@Ausgangsfrage:
Die Kommandanten der Royal Navy waren zunächst den Regularien der Admirality und des Navy Board unterworfen. Dies waren in erster Linie die Kriegsartikel und die "General Printed Instructions." Beide Regelwerke wurden im Laufe der Zeit überarbeitet bzw. neu gefasst. Verstöße dagegen wurden regelmäßig sanktioniert. Es gab genügend Kommandanten, die von ihren Untergebenen vors Kriegsgericht gezerrt wurden. Das Kriegsgericht war die zuständige Rechtsinstanz für Verstöße gegen die Normen der Marine. Gerne genommene Vorwürfe: Vorteilsnahme, Betrug, Unterschlagung durch Frisieren der Bücher. (Die Praxis: Hat so ziemlich jeder gemacht, haben alle gewusst, wenn es zu einer diesbezüglichen Anklage kam, steckte meist ein anderer Grund dahinter.) Sodomie. Feigheit. Brutalität.
Entgegen den Piratenfilmen durften Kommandanten a) keine Todesurteile verhängen; b) Offiziere und Warrant Officers allenfalls vom Dienst suspendieren und sie zu Arrest auf Kammer verdonnern, für alles weitere war ein Kriegsgericht einberufen zu lassen; c) Unteroffizieren und Mannschaften höchstens zwei Dutzend Hiebe mit der Neunschwänzigen an der Gräting verabreichen lassen (
the Captain's Cloak). Fiel ein Kommandant aus welchem Grund auch immer einem zivilen Gericht in die Hände (Schulden, Betrug, Totschlag), war er ebenso wie auf hoher See in Gottes Hand und der wunderlichen insularen Rechtspflege ausgeliefert.
[...] wurden britische Kapitäne für die Behandlung ihrer Untergebenen zur Rechenschaft gezogen?
Yes, Sir. Manchmal von ihren eigenen Untergebenen:
Hermione (Schiff) - HMS Lydia - Lexikon marinehistorischer Romane
HMS Hermione (1782) - Wikipedia, the free encyclopedia
Aber auch im Nachklapp besonders der Meuterei in Spithead, ebenfalls 1797, wurden etliche Kommandanten, die von ihren Besatzungen der Brutalität bezichtigt wurden, von der Admiralität abberufen. Das selbe gilt für Kommandanten, die wegen aller anderen Arten von Fehlverhalten von einem Kriegsgericht schuldig gesprochen wurden.
Wenn es konkret verboten oder problematisch war, fremde Staatsangehörige zu pressen, waren britische Staatsbürger (wie immer sich das auch definiert, Frage 3) da Freiwild? Grundsätzlich, nur die Armen oder nur die ohne Arbeit? (Frage 4)
Kriegsschiffe durften nur britische (!) Seeleute (!) pressen, die keine
protection (ein schriftlicher und personengebundener Schutzbrief, gern gefälscht...) hatten. Die Letter Books der Schiffe sind voll von langwierigen Briefwechseln über die Rechtmäßig- bzw. -widrigkeit einzelner Pressmaßnahmen. Vorm Pressen geschützt waren z. B. Lehrlinge in der Schiffahrt, Schiffskommandanten, Angehörige des Trinity House, Besatzungsangehörige von Walfängern, Kohlenfrachtern, Schiffen der Ostindienkompanie etc. - kriegswichtige Berufe quasi. Nicht-Seeleute zu pressen war höchst und überaus illegal. Die Grenzen zwischen Seemann und Nicht-Seemann verschwammen allerdings hi und da. Ein großes Problem stellten amerikanische Seeleute dar. Es war nicht so, dass die Krone, die die USA nach 1783 ja anerkannt hatte, Amerikanern per se den Ausländerstatus verweigerte. Vielmehr waren auch hier die Übergänge fließend. Viele Seeleute deklarierten sich selbst zu Amerikanern, um dem Kriegsdienst zu entgehen. Dabei erhielten sie fleißige Hilfe von etlichen amerikanischen Konsuln. Da es nun schwer war, einen britischen von einem US-Staatsbürger zu unterscheiden und die Mariners ihre Pappenheimer kannten, gab es auch hier gern und häufig Streit - zum Teil unter Zuhilfenahme von brachialer Gewalt:
USS Chesapeake (1799) ? Wikipedia
Diese Konflikte waren m. E. aber nicht die Ursache des Krieges von 1812. Allerdings waren sie dazu angetan, das ohnehin bereits sehr angespannte Verhältnis zwischen Krone und Abtrünnigen weiter zu verschärfen.
Das alles zur unchristlichen Seefahrt.
Zur Rolle des Kapitäns in der christlichen Seefahrt gibt es im Buchhandel eine deutschsprachige Dissertation: Witt, Jann M., Master Next God, 2001
Ich habs noch nicht gelesen, aber vorsorglich schon Neddy Senior zu Weihnachten geschenkt. Der Witt weiß ne ganze Menge, und wenn er sein Wissen wenigstens bei diesem Buch vernünftig zu Papier gebracht hat (wonach es im ersten Überflug aussah), dürfte das für den Fragesteller eine sehr zielführende Lektüre sein.