender realer Wert gegenübersteht. Dies kann z. B. dadurch passieren, dass massenhaft Kredite ohne hinreichende Sicherheiten vergeben werden, so dass nicht-reale Werte entstehen (die ggf. dadurch real werden können, dass eine Regierung sie für echtes Geld eintaucht).

Paradoxer Weise können sich Blasen auch durch ein überhöhtes Sicherheitsbedürfnis (i.V.m. zu hoher Liquidität) bilden : Normaler Weise kauft man eine Aktie, wenn der Kurs niedrig ist und verkauft sie am Maximum. Heerscharen von "Analysten" :red: möchten diese Aktien nun bewerten, um Risiken zu minimieren. Das tun sie, indem sie aus Kursentwicklungen der Vergangenheit irgenwelche "alpha-" und "beta-" Koeffizienten berechenen. Das ist natürlich Mumpitz, denn es führt dazu, dass eine Aktie genau dann am besten bewertet wird, wenn sie am Maximum steht, also eigentlich sinken sollte. Das tut sie aber nicht, weil nun alle kaufen. Diese hohe Nachfrage pusht den Kurs nach oben. Eine Blase entsteht. Unglücklicher Weise muss nun selbst ein angestellter Finanzmensch, der die Blase durchschaut, ebenfalls kaufen, denn sonst verzichtet er auf hohe Renditen und disqualifiziert sich. Wir haben dann also das brisante Szenario : Alle kaufen, weil die Kurse steigen, und die steigen, weil alle kaufen.

Ich verrate Euch ein Geheimnis : Die Börse ist ein Nullsummenspiel. Was einer gewinnt, müssen die anderen verlieren. Man muss also das machen, was alle machen. Nur ein Bisschen früher. Leider können aber nicht alle früher handeln als alle. Aber manche.
 
Danke! Du hast nicht zufällig noch irgendwo den Leitzins und das Geldmengenaggregat griffbereit?

Diskontsätze der FRB:

Anstieg von 3,5 % Mitte 1927 (analog Mitte 1926) auf 4,5% Ende 1928, 4% Sommer 1928, 5% im Sommer 1929, 6% am 8.8.1929, Ermäßigung im Zuge dses Crashs
auf 5% am 31.10.1929,
auf 4,5% am 15.11.1929
auf 4% am 6.2.1930
bis 24.12.1930 auf 2%.

Privatdiskonte sanken im Verlauf des Jahres 1930 bis auf 1 bis 2%.

Zahlungseinstellungen US-Banken (Zusammenbrüche):
1927: 662 Institute mit 194 Mio. $ Einlagen
1928: 491 Institute mit 139 Mio. $ Einlagen
1929: 642 Institute mit 234 Mio. $ Einlagen
1930: 934 Institute mit 908 Mio. $ Einlagen
Mitte 1931 es als monatlichen Spitzenwert über 500 Zusammenbrüche.
 
Ich finde doch, dass alle Kapitalmarktprodukte mehr oder weniger betroffen sind ...
Ich befürchte, daß Du schlicht nicht genug Vorwissen über Kapitalmarktprodukte und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hast.
Was ja auch nicht schlimm ist - nur sollte man dann nicht versuchen, solche Entwicklungen zu bewerten.

Es wird gerne mal auf Anteile, Papiere, Scheine etc.pp gehandelt, für die es keinen reellen Gegenwert gibt ...
"Reeller Gegenwert" ist kein brauchbares Konzept. Streng genommen gibt es den nur beim Tauschhandel. Wenn Du einen Sack Kartoffeln gegen ein Paar Schuhe tauschst, habe beide Seiten einen "reellen Gegenwert". Wenn Du den Sack Kartoffeln mit einem 5-Euro-Schein bezahlst, bekommt der Kartoffelhändler schon keinen "reellen Gegenwert" mehr.

Vermutungen können eintreten, müssen es aber nicht :grübel:.
Das ist Wesen JEDER wirtschaftlichen Tätigkeit. Als der erste Ackerbauer Samen aussähte, vermutete er, daß er später einen höheren Ertrag ernten würde. Mußte nicht eintreten.

Es gibt angeblich einigermassen sichere Fonds, die sich auf Immobilien und Versicherungsanteile konzentrieren (;))
Die "angeblich sicheren" Immobilien waren die Ursache der derzeitigen Finanzkrise.

Und was heisst schon gierig, wenn du auf Konto- oder Sparguthaben nur 1%, meinetwegen auch 1,5% erhältst, bei allen anderen Geldgeschäften jedoch ungleich mehr, ...
Man kann das schon Gier nennen, wenn jemanden die Konditionen für sichere Geldanlagen nicht reichen und er deswegen lieber Anlagen mit Risiko kauft. Ich finde aber "Gier" generell keine sinnvolle Bewertung, weil das letztlich auf ALLE Teilnehmer zutrifft.

Ist es nicht interessant, dass 1785-1815, oder noch länger Zinsen aus Mitgiften, Renten und anderen Kapitalerträgen in England grundsätzlich mit 5% berechnet wurden? Ein unabhängiger Gentleman der 100.000 Pfund geerbt hatte, konnte also damit rechnen 5000 per anno zur Verfügung zu haben ...
Ist grundsätzlich heute noch ähnlich.
Nur daß die Inflation höher ist und die Steuern zuschlagen.
Aber die 5% waren schon damals nur ein Erfahrungs-Durchschnittswert, selbstverständlich brachten die diversen Anlageformen unterschiedliche Renditen, die auch über die Zeit variierten.
 
Normaler Weise kauft man eine Aktie, wenn der Kurs niedrig ist und verkauft sie am Maximum. Heerscharen von "Analysten" :red: möchten diese Aktien nun bewerten, um Risiken zu minimieren. Das tun sie, indem sie aus Kursentwicklungen der Vergangenheit irgenwelche "alpha-" und "beta-" Koeffizienten berechenen. Das ist natürlich Mumpitz, denn es führt dazu, dass eine Aktie genau dann am besten bewertet wird, wenn sie am Maximum steht, also eigentlich sinken sollte. Das tut sie aber nicht, weil nun alle kaufen.

Hier liegt - glaube ich - ein Mißverständnis vor. Ganz grob vereinfacht:

Die Bewertung von Unternehmensanteile (wie auch anderer Gegenstände) richtet sich nach den Ertragserwartungen. Besteht ein "Konsens" über die Ertragsaussichten eines Unternehmens, kann man die "Verrentung" der Erträgnisse über den Rentenbarwertfaktor (vereinfachte Darstellung bei konstanten Erträgen) als Multiplikator vornehmen: Der Anteilswert ist dann ein Vielfaches der jährlichen nachhaltigen Ertragsaussichten.

Damit gibt es zwei Probleme: die Ertragsprognose und den Zinssatz der Diskontierung. Das erste ist ein Schätzproblem, bei dem die oben genannte "Phantasie" bzw. Spekulation ins Spiel kommt. Das zweite ist ein Bewertungsproblem zwischen Risiko und Renditeerwartung, eine "Grundeinstellung'" zum Risiko (die zb Risikoaversität aufweisen kann). Beides zusammen bildet sich durch die Entscheidungen aller "Akteure" am Kapitalmarkt heraus.

Zerlegen wir nun vereinfachend den Zinssatz der Diskontierung in zwei Faktoren: einen quasi risikofreien "Basis"zins und eine Risikoprämie als Aufschlag (es handelt sich schließlich um Unternehmensinvestitionen). Am Beispiel der BRD könnte man Staatsanleihen als quasi ( ;) ) sicher annnehmen oder jedenfalls in der Nähe annehmen. Langfristig (also über 60 Jahre) lassen sich länderspezifische Renditedifferenzen zwischen Anleihe- und Aktienmarkt ablesen, für die BRD je nach Intervall zwischen 4,5 und 6%, relativ stabil.

Um nun auf den "Betafaktor" zurückzukommen: diese prinzipielle Renditedifferenz zwischen (fast) risikofreien Anlagen und risikobehafteten Unternehmensanteilen (Aktien) kann man auf ein einzelnes Unternehmen herunterbrechen, indem die Volatilität der Aktie als Maßstab genommen wird. Anders ausgedrückt: weist eine Aktie Schwankungen (=Abweichungen) von der "normalen" (=stabilen) Renditedifferenz auf, ist die Grund-Risikoprämie von 4,5 bis 6% um dieses individualisiert höhere (oder auch geringere) Risiko zu modifizieren: der Beta-Faktor ist ein Multiplikator der normalisierten Risikoprämie, größer oder kleiner 1.

Das ist alles sehr vereinfacht dargestellt, noch ohne Empirie, und soll nur den Grundgedanken verdeutlichen.

Schaut man sich - bei aller bekannten Kritik an diesem sog. CAPM (Modell) - den Grundgedanken an, ist die Plausibilität nicht von der Hand zu weisen: eine Individualisierung des Unternehmensrisikos gegenüber quasi/empirisch fast risikolosen Anlagen, bezogen auf die normalisierte (= üblich geforderte) Renditedifferenz am Kapitalmarkt zwischen Aktien und Anleihen.
 
Die Börse ist ein Nullsummenspiel. Was einer gewinnt, müssen die anderen verlieren.
Das ist nicht ganz richtig.
Denn solange die Wirtschaft insgesamt Gewinne abwirft (und das ist eigentlich immer der Fall), gewinnen auch alle Anleger - die einen mehr, die anderen weniger.
 
D...und das Geldmengenaggregat griffbereit?

Vermutlich aus dem Klassiker Friedman/Schwartz: A Monetary History of the United States, 1867-1960?

Die Monetaristen beziehen sich u.a. darauf, dass die Geldmenge in den USA 1929/32 um rd. 30% gesunken ist. 1928/29 ist sie gestiegen. Beide Vorgänge stehen in Zusammenhang mit den Goldzu- und abflüssen in diesen Zeiträumen.
 
Das ist nicht ganz richtig.
Denn solange die Wirtschaft insgesamt Gewinne abwirft (und das ist eigentlich immer der Fall), gewinnen auch alle Anleger - die einen mehr, die anderen weniger.
Wenn der Kurs die "wahre" Entwicklung des Unternehmenswerts wiederspiegelte, würde der DAX jährlich um die Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft wachsen. Der Gewinn an der Börse läge also bei ein paar Prozent. Die Unternehmensgewinne spiegeln sich in der Dividende wieder.

Das Ganze ist vergleichbar mit einer Immobilie, die Mietennahmen (Dividende) abwirft, bei der man aber auch hofft, sie teurer wieder verkaufen zu können (Kurs). Ersteres ist wichtig, zweiteres nicht so. An der Börse ist es umgekehrt (geworden).
 
Wenn der Kurs die "wahre" Entwicklung des Unternehmenswerts wiederspiegelte, würde der DAX jährlich um die Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft wachsen. Der Gewinn an der Börse läge also bei ein paar Prozent.

Das ist so zu einfach.

In der aggregierten Betrachtung käme es auf den Anteil der Gewinne auf der Verteilungsseite an, in der zweiten Stufe ist weder der Dax noch der bundesdeutsche Kapitalmarkt (alle Aktien) strukturell dem gesamten Unternehmenssektor gleichzusetzen. Selbst wenn dieses zufällig so wäre: in der dritten Stufe sind Gewinnsteigerungen zu berücksichtigen, die Unternehmen im Ausland erzielen. Usw.

Je nach langfristigem Betrachtungszeitraum über 25, 40 oder 50 Jahre betragen die bundesdeutschen Aktienrendite zwischen 9 und 11%, somit 4-6% über denen der Staatsanleihen. Die Differenz bildet das Marktrisiko ab bzw. ist Prämie für die Volatilität der Gewinne.

Die Unternehmensgewinne spiegeln sich in der Dividende wieder.
Auch der einfache Vergleich Anleihenrendite/Dividende (siehe oben) ist unvollständig. Bei den Anleiherenditen (s.o.) handelt es sich um Vor-Steuer-Renditen, bei Dividenden um Nach-Steuer-Renditen. Zusätzlich sind die Thesaurierungen der Unternehmen zu berücksichtigen, je nach Marktsegment ca. 40 -60% der Gewinne.

Das Ganze ist vergleichbar mit einer Immobilie, die Mietennahmen (Dividende) abwirft, bei der man aber auch hofft, sie teurer wieder verkaufen zu können (Kurs). Ersteres ist wichtig, zweiteres nicht so. An der Börse ist es umgekehrt (geworden).
Wer sich mal mit dem Verkauf größerer Mietobjekte beschäftigt hat, erkennt die Vergleichbarkeit mit Anteilsbewertungen. Bei Mietobjekten (zB Mehrfamilienhäuser, gewerbliche Immobilien) wird zwar nachrangig auf den Substanzwert geachtet, entscheidend ist regelmäßig der Multiplikator der Jahresnettomieten. Der Multiplikator ist der Kehrwert des Rentenbarwertfaktors, somit eines (risiko-angepaßten) Zinssatzes. Dieser ist bei Immobilien idR geringer als bei Unternehmen, aufgrund der Fungibilität und der Unterlegung mit Substanz. Beispiel: eine Immobilienrendite von 6% ergibt einen Multiplikator des ca. 16-fachen (100%/6%). Beste Lage ergeben geringere Zinssätze, somit höhere Multiplikatoren, und vice versa.

Bzgl. der Faktoren erwartete Rendite/Zins funktioniert der Anteilsmarkt vergleichbar.
 
Wenn der Kurs die "wahre" Entwicklung des Unternehmenswerts wiederspiegelte, ...

Ganz vergessen, ein Nachtrag als Zitat:
https://vu.fernuni-hagen.de/lvuweb/lvu/file/FeU/WiWi/2009WS/41200/oeffentlich/32581_41200.pdf

"Dagegen fällt die amerikanisch geprägte Praktikerliteratur im Gefolge der „Shareholder Value“-Modewelle wieder weit hinter den in Deutschland erreichten Forschungsstand zurück. Die Veröffentlichungen zur kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung und -bewertung setzen sich i.d.R. nicht mit der Literatur zur funktionalen Lehre auseinander, sondern führen oftmals den hierzulande schon überwunden geglaubten "tatsächlichen“, „wahren“, „inneren“, „intrinsischen“, „wirklichen“ oder objektiven“ Unternehmenswert wieder ein."

Der "wahre", wirkliche oder innere Wert ist Vorläufer der Funktionenlehre, stammt aus dem Verständnis des HGB 1900 bzw. BGB 1896 (Abfindungsregelungen) und ging - ganz in Übereinstimmung mit Walter Rathenaus Verständnis des "Unternehmens an sich" - von einem objektiven (nicht: objektivierbaren oder objektivierten!) Unternehmenswert aus, der gegenüber jedermann gilt.

Dieser "Wert" ist fiktiv. Das Verständnis hierfür setzt eine Differenzierung zwischen Wert und Preis voraus.
 
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