Die Gesellschaft der Sumerer

Yggdrassill

Mitglied
Man hört viel über die Kunst der Sumerer und so aber nur selten etwas über die Gesellschaftstrukturen und dazu hätte ich mal einige Fragen.

Wie war das Verhältniss zwischen den Tempel und den weltlichen König?

Gab es unfreie, Freie, Beamte oder gar Adlige?

Waren die Sumerer eher Patriarchisch, Matriarchisch oder war man da eher egalitär? Wolche Rollen gab es, was Männer Frauen oder beiden erlaubt?

Was für Kleidung trugen die Sumerer?

Und noch eine Frage in eine andere Richtung. Wikipedia spricht einen altsumerischen Reich vor der Akkade Zeit? War das wirklich ein Dezentraler Staat oder waren die Stadtstaaten untereinander unabhängig?

MFG
 
Zunächst zu dem Zeitraum:

Wir sprechen für die Zeit vor Akkade von der frühdynastischen Zeit, in der mehrere sumerische Stadtstaaten nebeneinander existierten.
Nach dem Reich von Akkad bildete sich der zentralisierte sumerische Staat von Ur III.

a) Es mag ursprünglich eine Einheit von Palast und Tempel unter einem Priesterfürsten gegeben haben.
Später existierten Palast und Tempel nebeneinander und auch in Konkurrenz zueinander. So geht aus den Reformtexten des Urukagina hervor, er habe vom Palast unrechtmäßig beanspruchtes Land und Personal an den Tempel zurückgegeben. Wir haben es also mit zwei mächtigen Wirtschaftkomplexen und wohl einer Schicht von beiden unabhängiger Privatleute.
Prinzipiell war der König neben der Sorge für das Bewässerungssystem besonders für die Pflege des Götterkultes verantwortlich.

b) Es gab (Schuld-)sklaverei, der Großteil der Bewohner wird für Arbeiten für Palast oder Tempel herangezogen und aus den Einnahmen dieser bezahlt. Es gab auch eine zunehmende Spezialisierung im Handwerk, Verwaltungsbeamte, Priester, Richter, Künstler und private Landbesitzer.
Zahlenverhältnisse der einzelnen Schichten sind nicht bekannt. Besonders wie viel von Palast und Tempel abhängig waren und wie viele unabhängig. Die Zuweisungen von P. und T. fielen auch unterschiedlich aus, sodass einige über eine Art Mindesteinkommen verfügten, andere ihren Reichtum mehren konnten.

Im Reich von Akkad und Ur III mag man vielleicht von "Adel" sprechen, da es in den jeweiligen Stadtstaaten eingesessene Dynastien gab?


c) Es gab überregional bedeutende Positionen, die traditionell mit Frauen besetzt waren, etwa die Mondpriesterin in Ur. Ein Priester hatte aber Anspruch auf eine größere Bierration als Priesterinnen. In den oben erwähnten Reformtexten wird angedeutet, dass auch die Herrschergemahlin über Landbesitz verfügte, der nicht dem Stadtgott, sondern der Gemahlin des Stadtgottes zurückgegeben wurde.

d) Die Kleidung war meist aus einem Stück Stoff gefertigt, am häufigsten aus Wolle, Leinen war sehr selten, spielte aber im religiösen Bereich eine Rolle. Die Farbpalette war gering, erst im 2. Jht. v. Chr. Entwickelte sich das Färberhandwerk stärker. Rote Gewänder galten als besonders wertvoll und waren wohl Höhergestellten reserviert.
 
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Hier ein kurzer Nachtrag zur Frage des Patriachats:

Stammhalter waren die Söhne

Stellung der Frau in der Ehe:

Wir wissen, dass Urukagina in frühdynastischer Zeit die bereits verpönte Dyandrie (Ehe einer Frau mit zwei Männern) abschaffte. Aussagen über die Stellung der Frau in der Ehe, Brautgeschenk, Eheverträge und Absicherung der Witwe beziehen sich besonders auf Stellen aus dem Codex Hammurabi, also auf die altbabylonische Zeit.

Die im CH eingeschränkten Rechte des Familienoberhauptes (Vater) umfassen immer noch das Recht Neugeborene auszusetzen, sowohl als Richter als auch als Henker der Frau bei Ehebruch zu fungieren und Frau wie Kinder in die Schuldsklaverei zu verkaufen.

Die Töchter lebten im Haus des Vaters, bis sie verheiratet werden. Rechtsgültig ist eine Ehe, nachdem dem Vormund der Braut ein Brautgeld (1 Mine Silber) gezahlt wurde. Sie wechselt dann in den Haushalt ihres Ehemannes. Geschiedene Töchter können in den Haushalt des Vaters zurückkehren.

Das Brautgeschenk erübrigt sich, wenn ein Mann eine Sklavin heiratet, die ihm gehört. Er muss die Ehe einseitig erklären. Bei selbstständigen Frauen, müssen beide Parteien zu einer Übereinkunft kommen. Nebenfrauen (schugetu) waren laut CH erlaubt, sie waren aber rechtlich der Hauptfrau gegenüber schlechter gestellt und Krankheit oder Kinderlosigkeit der Ehefrau war Voraussetzung. Da Priesterinnen offenbar kinderlos bleiben mussten, aber heiraten durften, können sie eine Sklavin zwecks „Kinderwerb“ mit in die Ehe einbringen, bekommt diese Kinder, erlischt das Recht des Mannes auf eine Nebenfrau.

Auch die konkrete rechtliche Stellung der Frau war daran gebunden, ob sie Nachwuchs gezeugt hat oder nicht. Sie musste etwa keine Konkubinen oder Nebenfrauen dulden, wenn Sie bereits selbst für Nachwuchs gesorgt hatte. Bei Vernachlässigung hatte sie das Recht auf die Scheidung und führte das Brautgeld mit sich. Der Mann hat jedoch das Recht, sich von einer kinderlosen Frau scheiden zu lassen, eine Mutter kann gegen eine Scheidung Einspruch einlegen.
Die Frau haftete übrigens auch mit ihrem Körper für Schulden des Mannes und konnte gepfändet werden (auf 3 Jahre Schuldknechtschaft begrenzt). Eigenes Vermögen war erlaubt, Verfügung darüber nur mit Einverständnis des Ehegatten möglich. Möglicherweise hatte die Frau nach älterem sumerischen Recht mehr Verfügungsgewalt.
Die Frau hatte ein Mitbestimmungsrecht bei Kindern. (Es treten bei Verträgen, etwa Adoption und Verkauf, beide Ehepartner auf.) Nach dem Tod des Mannes hat die Ehefrau das Erziehungsrecht an den unmündigen Kindern.

Trotz der Nebenfrauen und Konkubinen war die babylonische Ehe primär monogam. So durfte die Nebenfrau der Ehefrau nicht unter einem Dach zugemutet werden. Es scheint sich um Sonderegelungen gehandelt zu haben, die der Sicherung der Nachkommenschaft dienten und eng an die Kinderlosigkeit der Ehefrau geknüpft waren.
Die Säuglingssterblichkeit muss hoch gewesen sein. Man hat eine durchschnittliche Nachkommenschaft von 2-4 berechnet. Die Dämonin Lamaschtu würde für das Säuglingssterben verantwortlich gemacht und es sind umfangreiche magische Vorkehrungen dagegen bekannt.

Ein kurzes Wort zur Funktion der Familie als soziales Sicherungssystem. Nicht nur gab es detaillierte Bestimmungen für die Versorgung von Witwen, auch die Sklaven in einem Haushalt sollten nach einer akkadischen Vorschrift im Krankheitsfall „wie ein freier Mann“, ja wie der Herr der Familie selbst behandelt werden. Die Fürsorgepflicht des Familienoberhauptes erstreckte sich also auf Blutsverwandte und Familienmitglieder fremden Blutes.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe noch etwas zu der neusumerischen Zeit gefunden.

Es gibt eine Reihe Urkunden, aus denen hervorgeht, dass die Frau „voll rechtsfähig und im allgemeinen auch geschäftsfähig“ war.
Das klingt ähnlich dem für die altbabylonische Zeit. Die Frau hatte Rechte, die sie auch einklagen konnte, war in Geschäftsdingen aber vom Einverständnis des Mannes abhängig.

Die Frau hatte im Gegensatz zu der altbabylonischen Zeit kein Scheidungsrecht und der Mann konnte sich grundlos scheiden lassen, musste aber ein Scheidungsgeld zahlen (das Brautgeld, 1 Mine, zurückerstatten. Konkubinensklaven gab es erst zu altbabylonischer Zeit.

Sklaven treten in neusumerischer Zeit sowohl als Kläger als auch als Zeugen auf, waren also rechtsfähig. Er konnte also etwa, wie vielfach belegt, seinen Status vor Gericht prüfen lassen und seine Freiheit einklagen. Sie durften außerdem persönliches Eigentum besitzen. Hierbei handelt es sich aber um Schuldsklaverei und Einwohner, die Stellung kriegsgefangener oder verschleppte Sklaven war rechtlos. Für Umma ist die Abrechnung von Lebensmittelrationen für ca. 150 fremdländische, kriegsgefangene Frauen belegt, die wohl in einer Art Lager interniert waren.
 
Man hört viel über die Kunst der Sumerer...
Man kann eigentlich nicht über "die" Sumerer sprechen.
Es waren viele Stadtstaaten und was für einen gelten mag kann für den anderen wieder falsch sein.
Es gab durchaus viele Gemeinsamkeiten z.B. bei der Mythologie, aber in vielen anderen Bereichen auch große Unterschiede. (und selbst in der Mythologie ist einiges "anders" je nach Ort)
Die Texte die man hat beschreiben halt recht gut die lokalen Gegebenheiten und mit Glück findet man auch noch Texte aus anderen Orten zu dem gleichen Thema (Handle, Umzug eines Gottes, Kriege etc.)

Wie war das Verhältniss zwischen den Tempel und den weltlichen König?
Es ist nicht geklärt, ob die Sumerer immer "Könige" hatten. Die Mythologie legt näher, dass das Königstum erst später hinzuerfunden wurde. Demnach wären die "Könige" erst eine art Aherrführer auf Zeit gewesen. Später wurden die kriegerischen Auseinandersetzungen aber immer häufiger, so dass es dann ökonomischer den "König" auf Dauer im Dienst zu lassen. Der König wurde dabei vermutlich von einem Rat ernannt. (Das würde für Uruk passen .. ansonsten siehe Th.Jacobsen)
Wichtig ist noch, dass das sumerische Wort lugal, dass gerne als "König" übersetzt wird, eigentlich "großartige Person" bedeutet und durchaus auch für "Meister" oder "Herr" benutzt wurde, so daß "König" die Bedeutung nicht unbedingt trifft.
Später (Ur-III etc.) ist bekannt, dass es durchaus Konflikte zwischen den Königen und den Tempeln gab.

Gab es unfreie, Freie, Beamte oder gar Adlige?
Es gab Sklaven, auch wenn das nicht unbedingt das gleiche mein, was man heute so unter Sklave versteht. z.B. waren die Sklaven auch rechtsfähig - anders als in Nordamerika vor noch nicht all zu langer Zeit.
Freie waren alle, die keine Sklaven waren.
Beamte? Nunja es gab "Verwalter", "Priester" usw. also Menschen, die im Staatsdienst standen, ist das dann ein "Beamter" für dich?
Adelige ... eher nicht vielleicht ab Ur-III aber vorher kann man das so nicht sagen.

Waren die Sumerer eher Patriarchisch, Matriarchisch oder war man da eher egalitär?
Je später desto patriarchischer trifft es wohl am ehesten. Die frühe Geschichte der Sumerer könnte matriarchisch gewesen sein, war aber vermutlich eher egalitär.
Frauen waren in den Texten die man hatte zwar schon dem Mann eher untegeordnet, konnten aber durchaus in nicht zu geringer Zahl sehr wichtige Positionen einnehmen. Ein "Schreiber" z.B. (Gelehrter passt eher) konnte durchaus eine Frau sein. Auch wurden einige Frauen auch hoch angesehen - man denke z.B. an die Hochpriesterin Enheduana.

Wolche Rollen gab es, was Männer Frauen oder beiden erlaubt?
Der Mann war der Vorstand des Haushalts soweit man weiss, aber die Frau hatte ansonsten die gleichen Rechte.
Später wurde die Rolle der Frauen eher schlechter (unter Einfluß der Semiten?)

Und noch eine Frage in eine andere Richtung. Wikipedia spricht einen altsumerischen Reich vor der Akkade Zeit? War das wirklich ein Dezentraler Staat oder waren die Stadtstaaten untereinander unabhängig?
Die einzelnen Staaten waren im Prinzip unabhängig, auch wenn es vereinzelt Allianzen etc. gegeben haben mag. Auch haben die Stadtstaaten natürlich untereinander gehandelt, so dass es durchaus mittelbare Abhängigkeiten gegeben haben kann. (Zugang zum pers.Golf z.B.)
 
Man kann eigentlich nicht über "die" Sumerer sprechen. Es waren viele Stadtstaaten und was für einen gelten mag kann für den anderen wieder falsch sein.

Da die Sumerer ein Volk mit gemeinsamer Sprache und Kultur waren, muss man trotz der politischen Zersplitterung in Stadtstaaten selbstverständlich von "den" Sumerern sprechen, wie wir auch von "den" Etruskern reden, unbeschadet der zahlreichen etruskischen Stadtstaaten.

Es ist nicht geklärt, ob die Sumerer immer "Könige" hatten.

In der Anfangszeit gab es in den Stadtstaaten eine ausgesprochene Theokratie mit Pristerkönigen an der Spitze (besser kann man das nicht ausdrücken), die in späteren Phasen meist von weltlichen Königen (oder Fürsten) abgelöst wurden. Ein starkes Band zwischen geistlicher und weltlicher Macht, zwischen Göttern, Priestern und Fürsten, blieb allerdings immer bestehen und ist ein ausgesprochenes Kennzeichen der sumerischen und später auch babylonischen Kultur.

Die einzelnen Staaten waren im Prinzip unabhängig, auch wenn es vereinzelt Allianzen etc. gegeben haben mag. z.B.)

Starke Herrscher fassten die sumerischen Stadtstaaten zuweilen zu einem einheitlichen Reich zusammen. So z.B. die Akkader unter Sargon (2371 bis 2191 v. Chr.) und später die Phase des Neusumerischen Reichs unter der Herrschaft der 3. Dynastie von Ur (2112 bis 2004 v. Chr.)
 
Lugal, En und Ensi

Wichtig ist noch, dass das sumerische Wort lugal, dass gerne als "König" übersetzt wird, eigentlich "großartige Person" bedeutet und durchaus auch für "Meister" oder "Herr" benutzt wurde, so daß "König" die Bedeutung nicht unbedingt trifft.

Da das Thema immer wieder auftaucht, will ich mal ein wenig zu dem Königstitel versuchen:

Das Problem liegt ja weniger in der Übersetzung des Titels lugal, sondern mehr darin, dass parallel auch die Titel ensi und en belegt sind, ohne dass diese in frühdynastischer Zeit in eine sinnvolle Hierarchie oder Beziehung gebracht werden können. In präsargonischer Zeit wurden ensi und lugal gleichrangig gebraucht. Ein Beispiel aus Lagasch zeigt die Schwierigkeit sehr gut.
Eannatum von Lagasch, Titel ensi, bezeichnet Entemena von Umma als ensi, obwohl der Sprachgebrauch in Umma selbst lugal lautete.
Eine erste Zurücksetzung von ensi gegenüber lugal ist bei Lugalzagesi 2350 v. Chr. zu finden. Im zentralisierten Staat Ur III bezeichnet ensi schließlich die Stadthalter der 40 Provinzen und Lugal den Herrscher des Gesamtreiches. (mu ur-nammu lugal = Jahr in dem Urnammu König wurde). Auch ausländische Herrscher wurden dann als ensi bezeichnet. Das hatte möglicherweise Tradition (s. o.).

Soweit ich weiß, war der Herrschertitel en auf Uruk beschränkt, aber wohl auch nie wirklich eindeutig als Herrschertitel belegt worden.
Besonders Falkenstein vertritt die These, dass en eine besondere religiöse Färbung hatte. Demnach sei ein männlicher en zugleich Priester und Herrscher gewesen, während bei einem weiblichen en ein männlicher Herrscher regiert habe. Die Position des en ist stets polar zum Geschlecht der Stadtgottheit. Diese These gilt aber als höchst spekulativ.


Lu = Mann, Hausvorstand
Gal = groß
Der älteste Beleg (Schicht Ur IIIb) muss aber wahrscheinlich als Personenname („Grossmann“) aufgefasst werden.
Es ist richtig, dass lugal auch im Sinn von „Eigentümer“ benutzt wurde (aber erst seit der Zeit von Gudea von Lagasch [nach Akkad] belegbar).

Allerdings leitet selbst die sumer. Königsliste mit dem Satz „Als das Königtum (nam – lugal) vom Himmel kam…“ ein. Nam kann man mit „Meisterschaft“ übersetzen oder Handwerk, im Sinne von nam-dub-sar = Schreiberhandwerk, Schreiberwissen. Warum sollten wir also nicht von König sprechen?

Der akkadische Herrschertitel scharru ist ein Sumerogramm von lugal.


In der Anfangszeit gab es in den Stadtstaaten eine ausgesprochene Theokratie mit Pristerkönigen an der Spitze (besser kann man das nicht ausdrücken), die in späteren Phasen meist von weltlichen Königen (oder Fürsten) abgelöst wurden. Ein starkes Band zwischen geistlicher und weltlicher Macht, zwischen Göttern, Priestern und Fürsten, blieb allerdings immer bestehen und ist ein ausgesprochenes Kennzeichen der sumerischen und später auch babylonischen Kultur.

Der Titel en wird im Rahmen der Tempelwirtschaft mit dem in der Kunst Uruks bekannten „Mann im Netzrock“ in Verbindung gebracht. Der eindeutig kultische Zusammenhang, in dem er dargestellt wird, zeigt die Bedeutung der Herrscher in religiösen Belangen. Das gilt aber auch für alle nachfolgenden Herrscher, gleich welchen Titel sie tragen.

Nur kurz der Hinweis, dass die Theorie der Tempelwirtschaft (Theokratie, Priesterfürst inzwischen höchst umstritten ist (Nissen, Edzard).
 
Nur kurz der Hinweis, dass die Theorie der Tempelwirtschaft (Theokratie, Priesterfürst inzwischen höchst umstritten ist (Nissen, Edzard).

Die Tempelwirtschaft im sumerischen Mesopotamien war für mich bislang eine unumstößliche Tatsache, sodass ich erstaunt bin zu hören, dass sie inzwischen zwar nicht ad acta gelegt, aber immerhin umstritten ist. Wikipedia sagt zur Tempelwirtschaft u.a.:

Diese Annahme [der Tempelwirtschaft] ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts verstärkt in die Kritik geraten, wenn auch nicht verschwunden. Anhand archäologischer Funde wird auf deutliche Anzeichen privater Wirtschaftstätigkeit beziehungsweise das völlige Fehlen zentralisierter Tempel- und Wirtschaftsbezirke in anderen Siedlungen hingewiesen, ebenso wie auf eine klare Trennung zwischen Verwaltungsbeamten und Kultpersonen. Ein weiterer Kritikpunkt ist forschungssystematischer Natur, indem bemerkt wird, dass die bisherige Auswahl zentraler Siedlungen als bevorzugter Grabungsorte zwangsläufig zum irreführenden Eindruck zentralisierter Organisationsformen habe führen müssen.
Angesichts der unzweifelhaften Bedeutung der Priesterkaste wird man immerhin vermuten können, dass die Institution des Tempels eine große wirtschaftliche Bedeutung hatte. Der Altorientalist Gebhard Selz äußert sich dazu salomonisch:

Wahrscheinlich gab es neben der wiederverteilenden zentral gesteuerten Wirtschaft auch eher "private" Wirtschaftsformen, z.B. einen Tauschhandel. Jedoch waren die großen Aufgaben und Kriegszüge, wahrscheinlich auch der Fernhandel, zentral organisiert und "finanziert" ...

Man hat die großen öffentlichen Gebäude dieser Zeit als "Tempel" bezeichnet; andere sprechen lieber von Versammlungshallen. Jedenfalls waren ein religiöser und ein profaner Bereich allem Anschein nach noch wenig geschieden.

(Gebhard J. Selz, Sumerer und Akkader, München 2005/2010, S. 32 f.)

In diesen Zusammenhang lässt sich auch das minoische Wirtschaftssystem auf Kreta stellen, wo die so genannten "Paläste" große Produktions- und Verteilerzentren waren, zudem auch kultische Aufgaben erfüllten. Die Forschung betont hier immer wieder, dass die kretische Palastwirtschaft der vorderasiatischen nachgebildet sei.
 
a) Es mag ursprünglich eine Einheit von Palast und Tempel unter einem Priesterfürsten gegeben haben.
Später existierten Palast und Tempel nebeneinander...
(...)
Prinzipiell war der König neben der Sorge für das Bewässerungssystem besonders für die Pflege des Götterkultes verantwortlich.

Die Aufgaben des Königs in den historisch belegbaren Zeiten der Königsherrschaft zeigen doch deutlich, dass v.a. eine Machtverschiebung stattgefunden hat. Die Sorge um die Bewässerungssysteme wird mWn als eine entscheidende Bedingung für die Entwicklung des Priestertums und seiner Bedeutung im sumerischen Mesopotamien gesehen. Und das die Pflege des Götterkultes nicht in erster Linie dem Tempel obliegt...
;)

Die Entstehung des Königtums zeigt mE v.a., dass der "politisch-militärische Komplex" die Oberhand gewann über den Verwaltungsapparat einer komplexen Gesellschaft. Die Entstehung dieser Gesellschaft war gebunden an die Entwicklung einer effizienten Verwaltung. Diese musste große, gesellschaftliche Arbeiten organisieren (die Bewässerung), eine Vorratswirtschaft für viele Tausend Menschen betreiben, im rohstoffarmen Mesopotamien Handel mit entfernten Gebieten treiben (bspw Bauholz, Metalle), und schließlich eine Art Besteuerung betreiben, um einen solchen Verwaltungsapparat unterhalten zu können. Vor all diese Schwierigkeiten gestellt erfanden diese Menschen die Schrift, weil sie ohne eine solche Verwaltungshilfe die gestellten Aufgaben nicht hätten bewätigen können.

Dass all diese intellektuellen Aufgaben sich in einer Priesterkaste manifestieren, ist in einer auf Religion beruhenden Gesellschaft mit einer religiösen Weltsicht naheliegend; ebenso dass die Kaste versucht, ihr Wissen und damit ihre Macht zu monopilisieren, was ebenfalls einer religiösen Organisationsform mit all ihren möglichen ideologischen Abwegigkeiten entspricht.

Langfristig ist diese Monopolisierung offensichtlich nicht gelungen. Andere Verhältnisse gaben anderen Kräften bzw Interessengruppen mehr Einfluss, mE insbesonders militärischen. Zusammen mit der eigentlich universellen Tatsache, dass ein solcher Verwaltungsapparat ohne äußere Einflüsse immer v.a. für die Mitglieder dieses Apparats arbeitet ergaben sich die notwendigen Bedingungen für eine Machtverschiebung hin zum Königtum, dass sich eher auf die bewaffnete Macht stützte, und nicht auf die Aufgabe der Organisation.

Natürlich gab es auch vor der Entwicklung der Königsherrschaft eine "private Wirtschaft" neben der Tempelwirtschaft, und diese wird für das Wirtschaftsleben enorm wichtig gewesen sein, da sie das tägliche Überleben der Mehrzahl der Menschen auf dem Land sicher stellte. Entscheidend wird mE das zeitweilige Monopol der Tempel gewesen sein; v.a. diese konnten das "Kapital" für große Unternehmungen aufbringen, sei es Arbeitskraft, Know How oder organisatorische Leistungsfähigkeit. Die Etablierung dieser Mechanismen und die Verbreitung des notwendigen Wissens entzog den Tempeln ihr Monopol.
 
Das Konzept der Tempelwirtschaft

Heimlich sympathisiere ich ja mit dem Konzept, schon weil es so schön zu den Kunstfunden passt und im ersten Buch, das ich zu dem Thema gelesen habe, Schmökel, hat mich dieses Thema besonders fasziniert.
Aber daneben will ich auch eine nüchterne, sachliche Position einnehmen können.

Kleine Forschungsgeschichte:
Die Theorie fußt auf Deimels Auswertung der in Tello (ehem Girsu) gefundenen Wirtschaftsurkunden in großer Zahl, die aus der Zeit um 2350 stammen und rund 20 Jahre beleuchten. Zusätzlich wird sie durch eine Interpretation der Reformtexte des Urukagina gestützt.
Die Idee, dass es sich um eine Form des frühen „Staatskapitalismus handelte stammt von der Volkswirtschaftlerin Schneider. „Sie verallgemeinerte so die Ansätze Deimels zum Bild einer gültigen Staatsform.“
Der erste Bearbeiter der in Uruk gefundenen älteren Wirtschaftstexte Falkenstein zog 1936 ähnliche Schlüsse. Als feste Lehrmeinung findet sich das Konzept bereits 1945 und 1950 bei Moorgat, ebenso bei H. Schmökel und schließlich zusammenfassend in einem Artikel Falkensteins, der wiederum die Grundlage der Beiträge in der Fischer Weltgeschichte wurde.
Ich habe den Bd.2 der Fischer Weltgeschichte vorliegen und hier haben wir sie auch alle versammelt. Falkenstein und Edzard zeichnen sich für die betreffenden Textabschnitte verantwortlich und Nissen hat ein paar Zeichnungen beigesteuert.

Hier ist die Tempelwirtschaft noch unumstößlicher Fakt. 2004 jedoch schreibt Edzard selbst:

„Doch ist mittlerweile klar, daß sich ein solches Konzept nicht mit der Existenz eines privatbürgerlichen Sektors verträgt, den wir unter anderem in den Feldkaufverträgen kennenlernen.“


Die Quellen:
Bei den in Tello (Girsu) im Ba’u-Tempel gefundenen Tontafeln handelt es sich um Wirtschaftsunterlagen, die Bereiche wie Entlohnung von Personal, Gemüseanbau oder Fernhandel aus der Perspektive eines bestimmten Tempels wiedergeben. (c)
Die Reformtexte des Urukagina, in dessen Regierungszeit die Tafelaufzeichnungen fallen, sprechen von der Rückgabe zu Unrecht vom Palast beanspruchten Landes und Personals am die Stadtgottheit, d.h. den Tempel, wie es der „Ordnung von früher“ entspräche.
Daraus wurde nicht nur für die Epoche sondern auch rückwirkend auf eine nur auf den Tempel ausgerichtete politische und wirtschaftliche Struktur geschlossen.

Da in Uruk ebenfalls Wirtschaftsdokumente (freilich älter und weniger aussagekräftig) gefunden wurden und zwar im Zentralbezirk, der vermutlich auch zu dieser Zeit schon kultisch genutzt wurde, schien die Theorie zu bestätigen.
Da besonders Falkenstein von dem Priesterfürsten spricht, nehme ich an, dass er sich dabei auf die oben erwähnten bildlichen Darstellungen vom „Mann im Netzrock“ bezieht, den er mit dem en gleichsetzt.

Die Kritik:
Es ist nun erst einmal völlig zu Recht anzumerken, dass man auf Grundlage eines so singulären Fund auf eine allgemeine Verbreitung über längere Zeiträume schließen darf.
Außerdem muss man darauf hinweisen, dass es sich bei den Reformtexten um mit die ersten Quellen in „gebundener Sprache“ handelt, die über bloße wirtschaftliche Stichworte hinausgehen. Es fehlt also schon „aus systematischen Gründen das Korrektiv“. (b)
Außerdem scheinen sie, jedenfalls nach neuer Lesart, die Dualität von Palast und Tempel zu unterstreichen. Außerdem geht man inzwischen davon aus, dass es nicht nur einen sondern mehrere Tempelkomplexe in Girsu gab, übrigens auch mehre Tempelverwalter (sanga).
Es gibt, wie Grabungen bestätigt haben, keine Hinweise auf eine Nutzung als „zentraler Tempel- oder Wirtschaftsbezirk“ (b) um die Fundstelle der Uruktafeln.
Nichts an einem Gebäude in dem Tafeln zur Urukzeit gefunden wurden, deutet auf eine Zugehörigkeit zu einem Tempel hin, manche deuten es als Palast. Darüber hinaus wurde hauptsächlich im Zentralbezirk gebuddelt. Einige wenige Funde außerhalb des „Zentralgebietes“ lassen Falkenstein selbst 1936 noch eine „private Wirtschaft neben dem Tempelbetrieb“ (b) annehmen.
Die Funde von Wirtschaftstexten in Privathäusern und die im Edzard Zitat eingangs aufgeführten Feldkaufverträge belegen „erhebliche“ Wirtschaftsgeschäfte in privater Hand.
Des Weiteren stützen sich die Kritiker auf archäologische Untersuchungen, die „grundlegende Veränderungen in der Besiedlungsweise“ belegen und notwendige Umwälzungen in der Bewässerung, von denen auch die politische Struktur nicht unbeeinflusst geblieben sein könnten. (Wasserrückgang – Ausdehnung der Bewässerung, Verlagerung der Anbauflächen)

Schluss
Eine starke kultische Rolle des Herrschers ist wie @Dieter schon festgestellt hat, natürlich nicht von der Hand zu weisen.
Den Tempeln wird auch nur die Alleinstellung abgesprochen. Die Tempel versorgten einen großen Teil der Bevölkerung und waren sicher zentral für die Wirtschaft. (c)
Tatsächlich entsteht erst für die frühdynastische Zeit ein schemenhaftes Bild der sumerischen Gesellschaft und politischen Geschichte. Die Uruk-Zeit lässt nur ein noch undeutlicheres Bild zu.

a) FW Bd.2 S. 77,
b) Nissen, Geschichte Altvorderasiens, 1999
c) Edzard: Geschichte Mesopotamiens, 2004
 
Da die Sumerer ein Volk mit gemeinsamer Sprache und Kultur waren, muss man trotz der politischen Zersplitterung in Stadtstaaten selbstverständlich von "den" Sumerern sprechen, wie wir auch von "den" Etruskern reden, unbeschadet der zahlreichen etruskischen Stadtstaaten.
Ja nur sind die Daten ggf. nur lokal für einen Stadstaat zu einer bestimmten Zeit gültig und nicht für alle ohne mehr Evidenzen.

In der Anfangszeit gab es in den Stadtstaaten eine ausgesprochene Theokratie mit Pristerkönigen an der Spitze
Das weiss man nicht genau für die vorschriftliche Zeit

Starke Herrscher fassten die sumerischen Stadtstaaten zuweilen zu einem einheitlichen Reich zusammen. So z.B. die Akkader unter Sargon (2371 bis 2191 v. Chr.)
Das war ein akkadisches Reich und kein sumerisches.

und später die Phase des Neusumerischen Reichs unter der Herrschaft der 3. Dynastie von Ur (2112 bis 2004 v. Chr.)
Ja - das war die große Renaissance der Sumerer. Wobei Ur-III auch nur temporär Sumer beherrschte .. eher dominierte.
Lagash hatte zeitweise auch große Teile Sumers im "Griff", aber gerade nach Sargon kann man nur noch bedingt von "den Sumerern" reden, es waren zu großen Teilen zugewanderte Nomaden, die sesshaft wurden, und "ihre" Kultur (Götter etc.) integrierten.
 
Das Problem liegt ja weniger in der Übersetzung des Titels lugal, sondern mehr darin, dass parallel auch die Titel ensi und en belegt sind
Und nicht nur das diese synonym verwendet wurden, sondern auch in völlig anderen Zusammenhängen.

Allerdings leitet selbst die sumer. Königsliste mit dem Satz „Als das Königtum (nam – lugal) vom Himmel kam…“ ein.
Es mag ein wenig nach Haarspalterei aussehen, aber die "Königsliste" der Sumerer ist eine "lugal"-Liste, d.h. aus dem Namen "Königsliste" kann man gar nichts schliessen.
Ein "nam-lugal" könnte dann ggf. auch eine Meister des Kriegshandwerks "Heerführer" gewesen sein.

Warum sollten wir also nicht von König sprechen?
Weil der Begriff "König" viel mehr meint, als Herrscher.
Dazu gehört z.B. auch Monarchie, d.h. auch Vererbung des Herrschaftsrechts, und die lässt sich gerade für die früheren Könige schwerlich nachweisen.
Ist Sadam Husein z.B. ein "König" gewesen?

Der akkadische Herrschertitel scharru ist ein Sumerogramm von lugal.
Richtig, wobei man bei den Übersetzungswortlisten schwerlich von Vollständigkeit ausgehen darf. Ggf. war die Bedeutung "Herrscher" für die Akkader nahe genug dran, um es als "König" zu verstehen.


Nur kurz der Hinweis, dass die Theorie der Tempelwirtschaft (Theokratie, Priesterfürst inzwischen höchst umstritten ist (Nissen, Edzard).
Wobei die Tendenz, soweit ich weiss, in Richtung einer Mischung geht, d.h. auch Tempelwirtschaft aber auch "freier" Handel.
(so habe ich Nissen wenigstens verstanden)
 
Ja nur sind die Daten ggf. nur lokal für einen Stadstaat zu einer bestimmten Zeit gültig und nicht für alle ohne mehr Evidenzen.

In den sumerischen Stadtstaaten der frühdynastischen Zeit sprach man zweifellos Sumerisch - was sonst? Semitische Sprachen setzten sich erst mit dem Einbruch - oder besser Einsickern - der semitischen Akkader und Amoriter Ende des 3. Jahrtausends durch. Und auch das nur langsam, denn eine Zweisprachigkeit hielt noch lange an.

Das weiss man nicht genau für die vorschriftliche Zeit

Die Forschung vertritt diese Hypothese ziemlich unisono.

... aber gerade nach Sargon kann man nur noch bedingt von "den Sumerern" reden, es waren zu großen Teilen zugewanderte Nomaden, die sesshaft wurden, und "ihre" Kultur (Götter etc.) integrierten.

Nach Ur-III klang die Epoche der Sumerer allmählich aus. Es gab bekanntlich keine ethnische Ausrottung, sondern eine langsame Verschmelzung des sumerischen und semitischen Bevölkerungsteils.
 
In den sumerischen Stadtstaaten der frühdynastischen Zeit sprach man zweifellos Sumerisch - was sonst?
Komisch habe ich was zur Sprache geschrieben?
Nur weil es Verwaltungstexte einer Art in Uruk gab bedeutet das noch lange nicht, dass man in Umma genauso gearbeitet hat.

Semitische Sprachen setzten sich erst mit dem Einbruch - oder besser Einsickern - der semitischen Akkader und Amoriter Ende des 3. Jahrtausends durch. Und auch das nur langsam, denn eine Zweisprachigkeit hielt noch lange an.
Das war wohl etwas früher soweit ich weiss. Am Ende des 3. Jahrtausend hatte Sargon u.a. die Sumerische Sprache zum Teil verboten.

Nach Ur-III klang die Epoche der Sumerer allmählich aus. Es gab bekanntlich keine ethnische Ausrottung, sondern eine langsame Verschmelzung des sumerischen und semitischen Bevölkerungsteils.
Ja aber die Vermischung war schon vor Sargon in großen Teilen getan.

Nissen führt sogar Entwicklung der sumerischen Literatur auf semitische Einflüsse durch die Namen etc. zurück. (ab ED IIIa siehe Nissen 1988 "Schrift als geschriebene Sprache" und auch Michalowski)
Lambert geht nach sogar soweit für einige sumerische Sprichwort eine semitische Quelle bzw.- Einfluß zu vermuten und beruft sich dabei auf Falkenstein.
Nach Diana Katz war ED III bereits bilingual!



Das hat aber alels nichts mit dem zu tun was ich sagen wollte.
 
Komisch habe ich was zur Sprache geschrieben?
Nur weil es Verwaltungstexte einer Art in Uruk gab bedeutet das noch lange nicht, dass man in Umma genauso gearbeitet hat.

Die Sprache der Sumerer war Sumerisch und man sprach sie in frühdynastischer Zeit (und auch noch später) in allen sumerischen Stadtstaaten. Ich verstehe nicht, welches Problem du damit hast.

Das war wohl etwas früher soweit ich weiss. Am Ende des 3. Jahrtausend hatte Sargon u.a. die Sumerische Sprache zum Teil verboten.

Das Sumerische hielt sich als alte Kultursprache noch geraume Zeit über das politische Ende Sumers hinaus und verschwand nur allmählich:

Das Ende der sumerischen Herrschaft wurde von den Zeitgenossen wahrscheinlich nicht als solches empfunden ... Durch eine sumerische Gesetzessammlung unter König Lipiteschar (1870-1860 v. Chr.) wurde der alten Sprache sogar noch einmal Geltung verschafft.

(Barthel Hrouda, Mesopotamien. Die antiken Kulturen Kulturen zwischen Euphrat und Tigris, München 1997, S. 29)

Der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann meint:

Der größte Teil des sumerischen Schrifttums entstand zwischen 2600 und 1600 v. Chr. Auch danach wurde das Sumerische zur Aufzeichnung wissenschaftlicher Texte verwendet, verlor aber allmählich seine Geltung als Bildungssprache.

(Harald Haarmann, Lexikon der untergegangenen Sprachen, München 2002/2004, S. 192 f.)

Nissen führt sogar Entwicklung der sumerischen Literatur auf semitische Einflüsse durch die Namen etc. zurück. (ab ED IIIa siehe Nissen 1988 "Schrift als geschriebene Sprache" und auch Michalowski)

Vielleicht zitierst du deine Quellen einmal, damit man sich ein Bild machen kann.

Nachweisbar ist das semitische als schriftliche Quelle erst seit Sargon, zuvor gibt es lediglich einige semitische Lehnwörter in sumerischen Schriften. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass frühsemitische Nomaden literarischen Einfluss ausübten, höchstens in der Form des "edlen Wilden".

Mit dem Zeitpunkt, zu dem Sargon Lugalzagesi besiegte, tritt ein neues sprachliches Element, das semitische Altakkadische, ins Licht der Geschichte ... Der Einfluss des Semitischen ist zwar schon für frühere Jahrhunderte nachweisbar, blieb aber auf Lehnwörter und Namen beschränkt.

(Gebhard J. Selz, Sumerer und Akkader, München 2005/2010, S. 63)
 
Je später desto patriarchischer trifft es wohl am ehesten. Die frühe Geschichte der Sumerer könnte matriarchisch gewesen sein, war aber vermutlich eher egalitär.

Später wurde die Rolle der Frauen eher schlechter (unter Einfluß der Semiten?)

Welche Quellen aus präsargonischer Zeit zu den Geschlechterrollen liegen denn vor oder worauf stützt sich diese These?


Demnach wären die "Könige" erst eine art Aherrführer auf Zeit gewesen. Später wurden die kriegerischen Auseinandersetzungen aber immer häufiger, so dass es dann ökonomischer den "König" auf Dauer im Dienst zu lassen. Der König wurde dabei vermutlich von einem Rat ernannt. (Das würde für Uruk passen .. ansonsten siehe Th.Jacobsen)
Was hat es denn mit den Räten auf sich? Ich habe das so verstanden, dass es in den Sippenverbänden „Räte“ gab, also auf die prä-urbane Zeit bezogen. Liege ich da richtig? Auf was stützt sich die Ernennungsthese? Warum sprichst Du gerade hier von Königen? Da würde ich gerne genaueres erfahren.


Es mag ein wenig nach Haarspalterei aussehen, aber die "Königsliste" der Sumerer ist eine "lugal"-Liste, d.h. aus dem Namen "Königsliste" kann man gar nichts schliessen.

Weil der Begriff "König" viel mehr meint, als Herrscher.
Dazu gehört z.B. auch Monarchie, d.h. auch Vererbung des Herrschaftsrechts, und die lässt sich gerade für die früheren Könige schwerlich nachweisen.

Dieses Argument leuchtet mir durchaus ein. Sicher ist im Einzelnen, auch bei Selbstbezeichnung als lugal, angebracht zu prüfen, ob der Begriff „König“ angemessen ist.

Ich habe allerdings überhaupt keine Probleme damit, lugal als König zu übersetzen. Die Königsliste stammt etwa aus neusumerischer Zeit, als die Herrscher unzweifelhaft Königsstaus hatten. Unabhängig davon, ob die Bezeichnung für alle gelisteten Personen zutreffend war, der sumerische Begriff lugal hatte in diesem Zusammenhang die Bedeutung von „König“. Besonders auch bei der Übersetzung von verbreiteten Titeln wie „König von Kisch“ ist die Übersetzung von lugal so ja sinnvoll.
Es ist natürlich unstrittig, dass das Wort eine Entwicklung durchgemacht hat und auf urukzeitlichen Funden anders zu beurteilen ist als auf frühdynastischen oder neusumerischen.

Das Reallexikon spricht übrigens von einer Gleichsetzungskette, die die Übersetzung legitimiere:
Lugal (sum.) = scharru (akk.) = malku (ram.), mäläk (hebr.) = basileus = rex

Ich verstehe das Argument leider nicht hinreichend genug, um weiter darauf eingehen zu können. Könnte Dich aber interessieren.

Aber das ist ja kein ernsthaft wichtiger Punkt, weshalb es vielleicht sinnvoller wäre, das Bild der Rolle des Herrschers ein wenig zu unterfüttern. Ich hatte eh im Sinn etwas über die Kultvase von Uruk zu schreiben.

Ein Anfang ist ja mit Deinem „Heerführer“ gemacht (auch wenn nam hier das -tum in König-tum ist). Weiter oben hast Du ähnliches geäußert. Wenn wir das zeitlich einordnen wollen, also den Übergang vom Häuptling zum lugal, kommt dafür doch nur die Urukzeit in Frage, oder?

Dazu habe ich zwei interessante Sachen gelesen. Ein sehr früher Fund (Uruk IV) spricht von einem „Mann mit der Keule“, was vielleicht als Führungstitel gewertet werden könnte.
Außerdem soll laut Panischek spätestens der Bau der Terrasse im Eanna-Heiligtum und dann frühdynastisch I der Mauer von Uruk eine permanente Führung und differenzierte Hierarchie erfordert haben.

Panitschek: Lugal, Scharru, Basileus, Lang 2008


Starke Herrscher fassten die sumerischen Stadtstaaten zuweilen zu einem einheitlichen Reich zusammen. So z.B. die Akkader unter Sargon (2371 bis 2191 v. Chr.)

Das ist nicht nur vollkommen richtig, sondern auch treffend formuliert. Ich war Dieter sehr dankbar für seine Perspektive, da ich das Reich von Akkad bisher auch gedanklich ausgeklammert hatte. Tatsächlich sind die Sumerer ja nicht mit Sargon plötzlich verschwunden und tauchten später wieder auf. Besonders im Süden, wo die von Dieter genannten sumerischen Stadtstaaten liegen, war das sumerische Element noch stark vertreten. Und von hier ging ja auch die „sumerische Renaissance aus“. Dass sich jeder akkadische König sein Reich erst wieder zusammenerobern musste zeigt ihre bleibende Eigenständigkeit.

@ Bonito: Wenn Du den Nissen vorliegen hast, ab S. 159 wird doch der Forschungsstand zu dem Schwerpunkt „Sumerer und Semiten“ geschildert. Könnte man ja kurz für die Diskussion zusammenfassen. (Kann ich aber auch…)
 
@ Bonito: Wenn Du den Nissen vorliegen hast, ab S. 159 wird doch der Forschungsstand zu dem Schwerpunkt „Sumerer und Semiten“ geschildert. Könnte man ja kurz für die Diskussion zusammenfassen. (Kann ich aber auch…)

Mach das doch bitte. :winke:

Gerade den Prozess der Verschmelzung der ursprünglich herrschenden Sumerer mit den semitischen Stämmen der Akkader und Amoriter finde ich sehr spannend.
 
Die Sprache der Sumerer war Sumerisch und man sprach sie in frühdynastischer Zeit (und auch noch später) in allen sumerischen Stadtstaaten. Ich verstehe nicht, welches Problem du damit hast.
Keins!
Irgendwie drücke ich mich wohl unverständlich aus.
Ich wollte nur sagen, dass man nicht erwarten kann/darf, dass die Art wie einer der Stadtstaaten nach dortige Textlage funktioniert haben soll, auch für die anderen Stadtstaaten gelten muss.
D.h. Uruk wurde u.U. völlig anderes verwaltet als Ur oder Umma etc.
Vor allem im Detail dürfte es da große Unterschiede gegeben haben.

Auch die Mythologie war lange nicht so einheitlich. Ich beziehe mich da z.B. auf AOAT-257 "Thomas Richter: Untersuchungen zu den lokalen Panthea Süd- und Mittelbabyloniens in altbabylonischer Zeit. "
Da gab es bzgl. der Kulture lokal Riesenunterschiede.

Nachweisbar ist das semitische als schriftliche Quelle erst seit Sargon, zuvor gibt es lediglich einige semitische Lehnwörter in sumerischen Schriften. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass frühsemitische Nomaden literarischen Einfluss ausübten, höchstens in der Form des "edlen Wilden".
Diese "Wilden" hatten es durchaus schon recht früh recht weit in der Hierarchie der Sumerer gebracht, d.h. Semiten konnten druchaus auch vor Sargon schon Führungsrollen innehaben und haben dabei sicherlich auch Einfluss auf die Kultur gehabt.
Später kann man das u.a. auch an der fortschreitenden Vermenschlichung von Göttergestalten sehen, z.B. vom Anzu (Imdugud)-Vogel zum Ninurta-Mensch, oder der Geschlechtswandlung von Ninshubur "Dienerin Inannas" zu Ninshubur "Unterweltgott".
 
Welche Quellen aus präsargonischer Zeit zu den Geschlechterrollen liegen denn vor oder worauf stützt sich diese These?
U.a. auf die Vermännlichung sumerischer Götter.
z.B. übernimmt Enki die Aufgaben der Schöpfung von Ninhursaja, die damit an Bedeutung verliert. Meist übernimmt ein männlicher Gott die Aufgabe eines weiblichen oder das Geschlecht wird ggf. geändert.
Im Prinzip ist das bei allen "alten" Göttinnen in Mesopotamien zu beobachten, ausser bei Inanna, die ihre Stellung im Pantheon halten konnte.
Auch denke ich kann man in den Gesetzestexten eine Tendenz zu einer stärken Dominaz der Männer erkennen.

Natürlich ist es nicht sicher, dass eine Änderung im Pantheon auch Auswirkungen auf das praktische Leben hatte, aber man kann es durchaus als eine Form der Abwertung der Weiblichkeit werten, finde ich.

Was hat es denn mit den Räten auf sich? Ich habe das so verstanden, dass es in den Sippenverbänden „Räte“ gab, also auf die prä-urbane Zeit bezogen. Liege ich da richtig? Auf was stützt sich die Ernennungsthese?
Ich dachte die Räte soll es noch später u.a. zu Zeiten Gilgameshs, falls es ihn den gab, gegeben haben. Gerade in den Gilgamesh-Geschichten gibt es diverse Anspielungen in diese Richtung.
Es gibt durchaus archaische Texte, die die Mitglieder des Rates nennen, daher auch das Zeichen NAM, ich denke da kommt diese These her.

Warum sprichst Du gerade hier von Königen? Da würde ich gerne genaueres erfahren.
Weil lugal halt in der Regel sü übersetzt wird. Auch wenn Boss o.ä. ggf. besser passen würde.

Ich habe allerdings überhaupt keine Probleme damit, lugal als König zu übersetzen. Die Königsliste stammt etwa aus neusumerischer Zeit, als die Herrscher unzweifelhaft Königsstaus hatten.
Wie ich schon schrieb ich verbinde mehr mit König als nur "Alleinherrscher", nicht jeder Diktator ist ein König, oder?
Ich aber ggf. auch nur ein Detail.

Das Reallexikon spricht übrigens von einer Gleichsetzungskette, die die Übersetzung legitimiere:
Lugal (sum.) = scharru (akk.) = malku (ram.), mäläk (hebr.) = basileus = rex
Wobei dieses Werk zum Teil auch schon recht alt ist. Etwas "ähnliches" ist sicher gemeint und ggf. die Diskussion nicht wert.

Ich hatte eh im Sinn etwas über die Kultvase von Uruk zu schreiben.
Das könnte spannend sein.

Ein Anfang ist ja mit Deinem „Heerführer“ gemacht (auch wenn nam hier das -tum in König-tum ist). Weiter oben hast Du ähnliches geäußert. Wenn wir das zeitlich einordnen wollen, also den Übergang vom Häuptling zum lugal, kommt dafür doch nur die Urukzeit in Frage, oder?
Ja ich denke als die ersten größeren Stadtstaaten sich gebildet hatten und so die Konflikte um Land etc. häufiger wurden.

Dazu habe ich zwei interessante Sachen gelesen. Ein sehr früher Fund (Uruk IV) spricht von einem „Mann mit der Keule“, was vielleicht als Führungstitel gewertet werden könnte.
Ehy das passt ja ganz gut zu dem was ich schrieb :)

Außerdem soll laut Panischek spätestens der Bau der Terrasse im Eanna-Heiligtum und dann frühdynastisch I der Mauer von Uruk eine permanente Führung und differenzierte Hierarchie erfordert haben.
Das denke ich auch, aber das könnte ggf. noch unter einer theokratischen Führung geschehen sein, oder? Eine Differenzierung erfordert ja noch keinen weltlichen Herrscher.

@ Bonito: Wenn Du den Nissen vorliegen hast, ab S. 159 wird doch der Forschungsstand zu dem Schwerpunkt „Sumerer und Semiten“ geschildert. Könnte man ja kurz für die Diskussion zusammenfassen. (Kann ich aber auch…)
Grins . ich hatte das aus Zitaten aus anderen Büchern und aus ein paar Email zwischen ihm und mir zusammengesetzt.
Von Nissen habe ich selber als buch nur "The early History of the ancient near east 9000-2000BC" und "Archaic Bookkeeping ...".
Ggf. muss ich da also noch "nachrüsten".
 
On the Alleged "Pre-Sumerian Substratum"
Author(s): Gonzalo RubioSource: Journal of Cuneiform Studies, Vol. 51 (1999), pp. 1-16Published by: The American Schools of Oriental ResearchStable URL: JSTOR: An Error Occurred Setting Your User Cookie

Da werden verschiedene Ansätze bis 1999 vorgestellt bzgl. vermutlich Vorsumerischer Worte, zum Teil semitisch und ägyptisch.
 
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