Legitimation den Herrscher im frühen Mittelalter

Fredegar kann aber frühestens in der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. geschrieben haben. Gibt es irgendwelche Beweise dafür, dass es die Troja-Herkunftssage schon in der Spätantike gab, als also die Rivalität mit den Römern noch aktuell war? Oder könnte sie nicht auch eine Erfindung aus einer Zeit sein, als die Merowinger sich schon längst etabliert hatten und im Grunde genommen keine erhabene Herkunft mehr nötig hatten?
 
Fredegar kann aber frühestens in der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. geschrieben haben. Gibt es irgendwelche Beweise dafür, dass es die Troja-Herkunftssage schon in der Spätantike gab, als also die Rivalität mit den Römern noch aktuell war? Oder könnte sie nicht auch eine Erfindung aus einer Zeit sein, als die Merowinger sich schon längst etabliert hatten und im Grunde genommen keine erhabene Herkunft mehr nötig hatten?

Die bei Fredegar tradierte Herkunftssage (origo) der Franken ist nur ein zeitgenössisches (Mitte 7. Jh.) Konstrukt. Das hat sehr viel mit spätantiken und frühmittelalterlichen ethnographischen Vorstellungen zu tun. Die seit Vergil bekannte Trojanersage der Römer wurde von Fredegar nur aufgegriffen, zuvor gibt es keinen Beleg dafür. Neben Fredegar erwähnt es dann das später entstandene Liber Historiae Francorum, mit eigenen Variationen. Beide Texte unterscheiden sich und griffen wohl auch auf eine gallo-römische Trojaerzählung zurück, aber das ist alles recht unklar. Es existiert dazu eine umfangreiche Fachliteratur, einführend nenne ich nur Alheydis Plassmann, Origo gentis, Berlin 2006, speziell S. 151ff. Eugen Ewig hat zum Trojamythos bei den Franken auch einiges geschrieben.

PS: Es ist auch nicht korrekt anzunehmen, dass dieses Konstrukt auf Initiative der Merowinger geschaffen wurde. Fredegar schreibt eher aus "oppositioneller" Perspektive, bei den Merowingern war vielmehr wohl die sakrale Legitimation ausschlaggebend, wenngleich es in der Forschung umstritten ist, welche Rolle diese genau spielte (siehe die ebenfalls bei Fredegar überlieferte Sage vom Quinotaurus). Daher ist hier das Sakralkönigtum wichtiger als der Trojamythos der Franken, den Fredegar wohl eher allgemein bezogen auf die fränkische Geschichte konstruiert hat, damit die Franken mit den Römern diesbezüglich konkurrieren konnten. Ist aber ein weites Feld.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Legitimation des Herrschaftsanspruchs im Frühmittelalter möchte ich auch noch auf die römischen Grundlagen hinweisen:

Das entstehende Frankenreich unter Chlodwig um das Jahr 500 entstand zunächst als römischer Foederatenstaat, dessen König Chlodwig dann auch die Verwaltung der römischen Provinz "Belgica Secunda" mit der Hauptstadt Reims übernahm. Chlodwigs Herrschaft wurde dann ja auch von Seiten des Römischen Reiches anerkannt: im Jahre 508 wurde ihm vom römischen Kaiser Anastasius die Konsularswürde verliehen.

Gleiches galt m. W. (da bin ich mir aber nicht zu 100 % sicher) auch für die anderen frühma. Königreiche: nomineller Oberherr war der Römische Kaiser in Konstantinopel (bis zur Kaiserkrönung Karls des Großen).

Speziell zum Fall Chlodwig ist ein interessanter Aufsatz von Friedrich Prinz: Merowinger: Chlodwig in "Römer und Barbaren. Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte von der Spätantike bis 800", München, 1997, S. 84 enthalten.
 
Also ersteinmal vielen Dank für die zahlreichen Antworten und Diskussionen.
Das Seminar welches ich besucht habe beschäftigte sich mit dem Thema "Herrschaftslegitimation", d.h. meine Hausarbeit sollte sich mit Herrschaftslegitimation, Gottesgnadentum, Karolinger, Merowinger befassen... Mir fällt es allerdings ziemlich schwer eine Struktur für diese Themen zu finden in der nicht nur nacherzählt sondern auch analysiert wird. Mir scheint das ganze Thema doch sehr komplex und ohne klare Grenzen zu sein.
 
Ich würde dir raten, mal in Hans K. Schulzes vierten Band der Reihe "Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter" reinzuschauen. Der ist gerade bei Kohlhammer erschienen und behandelt auch die Herrschaftslegitimation. Amazon.de führt das Buch leider noch nicht, es ist aber draußen. Den 3. Band (Kaisertum) hatte ich damals auch für meine Uniabschlussarbeit als Überblick mit benutzt - und tue es heute noch für die nachfolgende Arbeit. Wichtig ist auch Erkens Darstellung "Herrschersakralität im Mittelalter", weil das bis zum Investiturstreit eine wichtige Rolle spielte.
 
Mir scheint das ganze Thema doch sehr komplex und ohne klare Grenzen zu sein.

vielleicht ist es hilfreich, die Unterschiede der Legitimation(en) in zeitlicher Folge zu betrachten:
1. Doppelfunktionen
einerseits rex/reiks eines exercitus - andererseits zugleich hoher römischer bzw. später oströmischer Militäradel
- Theoderich der Große
- Burgunderkönige in der Sapaudia (hierzu auch interessant der Aufsatz über "vester est populus meus" von Wolfgang Scheibelreiter)
- einige Westgotenkönige
- Childerich I

2. relative Unabhängigkeit von Ostrom (ein weströmisches Reich existierte nicht mehr) bzw. Konkurrenz zu Ostrom
- evt. Chlodwig, nachfolgende Merowingerkönige (ob Chlodwig sich viel aus der Konsularswürde machte? Jedenfalls agierte er auf eigene Rechnung, tanzte nicht nach oströmischer Pfeife) interessant hier auch das Eingreifen der Merowinger in der Spätphase des gotischen Kriegs
- Langobarden (ständige Konkurrenz gegen die oströmischen Exarchate in Italien)

3. quasi Anbindung an einerseits die römische Kirche, andererseits Wiederbelebung weströmischer Kaisertradition
- Karolinger, freilich Karl der Große

Gemeinsam bei beinahe allen ist, dass sie sowohl dynastische Legitimation(en) pflegten, als auch typische röm. Herrschaftsinsignien imitierten - hierbei auch immer ein Spagat mit verschiedenen Rechtssystemen (vgl. die leges barbarorum speziell dort, wo zw. ex-romanischer Bevölkerung und Heeresgefolge (exercitus) unterschieden wird)
 
Die bei Fredegar tradierte Herkunftssage (origo) der Franken ist nur ein zeitgenössisches (Mitte 7. Jh.) Konstrukt. Das hat sehr viel mit spätantiken und frühmittelalterlichen ethnographischen Vorstellungen zu tun. Die seit Vergil bekannte Trojanersage der Römer wurde von Fredegar nur aufgegriffen, zuvor gibt es keinen Beleg dafür. Neben Fredegar erwähnt es dann das später entstandene Liber Historiae Francorum, mit eigenen Variationen. Beide Texte unterscheiden sich und griffen wohl auch auf eine gallo-römische Trojaerzählung zurück, aber das ist alles recht unklar. Es existiert dazu eine umfangreiche Fachliteratur, einführend nenne ich nur Alheydis Plassmann, Origo gentis, Berlin 2006, speziell S. 151ff. Eugen Ewig hat zum Trojamythos bei den Franken auch einiges geschrieben.

PS: Es ist auch nicht korrekt anzunehmen, dass dieses Konstrukt auf Initiative der Merowinger geschaffen wurde. Fredegar schreibt eher aus "oppositioneller" Perspektive, bei den Merowingern war vielmehr wohl die sakrale Legitimation ausschlaggebend, wenngleich es in der Forschung umstritten ist, welche Rolle diese genau spielte (siehe die ebenfalls bei Fredegar überlieferte Sage vom Quinotaurus). Daher ist hier das Sakralkönigtum wichtiger als der Trojamythos der Franken, den Fredegar wohl eher allgemein bezogen auf die fränkische Geschichte konstruiert hat, damit die Franken mit den Römern diesbezüglich konkurrieren konnten. Ist aber ein weites Feld.

Als das wesentliche Element für die Legitimation der Könige würde ich es auch nicht ansehen. Aber ich sehe es als ein weiteres Mittel zur "Abrundung".
 
Dynastie, Königswahl und "sakrale Legitimation"?

Wenn ich mich richtig entsinne, so fanden im ganz frühen Mittelalter bzw. der Spätantike zwei Ereignisse gerade bzgl. Legitimationsfragen großes Interesse: einmal das Senioratsprinzip bei den Vandalen (die Herrschaft ging nach Geiserichs Tod an seinen ältesten Sohn über, keine Teilung des vandal. Hoheitsgebiets), zum anderen die kritische Thronfolge im italischen Ostgotenreich nach Theoderichs Tod.

Bzgl. der ostgotischen Verhältnisse ist interessant, dass nach Amalarich, Amalaswintha und Theodahad - allesamt Angehörige der Herrschersippe der Amaler - die durch Wahl erfolgte Thronerhebung von Witigis (der zuvor ein adeliger "General" der Ostgoten war) aus byzantinischer Sicht als Usurpation bzw. Tyrannei bezeichnet wurde. Ostrom erkannte also Witigis wie auch nach ihm Totila und Teja nicht als legitime Herrscher an.

Die Zugehörigkeit zu einer anerkannten herrschenden Sippe (Amaler, Merowinger, Karolinger usw.) war auf jeden Fall eine Art Legitimation. Erstaunlicherweise galt dies auch für Nachkommen, welche die Herrscher mit Nebenfrauen zeugten - interessant sind die genealogischen Listen von Alexander Demandt zur familiären Versippung des "Militäradels" in Spätantike und frühem Mittelalter.

Interessant ist auch die Königswahl des langobardischen Authari nach einem zehnjährigen königslosen Interregnum, welcher sich nach der Königswahl den Beinamen Flavius zulegte, um sich zusätzlich zu legitimieren.

Sehr schöne Beiträge lieber Dekumatland, da stimmt man gerne zu…

Nur: Witigis versippte sich bei seiner Königserhebung mit den Amalern, da er die Tochter der Amalaswintha heiratete. Dazu verstieß er auch seine langjährige Ehefrau um an die dynastische Legitimation anknüpfen zu können. Das sah auch der oströmische Kaiser so und anerkannte ihn formal als rechtmäßigen König der Ostgoten. Alle gesetzgeberischen Akte der Gotenkönige bis hin zu Witigis wurden von Ostrom auch nach dem Sieg für weiterhin gültig erklärt, soweit sie nicht explizit aufgehoben wurden. Ich werde auf Witigis beispielhaft noch mehrfach zurückkommen. Für die späteren ostgotischen Könige wie Totila, Teja & Co galt das nicht, sie wurden als Tyrannen und Usurpatoren bezeichnet – und Schlimmeres! Es war römischer Usus schon zu Zeiten republikanischer Bürgerkriege die Truppen politischer Gegner, diese als Räuberbanden zu verunglimpfen. In den meisten Fällen haben Historiker das inzwischen revidiert. Im Falle von Sextus Pompejus, einem Widersacher von Augustus/Octavian und Marcus Antonius dagegen wird noch immer gerne von einem Piratenadmiral gesprochen…

In der Spätantike kam die Auffassung von der „Familie der Könige“ zum Ausdruck. Würdige Männer aus königlichem Geschlecht (Abstammung)sollten vom Kaiser als Könige ihrer Völker eingesetzt und bestätigt werden. Der Kaiser fungierte dann als „Vater dieser Familie der Könige“. Eine römische Praxis bereits zu Zeiten des Kaisers Augustus. Auch er pflegte Klientelkönige einzusetzen oder abzusetzen. Auch die spätantiken Könige der foederierten Völkerschaften (eben den „Wandervölkern“) warben um die Anerkennung der Kaiser, denn diese war gleichbedeutend mit einem Bündnisvertrag „Foedus“ mit Rom und daraus folgend mit Subsidien und römischen Militärämtern. Diese Auffassungen finden sich ja noch bei den oben geschilderten Ereignissen bei den Gotischen Kriegen in Italien.


An diese Gedankenwelt, in welcher Kaiser den Königen vorstanden knüpften auch die Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ des Mittelalters an. So „bestätigten“ sie die erstem (!) Fürsten/Könige der Böhmen, Polen und Ungarn und verliehen sogar Kronen ganz in antiker Manier – in jenem kurzen Zeitraum vor allem nach 955, als die Ungarn auf dem Lechfeld geschlagen worden waren. Ein Anspruch, dem sich vor allem Frankreich eindrucksvoll widersetzen konnte… (Aber das führt wirklich zu weit!).

Die richtige Abstammung scheint für die Stämme der Völkerwanderung durchaus wichtig gewesen zu sein, wie die Theorie der Traditionskerne eindrucksvoll unterstreichen. Dass der Sprössling eines großen Geschlechts auch wirklich das Königsheil besaß, würde sich am Erfolg zeigen. Wenn nicht, hatten viele Völker wenig Scheu einem geeigneteren Kandidaten nachzuhelfen. Schon damals gab es neben legitimierten Dynastien auch Königswahlen, vor allem wenn mehrere Sprösslinge einer Dynastie als geeignet angesehen wurden, oder auch falls die königliche Linie ausgestorben war. Die Episode mit dem ostgotischen König Witigis ist hierfür bezeichnend. Mit dem Tode seines Vorgängers Theodahad war das Königsgeschlecht der Amaler in männlicher Linie nicht mehr in der Lage einen würdigen Kandidaten zu stellen. Das in anderen Beiträgen bereits gefallene Stichwort des „Sakralkönigtums“ ist in gewisser Weise ja auch mit der Abstammung eines Kandidaten und damit dem „Königsheil“ verbunden. Das gotische Heer erhob Witigis, einen adeligen Goten aus keiner hervorragenden Familie zum König, der sich in der Vergangenheit als Heerführer und in diplomatischen Missionen bewährt hatte auf den Schild. Die Hochzeit mit einer Amalerin versippte ihn mit dem alten Herrschergeschlecht und seine Legitimität wurde auch von dem gegen ihn im Krieg befindlichen Kaiser in Konstantinopel niemals in Zweifel gezogen.

Man fühlt sich bei Witigis an die Germania des Tacitus erinnert, wo er schreibt: „[Die Germanen] erwählen ihre Könige aufgrund der edlen Abkunft, die Heerführer aufgrund von Tüchtigkeit…“ Das war eine Grundlage gentilen Königtums. In Witigis vereinigten sich beide Elemente als ein gutes Beispiel.

Die Franken hielten sehr lange ihrem weit verzweigten Merowingischen Geschlecht an. Es bedurfte anscheinend einer höheren Legitimation dieses Vorrecht durch Geburt abzulösen. Der Hausmeier Pippin ließ sich vom Papst bestätigen, dass besser jener die Krone trage, der auch die tatsächliche Macht ausübe, statt einer machtlosen Marionette von Geblüt. Ein Aspekt war, den tief verwurzelten Rechten der Königsdynastie eine von höherer Macht (Gott) bestimmte Person entgegensetzen zu können um den Machtwechsel zu den Karolingern durchführen zu können. Es gelang ausgesprochen gut und mit Karl dem Großen errang bereits der Sohn des „Thronräubers“ (Pippin, der die Merowinger entmachtet hatte) aus karolingischem Geschlecht die Kaiserkrone in Rom! Geblütsrecht, Wahlkönigtum und sakrale Legitimation zeigen sich sehr gut in den beiden „Beispielkönigen“ Witigis und Pippin. Beide standen von Geblüt/Herkunft gegenüber den bisherigen Königen zurück. Beide stürzten ihre Vorgänger und waren von ihren Völkern anerkannt. Um sich weiter zu legitimieren heiratete der Erstere in die alte Dynastie ein, während der Letztere eine Art sakraler Legitimation hinzuzog. Indem Pippins Sohn, Karl der Große in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde, war er sowohl sakral legitimiert und setzte sich gemäß der alten Formel vom Kaiser als Vater und Vorsitzender der „Familie der Könige“ an die Spitze der denkbaren monarchischen Traditionen im nördlichen Europa!

PS: Die Aufstellung von Dekumatland in Post#27 ist recht hilfreich. Es klammert allerdings das Königtum der "außerrömischen Zeit" aus. Was für das Mittelalter aber wohl ohne Belang ist.
Anzumerken wäre vielleicht noch, dass anstelle des sich irgendwie über Rom legitimierende Königtums der Spätantike später die "Familie der christlichen Könige" trat. Zu diesem Komplex zählt dann auch mein Nebensatz zu den ersten (christlichen) Königen der Böhmen, Polen und Ungarn...
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur: Witigis versippte sich bei seiner Königserhebung mit den Amalern, da er die Tochter der Amalaswintha heiratete.
mea culpa :friends: ich hatte Mathaswintha ganz vergessen :autsch:

interessant hierzu: nach dem Tod des abgsetzen Witigis, der in hohen Würden zu Byzanz nach seiner Niederlage lebte, heiratete Germanus (Neffe Kaiser Justinians, General im oström. Heer) seine Witwe Mathaswintha; hierbei war die Idee, durch diese gleichsam oströmisch-amalische Versippung (eine Art der Legitimation) die italische und gotische Bevölkerung auf die eigene Seite zu ziehen und so dem "Usurpatoren" Totila den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Lästigerweise aber verstarb der mit der Rückeroberung Italiens betraute Germanus, bevor er samt Heer italischen Boden betreten konnte.

deinem Beitrag kann ich rundum zustimmen!!
 
nun, die Fragestellung ist mir jetzt klar.
Wodurch war das Königtum der Merowinger legitimiert? Oder besser, warum waren sie allgemein als Könige anerkannt? (Altes Geburtsrecht, "hochedle")

Wodurch das der Karolinger? (generationenlange Machtausübung,-allerdings im Auftrag-, Anerkennung durch den Obersten Priester der Christenheit, das Papsttum ist ja noch lange nicht "voll" ausgebildet)
 
nun, die Fragestellung ist mir jetzt klar.
Wodurch war das Königtum der Merowinger legitimiert? Oder besser, warum waren sie allgemein als Könige anerkannt? (Altes Geburtsrecht, "hochedle")

Wodurch das der Karolinger? (generationenlange Machtausübung,-allerdings im Auftrag-, Anerkennung durch den Obersten Priester der Christenheit, das Papsttum ist ja noch lange nicht "voll" ausgebildet)

Vergesse nicht das Königsheil, das beim Untergang der Merowinger, wie der Amaler eine Rolle spielte und das sich in den großen Erfolgen der ersten Karolinger ja so eindrucksvoll den Zeitgenossen manifestierte!

Theodahad (der letzte männliche Amaler auf dem ostgotischen Thron) verlor Reich und Leben weil er so offensichtlich kein Königsheil hatte: Ersichtlich durch seine schockierenden Misserfolge, zögerlich-unfähige Kriegführung und geheime Verhandlungen mit Konstantinopel. Man sagte, er habe die ostgotische Krone an Kaiser Justinian verschachern wollten und weite Landesteile und Truppen preisgegeben (Siehe die Kapitulation von Rhegion und der nie versuchte Entsatz von Neapel). Er wurde abgesetzt und getötet. An seiner Stelle krönte man Witigis: Ein Mann der Königsheil erwarten ließ, weil er in der Vergangenheit ein erfolgreicher Feldherr und Diplomat gewesen war!

Die letzten Merowinger waren Schattenkönige gewesen. Die eigentliche Macht hatten ihre (karolingischen) Hausmeier errungen. Die Merowinger waren dynastisch legitimiert, zeigten aber keine Anzeichen von Königsheil mehr. Königsheil war da eher bei den erfolgreichen Karolingern zu erwarten – und die Franken sollten nicht enttäuscht werden!

Pippin und Witigis waren beides Adelige (also ebenfalls von Geblüt!), die Potential versprachen. Im Gegensatz zu Witigis hatte Pippin längst eine nahezu königsgleiche Stellung eingenommen als er „seinen“ merowingischen Schattenkönig absetzen ließ. Es wurde quasi nur rechtlich anerkannt, was bereits so etwas wie gelebte Realität war. Vielleicht hat er darum nicht eine Frau aus dem merowingischen Geschlecht heiraten müssen? Es reichte die diplomatisch formulierte Zustimmung des auf Pippins Hilfe angewiesenen Bischofs von Rom (Papst), um das längst wackelig gewordene Prestige des merowingischen Königtums endgültig zu Fall zu bringen.

Vor den Karolingern war es auch nicht üblich gewesen, christliche Könige in kirchlichen Zeremonien zu salben und zu krönen. Der „sakrale Aspekt“ beschränkte sich eher auf seine indirekten Zeichen: Das Königsheil. In heidnischen Zeiten mochten sakral-religiöse Aspekte eine größere Rolle gespielt haben, bei den frühen christlichen Königen kam dies nicht mehr so direkt zum Ausdruck. Man erinnere sich: Die Amaler führten indirekt ihre Abstammung auf Gauth/Odin zurück. Die Merowinger hatten ihr „Seeungeheuer“. Die angelsächsischen Könige beanspruchten ebenfalls von Wotan/Odin abzustammen und ich glaube auch die dänischen Könige… Hier berühren sich also die Aspekte von Abstammung mit sakralen Komponenten (durch Abstammung von Göttern), von denen das Königsheil dann ein weiterer Ausdruck zu sein scheint… Aber die mythischen Grundlagen für das frühe Königtum sind im Zusammenhang mit der Fragestellung wohl weniger interessant als die Legitimation selbst. Der rechtmäßige König jedenfalls musste über das Königsheil verfügen!

Das Beispiel vom Herrschaftswechsel von Merowingern zu Karolingern (mit frühem Vergleich zu den Goten) haben wir ja nun schon angerissen. Das Königsheil spielte eine Rolle. El Quijote hatte hier schon früh angeregt, nicht nur diesen Wechsel, sondern auch jenen von Karolingern zu den Ottonen (mit dem Zwischenspiel König Konrads [der übrigens dieses Jahr ein erschreckend stilles Jubiläum hat: Krönung im November 911 = 1100 Jahre!]) zu betrachten. Die Krönung von König Konrad erinnert mich eher an den Goten Witigis, denn er war nicht imstande eine neue, dauerhafte Königsdynastie zu etablieren (Wenngleich die Konradiner unter den frühen Ottonen eine bedeutende Rolle im Reich und für deren Konsolidierung spielten!) Kinderlos empfahl er auf dem Sterbebett das sein Bruder und Erbe Eberhard die Krone des Reiches dem Sachsen Heinrich antragen solle. Als Grund dafür soll er mangelndes Königsheil angegeben haben. Doch dazu findet sich mehr im Wiki-Artikel zu König Konrad.

Konrad war der erste König in Ostfranken, der nicht mehr aus dem bisherigen Königsgeschlecht der fränkischen Karolinger stammte. Gemäß der üblichen fränkischen „Erbteilungsregeln“ hätte die Herrschaft über das östliche Frankenreich eigentlich dem im westfränkischen Reichsteil weiterhin herrschenden karolingischen König zufallen müssen. Der ostfränkische Reichsteil Lothringen anerkannte Konrad daher auch nicht als König, sondern schloss sich dem im Westreich regierenden karolingischen König Karl an! Konrad galt daher mit einiger Berechtigung über lange Zeit als erster deutscher König, da sich seither die bisherigen fränkischen Reichsteile: Westfränkisches Reich zu Frankreich und Ostfränkisches Reich zu Deutschland dauerhaft verselbstständigt haben.

Umso Verwunderlicher, das diesem Jahrestag beginnender Emanzipation vom gemeinsamen Frankenreich im Jubiläumsjahr 2011 wohl so überhaupt nicht gedacht wird? Ich denke es ist dabei gleichgültig, ob Konrad nun einen echten Wendepunkt markierte, oder nur einen Prozess maßgeblich einleitete…
 
@Amalama:
Es ist natürlich verflixt schwer, in solche Abläufe und Vorstellungen moderne, von demokratischen Idealen beeinflusste Denkbegriffe einzusetzen. Die ganze Vorstellungswelt um das Königtum ist uns Heutigen total fremd. König zu sein war nicht nur ein Amt wie das eines heutigen Bundespräsidenten oder Kanzlers, sondern verband die Welt der Menschen mit dem Göttlichen. Schicksal mit Bestimmung. Eben keine generelle Wahlfreiheit oder „freies Spiel der Kräfte"!

Statt Gleichheit der Menschen findet sich die Stellung eines Jeden in seine Wiege gelegt (Abstammung = Bestimmung).

Statt die Worte Erfolg oder Bewährung zu verwenden, sehen wir uns mit dem unklaren, halbreligiösen Begriff des „Königsheils“ konfrontiert. Wobei bis zum Erweis des Gegenteils dem geborenen Königskandidaten (Abstammung) immer das Vorrecht für das Amt zusteht.

Man stelle das Erbrecht der Germanen gegen die Rechtsauffassung der Römer. Die Römer kannten Testamente um Erben zu bestimmen (Caesar etwa ernannte Octavian, den späteren Kaiser Augustus zu seinem Erben). Germanischer Rechtsauffassung war das fremd. Ich fühle mich gedrängt, den überlieferten Satz: „Gott macht die Erben, nicht die Menschen“ zu erwähnen. Und hier findet sich dann eine vage Brücke zum Begriff des „Gottesgnadentum“.

Vielleicht helfen diese Gedanken weiter die vielen genannten Beispiele besser einzuordnen?
 
@sakrallegitimation, trojanische Abstammung:

soll keine Widerlegung sein, ein Indiz aus anderer Richtung

Gregor von Tours schreibt "..inzwischen aber verbreitete sich in diesen Gegenden der Ruf von der furchtbaren Macht der Franken und alle wünschten sehnlichst unter ihrer Herrschaft zu stehen..." (II.23), " Viele wünschten sich damals von ganzem Herzen die Franken zu Herren zu haben." (II.35)

Zu Chlodwigs Lebzeiten scheint eine sakrale oder Ahnenlegitimation nicht nötig gewesen zu sein. Ich deute G.´s Zitat so, daß viele vom stärksten regiert werden wollten.

zur Abstammung noch, Gregor bemüht sich einen frühen fränkischen König zu finden, legt sich aber nicht fest (II. 8-10; wörtliches Zitat hatte ich mir nicht rausgeschrieben)

G. beginnt seine Chronik im religiösen Sinn und thematisiert auch den römischen Christenhaß (I. 10), wenn ich nichts überlesen habe ohne Troja zu erwähnen.

Deswegen vielleicht die Erzählung von verschollen Trojaner über das schwarze Meer, um der Frage nach der römischen Christenverfolgung zu entgehen?
 
Gregor von Tours schreibt "..inzwischen aber verbreitete sich in diesen Gegenden der Ruf von der furchtbaren Macht der Franken und alle wünschten sehnlichst unter ihrer Herrschaft zu stehen..." (II.23), " Viele wünschten sich damals von ganzem Herzen die Franken zu Herren zu haben." (II.35)

Zu Chlodwigs Lebzeiten scheint eine sakrale oder Ahnenlegitimation nicht nötig gewesen zu sein. Ich deute G.´s Zitat so, daß viele vom stärksten regiert werden wollten.
Das hat aber nichts mit der Frage nach der Legitimation zu tun. Abgesehen davon, dass Gregor von Tours ohnehin nicht die zuverlässigste Quelle ist, wenn es darum geht, ob jemand unter fränkischer Herrschaft stehen wollte: Er will vermutlich lediglich sagen, dass es in Gallien so drunter und drüber gegangen sei, dass viele Menschen hofften, dass unter fränkischer Herrschaft wieder Ruhe und Ordnung einkehren würden. Dieser (von Gregor behauptete) Wunsch des Volkes nach faktischem Schutz ist etwas anderes als die Frage, wieso die Merowinger zu herrschen berechtigt waren.

G. beginnt seine Chronik im religiösen Sinn und thematisiert auch den römischen Christenhaß (I. 10), wenn ich nichts überlesen habe ohne Troja zu erwähnen.

Deswegen vielleicht die Erzählung von verschollen Trojaner über das schwarze Meer, um der Frage nach der römischen Christenverfolgung zu entgehen?
Den Zusammenhang verstehe ich nicht. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Gregor schildert biblische Ereignisse und die Geschichte des Christentums nicht, um eine Ursprungssage der Franken zu erzählen, sondern weil er sein Werk als eine Art Universalgeschichte angelegt hat, auch wenn es hauptsächlich um die Franken geht.
 
"Ich will, daß er über mich herrscht, weil er von königlichem Blut ist."
"Ich will, daß er über mich herrscht, weil es der göttliche Wille ist."
"Ich will,. daß er über mich herrscht, weil er stark ist/ ich Schutz brauche."

Ich lese das, als eine Begründung der Herrschaft.

Das Macht/Gewalt von Berechtigung eindeutig getrennt wird, ist in der Antike, so wie ich es mitbekommen habe, nicht klar. Siehst du das anders?

Umgedreht weiß ich nicht, ob es offiziel ("Ich herrsche, weil ich stark bin.") möglich war, in der früheren Antike war Gewalt eine diskutierte Legitimationsgrundlage.

Wenn du sagen willst das G. keine verläßliche Quelle ist, weil er in fränkischen Diensten stand, zeigt zumindest, wenn er mit Chlodwig z.T. hart ins Gericht geht, das er nicht ausschließlich ein Günstlingsschreiber war.

Warum ist Gregor keine gute Quelle?

Mir kam es merkwürdig vor, den christlichen Glauben mit einer Ahnenverehrung gegenüber den Römern = Trojanern, welche eben die Christen verfolgten, was G. früh erwähnt, in Einklang zu bringen.
Auf der anderen Seite zitiert G. oft Vergil, also scheint er die Römer nicht nur zu verdammen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Chlodwig war ursprünglich nur einer von vielen fränkischen Kleinkönigen, hob sich aber durch seine hervorragenden (und skrupellosen) militärischen und politischen Eigenschaften von seinen Mitkönigen ab, die er später beseitigte. Das allein reichte jedoch zur Legitimation nicht aus, denn es musste - wie oben schon von Tejason ausgeführt - das Königsheil hinzukommen, das sich u.a. in der sakralen Heilkraft des germanischen Königs und seiner Sippe manifestierte.

Kraft der ihr zugeschriebenen Heilkraft war die königliche Sippe berufen, beim Tode des Königs einen aus ihrer Mitte als Nachfolger des Verstorbenen zu stellen. Die Auswahl der geeigneten Person erfolgte - zumindest formal - durch die Wahl des Volkes und so war das germanische Königtum ein Wahlkönigtum, bei dem die Wahl auf die königliche Sippe beschränkt war. Somit gab es eine Wahl nach Geblütsrecht. Nicht umsonst musste die Machtergreifung des karolingischen Hauses durch päpstliches Votum sanktioniert werden, denn die Karolinger besaßen bis dato kein "Königsheil".

Der Gedanke des Geblütsrechts hat von Anfang an das merowingische Königtum bestimmt und ist in der Geschichte des karolingischen Königtums bis zu seinem Ende von Bedeutung gewesen. Aufgrund seiner Abstammung aus königlichem Blut ist Chlodwig zur Herrschaft berufen worden. Allerdings konnte der erbenlose König zu seinen Lebzeiten einen Erben annehmen, dem er die Königsherrschaft übertrug (Gregor von Tours, Fränk. Gesch. VII. 33).

In der Praxis kam die Wahl des Königs durch das Volk außer Gebrauch, denn seit dem 7. Jh. nahmen die Großen des Reichs Einfluss auf die Thronfolge und erhoben bei Thronerledigung ein Mitglied des königlichen Hauses durch ein formloses Wahlverfahren zum König (elevatio).
 
"
Das Macht/Gewalt von Berechtigung eindeutig getrennt wird, ist in der Antike, so wie ich es mitbekommen habe, nicht klar. Siehst du das anders?

Warum ist Gregor keine gute Quelle?

Ich möchte mich ja nicht aufdrängen, aber ich denke, wenn ich ihre Kritik eingehend bearbeite, wäre es nicht zuviel verlangt, falls Fragen meinerseits an sie offen sind, diese zu beantworten, gegebenenfalls Stellung zu Positionen zu beziehen, oder kann mir sonstjemand sagen, was das Schweigen bedeuten soll?
 
Tejason und Dieter haben schon erläutert, dass es für eine Legitimation ein wenig dürftig war, wenn jemand mit dem Schwert in der Hand jemand anderen zur Anerkennung seiner Herrschaft zwang. So konnte er zwar Gehorsam erzwingen, aber nicht erwarten, dass der andere freiwillig gehorchen würde. Das konnte man, wenn man z. B. über eine entsprechende Abstammung und das "Königsheil" verfügte.

Und was Gregor betrifft: Es macht einen Unterschied, ob er einzelne fränkische Könige kritisierte (das tat er tatsächlich nicht zu knapp) oder ob es um die Franken an sich ging.
 
Zu Chlodwigs Lebzeiten scheint eine sakrale oder Ahnenlegitimation nicht nötig gewesen zu sein. Ich deute G.´s Zitat so, daß viele vom stärksten regiert werden wollten.
Immerhin hatte Chlodwig die Herrschergeschäfte von seinem Vater Chilperich übernommen, und anschließend setzte er sich (teils wohl recht brutal) in der weitverzweigten Merowingersippe als Chef durch. Mag die Ahnenreihe der Merowinger auch recht kurz sein (Merowech - Chilperich - Chlodwig), so war doch der Erfolg dieser Sippe offenbar recht groß. Gregor selber schreibt es Gottes Fügung zu, das Chlodwig sein Frankenreich kriegerisch einte (also andere versippte "Kleinkönige" beseitigte). Wenn ich mich richtig entsinne, so beschreiben die Quellen die Merowingerkönige als "langharige" Könige - da scheint diese Haartracht durchaus heidnisch-sakralen Charakter gehabt zu haben (später schor man ausgebooteten Thronprätendenten die Haare!) - und sie belegen einen Hang zur Vielweiberei, welcher den Bischöfen zwar ein Dorn im Auge war, sich aber nicht zivilisieren ließ. Des weiteren deuen die Quellen auch irgendwelche merowingischen Umzüge in Stierwagen an.
Das ist nicht viel, deutet aber doch sehr in die Richtung einer auch heidnisch sakralen Dimension dieser Sippe, d.h. Mitglieder dieser Merowingersippe hatten nicht nur das Prestige des Stärksten.

Gregor selber hatte herkunftsmäßg keine Probleme mit der Romanitas: er war ja Nachkomme des gallischen Senatorenadels, und in der Vorrede seiner 10 Bücher fränk. Geschichte stellt er sich rhetorisch mittels Understatement in Tradition der lateinischen Literatur.
 
Zurück
Oben