Ich bin der Meinung von Brissotin, ich denke, bei solchen Fällen ist es vor allem eine juristische Frage.
Ich bin nicht so völkerrechtlich bewandert, aber ich denke, dass man schon eine Grenzlinie (vielleicht nur nicht so scharf und exakt) ziehen kann, ab wann überhaupt darüber nachgedacht wird etwas aus unseren Museen zurück zu geben ist.
1. sollte es nur eine relativ kurze Zeit der Geschichte der jüngeren Neuzeit betreffen, also z.B. ab dem 19. Jh., eben in der Zeit, wo Museen nach moderner Definition entstanden, Verträge zwischen Staaten diesbezüglich ausgehandelt wurden (und nicht nur wie früher Beute geraubt wurde. Beute ist Beute, und wird freiwillig zurückgegeben, oder eben nicht.).
2. Wenn früher Verträge über heutige museale Objekte geschlossen wurden, dann sollte man auch versuchen zu rekonstruieren, ob nicht ökonomische, militärische, diplomatische, etc. "Erpressung" seitens der Kolonialmächte bei manchen Objekten vorgelegen hat, wie Ravenik schon ähnlich anmerkte. In dem Falle müssen die Verträge neu gewertet werden, und ggf. deren Vereinbarungen als Nötigung für ungültig erklärt werden. Dann wären diese Objekte aus diesen Verträgen zurückzugeben.
3. Es muss besonders bei "Weltkulturgütern" gewährleistet sein, dass das Ursprungsland die konservatorischen Mindeststandards einhalten kann. Kann es dieses nicht, und ist bewiesen, dass hier völkerrechtswidrig ein Objekt strafrechtlich relevant gestohlen wurde, dann sollte das Land, welches sich viele Jahrzehnte an dem Objekt erfreute, als "Entschädigung" entsprechende Konservatoren ausbilden, Gebäude oder Lager errichten, und es dann zurückgeben. Der laufende Unterhalt der Konservierung wird dann sicherlich durch Besucher und ihren Eintritt gewährleistet sein. Man könnte auch vertraglich regeln, dass wenn das Heimatland des Objektes im kriegerischen Chaos versinken sollte (wie im Irak z.B.), dass dann eine Patenschaft vertraglich gültig wird, und das Objekt wieder in das Land zurückgeflogen wird, wo es Jahrzehnte im Museum verbracht hatte.
4. Man kann auch die Idee von Rena8 machen, mit den Kopien und den wechselnden Ausstellungen von Kopie und Original, sofern es konservatorisch zu vertreten ist, was es vielleicht eher selten ist?
5. Es spielt bei der Rückgabe von Objekten keine Rolle, ob die Türken mit Thales viel zu tun haben oder die Ägypter mit Nofrete. Jedenfalls haben die Germanen, die Angelsachsen, die Franken, auch eher wenig mit Nofrete und Co. zu tun, nicht einmal biologische Nachfahren, Zeitgenossen der Nofrete wohnen in den dunklen Wäldern Mitteleuropas ...
6. Es spielt keine Rolle, ob die Besucher, oder die Bewohner der Stadt des Museums inzwischen ein Objekt "liebgewonnen" haben oder nicht. Ob es inzwischen gar zum Maskottchen der Stadt wurde oder nicht. Oder ob es zum großen Touristenmagnet wurde oder nicht.
7. Es wird nicht abgewartet, bis jemand fragt, ob man etwas zurückgibt. Die deutschen Museen gehen von sich aus aktiv an diese Arbeit, und durchsuchen ihre Archive nach Kaufverträgen, Schriftstücken über die Vereinbahrungen bei Grabungen, und überprüfen ihre Objekte auf Rechtmäßigkeit. Ich will keine geklauten Objekte in unseren Museen sehen, geklaut, im Sinne von schnödem Diebstahl einzelner oft namentlich bekannten Diebe in der jüngsten Neuzeit. Beute ist da schon etwas anderes, da dem meist ein grausamer chaotischer Krieg vorrausging, und diese Beute eh nicht zurückgegeben werden kann, da es hier, wie im Forum schon angemerkt, keine Grenzen geben würde, da alle Museen der Welt voller Beutekunst sind. (Ausnahme, Kriegsbeute im 20. Jh. Das Ausplündern des Irak, Afghanistans, usw. muss rückgängig gemacht werden, und die Plünderer, fremde Soldaten und Einheimische vor Gericht gestellt werden. Gleiches gilt natürlich auch für den Raub von Kunst und Kultur, der weltweit stark zugenommen hat, ich erinnere nur mal an die zahlreichen wertvollen Iznik-Fliesen aus osmanischen Moscheen, die von Dieben ab den 1980er Jahren so oft geklaut und z.T. gar an Museen verkauft wurden, dass die vorher offenen Moscheen nun zwischen den Gebetszeiten abgeschlossen werden mussten, wenn niemand aufpassen kann. In etlichen Moscheen mussten gar Alarmanlagen, Bewegungsmelder, usw. installiert werden. Gleiches gilt für die ganzen Kunstschätze von Nepal, wo zahllosen Skulpturen, die sich oft offen auf der Strasse und Plätzen befinden, keine Köpfe, Gliedmaßen, etc. mehr haben. Gleiches gilt für Indonesien (Bali), für Kambodscha, für Thailand, und so weiter. Nicht selten sind auch kriminelle Touristen die Urheber dieses Kunstraubes an der Menschheit. Ich will da die Museen nicht als Dealer oder Hehler sehen!)
8. Wie Bdaian anmerkte: Geraubte Objekte werden nur dann an ein Land zurückgegeben, wenn es vorher vertraglich (und dieses auch in der Praxis vollzog) zusichert, dass es ebenfalls geraubte Objekte an andere Länder zurückgibt. Vielleicht erübrigt sich dann sogar jedwede Rückgabediskussion...
Gute Idee, Bdaian :yes:
Also: Mir geht es vor allem um solche Objekte, die einwandfrei, nicht nur vermutlich, durch Raub, Täuschung, Betrug, Diebstahl in unsere Museen in der jüngsten Neuzeit gelangten. Nicht um Beute aus der Conquistatorenzeit, oder so, da dieses ein "Faß ohne Boden" wäre, und Milliarden Objekte weltweit auf Reisen gehen müssten, inkl. Abriss ganzer Gebäude, die aus Beutestücken errichtet wurden... Ne, dass wäre quatsch.
Mir geht es mit obigen Vorschlägen also um typische Objekte, die z.B. so Ende des 19. Jh. Anfang des 20. Jh. in unsere Hände gelangten:
Zum Beispiel: Staat A schließt mit Staat B einen Kooperationsvertrag ab, dass Staat A in Staat B Forschungsgrabungen durchführen darf. Dafür erhält Staat B 50% der Grabungsinhalte, unabhängig von der Qualität, und die oberen 75% der am höchsten wertgeschätzten 100 Objekte, die gefunden werden.
Nun haben die Forscher von Staat A betrogen und gelogen, und bei den 100 Objekten, die am meisten wert waren und daher die 75 wertvollsten im Lande bleiben sollten, einfach viele Objekte mit den nicht so wertvollen Restbeständen getauscht, und somit ausser Landes geschmuggelt. Dieser Betrug sollte rückgängig gemacht werden, laut den Vertragsregeln jener Zeit.
Weiteres Beispiel: Während obiger Forschungsgrabungen kam der Weltreisende und Abenteurer (und besser gesagt, der gemeine Dieb) XYZ vorbei, grub des Nachts heimlich ebenfalls am Rande des kaum bewachten Geländes herum, und fand spektakuläre Objekte, und vermachte sie nach seinem Tode einem Museum. Diese Objekte sind nach obigen Regeln ebenfalls unverzüglich und ungefragt zurückzugeben!
Ansonsten ist mir diese Sache auch nicht sooo wichtig. Wir werden vielleicht in wenigen Jahrzehnten ganz andere Probleme bekommen, wenn die Pole noch mehr als im positivsten Szenario abschmelzen, Millionenstädte weltweit in den Fluten versinken, und wir eine globe Völkerwanderung erleben, wogegen der "Hunnensturm" gegen das Römische Reich nur ein laues Lüftchen war...:fs: