Mir ist beim Studium mehrerer attisch-geometrischer Krater aus der Spätgeometrik eine Parallele zwischen den menschlichen Darstellungen in der Spätgeometrik und den typischen altägyptischen Menschen-Darstellungen aufgefallen. (In beiden Stilen werden die Menschen in der Wechselansicht, also Oberkörper von vorne Unterkörper von der Seite, dargestellt)
Während der
Dark Ages von etwa 1100-800 v. Chr, ist ein Einfluss des Orients auf die griechische Kunst nur schwer vorstellbar. Nach der Ägäischen Wanderung und den archäologisch gut fassbaren Zerstörungen in Griechenland versank die griechische Welt in ein fast undurchdringliches Dunkel.
Allerdings wird die griechische Geschichte des Archaikums (800-600 v. Chr.) dadurch charakterisiert, dass sie aufs engste mit der gleichzeitigen Geschichte des
Vorderen Orients verflochten ist. Vor allem ist das Schicksal
Ioniens - also der an die Ägäis grenzende griechisch besiedelte Küstenstreifen Kleinasiens - untrennbar verbunden mit der Geschichte Gesamtanatoliens.
Außerdem wurden durch die um die Mitte des 8. Jh. v. Chr. einsetzende griechische Kolonisation gerade auch Randgebiete der vorderasiatischen Welt erfasst wie die Cyrenaika und die Südküste des Schwarzen Meers, und die Ansiedlung griechischer Kaufleute und Söldner in
Ägypten hat im 7. Jh. erstmals auch einen engen Kontakt zwischen dem Land der Pharaonen und Hellas hergestellt.
Es ist also zumindest denkbar, dass ägyptische Einflüsse auf die frühe Kunst der Griechen einwirkten und den
spätgeometrischen und
früharchaischen Stil beeinflussten. Ob es diesen Einfluss aber auch wirklich gab, entzieht sich völlig meiner Kenntnis. Es mag sein, dass die Kunst der Griechen nur einen ganz normalen Wandel erlebte, der von einfachen geometrischen Formen und eindimensionalen figürlichen Schattenrissen zu einer dreidimensionalen, reichen Formgebung in Malerei und Plastik führte - und zwar ohne oder nur geringe Einflüsse von außerhalb, hier besonders von Ägypten.