Deutsche Aktivitäten zur Herbeiführung des russisch-japanischen Krieges 1904

Wer trägt denn mit zweifelhaften diplomatischen Noten zum Ausbruch des Russisch-Japanischen Krieges bei, wie Du das selbst hier so virtuos darstellst? Wer ist denn nicht in der Lage, in diesem Krieg effektive Hilfe für Russland zu leisten? Wer nötigt Russland denn unter Ausnutzung der Kriegssituation ein dort äußerst unbeliebtes Handelsabkommen auf? Mit so ene fiese Möp soll Russland sich verbünden? Kein Wunder unterlag die germanophile/anglophobe Fraktion.
Dass Deutschland die Auseinandersetzung Russlands mit Japan gerne gesehen hätte, war aber in Russland nicht unbekannt, Wilhelm hat ja genug Briefe an Nicky den "Admiral des Pazifik" geschrieben und zur Expansion geraten. Effektive Hilfe hat das DR nie zugesagt, wie auch, wo Russland dem feindlichen Bündnis angehörte? Und dass das Handelsabkommen "aufgenötigt" wurde, dafür fehlt meines Wissens ein Beleg.

und die Krisen bis 1911, wo GB regelmäßig gegen D Partei nahm, zeigen, dass von Entspannung keine Rede sein kann.
Bis 1911 nicht, aber danach schon, da dem DR schlicht das Geld für die Flottenrüstung ausging.

Außerdem: Sah Großbritannien nicht Deutschland als imperialen Hauptgegner an? Suchte nicht Großbritannien Ausgleich mit jedermann, nur nicht mit Deutschland? (ich weiß, jetzt kommt gleich wieder 1912/13) Welche koloniale Expansion hätte Großbritannien Deutschland denn anbieten können? Oder wollen? Und hätte die britische Presse jedes neue deutsche Kriegsschiff mit Schlagzeilen wie "Hach, was wieder für ein toller Schlachtkreuzer!" feiern sollen?
Der Verzicht auf den Schlachtflottenbau war nun einmal Grundvorraussetzung für ein Abkommen von GB und Deutschland. Ich kann nicht einerseits eine Schlachtflotte gegen England bauen und andererseits von England Hilfe gegen den Zweiverband erwarten, oder auch nur Neutralität. Da hätten sich die Deutschen schon entscheiden müssen, ob sie sich nun mit GB anlegen wollen oder nicht.
Was GB anzubieten hatte, waren Kolonien in Afrika: Angola, die Aufteilung belgisch Kongos.

Ich habe keinerlei Kenntnis von Sachverhalten, nach denen nach 1901 wirklich ein BÜNDNIS zwischen GB und D auf der Tagesordnung gestanden hätte.
Das habe ich auch nicht behauptet, aber ein Bündnis hatte GB auch nicht mit Frankreich oder Russland. Ich sehe aber schon die Möglichkeit einer Entente, wenn Deutschland glaubhaft machen konnte, den Status quo in Europa und außerhalb nicht militärisch anfechten zu wollen.

D-ÖU einerseits und R-F andererseits bildeten ein äußerst festes militärisches Gleichgewicht. Vorausgesetzt, niemand Fünftes mischt sich ein. Das Gleichgewicht setzt also STRIKTESTE NEUTRALITÄT Großbritanniens voraus. Das Kriegsrisko ist also in beiden Fällen genau gleich groß, egal, für welches Lager sich Großbritannien entscheidet. Es hätte sich am besten ganz rausgehalten.
GB wurde aber durch den Schlachtflottenbau ins Gegnerlager getrieben. Wobei ich das "feste Gleichgewicht" auch nicht so wirklich sehe, das militärische Potential der vier Mächte schwankte doch sehr stark. 1905 war Russland z.B. quasi als Militärmacht ausgefallen.

Ich gehe nun mal von den Überlegungen aus, dass die "Politik der freien Hand" in die Katastrophe geführt hat und ein Bündnis Deutschlands mit Großbritannien die Interessen beider Länder nicht bedient hätte. Was bleibt, wäre ein Bündnis mit Russland gewesen, so unrealistisch sich das auch darstellt.
Und genau da sehe ich die Dinge anders. Nicht die "Politik der freien Hand" hat das DR in die Katastrophe geführt, der Angriff auf Belgien im August 1914 hat in die Katastrophe geführt.
Im Grunde war die Lage des Deutschlands militärisch relativ ungefährdet, solange sich das DR nicht auf ein napoleonischen Krieg einlässt, sondern sich mit dem Status quo zufrieden gibt. Die gegnerische Koalition, die Triple-Entente war viel zu heterogen um einen gemeinsamen koordinierten Angriff wirklich zustande zu kriegen. Nur wenn man die anderen Großmächte zum Existenz-Kampf herausforderte bestand wirklich Gefahr.
GB war in jeder Hinsicht, was Bevölkerung, Industrie, Wirtschaft und Finanzen angeht, die mächtigste der Großmächte 1914 (USA mal außen vor) aber GB war im Grunde an einem europäischen Krieg nicht interessiert, sondern am Status quo. Den hat das DR durch den Schlachtflottenbau und den Angriff auf Belgien umstürzen wollen, dafür war es aber nicht mächtig genug, womit der Ausgang im Grunde klar war.
Einen Verzweiflungsangriff des Zweiverbandes wegen einer Annäherung an GB - wenn er denn überhaupt erfolgt wäre - hätte der Zweibund mit Sicherheit zurückgeschlagen.
Natürlich wurden diplomatische Fehler reichlich gemacht, aber für wirklich entscheidend halte ich die Grundsatzentscheidung die auf deutscher Seite getroffen wurde, das "Problem" irgendwie militärisch zu lösen und nicht politisch.
 
El Mercenario schrieb:
Dass Deutschland die Auseinandersetzung Russlands mit Japan gerne gesehen hätte, war aber in Russland nicht unbekannt, Wilhelm hat ja genug Briefe an Nicky den "Admiral des Pazifik" geschrieben und zur Expansion geraten. Effektive Hilfe hat das DR nie zugesagt, wie auch, wo Russland dem feindlichen Bündnis angehörte? Und dass das Handelsabkommen "aufgenötigt" wurde, dafür fehlt meines Wissens ein Beleg.

Der Krieg zwischen dem Zarenreich und Japan kam ja uch den deutschen Handelsinteressen sehr gelegen, denn noch vor Ausbruch des Krieges, war die Position Russlands günstig. Die Russen ließen sich nämlich von dem Gedanken leiten, dass das Reich, auch wenn russisches Getreide mit Schutzzöllen belegt werden würde, würde Deutschland seinen Bedarf an Getreide bei stetig wachsender Bevölkerung nicht decken können. Die zaristische Regierung war durchaus bereit Zölle bis zu einer gewissen Höhe zu akzeptieren, wollte dann aber als Kompensation Schutzzölle für die heimische Industrie fordern. Die Russen ließen sich also entsprechend viel Zeit mit dem Abschluß des Vertrages.

Das war die deutsche Seite keine soo wirklich günstige Ausgangspostion, denn eine Erhöhung der Lebensmittelpreise würde hier dann auch die Konkurrenzfähigkeit deutscher Industrieerzeugnisse entsprechend beeinträchtigen. Und erschwerend kam hinzu, das die russische Nachfrage flexibler als die deutsche war. Bülow stand unter entsprechenden Druck der ostelbischen Landwirtschaft und deren konservatisches Sprachrohr im reichstag, die vehement eine Kündigung der alten Verträge verlangten. (1)

Die Karten wurden dann aber mit Ausbruch des russisch-japanischen Krieges gründlich zugunsten Deutschlands neu gemischt, was das Reich entsprechend ausgenutzt hatte.

Das Deutsche Reich war unter dem Strich für das Zarenreich aber ein enorm wichtiger Handelspartner und das sollte bei der Betrachtung der auswärtigen Poltik der Mächte nicht übersehen werden. 1894 gingen schon 24 % des russischen Exports in das Deutsche Reich, so waren es 1902 enorme 41 %. (2)


(1) Altrichter, Konstitutionalismus und Imperialismus. Der Reichstag und die deutsch-russischen Beziehungen 1890-1914

(2) Geyer, Der russische Imperialismus
 
Mit so ene fiese Möp soll Russland sich verbünden? Kein Wunder unterlag die germanophile/anglophobe Fraktion.
Originelle Wiedergabe des internen Widerstandes gegen Björkö.
Parallel nahmen die Wirtschaftsentwicklungen aus russischer Sicht (soweit die Gütermärkte betroffen waren) einen beachtlichen Aufschwung.

Der "fiese Möp" erwies sich dann vor der Juli-Krise in der großen Aufregung bzgl. Liman von Sanders, und in der osmanischen Aufrüstung.

Koloniale Expansion war für Deutschland zu dem Zeitpunkt schon längst nicht mehr drin, sieht man mal vom lächerlichen Ergebnis der Zweiten Marokkokrise ab, insofern konnten sich gar keine neuen Reibungspunkte mit Großbritannien ergeben. ...
Hier ist eine differenzierte Sichtweise erforderlich. Die klassische koloniale Expansion wurde durch die politisch-militärisch-ökonomisch Penetration von Staaten in Interessensphären abgelöst, 1910 sind da die Methoden subtiler als 1885.

Auf den Schwellbrand ist nun schon x-mal hingewiesen worden: Osmanisches Reich und der Mittlere Osten, in den deutsche Interessen vorgetrieben wurden (mit indirekter Berührung des für Rußland sensiblen Punktes Meerengen). Das reicht für den "Reibungspunkt"; während der Persische Golf aus britischer Sicht noch 1880 der "Indienfrage" ausschließlich zugeteilt wurde, lagen auch hier die Dinge vor 1914 anders: Öl - u.a. für die britische Flotte, die sich in der Umstellung befand.

Ich habe nie behauptet, dass die Triple-Entente in sich spannungsfrei war. Der "bevorstehende Kollaps" trat dann schließlich nicht ein. Er war russischerseits auch nur als Druckmittel gedacht, um die Marinekonvention zum Abschluss zu bringen, die aus deutscher Sicht die Vollendung der Einkreisung darstellte. Ich möchte ja jetzt nicht Mao zitieren, aber noch mehr Lektüre dürfte an meiner Position auch nicht mehr viel ändern.
Das ist nicht der Stand der Forschung, lediglich der veralteten deutsch-zentrierten Literatur. Diese veraltete Sichtweise verkennt die Brisanz der anglo-russische Entwicklung.

Mao wäre die falsche Lektüre. Schröder ist neben den schon genannten Forschungsarbeiten empfehlenswert, aber ich nehme natürlich das geäußerte Desinteresse an weiterer Lektüre zur Kenntnis. Schade.
Die englisch-russische ... - Google Bücher
(leider nicht mehr zum Blättern verfügbar)
 
silesia schrieb:
Hier ist eine differenzierte Sichtweise erforderlich. Die klassische koloniale Expansion wurde durch die politisch-militärisch-ökonomisch Penetration von Staaten in Interessensphären abgelöst, 1910 sind da die Methoden subtiler als 1885.

So isses! Ergänzend läßt sich noch hinzufügen, das es dem Deutschen Reich, genauer gesagt dem Staatssekretär des AA Kiderlen-Wächter, gar nicht um dem Erwerb von zusätzlichem kolonialen Erwerg gegangen war. Es ging um eine Demütigung Frankreichs und die Aufsprengung der Entente.
 
@Turgot

Hm, das ist eine überraschende Analyse. Soweit mir bekannt hat das DR noch 1914 seinen Getreidebedarf zu 90% aus dem Inland gedeckt und war nur in Sachen Düngemittel in größerem Ausmaß aus Lieferungen aus Übersee angewiesen.
Wäre Russland als Getreidelieferant ausgefallen hätte Deutschland auf Lieferungen aus Übersee, etwa aus den USA zurückgreifen können. Getreidexporteure gab es viele, zahlungskräftige Industrienationen mit Getreide-Importbedarf nur wenige.

Wäre es zwischen Deutschland und Russland zu einer Art "Handelskrieg" gekommen, hohe Getreidezölle hier vs hohe Zölle auf Industriewaren dort, hätte das DR sein Getreide bspw. aus England importieren können. Für Russland wäre es weit schwieriger gewesen, einen neuen Abnehmer für seine Überschüsse aufzutun.

Ich würde nicht einmal die russ. Flexibilität so ohne weiteres als gegeben ansehen. Landmaschinen und Konsumgüter, die aus Deutschland kamen, mit hohen Importzöllen zu belegen und damit die Preise hochzutreiben, konnte den russischen Bauern nicht gefallen. Mangels demokratischer Vertretung konnte man die Interessen der russ. Bauern eher übergehen, aber ob das bei der explosiven Stimmung im Volk wirklich so ratsam gewesen wäre, ist die Frage.

Und der Druck der ostelbischen Junkerschaft richtete sich doch gerade gegen einen Handelsvertrag und für hohe Getreidezölle, also genau das was Russland nicht wollte. Die alten Handels-Verträge sollten nach dem Wunsch der Junker gekündigt und die Getreidezölle massiv erhöht werden. Wie sollte dieses polit. Druck auf den Reichskanzler die russische Verhandlungsposition stärken?
 
Das Thema würde eine genauere Analyse und einen eigenen thread lohnen.

Getreide ist nicht gleich Getreide, und die Unterscheidung der Lieferströme bei Brotgetreide und Futtergetreide ist wichtig. Zudem trieben die Zölle mit Export/Re-Import einige seltsame Blüten, so zB beim Roggen.
 
Das Zarenreich hätte doch auch beispielsweise seine Bedürfnisse an industriellen Erzeugnissen in Form von Maschinen oder industriellen Ausrüstungen doch auch beispielsweise in Frankreich, Großbritannien (nach 1902 wohl nicht mehr) oder gar den USA decken können. Die deutsche Industrie hatte ein lebhaftes Interesse an dem Handelsvertrag, da sie unter einen nicht zu unterschätzenden Exportzwang stand.

Das Deutsche Reich hatte "Minimalzölle" von 5 Mark pro Doppelzentner Roggen und Hafer, 5,50 für Weizen und Spelz und 3,- für Gerste vorgesehen. Die Maximalsätze betrugen 6,-, 6,50 und 4,- Mark. Mit diesen Sätzen war man den Junkern deutlich entgegengekommen

Das die Agrarier trotzdem nicht zufrieden waren, ist nicht weiter überraschend. Wann waren sie es schon einmal. Die Herrschaften fühlte sich immer gegeüber der Industrie zurückgesetzt. Entscheiden war aber, das außerhalb des BDL praktisch niemand mehr großes Verständis für die Anliegen der landwirte hatte.

Für die Reichsleitung war das innenpolitische Bedürfnis nach den Schutzzöllen einerseits und dem außenpolitischen Erfordernis einer Annäherung an Russland ein echter Spagat. Die russische Seite hat verständlicher Weise nach Bekanntwerden der angedachten Minimalzölle nur sehr mäßig amüsiert reagiert.

Ich weiß jetzt nicht wie die Einfuhrbestimmungen für Düngemittel und landwirtschaftliches Hilfsgerätschaften aussahen, aber da waren sicher auch Zölle drauf. Und das war natürlich eine "Keule" mit der Bülow gegenübe Witte hätte arbeiten können, denn diesem konnte natürlich nicht darangelgen sein, dass das Reich hier tätig werden würde. Witte war sich aber darüber im Klaren, das er letzlich nicht an die Zölle vorbei kommt und deshalb hat er die Verhandlungen verschleppt. Er war der Überzeugung, dass das Reich eben das russische Getreide benötige.
 
Richtig, den Import hätte Russland wohl auch anderweitig abdecken können, aber wie gesagt, den Export wohl nicht. Wie du ja selbst gesagt hast, war der deutsche Anteil am russischen Handel einfach viel größer als umgekehrt. Damit war der Schaden für Russland auch größer, wenn der Handel zusammenbrechen sollte.

Wieso Witte die Verhandlungen verschleppt hat ist mit nicht klar. Ohne Handelsvertrag waren die Zölle doch noch höher. Wenn das Reich das russ. Getreide benötigt hätte, dann hätte es keine Importzölle darauf erhoben. Mit Importzöllen hält man unerwünschte Waren vom eigenen Markt fern, ergo brauchte das Reich das russ. Getreide offensichtlich nicht. Die Zölle wurden ja nicht erhoben um Russland zu schädigen sondern aus "inneren" Gründen.

Mir scheint bei der russ. Empörung über die angeblich ungerechten Handelsverträge viel irrationales im Spiel zu sein.
 
Wieso Witte die Verhandlungen verschleppt hat ist mit nicht klar.

Witte wollte bessere Vertragsbedinungen herausholen, da er davon ausging, dass das Reich den Vertrag eben nötiger hätte als Russland.

Die deutschen Importzölle auf das Getreide waren innenpoltischen Zwängen geschuldet, denn die Konservativen wurde an anderer Stelle wie beispielsweise der Zustimmung zu den Flottengesetzen benötigt. Die Herren haben in diese Richtung ja auch ganz unverhohlen gedroht.

An den Zöllen als solchen ging also gar kein Weg vorbei; es ging lediglich nur noch um die Höhe, und die durfte eben nicht zu hoch ausfallen, da man zu jener Zeit um eine Annäherung an das Zarenreich bemüht war und deshalb die Russen nicht vor den Kopf stoßen wollte.

In welchem Ausmaße Russland nun auf andere Handelspartner für seinen Export hätte ausweichen können, kann ich in Moment nicht beantworten, aber das Reich war sicher nicht der einzige Abnehmer.
 
Effektive Hilfe hat das DR nie zugesagt, wie auch, wo Russland dem feindlichen Bündnis angehörte?
Wozu es 1905 auch noch gar nicht in der Lage war. Das DR hätte stattdessen 1904 besser R vor einem Krieg gewarnt, aber mit dem Unterton "pass mal auf, wenn wir uns zusammentun..."

Und dass das Handelsabkommen "aufgenötigt" wurde, dafür fehlt meines Wissens ein Beleg.
Hören wir hierzu doch Turgot:
Die Karten wurden dann aber mit Ausbruch des russisch-japanischen Krieges gründlich zugunsten Deutschlands neu gemischt, was das Reich entsprechend ausgenutzt hatte.
Jedenfalls nutzte Deutschland die kriegsbedingte außenpolitisch-militärische Zwangslage Russlands für besonders günstige Handelsbedingungen aus. Meine Schlussfolgerungen bleiben: Durch die ungenügende Unterstützung war Deutschland für Russland als Bündnispartner ungeeignet, durch die egoistische (Ver-)Handlungsweise als Bündnispartner unerwünscht.

Bis 1911 nicht, aber danach schon, da dem DR schlicht das Geld für die Flottenrüstung ausging.
GB machte dennoch weiter Druck in die Richtung. Deutschland war aber zu einem Flottenabkommen trotz finanzieller Zwangslage nicht bereit.

Der Verzicht auf den Schlachtflottenbau war nun einmal Grundvorraussetzung für ein Abkommen von GB und Deutschland. Ich kann nicht einerseits eine Schlachtflotte gegen England bauen und andererseits von England Hilfe gegen den Zweiverband erwarten, oder auch nur Neutralität. Da hätten sich die Deutschen schon entscheiden müssen, ob sie sich nun mit GB anlegen wollen oder nicht.
Ist die Frage, ob Deutschland sich das wirklich hätte gefallen lassen sollen. Prinzipiell hat Land A genausoviel Recht eine Flotte zu bauen wie Land B. Dass die Flotte gegen England gerichtet war, konnte England nur annehmen, aber nicht sicher wissen. Außerdem: GB hätte sich auch voll auf seine erfolgreiche Politik/Produktionsweise "two keels for one" verlassen können. So gesehen war das Knüpfen von Bündnissen, oder wie immer man diese Übereinkommen nennen mag, von Großbritannien gegen Deutschland so überflüssig wie kontraproduktiv.

Was GB anzubieten hatte, waren Kolonien in Afrika: Angola, die Aufteilung belgisch Kongos.
Wie in meinem Szenario eine Vereinbarung zu Lasten Dritter. Nur, dass hier nicht Asiaten, sondern andere Europäer die Opfer sind. Macht die Sache nicht einfacher. Ein derartiges Angebot hätte außerdem von Seiten GBs kommen müssen. Kam aber nie.

Das habe ich auch nicht behauptet, aber ein Bündnis hatte GB auch nicht mit Frankreich oder Russland. Ich sehe aber schon die Möglichkeit einer Entente, wenn Deutschland glaubhaft machen konnte, den Status quo in Europa und außerhalb nicht militärisch anfechten zu wollen.
Ist jetzt die Frage, wie man "Bündnis" definiert. Mit Verträgen spätererer Zeit waren die "Bündnisse" sicher nicht vergleichbar. Aber es war doch so: Erst gibt es irgendwelche Übereinkommen, dann engere Beziehungen und Handeln mit der gleichen Zielsetzung, dann erste Verhandlungen zwischen den Generalstäben, dann +/- konkrete Vereinbarungen über Truppenunterstützung...
Deutschland wollte sich nun mal auf den Weg zur Weltmacht begeben, ohne wirklich aus eigener Kraft das Potential dazu zu haben...(Fortsetzung unten)

GB wurde aber durch den Schlachtflottenbau ins Gegnerlager getrieben. Wobei ich das "feste Gleichgewicht" auch nicht so wirklich sehe, das militärische Potential der vier Mächte schwankte doch sehr stark. 1905 war Russland z.B. quasi als Militärmacht ausgefallen.
...dachte aber nie daran, das auch mit militärischen Mitteln umzusetzen, sonst hätte es das 1905 machen können, hat es aber nicht. Der Schlachtflottenbau konnte GB nie wirklich gefährden. Die Positionierung GBs im Gegnerlager hatte also andere Gründe.

Im Grunde war die Lage des Deutschlands militärisch relativ ungefährdet, solange sich das DR nicht auf ein napoleonischen Krieg einlässt, sondern sich mit dem Status quo zufrieden gibt. Die gegnerische Koalition, die Triple-Entente war viel zu heterogen um einen gemeinsamen koordinierten Angriff wirklich zustande zu kriegen.
Da magst Du zwar Recht haben, man sah es im Deutschland der damaligen Zeit aber anders.

GB war in jeder Hinsicht, was Bevölkerung, Industrie, Wirtschaft und Finanzen angeht, die mächtigste der Großmächte 1914 (USA mal außen vor) aber GB war im Grunde an einem europäischen Krieg nicht interessiert, sondern am Status quo.
Woran GB interessiert war, war primär der Erhalt seines Empire. Dazu musste insbesondere die russische Bedrohung von Indien genommen werden. GB befand sich wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast, auch gegenüber D, und musste sich was einfallen lassen. Es war also am Zusammenprall der Interessen Ds und Rs auf dem Balkan interessiert. Was nicht notwendigerweise Krieg bedeuten musste, aber sehr wohl konnte.

Hier ist eine differenzierte Sichtweise erforderlich. Die klassische koloniale Expansion wurde durch die politisch-militärisch-ökonomisch Penetration von Staaten in Interessensphären abgelöst, 1910 sind da die Methoden subtiler als 1885.
So isses! Ergänzend läßt sich noch hinzufügen, das es dem Deutschen Reich, genauer gesagt dem Staatssekretär des AA Kiderlen-Wächter, gar nicht um dem Erwerb von zusätzlichem kolonialen Erwerg gegangen war.
Sagt das mal dem El Mercenario mit seinem "Angola-Kongo-Angebot". Im übrigen stützt das meine Sichtweise einer hypothetischen deutsch-russischen Zusammenarbeit. Dabei hätte sich natürlich auch immer das Problem gestellt, wer da jetzt Koch und wer Kellner ist.

Es ging um eine Demütigung Frankreichs und die Aufsprengung der Entente.
Ach ne. Aufsprengung! Aber wie das? Ohne Einkreisung?

Auf den Schwellbrand ist nun schon x-mal hingewiesen worden: Osmanisches Reich und der Mittlere Osten,...
Da missverstehst Du mich. Ich habe das extra weggelassen, weil wir an dem Punkt keine Differenzen haben.

Das ist nicht der Stand der Forschung, lediglich der veralteten deutsch-zentrierten Literatur. Diese veraltete Sichtweise verkennt die Brisanz der anglo-russische Entwicklung. Schröder ist neben den schon genannten Forschungsarbeiten empfehlenswert, aber ich nehme natürlich das geäußerte Desinteresse an weiterer Lektüre zur Kenntnis. Schade.
Leute, ich bin NUR Hobby-Historiker. Ich kann weder ganz neue Sachen kennen, noch bin ich in der Lage, mir mal einfach so 790 Seiten "Schröder" o.ä. reinzuziehen. Deshalb mache ich mal folgende Empfehlung: Ein neuer Thread zur Gegenüberstellung dessen, was hier "veraltet" und was "Stand der Forschung" ist. Was hältst Du davon?
Im Übrigen sehe ich, wie ich schon sagte, die Auswirkung dieser "Brisanz" auf die kriegsauslösenden Ereignisse von 1914 nicht. Insbesondere gab es keine deeskalierende Wirkung einer britisch-russischen Krise auf die Krise zwischen Russland und Österreich-Ungarn. Außer der zeitlichen Belastung der andere Grund für mein Desinteresse an einschlägiger Lektüre.



@HolgerXX

Du vertrittst eine eine Meinung, trägst hier Ansichten vor, die dazu geeignet sind, den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entweder souverän komplett zu ignorieren oder einfach kurzer Hand umzuschreiben. Nur: Wunschdenken ist in einer Diskussion zu geschichtlichen Themen nicht angesagt.

Eine weitere Diskussion ergibt keinen Sinn mehr, weil du auch absolut resitent gegen Argumente bist, die nicht deinen persönlichen Vorstellungen entsprechen; nur das diese mit der historischen Wirklichkeit nichts zu tun haben.

A) denke ich, dass ich Dir auch schon ein paar mal Recht gegeben habe, siehe z.B. hier ganz oben
B) habe ich mehrfach betont, dass manche Diskussionspunkte nicht Kenntnis-, sondern Interpretationssache sind
C) widersprichst Du Dir meiner bescheidenen Ansicht nach manchmal selbst
D) tätest Du deshalb gut daran, erst mal sicherer zu argumentieren
E) wenn es wirklich um Fakten geht, könnt Ihr die ja gern auf den Tisch legen, wie ich schon oben zu Silesia sagte.


Grüße, Holger
 
Es [in diesem Fall GB] war also am Zusammenprall der Interessen Ds und Rs auf dem Balkan interessiert. Was nicht notwendigerweise Krieg bedeuten musste, aber sehr wohl konnte.

E) wenn es wirklich um Fakten geht, könnt Ihr die ja gern auf den Tisch legen

Das scheint, aus meiner Sicht, der bisher wichtigste Punkt in Deinen Ausführungen zu sein, weil es für mich persönlich Deine restlichen Ausführungen endlich erklärt.

Eine ausgesprochen gewagte These, wie ich meine, für die sicherlich auch Literatur, Quellen bzw. Dokumente vorhanden sind, um ein wenig Deiner eigenen Forderung nachzukommen, oder gehört diese These in den Bereich Deiner Interpretation?
 
Zuletzt bearbeitet:
Irgendwie haben mich die letzten Beiträge abgehängt...

Einerseits wird die Entwicklung seit den 1880ern bemüht, andererseits werden der Reichsregierung zielgerichtete Handlungen unterstellt, die Begründung dafür verliert sich aber in vielen Details.

Ich sehe nicht, wie und vor allem warum das Deutsche Reich einen Krieg zwischen Japan und Russland hätte herbeiführen wollen. Zum einen ist das Risiko der Aufdeckung groß und würde mehr schaden als eventuell gewonnen werden könnte. Zum anderen waren viele Gegensätze zwischen den Großmächten klar und brauchten kaum der Mitwirkung der Reichsregierung. Zum anderen waren die Themen Freihandel und Protektionismus einem stetigen Wandel unterworfen, je nachdem welche Fraktion in den verschiedenen Ländern gerade stärker war.

Daher kann ich kein herbeiführen erkennen, wohl aber ein "wir hätten nichts dagegen und wollen daraus Vorteile holen". Verbunden mit dem üblichen Geschick der deutschen Diplomaten sind natürlich nicht nur positive Eindrücke überliefert...

Aber auch andere Länder fühlten sich stark und waren daher nicht zu größeren Kompromissen bereit. Internationale Zusammenarbeit hatte damals noch ganz andere Grundlagen, so waren die Volkswirtschaften nicht so gekoppelt, das Verständnis vieler Mechanismen noch sehr begrenzt und Meinungen noch viel wichtiger gegenüber Fakten als z.B. im Vergleich mit heute.

Solwac
 
[...]Außerdem: Sah Großbritannien nicht Deutschland als imperialen Hauptgegner an? Suchte nicht Großbritannien Ausgleich mit jedermann, nur nicht mit Deutschland? (ich weiß, jetzt kommt gleich wieder 1912/13) Welche koloniale Expansion hätte Großbritannien Deutschland denn anbieten können? Oder wollen? Und hätte die britische Presse jedes neue deutsche Kriegsschiff mit Schlagzeilen wie "Hach, was wieder für ein toller Schlachtkreuzer!" feiern sollen?[...]

Also abgesehen davon, daß zu diesen Thema eine intensive Faktenschlacht nicht gerade zur Übersichtlichkeit beiträgt, sei doch erwähnt, daß die Problematik des britischen Naval Scare nicht erst mit dem deutsch-britischen Wettrüsten ab 1906/07 aufgekommen ist.
Die Historie in Flottenfragen kommt immer dann auf, wenn die eigene Flotte augenscheinlich nicht in der Lage wäre, eine Invasion abzuwehren. Eigentlich die britische Ur-Angst.

Aber noch bis 1906 stellte das deutsche Flottenrüsten absolut keine Bedrohung für Großbritannien dar.
Der Schnitt kam erst nach 1907, als auch die deutsche Flottenrüstung relativ schnell den neuen Anforderungen im Kriegsschiffbau folgen konnte bzw. mit der britischen Technik gleich zog!

Doch da war der russisch-japanische Krieg bereits Geschichte und diente im Blick auf die militärische Auswertung nur dazu, gerade die neue Technik im Kriegsschiffbau zu rechtfertigen...

Somit hat das Wettrüsten zwischen Deutschland und Großbritannien nach 1907 mit der Eingangsthematik eigentlich nichts zu tun.
 
HolgerXX schrieb:
D) tätest Du deshalb gut daran, erst mal sicherer zu argumentieren

Diese Empfehlung gebe ich dringend postwendend zurück, verbunden mit der Bitte nicht zu fantasieren und zu spekulieren, sondern Argumente , die sich an den gegebenen Fakten orientieren zu präsentieren. Das Argument, du bist "nur" Hobbyhistoriker" zieht nicht, denn das ist hier,für mich, @silessia, @Köbis usw. auch zutreffend. Wenn du aber, aus welchen Gründen auch immer, kein Interesse daran hast, dich mit dem aktuellen Forschungsstand auseinanderzusetzten, dann sollte man wenigsten denen Glauben schenken, die genau das, und das über viele Jahre hinweg, getan haben.

Und einmal ganz allgemein: Die poltische, diplomatische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschichte des Kaiserreichs ist wirklich hervorragend erforscht, so das hier kaum Raum für Interpretationen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] so das hier kaum Raum für Interpretationen ist.

Ach das ist aber Schade, denn micht hätte doch dringend interessiert, wie der Krieg oder Kriegsbeginn verlaufen wäre, wenn z.B. die Detachierte Division mit den modernen Linienschiffen Kaiser und König Albert August 1914 noch auf hoher See untwegs gewesen wären, oder der Große Kreuzer Moltke noch als Ersatz für Gneisenau 1914 zum Ostasiengeschwader gestoßen wäre.

Oder was für ein Spektakel hätte es gegeben, wenn die Franzosen mit ihren modernen Linienschiffen France und Jean Bart, mit dem Staatspräsidenten Poincaré an Bord, nach Kriegsbeginn durch die Ostsee geschippert wären...

Oder die russsiche Flotte die modernen Linienschiffe der Gangut-Klasse offensiv eingesetzt hätte...

Ja, Fragen über Fragen und keine Antwort?:cry:
 
HolgerXX schrieb:
Wozu es 1905 auch noch gar nicht in der Lage war.

Belege bitte.

Jedenfalls nutzte Deutschland die kriegsbedingte außenpolitisch-militärische Zwangslage Russlands für besonders günstige Handelsbedingungen aus

Das hätte das Zarenreich oder jede anderer Macht in der damaligen Zeit wahrscheinlich auch getan. Ich möchte hier nur an das Auftreten und Verhalten Russlands beispielsweise in Persien nach 1907 erinnern. Das war auch nicht gerade vornehm.

HolgerXX schrieb:
Ist die Frage, ob Deutschland sich das wirklich hätte gefallen lassen sollen. Prinzipiell hat Land A genausoviel Recht eine Flotte zu bauen wie Land B. Dass die Flotte gegen England gerichtet war, konnte England nur annehmen, aber nicht sicher wissen. Außerdem: GB hätte sich auch voll auf seine erfolgreiche Politik/Produktionsweise "two keels for one" verlassen können. So gesehen war das Knüpfen von Bündnissen, oder wie immer man diese Übereinkommen nennen mag, von Großbritannien gegen Deutschland so überflüssig wie kontraproduktiv.

Ein Blick auf die damalige Weltkarte zeigt uns ein paar interessante Tatsachen. Großbritannien war ein Inselreich mit einem weltweiten Kolonialreich. Es benötigte zum Schutz der Heimat aber selbstverständlich auch der Kolonien, für die Wahrnehmnung seiner wirtschaftliche Interessen, hier eben der Handel, eine große Flotte. Das Deutsche Reich war eine Festlandsmacht mit einer quasi halbhegomonialen Stellung in Europa. Zum Schutze der Küsten war sicher keine Flotte der Größenordenung wie Tirpitz sie anstrebte erforderlich und für den Schutz des Handels ganz sicher auch nicht. Dazu fehlte es dem Deutschen Reich schon an Stützpunkten; Stichworte sind hier Bekohlung und die notwendigen Werften. In der Vergangenheit hatte man ohne Probleme britische Stützpunkte, ja sogar britischen Schutz für die eigene handelsschiffahrt in Anspruch genommen. Die deutsche Öffentlichkeit wurde schon ein wenig für dumm verkauft, wenn es die offiziellen Argumente für den Schlachtflottenbau zu hören bekam.

Diese Tatsachen waren natürlich auch den Briten bekannt. Das Deutsche Reich wollte mit Hilfe der Flotte seinm Anspruch auf Weltmacht nachdrücklich geltend machen.Zum Status einer Weltmach gehörten im Zeitalter des Imperialismus u.a.Kolonien und über das größte Kolonialreich gebot Großbritannien.

Nach Lage der Dingen konnte dieser deutsche Anspruch nur zu Lasten der anderen Weltmächte, hier eben Großbritannien, gehen. Großbritannien war aber eben nicht bereit so ohne weiteres das Feld zu räumen. Lesen wir hierzu einmal Auszüge aus Bülows Reichtstagrede vom 06.12.1897:

"Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde übeließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin thron, diese Zeiten sind vorüber." (1)

Das ist doch eine sehr deutliche Aussage.

Und nicht zu vergessen, die deutsche Schlachtschifflotte wurde von Tirpitz so konzipiert, das sie die Entscheidungsschlacht gegen die Royal Navy in der Deutschen Bucht schlagen konnte und sollte. Der Aktionsradius reichte auch nicht wesentlich weiter. Da war also nicht groß mit Schutz der Handelsinteressen in Übersee. Wilhelm hatte den Briten ja auch die Flotte anläßlich der Kieler Woche vorgeführt, worüber Tirpitz stinkesauer war.


HolgerXX schrieb:
GB machte dennoch weiter Druck in die Richtung. Deutschland war aber zu einem Flottenabkommen trotz finanzieller Zwangslage nicht bereit.


In vielen vorherigen Beiträgen wurde immer wieder erwähnt, weshalb Großbritannien ein Intersse daran hatte, mit dem Deutschen Reich zu einem Ausgleich zu gelangen; dem konnte sich auch ein Grey nicht verschließen. Das es nicht dazu gekommen ist, ist das Versagen und der Schuld der Reichsleitung, hier insbesondere das von Tirpitz.

=HolgerXXIst die Frage, ob Deutschland sich das wirklich hätte gefallen lassen sollen. Prinzipiell hat Land A genausoviel Recht eine Flotte zu bauen wie Land B. Dass die Flotte gegen England gerichtet war, konnte England nur annehmen, aber nicht sicher wissen. Außerdem: GB hätte sich auch voll auf seine erfolgreiche Politik/Produktionsweise "two keels for one" verlassen können. So gesehen war das Knüpfen von Bündnissen, oder wie immer man diese Übereinkommen nennen mag, von Großbritannien gegen Deutschland so überflüssig wie kontraproduktiv.

Die Frage ist falsch gestellt. Sie muss lauten, sollte sich Großbritannien als Weltmacht von dem Newcomer Deutschland so herausfordern lassen? Die Antwort kennst du. Und im Zeitalter des Imperialismus hatte eben Land A höchstens das theoretische Recht so viele Kriegsschiffe zu bauen wie Land B. Und wenn land B das nicht gefällt, wird die Flotte von Land A auch schon mal versenkt, so lange sie nicht fertig und somit keine Bedrohung darstellt. Auswärtige Politik hat damals ganz anders funktioniert als heute. Auswärtige Politik war u.a. auch knallharte Machtpolitik.

(1) Fürst Bülows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik. Mit Erlaubnis des Reichskanzlers gesammelt und herausgegeben von Johannes Penzler. I. Band 1897–1903.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ach das ist aber Schade, denn micht hätte doch dringend interessiert, wie der Krieg oder Kriegsbeginn verlaufen wäre, wenn z.B. die Detachierte Division mit den modernen Linienschiffen Kaiser und König Albert August 1914 noch auf hoher See untwegs gewesen wären, oder der Große Kreuzer Moltke noch als Ersatz für Gneisenau 1914 zum Ostasiengeschwader gestoßen wäre.

Oder was für ein Spektakel hätte es gegeben, wenn die Franzosen mit ihren modernen Linienschiffen France und Jean Bart, mit dem Staatspräsidenten Poincaré an Bord, nach Kriegsbeginn durch die Ostsee geschippert wären...

Oder die russsiche Flotte die modernen Linienschiffe der Gangut-Klasse offensiv eingesetzt hätte...

Ja, Fragen über Fragen und keine Antwort?:cry:

Na ja, du begibt dich mit deinen Ausführungen in den spekulativen Bereich, nach dem Motto, was wäre wenn......, aber das weißt du ja sicher.:winke:
 
Also abgesehen davon, daß zu diesen Thema eine intensive Faktenschlacht nicht gerade zur Übersichtlichkeit beiträgt, sei doch erwähnt, daß die Problematik des britischen Naval Scare nicht erst mit dem deutsch-britischen Wettrüsten ab 1906/07 aufgekommen ist...
Aber noch bis 1906 stellte das deutsche Flottenrüsten absolut keine Bedrohung für Großbritannien dar. Der Schnitt kam erst nach 1907, als auch die deutsche Flottenrüstung relativ schnell den neuen Anforderungen im Kriegsschiffbau folgen konnte bzw. mit der britischen Technik gleich zog!

Hierzu eine Anmerkung: sofern es um die britische Wahrnehmung der deutschen Flottenrüstung geht, ist auf die Rüstungsprogramme und die Haushaltspläne abzustellen, die sehr genau beobachtet wurden. Von den Reaktionen zu den "Kiellegungen" sind daher gewisse zeitliche Verwerfungen zu beobachten. Andere Zuspitzungen wie 1909/10 sind dagegen wieder auf die wahrgenommenen Kiellegungen/Stapelläufe zurückzuführen.
 
Ist die Frage, ob Deutschland sich das wirklich hätte gefallen lassen sollen. Prinzipiell hat Land A genausoviel Recht eine Flotte zu bauen wie Land B. Dass die Flotte gegen England gerichtet war, konnte England nur annehmen, aber nicht sicher wissen.

Eine Korrektur: dass die deutsche Flottenrüstung gegen Großbritannien gerichtet war, daran herrschte in Großbritannien seit dem ersten Flottengesetz 1898 nicht der leiseste Zweifel, auch wenn die "Nordsee" zunächst nicht einmal im Fokus stand (das ist eher eine Entwicklung nach 1904). In den DFBP-Akten sind übrigens haufenweise Analysen zu finden, die sich mit der Stützpunktfrage und der britischen Gegenpolitik gegen deutsche Optionen auf solche (Kanal-Westafrika-Kap-Ostafrika) zu finden.

Außerdem: GB hätte sich auch voll auf seine erfolgreiche Politik/Produktionsweise "two keels for one" verlassen können.
"GB hätte sich ..." Das GB gibt es nicht.
Bereits der Hinweis ist aufgrund der Regierungswechsel problematisch. 1906/1909 fuhr man eine Politik zugunsten der Sozialausgaben, bis man in der Öffentlichkeit realisierte, in Rückstand zu geraten.


So gesehen war das Knüpfen von Bündnissen, oder wie immer man diese Übereinkommen nennen mag, von Großbritannien gegen Deutschland so überflüssig wie kontraproduktiv.
Es gab britischerseits zwei koloniale/imperialistische Interessenausgleiche sowie ein anti-russisches Bündnis mit Japan. Wenn man in Deutschland die These vertrat, sie seien gegen das Deutsche Reich gerichtet, ist dies dem Umstand geschuldet, dass man deutscherseits nun nicht mehr wie zu Bismarcks Zeiten von Friktionen zwischen den anderen Mächten leben und damit für die Durchsetzung eigener Interessen spielen konnte.

Die deutsche Kriegsschuldliteratur der 1920er hat sich dann intensiv und erfolglos damit beschäftigt, den Briten 1904/1907 antideutsche Bündnisse zu unterstellen.

Der Schlachtflottenbau konnte GB nie wirklich gefährden.
Das ist falsch, weil der Ausgang nicht nur vom deutsch-britischen Rüstungswettlauf abhängt, sondern auch von der weiteren politischen Großwetterlage. 1914 im Zuge der letzten britisch-russischen Gespräche herrschte Aufregung über die russischen Rüstungsprogramme auf britischer Seite, und die Perspektive eines dt.-russischen Bündnisses. 1912 waren jedenfalls die Verhältnisse noch so eng gewesen, dass man sich - einmaliger Vorgang! - quasi aus dem Mittelmeer flottenseitig zurückzog. Der kürzeste Seeweg nach Indien war damit der französischen Flotte überlassen, ein ungeheuerlicher Vorgang für die britische Politik. Das zeigt bereits, wie diese Nordsee-Flottenrüstung Großbritannien regelrecht an die Seite Frankreichs quetschte.

Die Positionierung GBs im Gegnerlager hatte also andere Gründe.
GB befand sich wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast, auch gegenüber D, und musste sich was einfallen lassen. [1]

Es war also am Zusammenprall der Interessen Ds und Rs auf dem Balkan interessiert. Was nicht notwendigerweise Krieg bedeuten musste, aber sehr wohl konnte.[2]
[1] das ist falsch, auch wenn es neuerdings in einzelnen oberflächlichen Darstellungen wie von Ferguson wieder kolportiert wird. Ein Tipp: hier sollte man auf rein wirtschaftshistorische Monographien zurückgreifen, die von Verursachungsdebatten nicht ideologisch aufgeladen sind. Es öffnet sich der Blick, wenn man Fakten nicht selektiv präsentiert bekommt.

[2] das Interesse mag es temporär gegeben haben, temporär auch nicht (Management der Balkankrisen). Für den Zusammenprall bedurfte es keiner Einwirkung Großbritanniens (die im Übrigen nirgends nachweisbar ist), sondern der Gegensatz wurde von D und RUS bereits selbst betrieben. Die deutsche Interessenpolitik auf dem Balkan (ROM, diverse Anleihen selbst für Serbien und Griechenland, Einwirkung auf Bulgarien etc.) war insoweit höchst logisch, wenn man die imperiale Einflußnahme durch militärisches, ökonomisches und politisches Engagement im Osmanischen Reich verfolgte. Der Balkan liegt eben zwischen Berlin und Bagdad.
 
[...]Von den Reaktionen zu den "Kiellegungen" sind daher gewisse zeitliche Verwerfungen zu beobachten. [...]

Ja?...Welche? Vor allem im Bezug auf die deutsche Flottenrüstung?

Die Duncan-Klasse (6 Linienschiffe) wurde mit dem Ergänzungshaushalt von 1898 genehmigt. Die nächsten Linienschiffneubauten wurden aber erst mit bzw. ab dem Haushalt 1901/02 genehmigt, mit der King Edward VII- Klasse (8 Linienschiffe), wobei ca. Hälfte dieser Schiffe erst ab 1904 auf Kiel gelegt wurden.

Da sieht mir mehr nach einer Anpassung an die außenpolitischen Situaionen vor allem im Bezug auf den russisch-japanischen Krieg, als auf das zweite deutsche Flottengesetz von 1900.
 
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