Du meinst, weil man eher den Schild, als das Schwert verliert?
Auch das, ja. Man kann ihn durch Beschädigung oder auf der Flucht verlieren oder ihn im Getümmel vom Gegner entrissen bekommen. Denkbar wäre auch, dass man ihn bei einem plötzlichen Überfall nicht rechtzeitig aus der ledernen Schutzhülle bekommt. Man könnte auch Reiter, Bogenschütze oder Trossknecht sein und von vornherein gar keinen Schild besessen haben etc. Jedenfalls halte ich es für wahrscheinlicher, dass jemand ohne Schild in den Kampf ziehen musste, als dass es ohne Waffe passierte.
In erster Linie ging es mir aber darum, dass die Körperhaltung damals im Vergleich zu heutigen Fechtstilen "umgedreht" war: Beim modernen Fechten ist die Waffenhand zum Gegner gedreht. Damals war wegen des Gewichts der Waffen und wegen der Normalität des Schildeinsatzes die freie Hand dem Gegner zugewandt. Reflexartige Abwehrbewegungen wurden also zuerst mit dieser freien Hand ausgeführt.
Danke für die Fotos, auch wenn die nicht wirklich Aufschluss geben, ob links oder rechts. Vielleicht bin ich ja auch auf dem Holzweg.
Zwei Schädel, die in Kalkriese gefunden wurden, tragen die Spuren schwerster Gewalteinwirkung durch Hiebe. Dem einen wurde eine Scheibe der Schädeldecke (ca. 5 x 8 cm) abgetrennt, einem weiteren Schädel fehlt beinahe die gesamte rechte Hälfte.
Der Erläuerungstext zu den Abbildungen lautet:
"Abb.5: Schädel aus der Knochengrube 5, dem ein Knochenfragment aus dem Schädel herausgeschlagen wurde.
Abb.6: Schädel aus der Knochengrube 1, dem ein großer Teil der rechten Schädelhälfte aufgrund einer Hiebverletzung fehlt."
(B.Großkopf, Knochenarbeit, in: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Mainz 2009, S.156 f.)
Da sehe ich jetzt keinen Widerspruch. Angesichts der vielen tausend Krieger wäre es ein Wunder, wenn dort nicht etliche mit Schwertern ausgerüstet gewesen wären, sei es, weil sie reich genug waren, sowas schmieden zu lassen, oder weil sie in früheren Kämpfen römische Schwerter erbeutet hatten. Trotzdem bleibe ich bei meiner These, dass in der Hauptsache Stichwaffen im Einsatz waren und deshalb Stichwunden statistisch überwogen haben dürften.
Zudem: Ich philosophiere die ganze Zeit über die Wahrscheinlichkeit von Abwehrverletzungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die am Kopf aufgetreten sind, halte ich für sehr gering

. Oder anders gesagt: Strittig ist in unserer Diskussion doch die Frage, ob Handverletzungen, die eine Wundversorgung erfordert hätten, zwingend mit sichtbaren Spuren an den Knochen verbunden gewesen wären. Dass Hände auch abgehackt worden sein könnten, bestreite ich gar nicht. Ganz sicher ist sowas passiert. Es kann sogar sein, dass Verletzungen dieser Art viel häufiger waren sind als die von mir postulierten Schnittverletzungen. Diese Hände hat dann aber niemand mehr verbunden.
Niemand stellt die Professionalität der Kalkriese-Wissenschaftler in Abrede. In der o.g. (populärwissenschaftlichen) Veröffentlichung von 2009 schreibt Frau Großkopf "Die Deponierung der Knochen...muss somit mit einem zeitlichen Abstand zum Eintritt des Todes stattgefunden haben."
Das halte ich für zutreffend.
Ich störe mich nur daran, wenn andere Leute daraus "sechs Jahre" machen, obwohl einige Indizien wie Knochenkonvolute dagegen sprechen könnten.
Das würde mich auch stören. Aber von wissenschaftlicher Seite ist nie ein Zeitraum von sechs Jahren genannt worden. Die genaueste Angabe, an die ich mich erinnere, lautete, "mehr als zwei, höchstens zehn Jahre" - und "das würde zu den Schriftquellen über die Varusschlacht passen". Und dass niemand die Professionalität der Kalkrieser in Frage stellen würde, sehe ich nicht so. Wenn immer wieder spitz gefragt wird, wie lange ein Körper denn braucht, bis er vollständig vergangen ist, dann schwingt darin durchaus die Unterstellung mit, die Kalkrieser hätten sich die Aussage "mindestens zwei Jahre" ausgedacht, um ihre Knochenfunde für die Varusschlacht-Theorie "zurechtzubiegen".
Auch dass die Kalkrieser hier Knochenkonvolute ignorieren würden, sehe ich nicht. Vielmehr haben sie selbst über die Handknochen berichtet.
Oder meinst Du die Diskussion hier im Forum? Dann gebe ich Dir Recht. Einen Beweis stellen die Knochen sicher nicht dar. Aber ein starkes Indiz schon. Deswegen werden sie von den Kritikern ja auch so hart angegriffen.
MfG