"haud procul" und seine Bedeutung bei Tacitus

MaxHermann schrieb:
Es wäre doch mal eine Überlegung wert, um Kalkriese einen Kreis mit Radius von 30 km zu ziehen, um den Standort (oder das Gebiet) des Germanicus zu ermitteln.
Was nur Sinn macht, wenn Germanicus auch in Kalkriese war.
:devil:

Mit Tacitus lässt sich Kalkriese als Ort der Varusschlacht nicht widerlegen. Umgekehrt lässt sich mit Tacitus auch Kalkriese nicht beweisen. Kalkriese ist eine Glaubenssache. Deshalb lässt sich die Pro-Kalkriese-Fraktion nicht von den Kalkriese-Gegnern überzeugen. Und umgekehrt ist es auch nicht anders. Kurzum, man kann seine Zeit auch anders verplempern.
 
Was nur Sinn macht, wenn Germanicus auch in Kalkriese war.
:devil:.

Sehr geehrter flavius-sterius,
selbstverständlich war Germanicus in Kalkriese. Er hat dort die Knochen der gefallenen Varuslegionäre bestatten lassen. Zahlreiche Knochengräber wurden dort archäologisch nachgewiesen.
Ich möchte Ihnen einen kleinen Literaturtipp geben:
Susanne Wilbers-Rost. Die Ausgrabungen auf dem Oberesch in Kalkriese - Deponierungen von Menschen- und Tierknochen auf dem Schlachtfeld, 2002

Umgekehrt lässt sich mit Tacitus auch Kalkriese nicht beweisen. Kalkriese ist eine Glaubenssache.

Wir sind hier jedoch in einem Geschichtsforum und nicht in einem Glaubensforum. Ein germanischer Wall, unzählige Funde und Knochengruben sind Relikte aus der Varusschlacht.


Mfg
Maxhermann
 
Da fällt mir eine Sache ein, die ich gestern gelesen habe:

Meine These ist allerdings eine andere. Segestes war auch gegen die Römer, hat dann aber, als Germanicus anrückte aus Feigheit seine Tochter übergeben und seinen Sohn als Vermittler zu den Römern geschickt und ihnen die Geschichte augetischt, er habe Varus ja gewarnt. Die Römer haben ihm wohl nicht so ganz geglaubt, jedenfalls haben sie ihn gedemütigt, in dem sie ihn "hoch geehrt" auf der Tribüne sitzen ließen, während seine Kinder (und sein Enkel) dem römischen Volk präsentiert wurden.

Die Loyalität des Segestes gegenüber Rom wird in der römischen Überlieferung mehrfach bezeugt:
(Strabon: Geographika VII. 4), (Velleius Paterculus: Hist. Romana II. 118 ,4), (Tacitus. Ann. I. 57 ff.).

Aus diesem Grunde sehe ich keinen Anlass, in irgendeiner Form daran zu zweifeln.
 
Ich hoffe Sie haben Verständnis dafür, dass mir die Diksussion um die postulierte opportunistische Haltung des Segestes über ist.

Bezüglich des hier behandelten Themas möchte ich etwas beitragen.
Zunächst einmal:
Archäologisch gilt der Ort der Varusschlacht in der Wissenschaft als nachgewiesen. Die Ausgrabungen in Kalkriese seit 1987 belegen dieses in mehreren Punkten.

Zu Tacitus´Annalen lässt sich folgendes festhalten:
B. Schneider und R.Wiegels vertreten den Standpunkt, dass die Schilderungen in den Annalen des Tacitus nicht zuverlässig sind und schon gar nicht als chronologischer Verlauf des Germanicusfeldzugs zu betrachten sind. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass bezüglich der Varusschlacht die althistorische Forschung die Archäologie im Stich lässt.
Insofern sollte man auch der Bezeichnung "haud procul" nicht allzuviel Bedeutung beimessen, wie das zahlreiche Hobbyforscher, insbesondere aus der Gegend um Detmold, gerne tun.


Mfg
maxhermann
 
Archäologisch gilt der Ort der Varusschlacht in der Wissenschaft als nachgewiesen. Die Ausgrabungen in Kalkriese seit 1987 belegen dieses in mehreren Punkten.

Wenn es denn so einfach wäre. Es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern von Rang und Namen, die in Kalkriese einen Ort der Varusschlacht sehen (und denen ich mich tendenziell anschließe) und es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern, ebenso von Rang und Namen, die Kalkriese als Ort der Varusschlacht ablehnen. Die meisten aber - Archäologen wie Althistoriker - halten sich in der Frage eher vorsichtig zurück: :still:
 
In der Klio blätterte ich vor mich hin und nichts zu suchen war mein Sinn (frei nach Goethe), zumindest nichts für's Forum Relevantes. Ich stieß dabei aber auf den Aufsatz Germanische 'Gefolgschaften' und Germanicus-Horizont: Zur Aussagekraft des Leichenfundes im Halterner Töpferofen Nr. 10. In: Klio. Beiträge zur Alten Geschichte. Band 93, Heft 1, Berlin 2001, S. 167 - 172. Verfasser ist Krešimir Matijević (Uni Trier).

Im dritten Band der Ausstellungstrilogie Imperium - Konflikt - Mythos, also Mythos, befindet sich ein Artikel von Stephan Berke, der sich zumindest namentlich mit unserem Thema befasst: "haud procul". Die Suche nach der Örtlichkeit der Varusschlacht (S. 133 - 138).
An den Tacitustext, genauer noch an den uns hier interessierenden Satz, schließt Berke - im Übrigen ein Gegner der Hypothese, mit Kalkriese sei der/ein Ort der Varusschlacht gefunden - folgende Fragestellungen an:

[...]

Berke stellt nun fest, dass sich die Fragen die er stellt aus den Quellen heraus nicht beantworten lassen und versucht die Lokalisierung anhand der Stämme, bei denen die drei Adler gefunden wurden: Brukterer zwischen Ems und Lippe, Marser, im Lippe-Sauerlandgebiet, Cherusker (wo 41 n. Chr. der dritte Legionsadler geborgen wurde) im Wesergebiet und Krieggefangene bei den Chatten, die man 40 Jahre nach der Schlacht befreien konnte (S. 133 f.). Für Berke ist es nur schwer vorstellbar, dass die weiter entfernten Stämme durch römisch kontrolliertes Gebiet unbemerkt zum Schlachtort bei Kalkriese hätten kommen können:

Berke schrieb:
Wie erklärt sich de Teilnahme der Marser und Chatten an der Schlacht, die ja immerhin, durch römisch kontrolliertes Gebiet, mit ihren Stammesaufgeboten eine Entfernung von 120 - 200 km bis nach Kalkriese zu überwinden hatten?

Matijević hält sich zur Kalkriese - Varusschlacht oder Germanicushorizontdebatte zurück, referiert, ohne seine eigene Position kenntlich zu machen die beiden in der Wissenschaft vertretenen Positionen und die Rolle des Römerlagers Haltern bzw. seine Identifikation mit Aliso. Haltern, so Matijević, sei für die Kalkriese-Gegner Aliso, für die Kalkriese-Befürworter sei es das nicht. (Meine nichtrelevante Position ist die, dass Haltern mit einiger Wahrscheinlichkeit Aliso ist, aber Kalkriese auch mit einiger *Varscheinlichkeit das Varusschlachtfeld. Aber seis drum, meine Position interessiert nicht). Matijević macht in seinem Beitrag eine mir in dieser Diskussion wichtig erscheinende Aussage bzgl. der 24 im Töpferofen Nr. 10 gefundenen Überreste von Individuen. Von den Verscharrten konnte per Sauerstoff-Strontium-Isotopenanalyse zehn Individuen eine regionale Herkunft zugewiesen werden. Sechs Individuen seien lokaler Herkunft, aber vier - wie hier im Forum auch schon bekannt - seien schwarzwäldischer oder böhmischer Herkunft, das sei nicht ganz zu klären.
Anhand literarischer Quellen (Caes. de Bello Gallico, VI, 23, 6 f. und Tac. Germ XIV, 1 f.) könne man entnehmen, dass Germanen sich nicht immer nur in ihren eigenen Stämmen eine Gefolgschaft suchten, sondern dorthin gingen, wo ein Heerführer einen erfolgversprechenden Kriegs- und/oder Raubzug plante. "Insofern", daher auch das obige Berke-Zitat, sei "das von Stefan Berke gegen die Identifizierung von Kalkriese als einem Ort der Varusschlacht in die Diskussion gebrachte Argument, dass Marser und Chatten die Entfernung von 120 - 200 km von ihrer Heimat bis nach Kalkriese kaum >>durch römisch kontrolliertes Gebiet<< zurücklegen konnten, neu zu überdenken. In diesem Zusammenhang ist auch eine Bemerkung bei Cassius Dio zu verweisen, wonach die Römer in Germanien keine zusammenhängenden Gebiete kontrollierten." A.a.O., S. 171.
 
In der Klio blätterte ich vor mich hin und nichts zu suchen war mein Sinn (frei nach Goethe), zumindest nichts für's Forum Relevantes. Ich stieß dabei aber auf den Aufsatz Germanische 'Gefolgschaften' und Germanicus-Horizont: Zur Aussagekraft des Leichenfundes im Halterner Töpferofen Nr. 10. In: Klio. Beiträge zur Alten Geschichte. Band 93, Heft 1, Berlin 2001, S. 167 - 172. Verfasser ist Krešimir Matijević (Uni Trier).

Interessante Neuigkeiten !

Andererseits: Warum hätten die Marser dann einen Adler erhalten, wenn sich nur einzelne Personen oder Gruppen einem brukterischen oder cheruskischen Fürsten unterstellt hätten ? Bei den Schwarzwäldern könnte es sich vielleicht auch um Vertriebene handeln, oder solche die sich der römischen Einflussnahme entziehen wollten.
 
Es ging nicht um einzelne Brukterer, Chatten oder Marser, sondern vielmehr darum, ob die Überwindung von 120 bis 200 km ein Problem darstellte, oder nicht, um Teil einer Gefolgschaft zu werden.
 
Die Reste der Leichen im Töpferofen sind ein wackeliges Indiz. Im Gebiet um die Lippemündung sind an germanischen Bestattungsplätzen Bestattungen nachgewiesen worden, die elbgermanische Züge aufweisen - zwischen Gräbern von rheinwesergermanischer Charakteristik. Offenbar lebten während der römischen Kaiserzeit im Bereich der Lippemündung "Eingeborene" zusammen mit Menschen, die aus dem Osten zugewandert waren. Möglicherweise waren das die "Sueben" (oder Stammesgenossen von denen), die mit den Überresten des Stamms der Sugambrer ins linksrheinische Gebiet umgesiedelt wurden. Bei den Toten im Töpferofen könnte es sich durchaus um solche "Neubürger" gehandelt haben. Es müssen nicht zwingend Krieger gewesen sein, die mit Aufgeboten aus dem Schwarzwald oder sonstwoher anmarschiert waren.

Die Leichen sind also kein Beleg dafür, dass es germanischen Kriegergruppen gelungen ist, trotz der römischen Präsenz von weither unbemerkt zum Varusschlachtfeld anzumarschieren. Meiner Ansicht nach ist diese Art von Beweis aber auch gar nicht erforderlich: Wie ich schon früher mal geschrieben habe, ist allein die Tatsache, dass die Schlacht stattgefunden hat, ein hinreichender Beweis dafür, dass der unbemerkte Aufmarsch möglich war. Kein einzelner Stamm hätte genügend Krieger zusammentrommeln können, um drei Legionen - das war gut die Hälfte der gesamten römischen "Besatzungsmacht" - standhalten zu können. Wer es für unmöglich hält, dass die Germanen unbemerkt so viele Truppen zusammenziehen konnten, sagt damit im Grunde, dass die Varusschlacht gar nicht stattgefunden haben kann.

MfG

P.S.: Sicher ist es richtig, dass die Römer keine zusammenhängenden Gebiete kontrolliert haben. Die Lippe-Linie hatten sie aber sicher durchgehend unter Kontrolle. Und diese Linie mussten mögliche Aufgebote der Chatten und Marser überqueren, um nach Kalkriese zu gelangen. Das war zweifellos ein heikeles Unterfangen, aber bestimmt nicht unmöglich. Ein großes Heer hätten die Römer mit größter Wahrscheinlichkeit bemerkt, und sei es nur an den Spuren, die so ein Heer zwangsläufig hinterlässt. Das "Einsickern" kleinerer Kriegergruppen konnte dagegen durchaus unbemerkt bleiben - oder für die Römer so "normal" wirken, dass sie ihm keine größere Beachtung schenkten. Dass der Aufmarsch offenbar unbemerkt erfolgt ist, spricht für durchdachtes Vorgehen. Die Schlacht war keine Spontanaktion, sondern von langer Hand vorbereitet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei den Toten im Töpferofen könnte es sich durchaus um solche "Neubürger" gehandelt haben. Es müssen nicht zwingend Krieger gewesen sein, die mit Aufgeboten aus dem Schwarzwald oder sonstwoher anmarschiert waren.

Natürlich. Allerdings handelt es sich bei den 24 Individuen ausschließlich um Männer zwischen 15 und 50, also im wehrfähigen Alter, die - wie anhand der 10 Sauerstoff-Strontium-Isotopenanalysen festgestellt werden konnte, nicht zu einem Familienverband gehörten und die in einem ehemaligen Ofen verscharrt wurden. Der Ofen selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betrieb, wurde aber nachträglich noch, offensichtlich von Römern, als Abfalllager für die in den anderen Öfen produzierten Fehlbrände verwendet.
Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Krieger handelte, die vermutlich von ihren Gegnern aus hygienischen Gründen verscharrt wurden, sehr hoch.
 
naja, Krieger, die aus dem Schwarzwald oder Böhmerwald mit 12 anderen verscharrt wurden. Die können aber schon 2 -3 Jahre vorher in der Gegend angekommen sein.

Das Leute in Germanien auch zur Römerzeit weite Strecken aus unterschiedlichsten Gründe unterwegs waren, ist ja nun nicht neu. Es waren Leute im wehr/arbeitsfähigen Alter. Es könnte sich auch um "entsorgte" Sklaven gehandelt haben.
 
Entsorgte Sklaven ist keine wirklich plausible Erklärung dafür, dass man die Toten in einem ausgedienten Töpferofen verscharrte. Zumal zu fragen ist, warum 24 Individuen zeitgleich zu Tode kamen, wenn nicht durch eine Seuche oder durch eine kriegerische Auseinandersetzung. Wäre es aber eine Seuche gewesen, dann dürfte man wohl erwarten, dass sie in einem Massengrab auf dem Haltener Gräberfeld bestattet und nicht in einem Ofen verscharrt worden wären.

Letztendlich geht es Matijević ja auch nur darum, "das von Stefan Berke gegen die Identifizierung von Kalkriese als einem Ort der Varusschlacht in die Diskussion gebrachte Argument, dass Marser und Chatten die Entfernung von 120 - 200 km von ihrer Heimat bis nach Kalkriese kaum >>durch römisch kontrolliertes Gebiet<< zurücklegen konnten, neu zu überdenken."
Das ist kein kategorischer Widerspruch zu Berke.

Man könnte Matijevićs Beitrag - obwohl er das nirgendwo ausdrücklich so darstellt - so verstehen: Die ganze Varusdebatte hat den Blick auf Haltern und Kalkriese so ideologisiert, dass, je nach Lager, alles so interpretiert wird, dass es in die eigene Theorie passt. Matijević versucht die Debatte von diesen ideologischen Kontaminationen zu reinigen und so den eigentlichen Forschungsstand - Varushorizont und Germanicushorizont sind noch nicht ausreichend unterschieden, die vorgebrachten Argumente noch nicht überzeugend genug, um für die eine oder andere Interpretation gezählt werden zu können - herauszustellen.
 
Braucht man eine plausible Erklärung am Rande des Kaffeesatzlesens? In einer Zeit ohne Handy und Telefon ist es durchaus möglich, tausende von Kriegern zusammenzuziehen, auch in kontrolliertem Gebiet. Die Indianer Nordamerikas haben das ja in der Neuzeit bewiesen. Erstmal muß ein max 2 Wochen dauernder Aufmarsch aufffallen und dann müssen die Nachrichten an die richtige Stelle, sprich Varus gelangen. Von dem wussten die römischen Boten ja auch nicht genau, wo er zu finden ist, er war ja auch unterwegs.
Also aus Entfernungen und Menschenzahl etwas konstruieren zu wollen .....

Das ganze mal von der Ideologie zu reinigen, scheint sinnvoll. Die Textquellen sind nun mal nicht so ergiebig, das die Ereignisse von Kalkriese eindeutig zu zuordnen sind.
 
Sandkastenspiele

In der Klio blätterte ich vor mich hin und nichts zu suchen war mein Sinn (frei nach Goethe), zumindest nichts für's Forum Relevantes. Ich stieß dabei aber auf den Aufsatz Germanische 'Gefolgschaften' und Germanicus-Horizont: Zur Aussagekraft des Leichenfundes im Halterner Töpferofen Nr. 10. ....

[FONT=&quot]Das ist eine interessante Übersicht in dem Beitrag. Es spricht also offensichtlich nichts dagegen, dass in Haltern Männer getötet worden sind, die vom Schwarzwald oder Böhmen her gekommen sind. Das passt wirklich gut zum germanischen Gefolgschaftswesen und macht daher Sinn. Im Übrigen waren germanische Gefolgschaftskrieger in gewissem Sinne „Berufssoldaten“, da sie ihrem Fürsten ständig zur Verfügung standen. Ein abenteuerlustiger Krieger aus Böhmen, der in die Gefolgschaft eines bruttischen Adeligen aufgenommen worden war musste also nicht „extra zur Varusschlacht“ schnell mal an den Rhein durch das okkupierte Germanien anreisen. Ein solcher Mann dürfte sich bereits seit einiger Zeit bei seinem Fürsten aufhalten, bevor der Krieg ausbrach. Gefolgschaften waren im Vergleich zu „Stammesaufgeboten“ relativ klein und gewiss in der Lage auch schnellere Märsche durchzuführen – bei Bedarf wohl auch „versteckt“ zu marschieren… [/FONT]
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[FONT=&quot]Berke’s Zitat würde ich in diesem Zusammenhang trotzdem nicht als völlig entkräftet ansehen: Er spricht ja eindeutig von Stammesaufgeboten und nicht von Gefolgschaften, denen er nicht zutraut, bis zu 200 km unbemerkt zum Ort der Schlacht gegen die Okkupationsarmee marschieren zu können.
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[FONT=&quot]Mir drängen sich dadurch aber mehr Fragen als überzeugende Antworten auf:[/FONT]
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[FONT=&quot]Ich bin kein Gegner der Kalkriese-Verortung und kann mir ebenfalls nicht vorstellen, dass die Römer ein starkes Überwachungssystem bereits etabliert hatten um solche Aufmärsche sicher rechtzeitig entdecken zu können. [/FONT]
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[FONT=&quot]Nun fiel mir wieder ein in den Berichten gelesen zu haben, dass Varus sich habe dazu verleiten lassen, vielen Stämmen kleinere Gruppen seiner Soldaten geschickt zu haben, um auf die vorgebrachten (vorgeschobenen) Nöte der Stämme einzugehen. Es wird ihm dabei der Vorwurf gemacht (Suggeriert?), damit sein Heer unnötig geschwächt zu haben. Falls tatsächlich die Verschwörer derartiges angeregt haben sollten, hätten sie sich damit denn nicht einen unbemerkten Anmarsch der Aufgebote zum späteren Kampfort erschwert?! Dass mögliche Meldungen dieser Abordnungen generell immer abgefangen hätten werden können, klingt für mich wenig glaubwürdig. Dann wäre auch die Gefahr erheblich gestiegen, die Römer vorzeitig zu misstrauisch zu machen, weil Berichte oder rückkehrende Legionäre ausgeblieben wären. Weiter berichten aber die antiken Quellen, dass diese vereinzelten Römer durch die Germanen scheinbar ziemlich gleichzeitig niedergemacht worden seien (Nach Beginn der Kämpfe oder als deren Einleitung?). All das suggeriert einen Grad von präziser Organisation auf Seiten der Aufständischen, die kaum regulären Armeen vor Erfindung schneller Nachrichtenübermittlung der Neuzeit zuzutrauen ist. Irgendwie fehlt mir da ein Puzzleteil…[/FONT]
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[FONT=&quot]Sollte man es so verstehen, dass entweder zu Beginn der Schlacht nur Gefolgschaften der Adeligen gemeinsam mit wenigen, regionalen Aufgeboten (?) gegen die Römer vorgingen? Dann hätte es auch keine „sperrigen Stammesaufgebote“ zu entdecken gegeben.[/FONT]
[FONT=&quot]Oder sollte man besser annehmen, dass die Abordnungen der Römer eher in vom Schauplatz entfernt liegende Gebiete gelockt worden sind, wo sie dann nach Ausbruch des Aufstandes schon von einem entschlossenen Mob hätten niedergemacht werden können? [/FONT]
[FONT=&quot]Bei beiden Annahmen hätten die von antiken Autoren gescholtenen Abordnungen der Römer nicht als zusätzliches „Überwachungsinstrument“ gegen den frühen Aufmarsch der Verschwörer wirken können. Falls der Beginn der Varusschlacht auf germanischer Seite fast nur von Gefolgschaften getragen worden wäre, hätte den abgeordneten Römern dies eigentlich ebenfalls auffallen müssen. Ich gehe dabei davon aus, dass solche Detachements gewiss im Umkreis der bedeutenderen germanischen Personen zu erwarten wären.
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[FONT=&quot]Diese Überlegungen drängten sich mir auf, obwohl in der Überlieferung den Germanen besonders hinterlistiges Vorgehen attestiert worden ist. Die Anführer der Aufständischen hätten ihre Truppen (Gefolgschaften?) unter dem Vorwand versammelt und in Marsch gesetzt, diese der römischen Armee als Hilfstruppen zuführen zu wollen. Dann freilich brauchten sie weder Überwachungssysteme, noch verstreute Detachements, noch das eigentliche römische Heer zu fürchten, bevor die Kämpfe nicht begonnen hätten. Falls die angeblich als Hilfstruppen für die Römer versammelten Männer, aus brauchbaren Teilen des Stammesaufgebots bestanden hätten (als Ergänzung für die von mir ins Spiel gebrachten Gefolgschaften, die sich bereits vor Ort befunden hätten…), wäre die Täuschung der Römer perfekt gewesen….
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[FONT=&quot]…Wie gesagt sind das alles nur Sandkastenspiele meinerseits…[/FONT]
 
[FONT=&quot]Das ist eine interessante Übersicht in dem Beitrag. Es spricht also offensichtlich nichts dagegen, dass in Haltern Männer getötet worden sind, die vom Schwarzwald oder Böhmen her gekommen sind. Das passt wirklich gut zum germanischen Gefolgschaftswesen und macht daher Sinn. Im Übrigen waren germanische Gefolgschaftskrieger in gewissem Sinne „Berufssoldaten“, da sie ihrem Fürsten ständig zur Verfügung standen.

Ich hatte mir die Gefolgschaften bisher eher wie eine Art "Leibwachengarde" eines fürsten vorgestellt, die vielleicht auch polizeiliche Aufgaben hatte. Deshalb bin ich erstaunt, dass diesen eine echte militärische Bedeutung zugebilligt wird.
Wären die Gefolgschaften größer und stehend gewesen, womit wären sie unterhalten worden ? Die Geldwirtschaft war doch nicht ausgeprägt und ich meine gelesen zu haben, dass es kein eigentliches Steuerwesen gab, was auch ein Grund war weshalb es zu dem Aufstand überhaupt kam.
 
Berke’s Zitat würde ich in diesem Zusammenhang trotzdem nicht als völlig entkräftet ansehen: Er spricht ja eindeutig von Stammesaufgeboten und nicht von Gefolgschaften, denen er nicht zutraut, bis zu 200 km unbemerkt zum Ort der Schlacht gegen die Okkupationsarmee marschieren zu können.
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Sollte man es so verstehen, dass entweder zu Beginn der Schlacht nur Gefolgschaften der Adeligen gemeinsam mit wenigen, regionalen Aufgeboten (?) gegen die Römer vorgingen? Dann hätte es auch keine „sperrigen Stammesaufgebote“ zu entdecken gegeben.

Das dürfte eher unwahrscheinlich sein. Es wurde viel darüber spekuliert, ob die Legionen des Varus volle Stärke hatten oder vielleicht nur Rumpfeinheiten waren. Aber selbst wenn es sich um stark ausgedünnte Verbände gehandelt hat, ist mehr als eine Ansammlung von Gefolgschaften nötig gewesen, um dieses Heer zu gefährden. Ich habe keine Zweifel, dass die Germanen viele tausend Krieger aufbieten mussten, um sich dieser Schlacht gewachsen zu fühlen. Darauf deutet auch der folgende Punkt aus den Quellen (Dio?) hin:

Es ist die Rede davon, dass sich einige Völkerschaften dem Kampf erst angeschlossen hätten, als sie sicher waren, dass der Überfall erfolgreich sein würde. Diese Aussage kann man nur bei oberflächlicher Betrachtung so verstehen, dass jene Völkerschaften daheim an ihren Lagerfeuern gesessen haben, als sie die Nachricht vom mutmaßlich erfolgreichen Verlauf des Überfalls erhielten. Von dem Moment an, da die Schlacht begonnen hatte, wäre nie und nimmer genügend Zeit geblieben, noch Boten zu einzelnen Stämmen zu schicken, dort Aufgebote zusammenzuziehen und dann zum Schlachtfeld zu marschieren. Auch die Truppen der "Zweifler" müssen also bereits vor Ort gewesen sein. Auch die müssen also im Voraus von dem geplanten Überfall gewusst haben und "sicherheitshalber" hinmarschiert sein.

Anders ist das eigentlich auch nicht denkbar. Arminius konnte seine Aufstandspläne nicht vor den Germanen geheim halten. Er musste zumindest ausgewählte Stämme einweihen, da er ja schließlich Truppen rekrutieren wollte/musste. Die Schilderung in den Quellen interpretiere ich so, dass der Angriff zunächst von den "Verschworenen" des Arminius vorgetragen wurde. Ich verweise da auf die Theorie, dass Arminius eine Art "stehendes Heer" aus Angehörigen verschiedener Stämme befehligt haben könnte. Diesem Angriff haben sich nach und nach die noch wankelmütigen Stammesaufgebote angeschlossen, die ins Kampfgebiet marschiert waren, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

Das alles ändert aber nichts daran, dass Truppen in großer Zahl bewegt worden sein müssen. Das hätte den Römern durchaus auffallen können. Die Frage ist nur, ob sie solche Truppenbewegungen überhaupt ungewöhnlich gefunden hätten. Es muss Wochen oder gar Monate gedauert haben, bei den Stämmen für diesen Aufstand zu werben und Krieger zu rekrutieren. So kann auch der Aufmarsch Wochen oder Monate gedauert haben. Dann kann es sein, dass die Römer zwar oft Gruppen von Germanen mit Packtieren in der Landschaft gesehen haben, dass diese Gruppen für sie aber ein gewohnter Anblick waren. Einfach ein paar Leute, die zur nächsten Siedlung wollen, um ihre Felle gegen Werkzeuge oder Wein zu tauschen.

MfG
 
hm
irgendwo stand mal, das Arminius mit den Hilfstruppen abgefallen ist, also ein Teil seiner Truppen war nun ganz nah bei den Römern.
Dann ist ja nun Varus selbst auch auf dem Marsch gewesen, der Überfall geschah so ziemlich am Ende des Rückmarsches.
Die "germanischen Stammesheere" hatten also reichlich Zeit, sich zu sammeln und an den Schlachtort, wo auch immer der war, zu marschieren. Da die Römer auf verschiedenen Routen hin und zurück marschierten, die Routen Arminius bekannt waren, konnten die Germanen, an denen Varus auf dem Hinweg vorbeimarschiert war, sich nach dem Durchzug auf den Weg machen. Also reichlich Zeit.

Und die Information, Germanen sammeln sich, na die hatte Varus doch, deswegen war er ja unterwegs ! Ein entfernter Stamm will einen Aufstand machen. War ja der Grund des Marsches.
 
Die "germanischen Stammesheere" hatten also reichlich Zeit, sich zu sammeln und an den Schlachtort, wo auch immer der war, zu marschieren. Da die Römer auf verschiedenen Routen hin und zurück marschierten, die Routen Arminius bekannt waren, konnten die Germanen, an denen Varus auf dem Hinweg vorbeimarschiert war, sich nach dem Durchzug auf den Weg machen.
Ganz so einfach ist es nicht. Wenn man annimmt, dass Kalkriese zur Varusschlacht gehört und dass Varus zuvor irgendwo in der Nähe der Weser war, dann erklärt Deine Theorie nicht die Anwesenheit von Marsern oder Chatten auf dem Schlachtfeld. An den Siedlungsgebieten dieser Stämme kann Varus auf seinem Marsch eigentlich nicht vorbeigekommen sein. Die Aufgebote dieser Stämme hätten ihm also nicht folgen können. Deren Anwesenheit bei Kalkriese ist nur so zu erklären, dass sie den Ort der Schlacht kannten, ehe Varus wusste, dass er dort vorbeiziehen würde.

Und die Information, Germanen sammeln sich, na die hatte Varus doch, deswegen war er ja unterwegs ! Ein entfernter Stamm will einen Aufstand machen. War ja der Grund des Marsches.
Ihm wurde ein Aufstand "weit entfernter" Stämme gemeldet - mutmaßlich nordwestlich des Standorts, an dem er sich gerade aufhielt. Wären zum gleichen Zeitpunkt plötzlich die Stämme südlich seiner Position in Hektik geraten, hätte ihn das mit Sicherheit misstrauisch gemacht. Chatten und Marser mussten auf jeden Fall die Lippe-Linie überschreiten, die fest in römischer Hand war. Dieses Argument lässt sich nicht von der Hand weisen. Es wird meiner Ansicht nach nur überbewertet.

MfG
 
Dieser Einzelbeleg von den aufständischen, weit entfernten Stämmen, 200 Jahre nach der Schlacht durch Cassius Dio niedergelegt, ist doch eigentlich zu legendenhaft, um darauf weiterführende Argumentationen zu stützen. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass wir uns hier im haud procul-Thread befinden. Wenn wir also bitte versuchen, die Kurve zur haud procul-Diskussion wieder zu kriegen?
 
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