Wieso sagte man eigentlich, der Kapitän muss mit seinen Schiff untergehen?
Es kann sich hier um niemanden gehandelt haben, der irgendwas zu sagen gehabt hätte.
Es wird eher andersherum ein Schuh draus: Bis bummelich um die Jahrhundertwende 18. auf 19. Jahrhundert galt die Autorität eines Kommandanten nur, solange das Schiff intakt war. War dieses verloren oder in einer hoffnungslosen Lage, war die Grundlage für die Befehlsgewalt von Kommandant und Offizieren perdu - es galt von dem Zeitpunkt an der Grundsatz
Jeder für sich. Man musste als Kommandant dann schon eine starke
persönliche Autorität haben, um die Disziplin aufrechtzuerhalten.
(Dazu kommt - für viele Romanleser und Hollywoodkonsumenten völlig überraschend - dass es bis in die 80er Jahre des 18. Jahrhunderts ein starkes proto-demokratisches Element gerade in der Royal Navy gab.)
Die erschröckelichen Beispiele: der Verlust der
Grosvenor (hier die jugendfreie Version:
HMS Grosvenor ? Wikipedia ), oder der Verlust der
Wager HMS Wager (1739) - Wikipedia, the free encyclopedia (Siehe hier "The Wager mutiny").
Konsequenterweise kam es durchaus vor, dass der Kommandant sich rettete, während der Großteil der Besatzung mit dem Schiff unterging - da war zu dem Zeitpunkt (noch!) nichts ehrenrühriges dran. Beispiel: Der Verlust der Centaur 1782/1783 mit Mann, Maus und Ausnahme des Kommandanten höchstselbst und einiger weniger.
John Nicholson Inglefield - Wikipedia, the free encyclopedia
Nach den mir bislang vorliegenden Berichten hat Inglefield seine Besatzung zusammengerufen, ihnen gesagt, dass er die Lage des Schiffes für aussichtslos hält, sein eigenes Vorhaben bekanntgegeben, sich in den Booten zu retten und seine Leute vor die Wahl gestellt, mitzukommen oder an Bord zu bleiben. Die allerallermeisten entschieden sich dafür an Bord zu bleiben....
An dieser Stelle übrigens mal wieder ein Beweise, dass es keine blöden Fragen gibt - Dank an unseren Gast, dass er mich auf diese mir unbekannte Quelle gestoßen hat:
http://ia700401.us.archive.org/14/items/captinglefieldsn00ingliala/captinglefieldsn00ingliala.pdf :yes:
Das ganze wuchs sich erst vollends raus, als der Kommandant nicht mehr in erster Linie Kommandant des Schiffes, sondern Kommandant von Schiff
und Besatzung wurde.
Post Scriptum:
Habe jetzt gerade selber zum ersten Mal Inglefields eigenen Bericht gelesen. Einerseits herzzerreissend, wie er das Dilemma eigener Überlebenswillen versus Aufgabe seiner Besatzung schildert, andererseits tatsächlich verständlich, dass Inglefield seitens diverser Mitoffiziere erhebliche Kritik für sein Verhalten einstecken musste.
Dass der Captain das sinkende Schiff als erster verließ, ist in vielen Werken der Sekundärliteratur gar nicht angekommen...