[These, dass] die Deutschen obrigkeitshörig gewesen seien, da die Erinnerung an den 30 Jährigen Krieg und dessen Anarchie die Grundlage dafür geschaffen hätten. Die Deutschen hätten Angst vor Anarchie und Gesetzlosigkeit, weswegen das 3. Reich möglich gewesen sei...
Die Frage als solche - Neigen die Deutschen zu besonderer Autoritätshörigkeit? Wenn ja, warum? - ist ja oft gestellt worden und gehört wohl auch zum "Sonderweg"-Theorem, wenngleich ein Zusammenhang zu 1618-1648 relativ selten hergestellt wird.
Vorab: Dass ein monokausaler Ansatz unsinnig wäre, ist sicher unstreitig!
Es gibt auch Theorien, dass Luther dran Schuld war.
Ja, die gibt es! Viele bedeutende Historiker - Gerhard Ritter, Rudolf Stadelmann, Alexander Rüstow u.a. - haben sich damit auseinandergesetzt, auch Religionswissenschaftler wie Ernst Troeltsch und insbesondere auch Max Weber, der in einer seiner letzten großen Ausarbeitungen eine sehr enge Verbindung zwischen Luther und der Idee des Obrigkeitsstaates herstellte: "Der normale Protestantismus [Luthers] ... legitimierte den Staat, also: das Mittel der Gewaltsamkeit, als göttliche Einrichtung absolut und den legitimen Obrigkeitsstaat insbesondere. Die ethische Verantwortung für den Krieg nahm Luther dem einzelnen ab und wälzte sie auf die Obrigkeit, der zu gehorchen in anderen Dingen als Glaubenssachen niemals schuldhaft sein konnte." [1]
Um der Frage zuvorzukommen: Nein, ich glaube nicht, dass Luther damit das Obrigkeits-Gen in die Deutschen eingepflanzt hat. Er hat halt "nur" einen Beitrag geleistet zur Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Obrigkeit, der auch über die protestantisch-deutsche Kirchenverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert sehr lange nachgewirkt hat. (Ich hoffe das neutral genug ausgedrückt zu haben.)
Und der Dreißigjährige Krieg? Den Vorschlag
...fest[zu]stellen in wie weit die Erinnerung an den 30 Jährigen Krieg vorhanden geblieben ist... [z.B. anhand der] Lektüre von zeitgenössischen Geschichtsschulbüchern ...
finde ich sehr gut. Eine zweite Möglichkeit wäre, dem nachzugehen, was Historiker des Krieges mehr oder weniger begründet gemutmaßt haben. Bei Wedgwood etwa findet sich folgende Aussage: Wenn der Krieg das [deutsche] Volk etwas gelehrt hat, dann ein sklavisches Erdulden seines Geschicks." [2] Das geht freilich eher in Richtung Fatalismus.
[1] Politik als Beruf. In: Gesammelte politische Schriften, Hg. Winckelmann. 5. Aufl. Tübingen 1988, S. 555 f. - Im Hintergrund steht natürlich Luthers Übersetzung und Auslegung
des 13. Römerbrief-Kapitels.
[2] Der Dreißigjährige Krieg. München 1967, S. 450.