Wo blieben die Westgoten?

Mozárabe waren doch die unter muslimisch/maurischer Herrschaft lebenden Christen, das würde dann eher auf einen Ritus deuten aus der Zeit nach dem Untergang des Westgotenreiches (rein vom Namen her)
 
Mozárabe waren doch die unter muslimisch/maurischer Herrschaft lebenden Christen, das würde dann eher auf einen Ritus deuten aus der Zeit nach dem Untergang des Westgotenreiches (rein vom Namen her)

Richtig. Aber dadurch, dass durch die muslimische Eroberung der iberischen Halbinsel das andalusische Christentum (andalusisch immer im Sinne von al-Andalus, nicht im Sinne der autonomen Region Andalusien) vom Rest der katholischen Kirche abgespalten war, haben sich hier Dinge erhalten, die in anderen Regionen Europas abgeschafft oder verändert wurden. Ergo: es handelt sich nicht wirklich um einen westgotischen Ritus, aber um einen Ritus, der noch aus der Westgotenzeit stammt.
 
Nur etwa 5% der iberischen Bevölkerung waren überhaupt Westgoten, ...
Sicher, aber das ist doch für diese Diskussion recht nebensächlich.

Es geht ja darum, ob das Westgotenreich "scheiterte" oder eben weitergeführt wurde. Und natürlich kann so eine Reichsgründung auch von Leuten weitergeführt werden, die ethnisch eine andere Abkunft haben, dafür gibt es viele Beispiele.

Die Spanier, Syrer, Illyrer etc., die im spätrömischen Reich hohe Funktionsträger oder gar Kaiser stellten, die wußten sehr wohl, daß sie keine römisch-latinische Herkunft hatten. Aber sie haben sich mit dem römischen Reich identifiziert und dessen Scheitern verhindert.
 
Es geht ja darum, ob das Westgotenreich "scheiterte" oder eben weitergeführt wurde. Und natürlich kann so eine Reichsgründung auch von Leuten weitergeführt werden, die ethnisch eine andere Abkunft haben, dafür gibt es viele Beispiele..

Die spanische Bevölkerung bestand nahezu ausschliedßlich aus einer romanisierten ibero-keltischen Bevölkerung. Dass sich diese zwei Millionen Bauern, Handwerker und Kaufleute als Goten gefühlt hätten, ist eine absurde Vorstellung.
 
Die spanische Bevölkerung bestand nahezu ausschliedßlich aus einer romanisierten ibero-keltischen Bevölkerung. Dass sich diese zwei Millionen Bauern, Handwerker und Kaufleute als Goten gefühlt hätten, ist eine absurde Vorstellung.


Hat hier im thread auch niemand behauptet. Aber den Bezug zu den Goten scheint es nach wie vor gegeben zu haben, so wie wir Deutschen uns lange Zeit (und zum Teil noch) mit Stolz auf Preußen bezogen, obwohl die meisten Deutschen niemals Preußen waren.
 
Da sind wir uns doch relativ einig.

Es war eben nur der Adel, der sich auf die Goten bezog, weil er damit seinen Herrschaftanspruch legitimierte. Und dieser Bezug dürfte in den meisten Fällen reichlich konstruiert gewesen sein.

Aber in Ermangelung anderer ruhmreicher Traditionen blieb die gotische eben wichtig.
 
Kontinuität?

"Agora faularemos de los reies paganos qui foron sennores de Persia, e de los reies e de los /emperadores qui foron sennores de Roma tro al tiempo de Ihesu Crist; e pues faularemos / de los godos como uinieron en Espanna e como la conquirieron, e del rei Bamba / e del rei Rodrigo e e del comte don Julian, e como se perdie la tierra e pues como / se recobro. E pues faularemos de los reies e de los sennores qui foron en Castiella / tro al emperador e tro al rei don Alfonos. E pues faularemos de los reies de Nauarra / e del rei Sanch Auracha tro al rei don Sancho. E pues diremos de los reies de / Aragon, del rei don Remiro, que matoron en Gradus tro al rei don Pedro, el sobrino del / emperador."

Der zitierte Text in aragonesischer Sprache aus dem Chronicon Villarense/Liber Regum ist um 1200 entstanden, ist von den Herausgebern auf die Zeitspanne 1194 tpq und 1211 taq datiert. Ich halte es sogar für möglich, dass man den Text auf 1207 tpq datiert, aber damit positioniere ich mich in einem Streit, den die spanische mediävistische Literaturwissenschaft führt.

"Jetzt sprechen wir von den Heidenkönigen, welche die Fürsten von Persien waren und von den Königen und Kaisern, welche die Herren Roms waren bis zu der Zeit Jesu Christi. Danach sprechen wir von den Goten, wie sie nach Spanien kamen und es eroberten und vom König Wamba und vom König Rodrigo und vom Grafen Don Julian, und wie das Land verloren ging und wieder zurückgewonnen wurde. Dann sprechen wir von den Königen und Herren, die in Kastilien waren bis zum Kaiser und bis zum König Don Alfonso.
Später reden wir von den Königen von Navarra, vom König Sancho Auracha bis zu Don Sancho.
Und dann sprechen wir von den Königen von Aragón von Don Ramiro, der in Gra(d)us getötet wurde bis zum König Don Pedro, dem Neffen des Kaisers."

In diesem wohl von Zisterziensern aus Fitero verfassten Dokument, welches durchaus die Legendenbildung aufgreift (Conde Julian), gibt es keine Kontinuität von Goten und nordspanischen Königen.
 
wird überhaupt nicht beachtet, dass die Mehrheit der Goten wohl genauso an den Stammsitzen blieb, wie die romanische Bevölkerung.
Sicher blieb sie da - jedwede Konstruktion der Art, die Goten hätten sich en bloc nach Norden zurückgezogen und von dort als Volksgruppe den rollback gestartet, wäre ziemlich absurd.

2016 fand man in Los Villares de Alhambra (hat nichts mit der berühmten Alhambra von Granada zu tun), Provinz Ciudad Real (Neukastilien) eine römische Villa, die durch eine ummayyadenzeitliche Siedlung fortgesetzt wurde, die durch die Anlage ihrer Gräber als muslimisch zu erkennen ist. Jetzt hat die Regionalregierung die Erlaubnis erteilt, die Gräber archäologisch weiter zu untersuchen (mittelalterliche Friedhöfe sind immer einer Problem, vor allem die muslimische Community Spaniens mag es nicht, wenn maqbarât (maqbara - Friedhof) invasivarchäologisch erfasst werden, weil sie hierin eine Fortsetzung der Praxis nach 1492 sehen, muslimische Friedhöfe zu schänden.
Geplant ist vor allem, DNA aus den sterblichen Überresten der muslimischen Nekropole (17 Idividuen) zu gewinnen und damit festzustellen, ob zwischen der römischen Villa, die man dem historiographisch bekannten Ort Laminium (dessen tatächliche Lage aber umstritten ist) zurordnet, und dem umayyadischen Dorf eine Bevölkerungskontinuität besteht, also ob die Siedler iberischen Ursprungs waren oder arabischen bzw. nordafrikanischen Ursprungs.
Genética para conocer la población islámica de Los Villares
 
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