Beruf Drescher?

Das ist alles hoch spekulativ und führt ohne eine genauere Kenntnis der Esslinger Verhältnisse zu gar nichts:

Esslingen war eine Reichsstadt. Dort wurde Handel getrieben, also nicht unbedingt nur für den heimischen Markt produziert. Außerdem steht zu vermuten an, dass viele Produkte auch in die Stadt eingeführt worden sind, weil deren Herstellung möglicherweise im innerstädtischen Gebiet unwirtschaftlich gewesen sein könnte.
Nicht nur das, sondern Esslingen hatte viele "Pflegestätten" von Klostereinrichtungen und seit etwa 1200 ist eine Art Spital verzeichnet, aus dem das bekannte St. Katharinen-Hospital entstand. Die Kranken und Pflegeinsassen dieser Häuser mussten auch versorgt werden ...
 
Übrigens noch einmal zum Käsborer oder Kasbohrer: Man hatte einfach sehr viele eigenständige Bezeichnungen. Es gab ja auch einen Heumeister (eher auf dem Land) und Kornmesser (auch in Esslingen). Da kann man genauso gut fragen, was der denn nun den lieben langen Tag zu tun hatte ... ;)
 
Ja, aber Milch fiel täglich an und musste entsprechend täglich verarbeitet werden. Und ein Tausend-Liter-Bottich dürfte gerade die Menge Milch fassen, die man als Familienbetrieb verarbeiten kann. (Eigentlich ist das kaum zu schaffen.)
Grundsätzlich fallen in einer Stadt eher 0 Liter Milch an, die über den Eigenbedarf hinausgehen, alleine deshalb schließe ich eine tägliche Verarbeitung schon mal aus. Vielmehr wurde sehr viel wahrscheinlicher überschüssige Milch, evtl. bereits vorverarbeitet (Haltbarkeit!) angekauft. Noch wahrscheinlicher, da Esslingen nun mal in keiner Käseregion lag, ist der Ankauf mit anschließendem Weiterverkauf von (halb-)fertigem Käse.
 
Der Denkfehler ist mir auch gerade aufgegangen, aber du warst schneller. Trotzdem ist das erstaunlich viel Fleisch.

Man braucht erstmal genauere Zahlen. Esslingen hatte damals ca. 6000 Einwohner, und war daneben eine betuchte Handelsstadt mit viel Durchgangsverkehr und Ausfuhren. Jeder Metzger war also für 120 Einwohner zuständig plus für eine nicht genaue Anzahl Reisender plus für den Handel mit Fleisch- und Wurstwaren.

Zum anderen war der Fleischkonsum damals recht hoch. Folgendes habe ich gefunden:

In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters erreichte der Fleischverbrauch ein hohes Niveau. Die Einwohner von Carpentras zum Beispiel konsumierten 26 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr, die Einwohner von Tours 43 Kilogramm und die Provinzadligen der Auvergne sogar über hundert Kilogramm! Allerdings war das eine Periode des Überflusses, denn später sank der Fleischkonsum beständig. Im 16. Jahrhundert verzehrten die Sizilianer im Höchstfall 10 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr, während es ein Jahrhundert früher noch das Doppelte gewesen war. Und im Gegensatz zu dem, was skrupellose Schmeichler geschrieben haben, waren die Bauern unter Ludwig XIV. im Allgemeinen schlechter ernährt als ihre Vorfahren im 15. Jahrhundert. Tatsächlich wurde der hohe Fleischverbrauch des Spätmittelalters erst wieder im 19. Jahrhundert erreicht. Diese günstige Situation ist einerseits zurückzuführen auf vermehrte Viehzucht und andererseits auf die nach den vergangenen Katastrophen gesunkene Bevölkerungszahl! Wenn man von gelegentlichen Hungerjahren absieht, war die Ernährung im Spätmittelalter gesund, üppig und sogar fleischreich. Doch man darf darüber nicht die "Unglücksfälle" vernachlässigen, die vielleicht noch besser als die normale Ernährung Aufschluß über die Rangordnung der verschiedenen Lebensmittel im Abendland geben.

<HR>Quelle: Tafelfreuden im Mittelalter

Das erklärt die uns heute hoch erscheinende Zahl von Metzgern.

Übrigens haben die Metzger nicht nur die Esser bedient; auch die bei der Schlachtung anfallenden Abfallprodukte wurde verwertet: Hörner und Knochen von Schnitzern und Knopfmachern, Häute von Gerbern, usw.
 
Grundsätzlich fallen in einer Stadt eher 0 Liter Milch an, die über den Eigenbedarf hinausgehen, alleine deshalb schließe ich eine tägliche Verarbeitung schon mal aus. Vielmehr wurde sehr viel wahrscheinlicher überschüssige Milch, evtl. bereits vorverarbeitet (Haltbarkeit!) angekauft. Noch wahrscheinlicher, da Esslingen nun mal in keiner Käseregion lag, ist der Ankauf mit anschließendem Weiterverkauf von (halb-)fertigem Käse.

Also war der Käsbohrer von Esslingen eher Händler als Produzent, und die braven Einwohner aßen lieber Wurst als Käse. Und sündig genug waren sie auch, weil dort ein Würfelmacher sein Auskommen fand.
Okay, dann bleibt noch der eine Seite vorher nachgefragte "Weinzieher". Ist das jemand, der Wein in Fässern heranzieht, also ein Kellermeister?

Ich denke, die restlichen Berufe erschließen sich mir auch ohne Hilfe.

Obwohl, wozu die 50 Küster brauchten?
 
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Es kann auch ein ganz gewöhnlicher Winzer sein, der in Dialekten auch als Weinzierl, Weinzirl o.ä. bezeichnet wird.
 
Ich denke, die restlichen Berufe erschließen sich mir auch ohne Hilfe.

Obwohl, wozu die 50 Küster brauchten?

So ?

Was für Arbeiten erledigte ein Axteindreher ?
Einstielen wurde vermutlich von den Schmieden oder vom Wagner erledigt-
ausserdem was dreht man an oder in eine Axt ?
Auch der Grabenmeister ist mir unklar .....Wallgräben der Stadtmauer
instant halten oder die Strassengerinne ?:D

Übrigens kann das mit dem Käse damals nicht so reichlich gewesen sein.
Turbokühe mit zig Tausend Liter Jahresleistung gabs nicht und die Kälber
konnten auch nicht mit Ersatzmilch aufgezogen werden - ergo Milch
zum Käsen gabs nicht allzuviel ( 1000 Liter Kessel wäre illusorisch )
- es wurde ja auch noch Milch einfach getrunken ( unpasteurisiert =))

50 Küster ist erstaunlich -gabs da mehr als 1 pro Kirche ? 50 Kirchen
in Esslingen ?
 
Unklar sind mir außerdem Dreher (gab es damals schon Drehmaschinen oder irgendwelche Vorläufermodelle), Eicher (hat das mit einheitlichen Gewichten auf dem Markt zu tun), Karrenspanner (waren das innerstädtische Transportunternehmer) und der Ringdreher.
 
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So ?


50 Küster ist erstaunlich -gabs da mehr als 1 pro Kirche ? 50 Kirchen
in Esslingen ?

In Esslingen gab es einerseits relativ viele Kirchen (genaue Zahl weiß ich nicht, sorry) und es gab eine recht große Zahl von Pfleghöfen (9 sind erhalten) Pfleghöfe in Esslingen
Könnte das eventuell die hohe Zahl der Küster erklären?

Axteindreher: Der Schaft muss genau in das Schaftloch einer Axt passen, darf nicht wackeln und der Griff muss gut in der Hand liegen. Das war nichts, was man so nebenbei mal gemacht hat, dazu hat es Erfahrung und Sorgfalt gebraucht. Teure Äxte haben heute noch einen handgefertigten und passgenau eingedrehten Schaft. Dafür gibt es auch heute noch Spezialisten.

Dreher: (auch Drechsler) Drehbänke gehören zu den ältesten Maschinen Drehbank (Holz) ? Wikipedia
 
Vielleicht hilft Herr Udolph weiter
Jürgen Udolph/Sebastian Fitzek
Professor Udolphs Buch der Namen


16. Kapitel Lindenbein, Kässbohrer, Lockenvitz:
Außergewöhnlich merkwürdige
Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Lebensmittelkontrolle gibt es übrigens nicht erst, seit es Chemiker gibt. Die Untersuchungsmethoden waren zwar noch gröber - die des Betgrugs aber auch.
 
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Die Liste stammt aus dem Jahr 1384. Kann man davon ausgehen, dass diese Berufe ausschließlich ausgeführt wurden, oder waren das nebenbei Ackerbauern?
Vermutlich haben viele Menschen in Gärten oder etwas ähnlichem ein bisschen Gemüse für den Eigenbedarf gezogen, aber mich interessiert, ob die noch Felder bestellt haben oder ob die Bauern der umliegenden Gemeinden genug anbauten, um so eine Stadt mit zu versorgen?

Und vom Weinanbau alleine (siehe die vielen Weingärtner) wird man auch nicht satt.

Oder gab es, auf der Liste dann aber nicht aufgeführt, noch zusätzlich Ackerbauern, die zwar in der Stadt wohnten, aber die umliegenden Felder bestellten.
Oder noch anders ausgedrückt, wie hoch war so eine Stadt von den Bauern der Umgebung abhängig?
 
Könnte das eventuell die hohe Zahl der Küster erklären?

Möglicherweise. Im Mittelalter war der Kirchgang ja z. T. eine tägliche Angelegenheit, so dass entsprechend Personal benötigt worden sein dürfte.

Fraglich erscheint allerdings die Erhebungsmethode: Wurden die Einwohner der Stadt oder die Bürger befragt? Oder nur Mitglieder der Zünfte? Wurden Voll- oder Nebenberufe erfasst? Oder evtl. beides zugleich? Und wozu diente überhaupt diese Erhebung? Wenn wollte man überzeugen oder beeindrucken damit? Und warum?

Ich habe die Fragerei mal etwas bewusst übertrieben, aber ich denke, dass wir ohne sie kaum einen Deut weiter kommen werden.
 
56 Binder (= Hausanstreicher)
Das ist offensichtlich Quatsch - hat das der Schulbuchautor dazugedichtet?. Gemeint sind sicher Fassbinder bzw. Küfer. Die Zahl ist gleichwohl beeindruckend, wahrscheinlich belieferten sie nicht nur die 178 Esslinger Weingärtner.

178 Weingärtner, 1 Weinschenk, 16 Weinzieher, 2 Wirte
Ganz sicher gab es nicht nur einen einzigen Weinschenk und zwei Wirte in der Stadt. Zu beachten ist, dass das Steuerbuch nicht bei allen Steuerpflichtigen die Berufe auflistet. "Zu berücksichtigen ist schließlich, daß die großen Vermögen sämtlich ohne Berufsangaben festgehalten werden und damit gerade die wirtschaftlich führenden Kreise für eine statistische Erfassung wegfallen."
Bernhard Kirchgässner, Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt Eßlingen im Spätmittelalter. Nach den Steuerbüchern 1360 - 1460 (Eßlinger Studien Band 9/1964), S. 153
 
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