Lugal, En und Ensi
Wichtig ist noch, dass das sumerische Wort lugal, dass gerne als "König" übersetzt wird, eigentlich "großartige Person" bedeutet und durchaus auch für "Meister" oder "Herr" benutzt wurde, so daß "König" die Bedeutung nicht unbedingt trifft.
Da das Thema immer wieder auftaucht, will ich mal ein wenig zu dem Königstitel versuchen:
Das Problem liegt ja weniger in der Übersetzung des Titels
lugal, sondern mehr darin, dass parallel auch die Titel
ensi und
en belegt sind, ohne dass diese in frühdynastischer Zeit in eine sinnvolle Hierarchie oder Beziehung gebracht werden können. In präsargonischer Zeit wurden
ensi und
lugal gleichrangig gebraucht. Ein Beispiel aus Lagasch zeigt die Schwierigkeit sehr gut.
Eannatum von Lagasch, Titel
ensi, bezeichnet Entemena von Umma als
ensi, obwohl der Sprachgebrauch in Umma selbst
lugal lautete.
Eine erste Zurücksetzung von
ensi gegenüber
lugal ist bei Lugalzagesi 2350 v. Chr. zu finden. Im zentralisierten Staat Ur III bezeichnet
ensi schließlich die Stadthalter der 40 Provinzen und
Lugal den Herrscher des Gesamtreiches.
(mu ur-nammu lugal = Jahr in dem Urnammu König wurde). Auch ausländische Herrscher wurden dann als ensi bezeichnet. Das hatte möglicherweise Tradition (s. o.).
Soweit ich weiß, war der Herrschertitel
en auf Uruk beschränkt, aber wohl auch nie wirklich eindeutig als Herrschertitel belegt worden.
Besonders Falkenstein vertritt die These, dass
en eine besondere religiöse Färbung hatte. Demnach sei ein männlicher
en zugleich Priester und Herrscher gewesen, während bei einem weiblichen
en ein männlicher Herrscher regiert habe. Die Position des
en ist stets polar zum Geschlecht der Stadtgottheit. Diese These gilt aber als höchst spekulativ.
Lu = Mann, Hausvorstand
Gal = groß
Der älteste Beleg (Schicht Ur IIIb) muss aber wahrscheinlich als Personenname („Grossmann“) aufgefasst werden.
Es ist richtig, dass
lugal auch im Sinn von „Eigentümer“ benutzt wurde (aber erst seit der Zeit von Gudea von Lagasch [nach Akkad] belegbar).
Allerdings leitet selbst die sumer. Königsliste mit dem Satz „Als das Königtum (
nam – lugal) vom Himmel kam…“ ein.
Nam kann man mit „Meisterschaft“ übersetzen oder Handwerk, im Sinne von
nam-dub-sar = Schreiberhandwerk, Schreiberwissen. Warum sollten wir also nicht von König sprechen?
Der akkadische Herrschertitel
scharru ist ein Sumerogramm von
lugal.
In der Anfangszeit gab es in den Stadtstaaten eine ausgesprochene Theokratie mit Pristerkönigen an der Spitze (besser kann man das nicht ausdrücken), die in späteren Phasen meist von weltlichen Königen (oder Fürsten) abgelöst wurden. Ein starkes Band zwischen geistlicher und weltlicher Macht, zwischen Göttern, Priestern und Fürsten, blieb allerdings immer bestehen und ist ein ausgesprochenes Kennzeichen der sumerischen und später auch babylonischen Kultur.
Der Titel
en wird im Rahmen der Tempelwirtschaft mit dem in der Kunst Uruks bekannten „Mann im Netzrock“ in Verbindung gebracht. Der eindeutig kultische Zusammenhang, in dem er dargestellt wird, zeigt die Bedeutung der Herrscher in religiösen Belangen. Das gilt aber auch für alle nachfolgenden Herrscher, gleich welchen Titel sie tragen.
Nur kurz der Hinweis, dass die Theorie der Tempelwirtschaft (Theokratie, Priesterfürst inzwischen höchst umstritten ist (Nissen, Edzard).