Wappen und Heraldik im Frühmittelalter

Uhtred

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Hallo!
Gibt es eigentlich bildliche Quellen, die Wappen des 9 bis Mitte des 11. Jahrhunderts zeigen?
Ich weiß natürlich, dass Wappen erst so richtig im Zuge der Kreuzzüge aufkamen, aber der Teppich von Bayeux zeigt, dass es Sie natürlich in irgend einer Form auch vorher schon gab.

Vielleicht könnte man die Frage auch so stellen: Gibt es Quellen die ähnliche Schildbemalungen wie der Teppich von Bayeux zeigen?
Also nicht bloß irgendwelche geometrischen Muster wie Kreuze, sondern z.B. auch (Fabel-)Tiere?

Wäre für ein paar Beispiele, falls es die gibt, extrem dankbar.
 
Der Teppich von Bayeux zeigt Schilder mit Kreuzen und Fabelwesen, ob dies aber wirklich Wappen sind, das scheint fraglich. Letztlich entsprechen die Fabelwesen, meist wohl Drachen, den Fabelwesen die auch am Rand des Teppich von Bayeux eingewebt sind.
Nach der von dir angefragten Zeitstellung findet man im Liber ad Honorem Augusti des Pietro de Eboli (ausgehendes 12. Jhdt.) bei Abbildungen des kaiserlichen Ministerialen Diepold von Schweinspeunt immer wieder das Wildschwein, sowohl auf dem Schild, als auch auf dem Wimpel. Und nicht nur er, auch seine Untergebenen tragen das Schwein.
 
Nach der von dir angefragten Zeitstellung findet man im Liber ad Honorem Augusti des Pietro de Eboli (ausgehendes 12. Jhdt.) bei Abbildungen des kaiserlichen Ministerialen Diepold von Schweinspeunt immer wieder das Wildschwein, sowohl auf dem Schild, als auch auf dem Wimpel. Und nicht nur er, auch seine Untergebenen tragen das Schwein.

Ich habe inzwischen Zweifel daran, dass es sich wirklich um Untergebene Diepolds handelt, oder ob nicht Diepold hier einmal zu Pferde und einmal zu Fuß dargestellt ist. Jedenfalls finde ich seltsam, dass nicht nur der Schild, sondern auch der Helm in beiden Fällen den Eber trägt. Interessant ist jedenfalls auch die Allegorie, der Eber, der einem Vogel in den Hals beißt. Was für ein Vogel ist das? Steht er - der Heraldik entsprechend - für einen bestimmten und bestimmbaren Gegner?
 

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Die Zeichnung an sich ist durchaus interessant, vor allem das Wappen(?) auf dem Helm, sieht kurios aus.
Aber ausgehendes 12. Jahrhundert ist doch um einiges zu spät, was die Zeitperiode angeht - und zwar um ca 150 Jahre.
Damals lagen Wappen ja bereits voll im Trend.
Mein Fokus liegt wie gesagt auf dem Frühmittelalter, bzw. dem späten Frühmittelalter - also bis maximal 1066

Zum Teppich von Bayeux: Ich frage mich auch schon lange, ob die auf den Schilden dargestellte Symbolik, irgend etwas mit den Tatsachen zu tun hat, oder ob da die Stickerinnen bloß ihrer Fantasie freien Lauf gelassen haben.
Andererseits sind es eigentlich nur wenige Tiere und Kreuze, die immer und immer wieder auftauchen, was gegen die Phantasie-Hypothese spricht.
Denn so einfallslos, kann man ja kaum sein.
Komisch.
 
Dass die Bemalung der Schilde des Bayeux-Teppichs einen realen Hintergrund hat, ist nur wahrscheinlich. Jedoch: Schildbemalung Wappen.

Nachtrag: Interessant ist jedoch auch, dass Diepold von Schweinspeunt dem "sizilianischen Bilderbuch" ad honorem Augusti der einzige ist, der ein sprechendes Wappen oder überhaupt ein erkennbares Wappen führt. Alle anderen haben Diagonalstreifen oder spitze Winkel als Schildbemalung. Warum also von Wappen sprechen: Eben weil die Schildbemalung sprechend ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass die Bemalung der Schilde des Bayeux-Teppichs einen realen Hintergrund hat, ist nur wahrscheinlich. Jedoch: Schildbemalung Wappen

Hmmm, bist du sicher, dass man das so eindeutig sagen kann?
Die Schildbemalung sollte die eigene Individualität und/oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Ausdruck bringen - und das tun doch Wappen eigentlich auch.
 
Ich habe inzwischen Zweifel daran, dass es sich wirklich um Untergebene Diepolds handelt, oder ob nicht Diepold hier einmal zu Pferde und einmal zu Fuß dargestellt ist. Jedenfalls finde ich seltsam, dass nicht nur der Schild, sondern auch der Helm in beiden Fällen den Eber trägt. Interessant ist jedenfalls auch die Allegorie, der Eber, der einem Vogel in den Hals beißt. Was für ein Vogel ist das? Steht er - der Heraldik entsprechend - für einen bestimmten und bestimmbaren Gegner?

Schwer zu sagen. Wohl irgendein exotischer Hühnervogel wie Fasan oder Pfau.
 
Ich habe auch so meine Zweifel daran, das man vor 1150 spezifische Wappen finden wird, auch auf dem Teppich von Bayeux nicht. Zu überprüfen ist, ob die dort gezeigten Fabeltierdarstellungen später überhaupt wieder auftauchten, vielleich bei einer der anglo-normannischen Adelsfamilien, oder ob sie auf dem Teppich bestimmten Personen zugeordnet werden. Aber ich denke man hat diese Darstellungen einfach so in die Schilde der normannischen und sächsischen Krieger mit eingestickt.

Vor 1150 war es ja üblich Banner zu führen statt Wappen. Beispielsweise das gold-rote Banner von St. Denis (Oriflamme), das König Ludwig VI. 1124 auf seinen Feldzug gegen Kaiser Heinrich V. geführt hatte. Oder das grau-blaue Banner von St. Martin von Tours, bei dem es sich angeblich um den Mantel des heiligen Martin gehandelt haben soll.
 
Die Schildbemalungen und Färbungen der Mäntel dienten zunächst in erster Linie der Unterscheidung von "Freund" und "Feind". Deshalb waren es auch einfache, weit erkennbare Motive, zwei Farben, das Kreuz der Ordensritter und dergleichen. Die "Verfeinerung" und Entwicklung zu Wappen kam erst mit der Zeit. Die Fussball-Trikots haben gewissermaßen eine ähnliche Entwicklung genommen.

Der Vogel scheint mir ein Kranich zu sein. Wer von den Gegnern Diebolds einen solchen in Wappen hatte, weiß ich allerdings nicht, eine Allegorie darauf scheint es mir aber zu sein.
 
Ich muss mich erneut in einem Punkt korrigieren, der das Liber ad honorem Augusti anbelangt. Heinrich VI. wird bei der Belagerung Neapels mit Krone und staufischem Adler auf Wappen und Pferdeumhang dargestellt und auch einige andere Wappen (Löwe, ein Vogel?) sind zu erkennen. Auf den meisten Darstellungen ist es aber wie oben beschrieben.
 
Sybil Kraft in Ein Bilderbuch aus dem Königreich Sizilien, S. 223 f.:
"[...] auf fol. 130r [...] Die Beischrift >>Mons Casinus<< am oberen Bildrand ist heute größtenteils weggeschnitten. Am Fuß des Berges finden Kämpfe statt, in die insgesamt sieben Personen verwickelt sind. Zwei davon sind Ritter in voller Rüstung und Bewaffnung. die übrigen tragen kurze Kleider und sind mit Messern und Äxten bewaffnet. Auf Helmen und Schilden der Ritter ist jeweils ein Wildschwein abgebildet [...] ein deutlicher Hinweis auf [...] Diepold von Schweinspeunt, der auf diesem Bild demnach zweimal dargestellt ist. Rechts wird er zu Pferd von drei Bauern angegriffen. Links kämpft er zu Fuß gegen zwei Gegner. Ein Pferd liegt tot am unteren Seitenrand, daneben beißt ein Wildschwein in den langen Hals eines Vogels.
Die Beischrift erzählt, wie Diepolds Pferd auf dem Weg nach San GErmano von drei Bauern erstochen wird und wie Diepold tapfer kämpfend den Ort doch noch erreicht. ("Quando Dipuldus aggrediens Santum Germanum equum suum a tribus rusticis digladiatum ammisit et villam viriliter cepit.")
Wir sehen also zwei Phasen des Kampfes [...] Bemerkenswert scheint mir zudem, dass die Szenen, der Leserichtung entgegengesetzt, von rehcts nach links aufeineanderfolgen. Für das Verständnis des Wildschweins in der unteren Ecke hilft die Beischrift nichts.
Der Text der Particula 35 lobt die Tapferkeit Diepolds und priest seine Erfolge im Allgemeinen: Er erbeutet Viehherden, brennt Burgen nieder und nimmt befestigte Orte ein. Dann wird von zwei einzelnen Heldentaten berichtet. Zuerst vom Kampf mit drei Bauern im Gebiete von Montecassino, Anschließend vom Zusammenstoß mit einem Grafen. Der Künstler übernimmt die beiden Phasen des Kampfes mit den Bauern aus dem Text: >>Hanc ferus invadens Dipuldus ab aggere dextro/Dissipat instantes ut leo magnus oves./Cuius ab agricolis circumdatus, a tribus horum/In triplici cultro digladiatur equus./Stans pedes ense pedes duros detruncat et armos.<< Von der Burg aus gesehen stimmt sogar die Richtung der Angreifenden mit dem Text überein, was eine Erklärung für die ungewöhnliche Richtung der Bilderzählung von rechts nach links bieten würde.
Die Auseinandersetzung mit dem nicht namentlich genannten Grafen schildert Petrus in kurzen, abgehackt wirkenden Sätzen: >> Ventum est ab faciem, fit clamor vocis utrinque,/Confractis sudibus, tela reclusa micant./Hic ferit, ille ferit, cadit hic super hunc stat ille.<< In der Beschreibung des Ausgangs des Kampfes wird statt Diepold sein Wappentier genannt: >>Dentipotens comitem denique vicet aper.<< In diesem Vers verbindet der Dichter ganz direkt die metaphorische mit der wörtlichen Ebene: Der Eber mit den kapitalen Hauern besiegt den Grafen. Dieses Textstelle bietet die einzige Erklärung für den Tierkampf im Bild. Es ist allerdings fast die einzige metaphorische Stelle in der ganzen HS, die illustriert wurde, und es lässt sich nicht eindeutig klären, wessen Wappentier der Reiher oder Storch sein könnte. Die Heraldik stand Ende des 12. Jahrhunderts erst am Anfang der Festlegung ihrer Bedeutung, und es wäre durchaus möglich, dass der Vogel eine andere als eine heraldische Bedeutung hat. Es könnte sich z.B. um einen Ibis handeln, der im Physiologus las unreines Tier bezeichnet wird, oder aber er ist mit dem Vogel auf Tankred Krone verwandt und meint ganz allgemein die Tankrediner, was die heraldische mit einer symbolischen Bedeutung vermischen würde. Es handelt sich in jedem Fall um ein in der ganzen HS einzigartiges Bildelement."
Der fett markierte Satz gilt der eigentlichen Ausgangsfrage von Uhtred, nachdem ich den Thread schon so von dieser weggeführt habe. :rotwerd:
 
Dass die Bemalung der Schilde des Bayeux-Teppichs einen realen Hintergrund hat, ist nur wahrscheinlich. Jedoch: Schildbemalung Wappen.
Hmmm, bist du sicher, dass man das so eindeutig sagen kann?
Die Schildbemalung sollte die eigene Individualität und/oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Ausdruck bringen - und das tun doch Wappen eigentlich auch.

Ja; das kann man so eindeutig sagen, daß die Schildbemalungen dort keine Wappen darstellen - vgl. bspw. dazu auch:
Kitguide Hastings Reenactment schrieb:
...
Die Mehrheit der Schilde auf zeitgenössischen Abbildungen ist einfarbig, z.T. mit einem farblich abgesetzten Rand. Darüber hinaus existieren zahlreiche Bemalungen. Regelmäßige (D) und unregelmäßige (D, D1) Kreuze; Balken / Streifen / Linien, sowohl einzeln als auch in Mustern (J, W2, W3, I4); gezackte Ränder (D); Fabeltiere (D); Blumen- oder sternförmige Motive (Q4, W2); umlaufende Reihe aus Punkten (Q4); Zweifarbige Bemalungen mit der Mittelachse als Trennlinie (N2, W2) sowie florale- oder rankenförmige Muster (I4). Stehts sind die deutlich (z.T. farblich und mit Mustern) abgesetzten Schildränder zu erkennen. Konkrete Gegenstände, Tiere (abgesehen von Fabelwesen), Schriften oder Symbole als Verzierung sind nicht bekannt. Wappen gabe es zu dieser Zeit noch nicht...
Von kitguide
Anm.: Desweiteren wirst Du diesen Sachverhalt auch in jedem Standardwerk der Heraldik (z.B. Neubecker o.a.) so wiedergegeben finden.



Ich habe auch so meine Zweifel daran, das man vor 1150 spezifische Wappen finden wird, auch auf dem Teppich von Bayeux nicht. Zu überprüfen ist, ob die dort gezeigten Fabeltierdarstellungen später überhaupt wieder auftauchten, vielleich bei einer der anglo-normannischen Adelsfamilien, oder ob sie auf dem Teppich bestimmten Personen zugeordnet werden. Aber ich denke man hat diese Darstellungen einfach so in die Schilde der normannischen und sächsischen Krieger mit eingestickt.

Dem darf ich mich an der Stelle anschließen: Wappen im Sinne von unterscheidenden Wappen - und davon sprechen wir, wenn wir darüber i.S.v. Heraldik diskutieren - kamen erst im 12. Jh. auf.
Ab der 1. Hälfte des 12. Jh. (etwa ~1130) sprechen wir von Wappen im Sinne der Heraldik - also unterscheidend -, zunächst jedoch nur für Einzelpersonen. Wappen als Haus- und Familienwappen werden so erst gegen Ende des 12. Jh. - also "kurz vor" 1200 - nachweisbar.
 
@timotheus: Diesen Kittguide kenne ich gut - an dem habe ich teilweise meine Ausstaffierung ausgerichtet ;)

Ich glaube hier geht es aber um die Definitionsfrage: Was ist ein Wappen?
Im engeren Sinn, also in dem der hoch- und spät-mittelalterlichen Heraldik, hast du sicher recht.
Aber im weiteren Sinn, so sehe ich das zumindest, verschwimmen die Grenzen zu bloßer Schildbemalung sehr stark.
Wie hier schon gesagt wurde, wurden bereits früh Banner mit bestimmten Farben als Erkennungsmerkmal geführt.
Wenn ich und nun den Schild in genau diesen Farben anmale, ist das im weitesten Sinn nicht auch ein Wappen?
Ich denke schon ;)

Aber egal, meine ursprüngliche Frage wurde eigentlich recht gut beantwortet.
Mit, sagen wirs mal so, wappenähnlich bemalten Schilden im Stile des Teppichs von Bayeux, sieht es demnach eher schlecht aus.

Edit: Diese Zwinker-Smilies hier, sehen ja aus wie Karl Dall :D
http://1.bp.blogspot.com/_F-U9C8UfSdI/SK0oN1c68OI/AAAAAAAAACA/JIXKyx9ULys/s320/dall.jpg
 
die Defintion eines persönlichen Wappens (und nur um das geht es hier) ist eigentlich klar.
Es ist primär ein graphisches ,personen- oder familienbezogenes Emblem ,das einem bestimmten Träger oder einer Familie zugeordnet ist.

Davon zu unterscheiden sind Amts- und Komunalheraldik ,Orden und Parteizeichen.

Was den Teppich von Bayeux betrifft,so scheint es sich hier eher um Parteizeichen und auch nur um die künstlerische Interpretation dieser allgemeine Kennzeichnungen zu handeln , da die individuelle Zuordnung der Zeichen fehlt.
Das wird ähnlich zu werten sein,wie die Kreuze während der ersten Kreuzzüge
Auch dort war das Kreuz primär Parteizeichen, wobei die Farbe Auskunft über die "Lingua" des Trägers gab.
 
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