Boten der Varusschlacht

Maximus

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Frage an die Experten hier:

Wie verbreitete sich die Kunde über die Niederlage des römischen Heeres, angesichts der Tatsache, dass es keine germanischen Quellen gibt und die Barbaren vermutlich keine Gefangenen machten?
Welche Theorien gibt es darüber?

Heißt es nicht, dass die Sieger Geschichte schreiben?
 
Frage an die Experten hier:

Wie verbreitete sich die Kunde über die Niederlage des römischen Heeres, angesichts der Tatsache, dass es keine germanischen Quellen gibt und die Barbaren vermutlich keine Gefangenen machten?
Welche Theorien gibt es darüber?

Heißt es nicht, dass die Sieger Geschichte schreiben?

Theorien? Es gibt die (römischen) Quellen. Denen zufolge verbreitete sich die Nachricht durch Legionäre (vielleicht auch durch Zivilisten, jedenfalls durch Beteiligte), die das Massaker überlebt hatten. Die Römer wussten offenbar recht schnell über das Debakel Bescheid. So konnte Asprenas zwei Legionen unversehrt retten, Standorte wie Waldgirmes wurden ohne direkte Bedrohung oder gar Kampfhandlungen planmäßig aufgegeben, in Vetera war die Panik so groß, dass die Römer drauf und dran waren, ihre Rheinbrücken zu verbrennen, ehe die Überlebenden aus Aliso hinübergelangt waren. Und sechs Jahre später haben (angeblich) Überlebende die Truppen des Germanicus zum Schlachtfeld geführt und ihnen geschildert, wie alles abgelaufen war. Zudem: Wenn es keine Überlebenden gegeben hätte, hätte Augustus nicht anordnen brauchen, dass diese Überlebenden nie nacht Italien zurückkehren dürfen.

Aber in diesem speziellen Fall haben tatsächlich mal NICHT die Sieger die Geschichte geschrieben, denn sie konnten gar nicht schreiben. Aber einmalig ist das nicht. Zum Beispiel was bei Little Big Horn passiert ist, wissen wir auch nur von den Verlieren (und von den Archäologen).

MfG
 
Wie verbreitete sich die Kunde über die Niederlage des römischen Heeres,

"Kaum hatte Tiberius Caesar die letzte Hand angelegt, um den pannonischen [...] Krieg endgültig zu beenden, da brachten - nur fünf Tage, nachdem er diese gewaltige Aufgabe vollendet hatte - Depeschen aus Germanien die Unglücksbotschaft, dass Varus getötet und drei Legionen niedergemetzelt seien..." Velleius Paterculus, germanienerfahrener Zeitgenosse

Florus berichtet noch folgendes, was aber im Widerspruch zu Tacitus steht: "Feldzeichen und zwei Legionsadler besitzen die Barbaren noch heute; bevor der dritte in die Hände der Feinde fallen konnte, riß ihn der Standartenträger ab, steckte ihn in die Öffnungen seines Wehrgehenks und verbarg sich so im blutigen Sumpf."
Tacitus: "Während des Mordens und Plünderns [während des Feldzuges gegen die Brukterer] fand er [Germanicus] den Adler der XIX. Legion." (Tac. ann. I, 60)
"Er [Germanicus] selbst brach mit noch größerer Truppenmacht in das Gebiet der Marser ein, deren Führer Mallovendus erst kürzlich sich unterworfen hatte und nun aussagte, in einem nahen Hain sei der Adler einer Varianischen Legion vergraben und werde schwach bewacht. Sofort wurde eine Abteilung abgeschickt, den Feind von vorne zu einen Kampf herauszulocken, während andere ihn im Rücken umgehen und den Adler ausgraben sollten. Beiden Abteilungen stand das Glück zur Seite." (Tac. ann. II, 25)

angesichts der Tatsache, dass [...] die Barbaren vermutlich keine Gefangenen machten?

Seneca Minor: "Willst du bedenken, dass der, den du deinen Sklaven nennst, aus den gleichen Keimen entstanden ist, sich des gleichen Himmels erfreut, ebenso atmet, ebenso lebt, ebenso stirbt? Genauso kannst du ihn als Freigeborenen ansehen, wie er dich als Sklave. Nach der Niederlage des Varus hat das Geschick viele Männer von glänzender Herkunft, die sich auf Grund ihres Militärdienstes den senatorischen Rang erhofftem, tief fallen lassen: den einen von ihnen mache es zum Hirten, den anderen zum Wächter einer Hütte. Verachte nun einen Menschen, der sich zufällig in einer Lage befindet, in die du, noch während du ihn verachtest, hineingeraten kannst."

Frontinus: "Als die Überlebenden nach der Niederlage des Varus belagert wurden, weil es schien, sie hätten Mängel an Getreide, führten sie einige Gefangene eine ganze Nacht hindurch in den Magazinen umher, hieben ihnen dann die Hände ab und entließen sie. Diese brachten die Belagerer dazu, ihre Hoffnung auf eine schnelle Eroberung nciht auf eine Hungersnot der Römer zu bauen, da jenen ein gewaltiger Vorrat an Nahrungsmittel zur Verfügung stände." (Dies bezieht sich auf die im Lager Aliso belagerten, welche später zum Rhein durchbrachen, wie von Velleius berichtet:
"Anerkennung verdient auch die Tüchtigkeit des Lagerkommandanten L. Caedicius und derer, die, mit ihm zusammen in Aliso eingeschlossen, durch riesige Massen von Germanen belagert wurden: unter Überwindung aller Schwierigkeiten, die der Mangel an Lebensmitteln unerträglich und der Ansturm der Feinde unüberwindlich machte, fassten sie weder übereilte Entschlüsse noch begnügten sie sich mit tatenloser Vorsicht: sie warteten den geeigneten Moment ab, dann bahnten sie sich mit dem Schwerte die Rückkehr zu den ihrigen."

Tacitus: "Die Leute, die diese Niederlage überlebt hatten und der Schlacht oder der Gefangenschaft entronnen waren, erzählten, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler von den Feinden erbeutet worden; sie zeigten, wo Varus die erste Wunde erhalten, wo er mit seiner unseligen Rechten sich selbst den Todesstoß beigebracht hatte; wo Arminius von der Tribüne herunter eine Ansprache gehalten habe, wie viele Galgen für die Gefangenen, was für Martergruben er habe anlegen lassen, wie er die Feldzeichen und die Adler übermütig verhöhnt habe."


Heißt es nicht, dass die Sieger Geschichte schreiben?

Ja, so heißt es. Als Merksatz zur Quellenkritik ganz hilfreich, aber eben kein historisches Gesetz. Siehe dazu diesen Pfad: http://www.geschichtsforum.de/f7/paradebeispiele-geschichte-wird-von-den-siegern-geschrieben-30601/

Schau dir auch diesen Thread an: http://www.geschichtsforum.de/f28/s...eund-oder-f-hnchen-im-winde-30814/index3.html
 
@Maelonn: Aber in diesem speziellen Fall haben tatsächlich mal NICHT die Sieger die Geschichte geschrieben, denn sie konnten gar nicht schreiben. Aber einmalig ist das nicht. Zum Beispiel was bei Little Big Horn passiert ist, wissen wir auch nur von den Verlieren (und von den Archäologen).
Ganz so ist es aber nicht. Abgesehen von den Überlebenden: Es wird genug Germanen gegeben haben, die den Römern darüber berichteten. So wohl spätere Gefangene, als auch Leute, die die Fronten wechselten wie Segestes.
Vom Little Big Horn gab es auch genug indianische Augenzeugen, die man später dazu befragte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, so heißt es. Als Merksatz zur Quellenkritik ganz hilfreich, aber eben kein historisches Gesetz. Siehe dazu diesen Pfad: http://www.geschichtsforum.de/f7/paradebeispiele-geschichte-wird-von-den-siegern-geschrieben-30601/


Eine Anmerkung dazu:

"Ein großer Teil der Nachrichten, die man im Kriege bekommt, ist widersprechend, ein noch größerer ist falsch und bei weitem der größte einer ziemlichen Ungewißheit unterworfen. ... Mit kurzen Worten: die meisten Nachrichten sind falsch, und die Furchtsamkeit der Menschen wird zur neuen Kraft der Lüge und Unwahrheit." (Carl von Clausewitz, "Vom Kriege")

Mit anderen Worten, die wortgetreue Überlieferung der Ereignisse durch römische Überlebende hätte uns widersprüchliche Bilder von der Schlacht geliefert. Erst nach Jahren oder Jahrzehnten hätten die römischen Oberbefehlshaber sich ein halbwegs zutreffendes Bild von der Lage machen können. Kurz, wir können in Betracht ziehen, dass die Ausschmückung des Gemetzels durch Tacitus und Co. propagandistische Ziele verfolgt.
 
Laut Velleius Paterculus hatte Arminius eine besonders glaubwürdige Art der Nachrichtenübermittlung.
Den halbverkohlten Leichnam des Varus rissen die Feinde in ihrer Rohheit in Stücke. Sie trennten sein Haupt ab und sandten es Marbod. Dieser wieder schickte es zu Caesar [Augustus], der ihm trotz allem die Ehre eines Familienbegräbnisses gewährte.
Ab Tod des Varus konnte durch diese spezielle Nachricht ja kein Zweifel mehr bestehen.

Was Arminius mit dieser Botschaft nun genau sagen wollte, ist nicht mehr festzustellen. Was wollte Arminius bei den Markomannen mit diesem Kopf erreichen. (Etwa um den germanischen Konkurrenten bzw. Kollegen Marbod zu beeindrucken, vom Kampf gegen Rom oder des cheruskischen Herrschaftsanspruchs zu überzeugen usf.)
Unklar ist auch die Weiterleitung der Trophäe an Augustus von Arminius beabsichtigt war oder nicht. Marbod könnte dann als der noch unbeteiligte Dritte, der Nachrichten und Köpfe zwischen den verfeindeten Parteien austauscht, eingeplant gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erst nach Jahren oder Jahrzehnten hätten die römischen Oberbefehlshaber sich ein halbwegs zutreffendes Bild von der Lage machen können.

Was soll denn angesichts der Niederlage - die Legionen sind liquidiert worden, und wie bei militärischen Niederlagen in dieser Dimension in den letzten 2000 Jahren gibt es auch erfolgreich Flüchtende - ein "halbwegs zutreffendes Bild" ausdrücken?

Aber zum Clausewitz-Zitat: wenn du ihn gelesen hast, wirst Du das Zitat sicher auf den Kontext beziehen können. Es geht hier um die militärische Lage und um die Kenntnis derselbigen zu Führungszwecken. Davon sollte man die Beschreibung eines historischen Ereignisses - in einem anderen Aggregationsgrad als für parallel ablaufende militärische Vorgänge und in anderem Zusammenhang als bei (ad hoc) Führungsentscheidungen - trennen.


Dabei stellt sich mir noch eine andere Frage: Kann man davon ausgehen, dass es auch während längerer römischer Kampagnen Botendienst ("Nachrichtenlinien") zu den befestigten und Versorgungs-Plätzen gab? In einem anderen Thema sind kombinierte Feldzüge über Flussläufe und Landwege beschrieben worden. Da setzt doch Nachrichtenübermittlungen voraus. Auch die dürften mit der Niederlage ausgefallen sein, bzw. letzte Mitteilungen überbracht haben.
 
"Ein großer Teil der Nachrichten, die man im Kriege bekommt, ist widersprechend, ein noch größerer ist falsch und bei weitem der größte einer ziemlichen Ungewißheit unterworfen. ... Mit kurzen Worten: die meisten Nachrichten sind falsch, und die Furchtsamkeit der Menschen wird zur neuen Kraft der Lüge und Unwahrheit." (Carl von Clausewitz, "Vom Kriege")

Mit anderen Worten, die wortgetreue Überlieferung der Ereignisse durch römische Überlebende hätte uns widersprüchliche Bilder von der Schlacht geliefert. Erst nach Jahren oder Jahrzehnten hätten die römischen Oberbefehlshaber sich ein halbwegs zutreffendes Bild von der Lage machen können. Kurz, wir können in Betracht ziehen, dass die Ausschmückung des Gemetzels durch Tacitus und Co. propagandistische Ziele verfolgt.

Naja, wir haben ja eigentlich kaum verwertbare Nachrichten von der Varusschlacht. Und natürlich verfolgten die unterschiedlichen Autoren unterschiedliche Ziele. Florus gilt als unglaubwürdig, weil er gerne von seinen Quellen abweicht, mehr stilistische Spielchen treibt, als die historische "Wahrheit" zu berichten, auf ihm basiert z.B. die Lagerschlachttheorie. Velleius war einerseits Soldat und kannte Arminius offensichtlich, ist aber jemand, der sehr von Tiberius eingenommen ist. Seine Darstellung ist protiberianisch. Tacitus dagegen ist ein senatorischer Schreiber, der das Prinzipat ablehnt (obwohl er auch seinen Helden hat, nämlich Germanicus, an dessen Onkel Tiberius lässt er dafür kein gutes Haar). Sueton - den ich oben nicht zitiert habe - war eher ein Klatschreporter und Cassius Dio - der ebenfalls unzitiert geblieben ist - weicht in den Details sehr stark von den anderen ab. Bis auf Velleius schrieben aber alle genannten Historiographen "erst nach Jahrzehnten".
Verloren gegangen sind die Werke von Plinius dem Älteren und Aufidius Bassus, die zeitlich zwischen Velleius und der "Generation" Tacitus, Florus, Sueton stehen.

Außer den Historiographen gibt es eben noch andere Schreiber, die über die Schlacht berichtet haben. der früheste Bericht stammt ausgerechnet von jemandem, der am weitesten vom Schlachtort entfernt war, nämlich zB. den Dichter Ovid, der in seinen Klageliedern weniger das Schicksal der Legionen beweint, als sein eigenes und seine Abgeschiedenheit im Exil von Nachrichten und Informationen. Oder der Astronom Manilius, der anhand der Varusschlacht zeigen will, dass man mit Hilfe der Astrologie (damals gab es die Unterscheidung in Astronomie und Astrologie noch nicht) Kriege voraussagen könne. Die Philosophen Seneca Maior und Seneca Minor erwähnen die Varusschlacht im moralphilosophischen Kontexten, der jüngere in einem Bericht über das Los der Sklaven, der ältere in einer Anekdote, bei der er einen Philosophen tadelt, dass dieser Varus' Sohn für die Fehler des Varus verantwortlich gemacht habe. Frontinus schließlich ist ein Militärtheoretiker. Sein Ziel ist es, aus eigenen und fremden praktischen Erfahrungen eine Art Lehrbuch für Offiziere zu schreiben.
 
Dabei stellt sich mir noch eine andere Frage: Kann man davon ausgehen, dass es auch während längerer römischer Kampagnen Botendienst ("Nachrichtenlinien") zu den befestigten und Versorgungs-Plätzen gab? In einem anderen Thema sind kombinierte Feldzüge über Flussläufe und Landwege beschrieben worden. Da setzt doch Nachrichtenübermittlungen voraus. Auch die dürften mit der Niederlage ausgefallen sein, bzw. letzte Mitteilungen überbracht haben.

Ist das plausibel?
Welche Beispiele über erfolgreiche Nachrichtenübermittlungen aus dieser Zeit gibt es?

Wie wahrscheinlich ist dies?
???
 
Ist das plausibel?
Welche Beispiele über erfolgreiche Nachrichtenübermittlungen aus dieser Zeit gibt es?

Wie wahrscheinlich ist dies?
???

Nachrichtenuebermittlung per Boten ist wohl die ælteste und einfachste Art der Uebermittlung. Warum sollte man daran zweifeln? Wie sonst? Ohne geht's doch gar nicht.

Spontan fællt mir Marathon als ein (ælteres) Beispiel ein.

Gruss, muheijo
 
Laut Velleius Paterculus hatte Arminius eine besonders glaubwürdige Art der Nachrichtenübermittlung.

Ab Tod des Varus konnte durch diese spezielle Nachricht ja kein Zweifel mehr bestehen.

Was Arminius mit dieser Botschaft nun genau sagen wollte, ist nicht mehr festzustellen. Was wollte Arminius bei den Markomannen mit diesem Kopf erreichen. (Etwa um den germanischen Konkurrenten bzw. Kollegen Marbod zu beeindrucken, vom Kampf gegen Rom oder des cheruskischen Herrschaftsanspruchs zu überzeugen usf.)
Unklar ist auch die Weiterleitung der Trophäe an Augustus von Arminius beabsichtigt war oder nicht. Marbod könnte dann als der noch unbeteiligte Dritte, der Nachrichten und Köpfe zwischen den verfeindeten Parteien austauscht, eingeplant gewesen sein.

Dazu gibt es von Vladimir Salač und Claus von Carnap-Bornheim einen interessanten Beitrag im Ausstellungsband 2000 Jahre Varusschlacht Bd. III: Mythos, S. 123 - 132: Ritual, Politik, Kommunikation. Oder: Was geschah mit dem Kopf des Publius Quinctilius Varus?
Die Verfasser gehen davon aus, dass die cheruskischen Gesandten wohl kaum den gesamten Weg bis zu Marbod kannten und diese Reise wohl neben dem Zweck der Nachrichtenübermittlung zwischen zweien der mächtigsten Männer im nichtrömischen Mitteleuropa auch andere Stämme und Völker über den Sieg informieren sollte.
"Zuerst muss betont werden,d ass die Dauer grundsätzlich von der Intension [sic! Gemeint ist wohl Intention] des Transports selsbt abhängig war. Wenn der Sinn des ganzen Unternehmens war, den Sieg über die römischen Legionen zu demonstrieren und bekannt zu geben, könnte der Weg mit zahlreichen Unterbechungen, Umwegen und Feiern sehr lange gedauert haben. Wenn aber intedniert war, Marbod schnellstens zu informieren und ihn für weitere gemeinsame militärische Aktionen zu gewinnen, könnte eine möglichst hohe Geschwindigkeit angstrebt worden sein. Den schriftlichen Quellen kann man in dieser Richtung nichts zu entnehmen. [...] Die Dauer eines Triumphmarsches mit vilenen Feiern ist dabei nciht einmnal ansatzweise abzuschätzen." Sie erwähnen im Übrigen auch, dass die Geschwindigkeit der römischen Kaiserkuriere am Tag bei 70 - 90 km gelegen hätten. Wenn die Botschafter also unterwegs ihre Pferde hätten wechseln können und auf Schnelligkeit bedacht gewesen wären, hätten sie für die Strecke Osnabrück - Prag (also Kalkriese als möglichem Ort der Varusschlacht und dem ungefähren Sitz des Marbod) sieben bis neun Tage benötigt, sie gehen aber davon aus, dass dies unter Idealbedingungen so gewesen wäre und schlagen elf bis vierzehn Tage als schnellstmögliche Übermittlung vor. In Rom sei der Kopf frühestens nach 30 - 35 angekommen. "Selbstverständlich handelt es sich um eine minimale Schätzung und eine stark hypothetische Angabe. Im Falle von Siegesfeiern könnte der Weg mehrfach länger gedauert haben." Sie gehen im wieteren davon aus, dass Arminius und Marbod sich der geostrategischen und infrastrukturellen Möglichkeiten voll bewusst egwesen seien, und dass wiederum die Gesandtschaft des Marbod genau gewusst habe, an wen sie sich - z.B. in Carnutum - hätte wenden müssen.

Dabei stellt sich mir noch eine andere Frage: Kann man davon ausgehen, dass es auch während längerer römischer Kampagnen Botendienst ("Nachrichtenlinien") zu den befestigten und Versorgungs-Plätzen gab? In einem anderen Thema sind kombinierte Feldzüge über Flussläufe und Landwege beschrieben worden. Da setzt doch Nachrichtenübermittlungen voraus. Auch die dürften mit der Niederlage ausgefallen sein, bzw. letzte Mitteilungen überbracht haben.

In demselben Artikel sprechen die Autoren auch davon, dass es Arminius und Marbod gelang ihre Schalcht gegeneinander zu schlagen: "Der Höhepunkt der strategischen Denkweise sowie geographischer Kenntnisse und Organisationsfähigkeiten ist allerdings der Epilog der beschrieben Ereignisse, nämlich die Auseinandersetzung zwischen Arminus und Marbod im jahre 17. n. Chr. [...] Sowohl Arminus als auch Marbod musten also ihre Heere außerhalb ihrer Gebiete führen und dies mit dem Ziel den Feind zu besiegen. Diese Entscheidung setzt aber voraus, dass beide Heere sich finden mussten! Die Ausgangspunkte beider Armeen trennten einige hundert Kilometer schwierigen Terrains und trotzdem verwirklichten beide Heerführer ihre Absicht. Dies ist wohl der beste Beleg für effektive Kommunikation sowohl im Sinne der Wege als auch der Verbindungen und Kontakte zwischen Akteuren gleich welcher Art. Oft wird Anerkennung für römische strategische Fähigkeiten und geographische Kenntnisse im Zusammenhang mit dem Zug gegen Marbod nach Boiohaemum im Jahre 6 n. Chr. ausgesprochen. Damals sollte ein Teil der römischen Truppen von Mainz losziehen und der andere von Carnutum. Beide Armeen sollten sich treffen und den den markomannischen König gemeinsam besiegen. Der Zusammenstoß Arminius' mit Marbod ist allerdings keine weniger ehrwürdige organisatorische Leistung... Ohne ein entsprechendes Hinterland von Wegen und gemeinsamer Verbindung wären ihre Absichten nicht realisierbar gewesen und ihre Truppen hätten sich bis heute im Mittelgebirge gesucht."
 
Verbindungen über weite Gebiete, dafür gibt es Belege und zwar nicht nur für nach dem Stille-Post-Prinzip gewanderte Handelswaren.

Denken wir mal an
Kessel von Gundestrup ? Wikipedia
der in der alten Heimat der Kimbern auftauchte.
Bekannt ist auch das Beispiel der Heruler, die noch in der späten Völkerwanderungszeit vom Balkan alte Verbindungen zur Ostsee hielten und sich von dort angeblich sogar einen Thronfolger holten.
 
Aber zum Clausewitz-Zitat: wenn du ihn gelesen hast, wirst Du das Zitat sicher auf den Kontext beziehen können. Es geht hier um die militärische Lage und um die Kenntnis derselbigen zu Führungszwecken. Davon sollte man die Beschreibung eines historischen Ereignisses - in einem anderen Aggregationsgrad als für parallel ablaufende militärische Vorgänge und in anderem Zusammenhang als bei (ad hoc) Führungsentscheidungen - trennen.

Clausewitz war Taktiker und und Militärhistoriker in einem, insofern passt er ganz gut hier rein.
 
Clausewitz war Taktiker und und Militärhistoriker in einem, insofern passt er ganz gut hier rein.

Nicht wirklich. Clausewitz hat nie behauptet, dass Nachrichten über den Ausgang einer Schlacht in der Regel widersprüchlich oder falsch seien. Er hat gesagt, dass man den "Nachrichten", auf die man für die Planung einer Schlacht vertrauen muss, nicht trauen kann. Die von Dir zitierten Zeilen gehören zu seiner mehrfach geäußerten Warnung, dass Krieg ein unkalkulierbares Glücksspiel ist, auf das man sich nur einlassen sollte, wenn es keinen anderen Weg gibt. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun, wie die Römer erfahren haben, dass die Varus-Legionen nicht mehr existierten. Clausewitz passt nur insofern hier rein, dass dem armen Varus genau dieses fatale Missgeschick zugestoßen ist: Die Informationen, die er zur Grundlage seines militärischen Handelns gemacht hat, waren falsch.

MfG
 
Nicht wirklich. Clausewitz hat nie behauptet, dass Nachrichten über den Ausgang einer Schlacht in der Regel widersprüchlich oder falsch seien. Er hat gesagt, dass man den "Nachrichten", auf die man für die Planung einer Schlacht vertrauen muss, nicht trauen kann. Die von Dir zitierten Zeilen gehören zu seiner mehrfach geäußerten Warnung, dass Krieg ein unkalkulierbares Glücksspiel ist, auf das man sich nur einlassen sollte, wenn es keinen anderen Weg gibt. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun, wie die Römer erfahren haben, dass die Varus-Legionen nicht mehr existierten. Clausewitz passt nur insofern hier rein, dass dem armen Varus genau dieses fatale Missgeschick zugestoßen ist: Die Informationen, die er zur Grundlage seines militärischen Handelns gemacht hat, waren falsch.

MfG


Clausewitz hat insoweit mit der angesprochenen Fragestellung zu tun, weil der Krieg zwischen Germanen und Römern sehr viel länger dauerte als nur die von dir zitierte Schlacht (die im Teutoburger Wald) (bis heute?).

Er spricht sinngemäß vom Nebel des Krieges, in dem alle Beteiligten die Gegner irreleiten und der so lange über dem Geschehen liegt, bis der Krieg vorbei ist.
Krieg ist wiederum lediglich Fortsetzung von Politik mit gewalttägigen Mitteln. In diesen Kontext ordne ich die römischen Kommentatoren ein.
 
Von dem Krieg zwischen Römern und Germanen kann man nicht sprechen. Es war immer nur ein Krieg zwischen den Römern und Teilen germanischer Stämme, beinahe nie zwischen Römern und Gesamtstämmen.
 
Clausewitz hat insoweit mit der angesprochenen Fragestellung zu tun, weil der Krieg zwischen Germanen und Römern sehr viel länger dauerte als nur die von dir zitierte Schlacht (die im Teutoburger Wald) (bis heute?).
Jetzt kann ich Dir langsam nicht mehr folgen. Ich dachte, genau nach der Schlacht hättest Du gefragt. Jedenfalls bezogen sich meine Antworten immer nur darauf. Und bis heute dauert der Krieg zwischen Römern und Germanen sicher nicht an. Oder meinst Du was anderes? Ich bin grad verwirrt. Und was hat das mit Clausewitz zu tun? :S.

Er spricht sinngemäß vom Nebel des Krieges, in dem alle Beteiligten die Gegner irreleiten und der so lange über dem Geschehen liegt, bis der Krieg vorbei ist.
Krieg ist wiederum lediglich Fortsetzung von Politik mit gewalttägigen Mitteln. In diesen Kontext ordne ich die römischen Kommentatoren ein.

Genau. Bis der Krieg vorbei ist. Zumindest dieser Krieg ist vorbei. Er ist so vorbei, dass "wir" gut tausend Jahre lang vergessen hatten, dass es ihn überhaupt gab. Wir wissen von ihm nur aus römischen Quellen, die nach vielen Jahrhunderten des Vorsichhingammelns zufällig gefunden wurden und noch lesbar genug waren. Geht es Dir darum? Nicht "Wie haben die Römer damals davon erfahren?" sondern "Woher wissen wir heute das alles eigentlich?"

Die Antwort ist die gleiche: Die Römer wussten das von überlebenden Römern (sicher haben auch ein paar befrundete Germanen Infos beigesteuert) und wir wissen das auch von den Römern.

Nur: Die Römer wussten damals mehr als wir heute. Wir wissen nur das, was Leute, die nicht direkt beteiligt waren, erfahren haben und für aufschreibenswert hielten. Das war auch alles, was der gemeine Bürger in Rom über die Schlacht erfahren hat. Die MILITÄRS hingegen wussten damals sehr viel mehr. Die hatten eine recht gute Vorstellung davon, wie sich die Schlacht abgespielt hat und warum sie so ausgegangen ist. Als Beleg verweise ich nochmal auf den Umstand, dass Tiberius als Reaktion auf die Niederlage verfügt hat, dass alle Befehle SCHRIFTLICH bestätigt sein müssen. Und dass Legionen im Tross keine Zivilpersonen und -güter mitführen dürfen. Daraus kann man schließen: Während der Varusschlacht haben Feinde Roms sich als Freunde ausgegeben und mit falschen mündlichen Befehlen Verwirrung gestiftet (siehe Clausewitz!). Und während der Varusschlacht haben die Feinde Roms die Tatsache ausgenutzt, dass der ewig lange Tross den Legionen wie ein Klotz am Bein hing. Die Römer wussten damals recht schnell und recht genau, was im "saltus teutoburgiensis" vorgefallen war. Sie wussten das schnell und genau genug, um trotz des Debakels ihre Position am Rhein konsolidieren zu können. Mit der Varusniederlage hatte sich der "Nebel", von dem Clausewitz schreibt, nämlich gelichtet. Danach war klar, wer Freund und wer Feind ist. Entsprechend ging es danach erst richtig zur Sache. Germanicus etc.

Übrigens sollten wir den ollen Clausewitz in Frieden ruhen lassen. Ich habe den Verdacht, dass Du ihn falsch verstehst. Die Formulierung "lediglich die Fortsetzung der Politik mit gewalttätigen Mitteln..." finde ich jedenfalls schon verräterisch. Das Wörchen "lediglich" verkehrt seine Aussagen praktisch ins Gegenteil dessen, was er meinte. Zudem hat er geschrieben "Fortsetzung der Politik mit ANDEREN Mitteln". Und keine seiner Aussagen wird so "gern" fehlinterpretiert wie diese. Dem liegt ein Paradigma zugrunde: Krieg ist SCHLECHT. Jemand, der sich über Regeln des Krieges äußert, muss folglich auch SCHLECHT sein.

MfG

P.S.: Ich sehe gerade, dass ich vorgeschlagen habe, den Autor des Buches "Vom Kriege" in Frieden ruhen zu lassen. Das war unbeabsichtigter Wortwitz. Ich lasse es bewusst stehen, weil ich der Meinung bin, dass der Mann nicht verdient hat, was man so über ihn sagt. Gewisse abgewählte Bundesregierungen, die "Verteidigung" und "Hindukusch" in einem Atemzug genannt haben, haben Clausewitz zwar gern beargwöhnt, mit ihrem Handeln seine Analyse aber bestätigt. Ich hoffe, die Randbemerkung hatte genug Geschichtsbezug, um nicht tagespolitisch aufgefasst zu werden... ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Übrigens sollten wir den ollen Clausewitz in Frieden ruhen lassen. Ich habe den Verdacht, dass Du ihn falsch verstehst. Die Formulierung "lediglich die Fortsetzung der Politik mit gewalttätigen Mitteln..." finde ich jedenfalls schon verräterisch. Das Wörchen "lediglich" verkehrt seine Aussagen praktisch ins Gegenteil dessen, was er meinte. Zudem hat er geschrieben "Fortsetzung der Politik mit ANDEREN Mitteln".

Danke für die Belehrung. Mir ist schon klar, dass Clausewitz hier nicht gerne gesehen wird.
Und: Clausewitz hat tatsächlich nichts mit der anfänglichen Fragestellung zu tun. Meine Frage wurde beantwortet. Tut mir leid, wenn ich dich verwirrt haben sollte.
 
@Maelonn: Guter Beitrag :yes:

...Als Beleg verweise ich nochmal auf den Umstand, dass Tiberius als Reaktion auf die Niederlage verfügt hat, dass alle Befehle SCHRIFTLICH bestätigt sein müssen. Und dass Legionen im Tross keine Zivilpersonen und -güter mitführen dürfen. Daraus kann man schließen: Während der Varusschlacht haben Feinde Roms sich als Freunde ausgegeben und mit falschen mündlichen Befehlen Verwirrung gestiftet (siehe Clausewitz!).

...wo finde ich diese Verfügung doch gleich?
Die Schlussfolgerung, dass falsche mündliche Befehle Verwirrung gestiftet haben ist nicht ausgeschlossen. Ich habe trotzdem daran gewisse Zweifel, weil die römische Befehlskette doch im Allgemeinen recht eindeutig ist. Es mag dadurch vielleicht zu kleineren taktischen Verwirrungen beitragen, doch sollten noch so große Verbände wie Kohorten davon betroffen gewesen sein?

Anbetrachts der Verwirrung der Römer durch den unerwarteten Angriff und die zunehmende Auflösung der Ordnung im todgeweihten Heer relativiert sich der von mir angesprochene Kontext aber wieder. Am letzten Tag der Schlacht spekuliere ich, dass ein schriftliches System allerdings kaum noch Durchgesetzt hätte werden können…
 
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