EL_Mercenario
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Dass Deutschland die Auseinandersetzung Russlands mit Japan gerne gesehen hätte, war aber in Russland nicht unbekannt, Wilhelm hat ja genug Briefe an Nicky den "Admiral des Pazifik" geschrieben und zur Expansion geraten. Effektive Hilfe hat das DR nie zugesagt, wie auch, wo Russland dem feindlichen Bündnis angehörte? Und dass das Handelsabkommen "aufgenötigt" wurde, dafür fehlt meines Wissens ein Beleg.Wer trägt denn mit zweifelhaften diplomatischen Noten zum Ausbruch des Russisch-Japanischen Krieges bei, wie Du das selbst hier so virtuos darstellst? Wer ist denn nicht in der Lage, in diesem Krieg effektive Hilfe für Russland zu leisten? Wer nötigt Russland denn unter Ausnutzung der Kriegssituation ein dort äußerst unbeliebtes Handelsabkommen auf? Mit so ene fiese Möp soll Russland sich verbünden? Kein Wunder unterlag die germanophile/anglophobe Fraktion.
Bis 1911 nicht, aber danach schon, da dem DR schlicht das Geld für die Flottenrüstung ausging.und die Krisen bis 1911, wo GB regelmäßig gegen D Partei nahm, zeigen, dass von Entspannung keine Rede sein kann.
Der Verzicht auf den Schlachtflottenbau war nun einmal Grundvorraussetzung für ein Abkommen von GB und Deutschland. Ich kann nicht einerseits eine Schlachtflotte gegen England bauen und andererseits von England Hilfe gegen den Zweiverband erwarten, oder auch nur Neutralität. Da hätten sich die Deutschen schon entscheiden müssen, ob sie sich nun mit GB anlegen wollen oder nicht.Außerdem: Sah Großbritannien nicht Deutschland als imperialen Hauptgegner an? Suchte nicht Großbritannien Ausgleich mit jedermann, nur nicht mit Deutschland? (ich weiß, jetzt kommt gleich wieder 1912/13) Welche koloniale Expansion hätte Großbritannien Deutschland denn anbieten können? Oder wollen? Und hätte die britische Presse jedes neue deutsche Kriegsschiff mit Schlagzeilen wie "Hach, was wieder für ein toller Schlachtkreuzer!" feiern sollen?
Was GB anzubieten hatte, waren Kolonien in Afrika: Angola, die Aufteilung belgisch Kongos.
Das habe ich auch nicht behauptet, aber ein Bündnis hatte GB auch nicht mit Frankreich oder Russland. Ich sehe aber schon die Möglichkeit einer Entente, wenn Deutschland glaubhaft machen konnte, den Status quo in Europa und außerhalb nicht militärisch anfechten zu wollen.Ich habe keinerlei Kenntnis von Sachverhalten, nach denen nach 1901 wirklich ein BÜNDNIS zwischen GB und D auf der Tagesordnung gestanden hätte.
GB wurde aber durch den Schlachtflottenbau ins Gegnerlager getrieben. Wobei ich das "feste Gleichgewicht" auch nicht so wirklich sehe, das militärische Potential der vier Mächte schwankte doch sehr stark. 1905 war Russland z.B. quasi als Militärmacht ausgefallen.D-ÖU einerseits und R-F andererseits bildeten ein äußerst festes militärisches Gleichgewicht. Vorausgesetzt, niemand Fünftes mischt sich ein. Das Gleichgewicht setzt also STRIKTESTE NEUTRALITÄT Großbritanniens voraus. Das Kriegsrisko ist also in beiden Fällen genau gleich groß, egal, für welches Lager sich Großbritannien entscheidet. Es hätte sich am besten ganz rausgehalten.
Und genau da sehe ich die Dinge anders. Nicht die "Politik der freien Hand" hat das DR in die Katastrophe geführt, der Angriff auf Belgien im August 1914 hat in die Katastrophe geführt.Ich gehe nun mal von den Überlegungen aus, dass die "Politik der freien Hand" in die Katastrophe geführt hat und ein Bündnis Deutschlands mit Großbritannien die Interessen beider Länder nicht bedient hätte. Was bleibt, wäre ein Bündnis mit Russland gewesen, so unrealistisch sich das auch darstellt.
Im Grunde war die Lage des Deutschlands militärisch relativ ungefährdet, solange sich das DR nicht auf ein napoleonischen Krieg einlässt, sondern sich mit dem Status quo zufrieden gibt. Die gegnerische Koalition, die Triple-Entente war viel zu heterogen um einen gemeinsamen koordinierten Angriff wirklich zustande zu kriegen. Nur wenn man die anderen Großmächte zum Existenz-Kampf herausforderte bestand wirklich Gefahr.
GB war in jeder Hinsicht, was Bevölkerung, Industrie, Wirtschaft und Finanzen angeht, die mächtigste der Großmächte 1914 (USA mal außen vor) aber GB war im Grunde an einem europäischen Krieg nicht interessiert, sondern am Status quo. Den hat das DR durch den Schlachtflottenbau und den Angriff auf Belgien umstürzen wollen, dafür war es aber nicht mächtig genug, womit der Ausgang im Grunde klar war.
Einen Verzweiflungsangriff des Zweiverbandes wegen einer Annäherung an GB - wenn er denn überhaupt erfolgt wäre - hätte der Zweibund mit Sicherheit zurückgeschlagen.
Natürlich wurden diplomatische Fehler reichlich gemacht, aber für wirklich entscheidend halte ich die Grundsatzentscheidung die auf deutscher Seite getroffen wurde, das "Problem" irgendwie militärisch zu lösen und nicht politisch.