Ich würde schon ganz gerne mal in die griechische Antike reinschnuppern, so ins 4. oder 3. Jhd. vor Chr. vielleicht. Besuchsweise. Wenn ich in einer Zeit vor ca. 1850 n. Chr. leben müßte, stände die griechische Antike auch ganz oben. Ein Reicher müßte ich nicht unbedingt sein, aber ein freier Mann mindestens der Mittelschicht sollte es schon sein. Ich würde mich wahrscheinlich militärisch betätigen. Allerdings sollte man schon die Nachteile eines Lebens in alter Zeit kennen. Vieles ging nicht, vieles war erheblich anstrengender, vieles war (noch) ungerechter als heute. Einiges war auch spannender als heute, das liegt aber im individuellen Geschmack.
Zu den Lebensumständen und zur Medizin: Das Mittelalter und die Antike kann man schon in gewisser Weise vergleichen. Die durchschnittlichen Lebensumstände im Mittelalter, gerade der Bauern, waren vielleicht etwas besser, aber viel hat sich das nicht genommen. In beiden Zeiten, besonders aber der Antike, war die Wirtschaft fast statisch, von einem Wirtschaftswachstum kann man kaum sprechen. Daher war die Gesellschaft grundsätzlich mit viel Armut durchsetzt.
Ansonsten muß man hier sehr auf die jeweilige Gruppe oder Schicht, Gegend und Situation abstellen. Das Leben in einer klimatisch netten, kleinasiatiaschen griechischen Stadt mit geplanter Kanalisation im 3. Jhd. v. Chr. war wohl angenehmer als in einer deutschen Stadt des 13. oder 14. Jhd. n. Chr.. Im klassischen Athen des 5. Jhd. v. Chr. gab es aber z.B. wenig sanitäre Einrichtungen und wenig bequeme Wohnhäuser.
Das Leben vor der Industriealisierung der Welt mit ihrem enormen Zuwachs an Reichtum und der naturwissenschaftlichen Fundierung der Medizin im 19. Jhd. kann hinsichtlich der gesundheitlichen Bedingungen grob recht einheitlich gesehen werden. Während bei Brüchen und Verletzungen, die nicht wichtige Organe betrafen, eine erstaunlich leistungsfähige Medizin bestand, die wegen der Erfahrungen in den vielen Kriegen große Kenntnisse besaß, stand man allem, was großen Blutverlust oder Sepsis mitbrachte, mehr oder weniger hilflos gegenüber.
Auch auf einem anderen gesundheitlichen Gebiet waren die alten Griechen so hilflos wie ihre Vorfahren und Nachkommen auch. Der große Killer der Menschheit war seit dem Zusammenleben in größeren Gruppen bis gegen Ende des 19. Jhd. n. Chr. immer der gleiche: Bakterien und Viren, die Infektionskrankheiten verursachten. Die Verluste in allen Kriegen durch Waffen sind absolut lächerlich gegen die Toten, die durch Krankheiten verursacht wurden. Hier waren alle Gesellschaften machtlos, soweit es die Behandlung betraf, man konnte nur mit allgemeinen Quarantänemaßnahmen ein bißchen ausrichten. Man macht sich heute oft keine Vorstellung, wie stark Antibiotika und Impfungen unser Leben verändert haben, und nimmt die Zurückdrängung der Infektionskrankheiten als selbstverständlich an.
Die griechische Medizin löste sich generell zwar von magischen Vorstellungen, die weiter im Osten verbreitet waren, ersetzte diese aber vielfach durch pseudowissenschaftlichen Unsinn (Säftelehre z.B.), der sich großteils durchs Mittelalter zog und erst ab dem 16. Jhd. n. Chr. einigermaßen überwunden wurde.
Die durchschnittliche Lebenserwartung für die griechisch-römische Antike kann man mit ca. 22 bis 27 Jahren annehmen. Die Ermittlung ist wegen der geringen Datenbasis (Skelettfunde sind z.B. selten) schwierig, insofern ist die Zahl recht grob. In die Zahl geht natürlich die hohe Kindersterblichkeit ein. Wer 20 Jahre alt wurde, konnte mit ca. weiteren 20 bis 25 Lebensjahren rechnen. Natürlich gab es auch ältere Menschen über 50 bis 60 Jahren, aber die Luft wurde da dünner und man brauchte eine robuste Gesundheit. Für das europäische Mittelalter liegen die Zahlen etwas höher, sind aber vergleichbar.
Falls Du immer noch Lust hast, in die Antike reinzuschnuppern, kannst Du ja mal Reenactment versuchen, man erhält dadurch einen winzigen Einblick in bestimmte Umstände von damals, ohne irgendeines der Risiken, die in der guten alten Zeit auf einen warteten, einzugehen.