Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Wobei man nicht vergessen darf das es sich bei den Aufständigen um Hilfstruppensoldaten handelt. Bei den Römern mussten die Soldaten ihre Waffen selbst bezahlen, gingen also in ihr Eigentum über. Auch werden schon aus der Zeit des Germanicus römische Waffen nach Germania Liberia gekommen sein. Zum anderen sind die Auxilliartruppen des Arminius nach römischen Vorbild gedrillt worden. Daraus folgere ich das in der Varusschlacht eher Stich-Verletzungen gewesen sind, als Hiebverletzungen, welche bei der Benutzung eines Germanischen Schwertes zu erwarten wären.

Vorsicht! Nicht These mit Fakt verwechseln. Ob die Germanen Hilfstruppen waren oder nicht, lässt sich den Quellen nicht so genau entnehmen. Die These basiert darauf, dass Arminius und sein Bruder Flavus im römischen Militär dienten. Was sich den Quellen aber entnehmen lässt, ist, dass eine multiple Anzahl an Stämmen teilgenommen hat. Cherusker, Chauken, Brukterer, Chatten, Marser. Es ist eigentlich sogar zu bezweifeln, dass hier nur Römer gegen Auxiliarier kämpften. Selbst wenn die These, dass der Aufstand aus den Hilfstruppen heraus seinen Anfang nahm stimmt, müssen es dennoch sehr viel mehr Germanen gewesen sein, als dass diese allein die Hilfstruppen gewesen sein können.

Fakt ist wohl, daß die zusammenhängenden Skelettelemente die Ausnahme sind. Allerdings sind sie nunmal vorhanden. Ob Wundverbände eine mögliche Ursache sind, ist evt. möglich. Solche Verbände waren ebenfalls wie Sehnen und Muskeln aus organischem Material. Ob sich dieses sechs Jahre lang hält weiß ich nicht.

Die römischen Verbände waren aus Leinen. Das dürfte schon ein paar Jahre lang gehalten haben.
 
Dass die Legionäre sich beim Stoß an der eigenen Gladiusklinge verletzt haben sollen, ist eine gewagte Behauptung. Mich würde interessieren, ob es hierzu irgendwelche wissenschaftliche Untersuchungen gibt. (Wenn ich gehässig wäre, würde ich fragen, welche Folge von Asterix Du als Quelle nennen kannst.):ironie:

Ihre Annahme, dass deshalb die Hand des Legionärs manchmal über die eigene Klinge rutschte, bringt mich zum Schmunzeln.


Große Güte, was habe ich angerichtet! Ich schrieb doch, dass solche Verletzungen sicher nicht die Regel waren. Sie treten beim Einsatz ähnlicher Waffen in heutiger Zeit aber häufig genug auf, um imho sagen zu können, dass sie auch damals nicht unbekannt gewesen sein dürften. Aber im Grunde sollte das nur eine Randbemerkung sein. Die Wahrscheinlichkeit, durch gegnerische Waffen zu Schaden zu kommen, war so hoch, dass man über Verletzungen durch eigene Waffen wohl nicht nachdenken muss. Ich nehme die Randbemerkung also hiermit zurück… :scheinheilig:

Mal eine andere Frage...
@El Quijote: Wenn Du Fotos der gefundenen Handknochen gesehen haben solltest - war da vielleicht erkennbar, ob es sich um linke oder um rechte Hände handelte? Bei linken Händen wäre die Wahrscheinlichkeit von Abwehrverletzungen größer.

Was die "erwarteten" Verletzungen durch Hiebwaffen angeht: Aus den Quellen wissen wir, dass ein Gladius vorwiegend als Stichwaffe genutzt wurde und dass die Germanen zur fraglichen Zeit in erster Linie mit Speeren (ebenfalls Stichwaffen) und – archäologischen Funden zufolge – wohl auch mit Keulen (die Platzwunden und Brüche verursachen, aber keine Hiebmarken an Knochen) ausgerüstet waren. Hiebwaffen mit scharfen Metallkanten (Äxt, Schwerter) kamen erst später in größerem Maßstab zum Einsatz. Sprich: Es gab sie zwar bereits, aber sie waren selten. Entsprechend selten werden ihre Spuren an Knochen von Gefallenen auftreten. Insofern wird das Verletzungsbild sehr wohl dem geähnelt haben, was bei einer modernen Kneipenschlägerei herauskommt, wenn Messer und Aschenbecher zum Einsatz kommen.


Bitte schreiben sie in Bezug auf die Defensivwaffen eines Legionärs nicht mehr von „Körperpanzer“.
Der Schutz des Körpers wurde seit dem 1.Jh. v.Chr. durch ein Kettenhemd (lorica hamata ) bzw. später durch einen Schienenpanzer (lorica segmentata) gewährleistet. Der „Körperpanzer“ (thorax) war nur den höchsten Offizieren vorbehalten.

Mit dem Begriff habe ich keinen speziellen römischen Schutzwaffentyp bezeichnen wollen. Ich habe das Wort so verwendet, wie es die Fachleute benutzen, wenn sie zum Beispiel im folgenden Link Rom-Museum schreiben: "Der Kettenpanzer war bis in die spätaugusteische Zeit der Hauptyp römischer Körperpanzer…."


Was die Frage angeht, wie lange ein menschlicher Körper braucht, um vollständig zu verwesen, lassen sich kaum konkrete Angaben finden, da die Zeitdauer sehr stark von äußeren Einflüssen abhängt. Eine relativ ausführliche, aber immer noch "unkonkrete" Beschreibung gibt es zum Beispiel hier: http://campus.doccheck.com/uploads/tx_dcmedstudscripts/7262_entomologie.pdf

Da ist unter anderem die Rede davon, dass sich erst etwa drei Monate nach dem Tod - "wenn sich der Leichnam bereits in einem breiigen Zustand befindet" – bestimmte Insekten einfinden. Der Vorgang vollständiger Zersetzung dauert in hiesigen Breiten also auf jeden Fall deutlich länger als drei Monate. Wenn die Varusschlacht im September stattgefunden hat, war das Wetter in der Folgezeit feucht und zunehmend kalt, was die Zeitdauer des Vergehens von Körpern zwingend verlängert hat. Unabhängig davon, ob wir hier zu einer realistischen Zeiteinschätzung kommen, sollte man den Kalkriese-Wissenschaftlern nicht jede Professionalität absprechen. Wenn sie von einem Zeitraum von mehreren Jahren sprechen, werden sie dafür schon Gründe haben. Zumal: Selbst eingefleischte Gegner der Theorie, dass Kalkriese der Varusschlacht zuzuordnen ist, stellen die genannte Verwesungsdauer nicht in Frage.

MfG
 
@El Quijote: Wenn Du Fotos der gefundenen Handknochen gesehen haben solltest - war da vielleicht erkennbar, ob es sich um linke oder um rechte Hände handelte? Bei linken Händen wäre die Wahrscheinlichkeit von Abwehrverletzungen größer.

Du meinst, weil man eher den Schild, als das Schwert verliert?
 

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Was die "erwarteten" Verletzungen durch Hiebwaffen angeht: Aus den Quellen wissen wir, dass ein Gladius vorwiegend als Stichwaffe genutzt wurde und dass die Germanen zur fraglichen Zeit in erster Linie mit Speeren (ebenfalls Stichwaffen) und – archäologischen Funden zufolge – wohl auch mit Keulen (die Platzwunden und Brüche verursachen, aber keine Hiebmarken an Knochen) ausgerüstet waren. Hiebwaffen mit scharfen Metallkanten (Äxt, Schwerter) kamen erst später in größerem Maßstab zum Einsatz. Sprich: Es gab sie zwar bereits, aber sie waren selten. Entsprechend selten werden ihre Spuren an Knochen von Gefallenen auftreten. Insofern wird das Verletzungsbild sehr wohl dem geähnelt haben, was bei einer modernen Kneipenschlägerei herauskommt, wenn Messer und Aschenbecher zum Einsatz kommen.


Zwei Schädel, die in Kalkriese gefunden wurden, tragen die Spuren schwerster Gewalteinwirkung durch Hiebe. Dem einen wurde eine Scheibe der Schädeldecke (ca. 5 x 8 cm) abgetrennt, einem weiteren Schädel fehlt beinahe die gesamte rechte Hälfte.
Der Erläuerungstext zu den Abbildungen lautet:
"Abb.5: Schädel aus der Knochengrube 5, dem ein Knochenfragment aus dem Schädel herausgeschlagen wurde.
Abb.6: Schädel aus der Knochengrube 1, dem ein großer Teil der rechten Schädelhälfte aufgrund einer Hiebverletzung fehlt."

(B.Großkopf, Knochenarbeit, in: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Mainz 2009, S.156 f.)



Unabhängig davon, ob wir hier zu einer realistischen Zeiteinschätzung kommen, sollte man den Kalkriese-Wissenschaftlern nicht jede Professionalität absprechen. Wenn sie von einem Zeitraum von mehreren Jahren sprechen, werden sie dafür schon Gründe haben.
Niemand stellt die Professionalität der Kalkriese-Wissenschaftler in Abrede. In der o.g. (populärwissenschaftlichen) Veröffentlichung von 2009 schreibt Frau Großkopf "Die Deponierung der Knochen...muss somit mit einem zeitlichen Abstand zum Eintritt des Todes stattgefunden haben."
Das halte ich für zutreffend.
Ich störe mich nur daran, wenn andere Leute daraus "sechs Jahre" machen, obwohl einige Indizien wie Knochenkonvolute dagegen sprechen könnten.
 
Ich störe mich nur daran, wenn andere Leute daraus "sechs Jahre" machen, obwohl einige Indizien wie Knochenkonvolute dagegen sprechen könnten.

Man sollte die Frage der Knochen mal für einen Augenblick von dem blödsinnigen "Kalkriese: Jee oder Nee?" trennen, denn offensichtlich trübt das den Blick für das Wesentliche! Egal zu welcher Richtung man tendiert, muss man die Knochen im Gesamtzusammenhang sehen und man muss erklären, warum der Großteil der Knochen stark fragmentiert ist und man einige Handknochen so auffinden konnte, dass sie beieinander und wohl auch offensichtlich in der richtigen Zuordnung lagen.
 
Du meinst, weil man eher den Schild, als das Schwert verliert?
Auch das, ja. Man kann ihn durch Beschädigung oder auf der Flucht verlieren oder ihn im Getümmel vom Gegner entrissen bekommen. Denkbar wäre auch, dass man ihn bei einem plötzlichen Überfall nicht rechtzeitig aus der ledernen Schutzhülle bekommt. Man könnte auch Reiter, Bogenschütze oder Trossknecht sein und von vornherein gar keinen Schild besessen haben etc. Jedenfalls halte ich es für wahrscheinlicher, dass jemand ohne Schild in den Kampf ziehen musste, als dass es ohne Waffe passierte.

In erster Linie ging es mir aber darum, dass die Körperhaltung damals im Vergleich zu heutigen Fechtstilen "umgedreht" war: Beim modernen Fechten ist die Waffenhand zum Gegner gedreht. Damals war wegen des Gewichts der Waffen und wegen der Normalität des Schildeinsatzes die freie Hand dem Gegner zugewandt. Reflexartige Abwehrbewegungen wurden also zuerst mit dieser freien Hand ausgeführt.

Danke für die Fotos, auch wenn die nicht wirklich Aufschluss geben, ob links oder rechts. Vielleicht bin ich ja auch auf dem Holzweg.

Zwei Schädel, die in Kalkriese gefunden wurden, tragen die Spuren schwerster Gewalteinwirkung durch Hiebe. Dem einen wurde eine Scheibe der Schädeldecke (ca. 5 x 8 cm) abgetrennt, einem weiteren Schädel fehlt beinahe die gesamte rechte Hälfte.
Der Erläuerungstext zu den Abbildungen lautet:
"Abb.5: Schädel aus der Knochengrube 5, dem ein Knochenfragment aus dem Schädel herausgeschlagen wurde.
Abb.6: Schädel aus der Knochengrube 1, dem ein großer Teil der rechten Schädelhälfte aufgrund einer Hiebverletzung fehlt."

(B.Großkopf, Knochenarbeit, in: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Mainz 2009, S.156 f.)
Da sehe ich jetzt keinen Widerspruch. Angesichts der vielen tausend Krieger wäre es ein Wunder, wenn dort nicht etliche mit Schwertern ausgerüstet gewesen wären, sei es, weil sie reich genug waren, sowas schmieden zu lassen, oder weil sie in früheren Kämpfen römische Schwerter erbeutet hatten. Trotzdem bleibe ich bei meiner These, dass in der Hauptsache Stichwaffen im Einsatz waren und deshalb Stichwunden statistisch überwogen haben dürften.

Zudem: Ich philosophiere die ganze Zeit über die Wahrscheinlichkeit von Abwehrverletzungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die am Kopf aufgetreten sind, halte ich für sehr gering ;). Oder anders gesagt: Strittig ist in unserer Diskussion doch die Frage, ob Handverletzungen, die eine Wundversorgung erfordert hätten, zwingend mit sichtbaren Spuren an den Knochen verbunden gewesen wären. Dass Hände auch abgehackt worden sein könnten, bestreite ich gar nicht. Ganz sicher ist sowas passiert. Es kann sogar sein, dass Verletzungen dieser Art viel häufiger waren sind als die von mir postulierten Schnittverletzungen. Diese Hände hat dann aber niemand mehr verbunden.

Niemand stellt die Professionalität der Kalkriese-Wissenschaftler in Abrede. In der o.g. (populärwissenschaftlichen) Veröffentlichung von 2009 schreibt Frau Großkopf "Die Deponierung der Knochen...muss somit mit einem zeitlichen Abstand zum Eintritt des Todes stattgefunden haben."
Das halte ich für zutreffend.
Ich störe mich nur daran, wenn andere Leute daraus "sechs Jahre" machen, obwohl einige Indizien wie Knochenkonvolute dagegen sprechen könnten.
Das würde mich auch stören. Aber von wissenschaftlicher Seite ist nie ein Zeitraum von sechs Jahren genannt worden. Die genaueste Angabe, an die ich mich erinnere, lautete, "mehr als zwei, höchstens zehn Jahre" - und "das würde zu den Schriftquellen über die Varusschlacht passen". Und dass niemand die Professionalität der Kalkrieser in Frage stellen würde, sehe ich nicht so. Wenn immer wieder spitz gefragt wird, wie lange ein Körper denn braucht, bis er vollständig vergangen ist, dann schwingt darin durchaus die Unterstellung mit, die Kalkrieser hätten sich die Aussage "mindestens zwei Jahre" ausgedacht, um ihre Knochenfunde für die Varusschlacht-Theorie "zurechtzubiegen".

Auch dass die Kalkrieser hier Knochenkonvolute ignorieren würden, sehe ich nicht. Vielmehr haben sie selbst über die Handknochen berichtet.

Oder meinst Du die Diskussion hier im Forum? Dann gebe ich Dir Recht. Einen Beweis stellen die Knochen sicher nicht dar. Aber ein starkes Indiz schon. Deswegen werden sie von den Kritikern ja auch so hart angegriffen.

MfG
 
Man sollte die Frage der Knochen mal für einen Augenblick von dem blödsinnigen "Kalkriese: Jee oder Nee?" trennen, denn offensichtlich trübt das den Blick für das Wesentliche! Egal zu welcher Richtung man tendiert, muss man die Knochen im Gesamtzusammenhang sehen und man muss erklären, warum der Großteil der Knochen stark fragmentiert ist und man einige Handknochen so auffinden konnte, dass sie beieinander und wohl auch offensichtlich in der richtigen Zuordnung lagen.

Richtig ! Vielleicht kann man nicht davon ausgehen, daß die Knochenreste alle von Toten eines kriegerischen Aktes stammen. Es besteht doch die Möglichkeit, daß "jüngere" Kriegsopfer mit früheren Kriegsopfern zusammen bestattet wurden.
 
Vielleicht kann man nicht davon ausgehen, daß die Knochenreste alle von Toten eines kriegerischen Aktes stammen. Es besteht doch die Möglichkeit, daß "jüngere" Kriegsopfer mit früheren Kriegsopfern zusammen bestattet wurden.

Nun, deine hypothetischen "jüngeren Kriegsopfer" müssen sich allerdings auch schon in einem Zustand fortgeschrittener Verwesung befunden haben, denn die Hände wurden nicht gewaltsam vom Körper getrennt. Aber doch noch so weit intakt? Nee, nee... Die Erklärung von Rost ist bisher das Plausibelste. Es besteht nach wie vor die Frage - und das ist auch dann der Fall, wenn man von zwei Ereignissen ausginge: Wem sollte nach Jahren einfallen die Knochen zu vergraben, wenn zuvor der Verwesungsgeruch kein Problem war?
 
Wem sollte nach Jahren einfallen die Knochen zu vergraben, wenn zuvor der Verwesungsgeruch kein Problem war?
Mal abgesehen von einer nachfolgenden Armee (da kommen sicher mehr in Frage als die eine überlieferte), gäbe es für mich noch andere Gründe, oder würdest Du eine künftig zu bewirtschaftende Flur nicht beräumen ? Aber das ist alles hypothetisch. Mich würde eher interessieren, was die bisher untersuchte (im Verhältnis) geringe Fund- und Knochenausbeute mit einer ziemlich großen Schlacht zu tun haben soll ? Jut, ist noch nicht alles untersucht - aber wäre ne Knochengrube dann nicht ungleich größer angelegt worden ?
 
Mal abgesehen von einer nachfolgenden Armee (da kommen sicher mehr in Frage als die eine überlieferte), gäbe es für mich noch andere Gründe, oder würdest Du eine künftig zu bewirtschaftende Flur nicht beräumen?
Kalkriese war vor der dort stattfindenden Schlacht bewohnt, ob die Spuren des dort liegenden eisenzeitlichen Gehöfts zum Zeitpunkt der Schlacht noch sichtbar waren, ist nicht sicher. Nach der Schlacht wurde der Ort erst im Mittelalter wieder landwirtschaftlich genutzt. Also: Kein Grund für einen Bauern, Knochen aus dem Weg zu räumen.

Mich würde eher interessieren, was die bisher untersuchte (im Verhältnis) geringe Fund- und Knochenausbeute mit einer ziemlich großen Schlacht zu tun haben soll? Jut, ist noch nicht alles untersucht - aber wäre ne Knochengrube dann nicht ungleich größer angelegt worden?

Wir wissen ja, dass ein Tumulus angelegt und binnen eines Jahres wieder zerstört wurde. Dass überhaupt Knochen erhalten sind, liegt an besonders günstigen Umständen, nämlich, dass zufälligerweise Kalksteine in der Nähe lagen. Eine der Knochengruben war z.B. mit Kalksteinen ausgekleidet.
Auch im Wallmaterial fanden sich Kalksteine. Wie die Erhaltung von menschlichen Überresten ohne ausreichende Sättigung des Bodens mit Kalk aussieht, mag man einem Zitat von Birgit Großkopf entnehmen:
"Ein eindrucksvolles Beispiel für den kompletten Abbau der knöchernen Matrix Bietet FNr. 21209 aus dem Drainagegraben hinter dem Wall. Bei diesem Befund lassen sich nur noch die Zahnkronen, die am stärksten mineralisierte Substanz des menschlichen Körpers, nachweisen. Die Lage der Zahnkronen in anatomisch korrekter Lage belegt, dass sich hier ein Schädel befunden haben muss, welcher im Laufe der Liegezeit durch diagenetische Prozesse vollständig abgebaut wurde. Ohne den Nachweis von Zahnkronen wäre hier ein Rückschluss auf das Vorliegen menschlicher Überreste nicht mehr möglich gewesen." (Kalkriese 3, S. 158.)

Du darfst also davon ausgehen, dass der Erhalt der sterblichen Überreste von 17+1 Individuen reine Glückssache ist.
 
Wie sind denn die Knochen untersucht worden?

Ich meine, daß ich vor längerer Zeit einen Artikel gelesen habe, in dem stand, daß die Knochen geröngt worden seien. Danach habe es sich um Knochen von gut genährten Männern im Alter von 30 bis 40 Jahren gehandelt.

Sind denn auch andere Untersuchungen durchgeführt bzw. publiziert worden? Ich denke hier an ggf. noch vorhandene DNA bzw. Analyse des Zahnschmelzes. Anhand der DNA könnte man eine ungefähre Herkunft m. W. ableiten. Und aus der Analyse des Zahnschmelzes kann man auch gewisse Herkunftsgebiete bestimmen. Letzteres ist z. B. bei im Römerlager Haltern gefundenen Skeletten angewendet worden.

Falls dies möglich ist, kann man ja sich anschauen, wo die Varus- bzw. Germanicus-Legionen rekrutiert worden sind und dann hätte man ein gewisses Indiz für bzw. gegen Varus bzw. Germanicus. Voraussetzung ist natürlich, daß die entsprechenden Legionen an verschiedenen Orten aufgestellt worden sind (und das wir davon Kenntnis haben). :grübel:
 
Wie sind denn die Knochen untersucht worden?

Ich meine, daß ich vor längerer Zeit einen Artikel gelesen habe, in dem stand, daß die Knochen geröngt worden seien. Danach habe es sich um Knochen von gut genährten Männern im Alter von 30 bis 40 Jahren gehandelt.

In Kalkriese 3 findest du von Susanne Wilbers-Rost von S. 84 bis S. 103 Informationen über die Funde der Knochen, vom Ehepaar Uerpmann/Uerpmann findest du einen weiteren Artikel von sieben Seiten der sich noch mal aus anthropolgischer und zoologischer Sicht mit der Bergung der Knochen befasst und einen weiteren von Uerpmann/Uerpmann, der sich über zwanzig Seiten mit der Bestimmung von Maultierknochen und Pferdeknochen befasst. Außerdem einen von Serge Paulus und Hans-Peter Uerpmann, der sich anhand von Physikalisch-chemische[n] Untersuchungen an Equidenzähnen aus Kalkriese mit der Bestimmung der Knochenerhaltung und Jahreszeit der Schlacht auseinandersetzt. Dann kommt der Artikel von Großkopf, der sich über zwanzig Seiten mit den menschlichen Knochen auseinandersetzt und schließlich noch ein Beitrag von Eva Tolksdorf-Lienemann zu bodenkundlichen Untersuchungen. Dazu wird noch eine CD-Rom gereicht, auf der auch noch mal 190 Seiten von Eva Tolksdorf-Lienemann zu bodenkundlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem "bodenlagernden Knochenmaterial" zu finden sind. Also alles in allem gut 270 Seiten zu Untersuchungen an und mit Knochen. ich würde dir vorschlagen, dass du dich an eine Bibliothek deines Vertrauens wendest und dir den Band Kalkriese 3 einfach besorgst.
 
Du darfst also davon ausgehen, dass der Erhalt der sterblichen Überreste von 17+1 Individuen reine Glückssache ist.

Wobei noch hinzugefügt werden sollte, dass "17+1" die Untergrenze ist. Bei dieser Zählung wurden nur die Knochen berücksichtigt, deren anatomische Funktion noch erkennbar war und die mehrfach vorkamen. Zur Verdeutlichung: Im menschlichen Körper gibt es nur einen Unterkiefer. Findet man in einem Massengrab 17 Unterkiefer, müssen mindestens 17 Menschen dort bestattet worden sein (ist nur ein Beispiel; bei Kalkriese wurden natürlich keine 17 Unterkiefer gefunden). Neben diesen anatomisch identifizierbaren Knochen gab es noch viele weitere Knochenfragmente, die nicht mehr identifizierbar waren und bei der Zählung unberücksichtigt blieben. Zum Teil waren diese Fragmente so stark vergangen, dass nicht mal sicher ist, ob es sich um menschliche Knochen handelt.

Ungeachtet dessen bin auch ich der Ansicht: Es ist undenkbar, dass in diesen paar Knochengruben drei komplette Legionen verschwunden sind.

@Silli: Die Zahl der sicher festgestellten Todesopfer reicht in der Tat bei weitem nicht aus, um die Theorie zu stützen, dass dort die Varuslegionen im Kampf standen. Aber: Die schiere Größe des Fundareals (etliche Quadratkilometer!) und die Anzahl der Funde ist Beleg genug dafür, dass dort kein unbedeutendes Scharmützel stattgefunden hat. Auch mit einer Kohorte oder einer Legion ließe sich ein so großes Schlachtfeld nicht erklären. Eine Kohorte hätte man in einer Linie zu einem Glied vor dem Wall aufstellen können, ohne dass die Legionäre sich an den Schultern berührt hätten.

Wie sind denn die Knochen untersucht worden?
...
Letzteres ist z. B. bei im Römerlager Haltern gefundenen Skeletten angewendet worden.
Das ist meines Wissens zumindest gegenwärtig noch nicht machbar. Die Haltern-Knochen unterscheiden sich von den Kalkriese-Knochen eben auch durch den Umstand, den wir hier die ganze Zeit diskutieren: Bei Haltern sind die Leichen komplett und "frisch" in den Töpferofen gewandert und danach unberührt geblieben. Bei Kalkriese lagen sie (wahrscheinlich) jahrelang unter freiem Himmel und wurden durch alle möglichen äußeren Einflüsse verwittert und verteilt.

MfG
 
Ungeachtet dessen bin auch ich der Ansicht: Es ist undenkbar, dass in diesen paar Knochengruben drei komplette Legionen verschwunden sind.

@Silli: Die Zahl der sicher festgestellten Todesopfer reicht in der Tat bei weitem nicht aus, um die Theorie zu stützen, dass dort die Varuslegionen im Kampf standen. Aber: Die schiere Größe des Fundareals (etliche Quadratkilometer!) und die Anzahl der Funde ist Beleg genug dafür, dass dort kein unbedeutendes Scharmützel stattgefunden hat.
MfG

Dies alles ist wohl der Diskussionsansatz bezgl. der "Knochen-Argumentation." Die vorgefundene Anzahl der Knochen sind wohl viel zu wenig um auf die Varuslegionen zu schließen. Außerdem ist beim Tacitus von einem tumulus die Rede. Der ist zerstört worden. Vieleicht sind die darin befindlichen Knochen von den Germanen gar verbrannt worden. Dann wird sich wohl niemehr eine Spur davon finden. Allerdings erklärt das nicht diese Gruben. Wieso sollte ich einen tumulus errichten um dann einige wenige Knochen in einer Grube zu verscharren? Für mich steht die Errichtung des tumulus zumindest außer Frage, da Tacitus auch schreibt, daß der Germanicus persönlich das erste Rasenstück angebracht hat, was ihm (Germanicus) auch Kritik eingebracht hat. Offensichtlich also eine wichtige Geste. Also was sollen dann diese Gruben?

Wieder viele Fragen!:confused:
 
Die vorgefundene Anzahl der Knochen sind wohl viel zu wenig um auf die Varuslegionen zu schließen.

Nein! Ganz unabhängig von Varus oder nicht Varus: Nur durch günstige Umstände sind überhaupt Knochen übrig!
Dass überhaupt Knochen erhalten sind, liegt an besonders günstigen Umständen, nämlich, dass zufälligerweise Kalksteine in der Nähe lagen. Eine der Knochengruben war z.B. mit Kalksteinen ausgekleidet.
Auch im Wallmaterial fanden sich Kalksteine. Wie die Erhaltung von menschlichen Überresten ohne ausreichende Sättigung des Bodens mit Kalk aussieht, mag man einem Zitat von Birgit Großkopf entnehmen:
"Ein eindrucksvolles Beispiel für den kompletten Abbau der knöchernen Matrix Bietet FNr. 21209 aus dem Drainagegraben hinter dem Wall. Bei diesem Befund lassen sich nur noch die Zahnkronen, die am stärksten mineralisierte Substanz des menschlichen Körpers, nachweisen. Die Lage der Zahnkronen in anatomisch korrekter Lage belegt, dass sich hier ein Schädel befunden haben muss, welcher im Laufe der Liegezeit durch diagenetische Prozesse vollständig abgebaut wurde. Ohne den Nachweis von Zahnkronen wäre hier ein Rückschluss auf das Vorliegen menschlicher Überreste nicht mehr möglich gewesen." (Kalkriese 3, S. 158.)

Du darfst also davon ausgehen, dass der Erhalt der sterblichen Überreste von 17+1 Individuen reine Glückssache ist.



Außerdem ist beim Tacitus von einem tumulus die Rede. Der ist zerstört worden. Vielleicht sind die darin befindlichen Knochen von den Germanen gar verbrannt worden. Dann wird sich wohl niemehr eine Spur davon finden. Allerdings erklärt das nicht diese Gruben. Wieso sollte ich einen tumulus errichten um dann einige wenige Knochen in einer Grube zu verscharren? Für mich steht die Errichtung des tumulus zumindest außer Frage, da Tacitus auch schreibt, daß der Germanicus persönlich das erste Rasenstück angebracht hat, was ihm (Germanicus) auch Kritik eingebracht hat. Offensichtlich also eine wichtige Geste. Also was sollen dann diese Gruben?
Es ist zu bezweifeln, dass man Tacitus so wörtlich nehmen darf. Ein zentrales Grabmal ja; aber es ist beinahe undenkbar, dass die Legionen des Germanicus wirklich alle übrigen Gebeine einer viertägigen Marschschlacht (~ 60 - 100 km) in diesem zentralen Grabmal gesammelt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein! Ganz unabhängig von Varus oder nicht Varus: Nur durch günstige Umstände sind überhaupt Knochen übrig!
Es ist zu bezweifeln, dass man Tacitus so wörtlich nehmen darf. Ein zentrales Grabmal ja; aber es ist beinahe undenkbar, dass die Legionen des Germanicus wirklich alle übrigen Gebeine einer viertägigen Marschschlacht (~ 60 - 100 km) in diesem zentralen Grabmal gesammelt haben.

Zustimmung!:winke:

Natürlich werden die nicht alle Knochen eingesammelt haben.
Und: Die Umstände, daß Knochen erhalten sind, sind wirklich günstig.

Aber andererseits rühmt sich Kalkriese nunmal der Ort der Varusschlacht zu sein bzw. ein Teil (Endschlacht?) zu sein. (und genau darum geht es in diesem Thema) Da kommt nunmal der Verdacht auf, die Quellen ein wenig zu verbiegen:

Seht her, wir haben Knochen gefunden, die mehrere Jahre an der Oberfläche lagen und in Gruben verscharrt wurden.:yes:

Nein, von einem Grabhügel wollen wir nix wissen.:mad:
 
Da kommt nunmal der Verdacht auf, die Quellen ein wenig zu verbiegen:

Seht her, wir haben Knochen gefunden, die mehrere Jahre an der Oberfläche lagen und in Gruben verscharrt wurden.:yes:

Nein, von einem Grabhügel wollen wir nix wissen.:mad:

Da sich das Schlachtfeld über einen größeren geographischen Raum erstreckt und Kalkriese (so es denn ein Ort der Varusschlacht ist) nur einen geringen Teil davon abdeckt, ist überhaupt nicht gesagt, dass sich der Tumulus des Germanicus wirklich in Kalkriese befunden haben muss. Es ist ja durchaus möglich, dass Kalkriese ORt der Varusschlacht ist, Germanicus seinen Tumulus aber einige Kilometer weiter westlich oder auch östlich errichtet hat.

Daher muss man das Fehlen des Tumulus (oder seiner Reste) in Kalkriese nicht mit 'Verbiegen von Quellen' erklären.
 
Zustimmung!:winke:

Natürlich werden die nicht alle Knochen eingesammelt haben.
Und: Die Umstände, daß Knochen erhalten sind, sind wirklich günstig.

Aber andererseits rühmt sich Kalkriese nunmal der Ort der Varusschlacht zu sein bzw. ein Teil (Endschlacht?) zu sein. (und genau darum geht es in diesem Thema) Da kommt nunmal der Verdacht auf, die Quellen ein wenig zu verbiegen:

Seht her, wir haben Knochen gefunden, die mehrere Jahre an der Oberfläche lagen und in Gruben verscharrt wurden.:yes:

Nein, von einem Grabhügel wollen wir nix wissen.:mad:

Der Grabhügel ist nun mal zerstört worden. Und die Knochen die mehrere Jahre an der Oberfläche gelagert haben, sind eine frappierende Parallele zum Text des Tacitus. Bisher sind auch noch alle, die auf den Knochen herumgeritten sind, eine befriedigende Antwort schuldig geblieben, warum die Knochen erst einige Jahre nach dem Ableben ihrer "Besitzer" bestattet worden sind, da das Gelände erst Jahrhunderte später wieder einer Nutzung zugeführt wurde und Nachbarn wohl eher früher als später ein Interesse an der Verscharrung der Leichen gehabt hätten (Verwesungsgestank).
 
Da sich das Schlachtfeld über einen größeren geographischen Raum erstreckt und Kalkriese (so es denn ein Ort der Varusschlacht ist) nur einen geringen Teil davon abdeckt, ist überhaupt nicht gesagt, dass sich der Tumulus des Germanicus wirklich in Kalkriese befunden haben muss. Es ist ja durchaus möglich, dass Kalkriese ORt der Varusschlacht ist, Germanicus seinen Tumulus aber einige Kilometer weiter westlich oder auch östlich errichtet hat.

Daher muss man das Fehlen des Tumulus (oder seiner Reste) in Kalkriese nicht mit 'Verbiegen von Quellen' erklären.

Ich streite garnicht ab, daß dieser tumulus evt. nicht mehr zu finden ist. Wenn er wirklich zerstört worden ist (was ich für wahrscheinlich halte) dann ist er überhaupt nicht mehr zu finden.
Das erklärt aber nicht die Gruben!
Oder war das beim Germanicus folgendermaßen:
Hier liegen viele Knochen: Also tumulus.
Ein paar Kilometer weiter sind noch ein paar (wenige) Knochen, also Gruben.
Also hat sich die Bestattung der Gebeine der Varuslegionen über diverse Kilometer hingezogen?:still:

Eigentlich sind auch (gerade bei dieser Diskussion: 2 Jahre oder weniger, oder doch mehr) die Argumente wieder einmal verteilt. Diese Gruben sind offensichtlich wenig geeignet den Fundplatz Kalkriese im Kontext zur Varusschlacht zu stellen. Aber: Sie können das auch nicht ausschliessen. Bleibt die Frage, ob ich behaupten kann, ob Kalkriese der (ein) Ort der Varusschlacht war.

Gruß salvus
 
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