König Arthus - Mythos einer bretonisch-normannischen "Reconquista"?

El Quijote

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Als die Normannen in England einfielen, angeblich, weil Harold den Thron, der William zugestanden hätte, usurpiert habe, war unter ihnen eine beachtliche Streitmacht von Bretonen. Die Normannen bildeten die Reiterei, die Bretonen die Infanterie des Invasionsheeres. Angeblich sollen die Bretonen vor der Schlacht ein Lied über König Artus vorgetragen bekommen haben. Die bekannten Arthus-Zeugnisse sind vorwiegend normannisch, sowohl das Mosaik im Dom von Otranto, als auch die "englischen" Arthus-Überlieferungen ab dem 12. Jahrhundert, beginnend mit dem Waliso-Normannen Geoffrey von Monmouth. Frühere Quellen zu Artus stammen aus dem walisischen Raum und sind vergleichsweise spät, beginnend mit dem walisischen Mönch Nennius.

Daher nun die Frage: Ist der Artus-Mythos als propagandistisches Mittel einzuschätzen, der sich a) an die Eroberer und b) an britische Bevölkerungsreste richtete, die sich angelsächsisch assimiliert hatten und der die normannische Herrschaft als über ein bretonisches Erbe rechtmäßig schmackhaft gemacht werden sollte?
 
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Nun, wurde auch die Sprache des Liedes erwähnt?
Die Bretonen und Waliser sprachen meines Wissens zu dieser Zeit kaum Englisch/Französisch, sondern die einfacheren Leute Bretonisch /Walisisch.

Die Dichtungen sind aber in "französisch" bzw "englisch". Also, für mich wenig glaubhaft
 
Nun, ein nicht unerheblicher Teil der Artussage spielt in Nordfrankreich, bis nach Burgund, weshalb es ja auch Identifikationsversuche mit dem "brittonischen" Heerführer Riothamus gibt. Von daher könnten die Normannen sich durchaus als Nachfolger stilisiert haben, gerade auch um die bretonische und alt-britische Bevölkerung gegen die Angelsachsen auf ihre Seite zu ziehen.
 
Nun, das setz ja nun ein "gälisches" Nationalbewußtsein voraus.
Und das Wilhelm nun sowas wie ein "britischer "König sein würde, So Freiheitsbringer für die Unterdrückten "Briten" aller Nationen, vorgetragen in der Sprache der "Unterdrücker", ist doch wohl der "keltischen Romantik der späten Neuzeit" geschuldet.
 
Zumal es die Normannen waren, die nach 1066 gewaltsam auf das gälische Wales und Irland ausgriffen und diese Länder für Jahrhunderte hinaus dem englischen Königreich unterwarfen.
 
Zumal es die Normannen waren, die nach 1066 gewaltsam auf das gälische Wales und Irland ausgriffen und diese Länder für Jahrhunderte hinaus dem englischen Königreich unterwarfen.

Angesprochen war ja, ob es sich um Propaganda vor der Eroberung handelte. Davon unbenommen sind die Aktionen nach dem Sieg.
 
Angeblich sollen die Bretonen vor der Schlacht ein Lied über König Artus vorgetragen bekommen haben.
Da würde mich natürlich interessieren, ob es dazu eine brauchbare und vor allem zeitnah entstandene Quelle gibt. Mich würde es nicht wundern, wenn das erst irgendwann im Spätmittelalter erstmals erwähnt wurde oder es sich gar um einen Wissenschaftsmythos aus der Romantik handelt. Und wenn ich daran denke, was so mancher antike Autor wie Caesar oder Tacitus angeblich so alles geschrieben haben soll ...

Daher nun die Frage: Ist der Artus-Mythos als propagandistisches Mittel einzuschätzen, der sich a) an die Eroberer und b) an britische Bevölkerungsreste richtete, die sich angelsächsisch assimiliert hatten und der die normannische Herrschaft als über ein bretonisches Erbe rechtmäßig schmackhaft gemacht werden sollte?
Das ist mir ein bisschen zu konstruiert. Die Masse der Bewohner Englands fühlte sich vermutlich als Angelsachsen und war sich wahrscheinlich gar nicht mehr bewusst, dass sie auch keltische Vorfahren hatten. Und unterworfen wurden sie vom Herzog der Normandie mit seinen Kriegern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da der Gedankengang breitgemacht hat: "Ja, aber viele seiner Krieger sind Bretonen, und die Bretonen sind Verwandte unserer Vorfahren, die einst vor den Angelsachsen auf den Kontinent flohen, und Artus hat gegen die Angelsachsen gekämpft, und daher finden wir es jetzt ganz toll, dass uns jetzt die "Nachfolger" von Artus endlich wieder von den Angelsachsen befreien." Das setzt außerdem eine Menge an historischem Wissen voraus, das die Masse der Bevölkerung vermutlich gar nicht hatte. Weiters bildeten die Bretonen nur einen Teil von Wilhelms Infanterie, dazu kamen noch andere Truppen aus ganz Nordwesteuropa.
 
Das ist mir ein bisschen zu konstruiert. Die Masse der Bewohner Englands fühlte sich vermutlich als Angelsachsen und war sich wahrscheinlich gar nicht mehr bewusst, dass sie auch keltische Vorfahren hatten.

Cornwall war 1066 noch britisch, wenn auch unter angelsächsischer Oberhoheit. Einige der Kleinkönigreiche weiter im Norden waren noch nicht lange unterworfen. Ihre Herkunft werden die Bewohner schon noch gekannt haben, ebenso ihre Sagen und Legenden.
 
Cornwall war 1066 noch britisch, wenn auch unter angelsächsischer Oberhoheit. Einige der Kleinkönigreiche weiter im Norden waren noch nicht lange unterworfen. Ihre Herkunft werden die Bewohner schon noch gekannt haben, ebenso ihre Sagen und Legenden.

Cornish ist sogar eine bis heute gesprochene keltische Sprache.
 
Cornwall war 1066 noch britisch, wenn auch unter angelsächsischer Oberhoheit. Einige der Kleinkönigreiche weiter im Norden waren noch nicht lange unterworfen. Ihre Herkunft werden die Bewohner schon noch gekannt haben, ebenso ihre Sagen und Legenden.
Das sind Randgebiete. Der Großteil Englands stand spätestens seit dem 6. Jhdt. unter angelsächsischer Herrschaft, also zur Zeit der Eroberung durch Wilhelm den Eroberer mindestens ein halbes Jahrtausend. Selbst wenn auch in der breiten Masse der Bevölkerung noch Wissen über die keltische und römische Vergangenheit der Insel vorhanden gewesen sein sollte, werden sich die meisten vermutlich selbst eher als Nachfahren der germanischen Eroberer (deren Sprache die meisten von ihnen sprachen und deren Namen viele von ihnen trugen) gesehen haben denn als Nachfahren der unterworfenen Romanobriten.

Eine speziell an die keltische Restbevölkerung der Randgebiete gerichtete Artus-Propaganda hätte außerdem das Problem gehabt, dass zwar manche Krieger Wilhelms Stammverwandte waren, nicht aber Wilhelm und sein Adel selbst. Eine Eroberung schmackhaft machen, weil das Fußvolk des neuen Herrschers Verwandte sind? Wirklich überzeugend finde ich das nicht gerade ...

Naja, erstmal sollten wir ohnehin klären, ob an der Behauptung von der Verbreitung des Artus-Mythos in Wilhelms Heer überhaupt etwas dran ist. Wenn nein, gibt es andere Belege für die Verbreitung des Artus-Mythos unter den Eroberern? Geoffrey von Monmouths Werk ist schließlich erst ca. 70 Jahre nach der Eroberung entstanden.
 
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Höchstens an den normannischen Adel etc. gerichtete Propaganda als Untermauerung des eigenen Tuns Ich bitte die Verkürzumg zu entschuldigen
 
Die Masse der Bewohner Englands fühlte sich vermutlich als Angelsachsen und war sich wahrscheinlich gar nicht mehr bewusst, dass sie auch keltische Vorfahren hatten. Und unterworfen wurden sie vom Herzog der Normandie mit seinen Kriegern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da der Gedankengang breitgemacht hat: "Ja, aber viele seiner Krieger sind Bretonen, und die Bretonen sind Verwandte unserer Vorfahren, die einst vor den Angelsachsen auf den Kontinent flohen, und Artus hat gegen die Angelsachsen gekämpft, und daher finden wir es jetzt ganz toll, dass uns jetzt die "Nachfolger" von Artus endlich wieder von den Angelsachsen befreien."

Niemand hat gesagt, dass diese Form der Propaganda funktioniert haben muss. Aber es ist doch so, dass der Artus-Mythos in den normannischen Gebieten in Süditalien, Nordfrankreich und England im 12. Jhdt. nachzuweisen ist, im späten 12. Jhdt. und im 13. Jhdt. dann auch anderweitig, in der frz. und dt. Literatur und dass ein wichtiger Punkt dieses Mythos der Sieg am Mons Badonicus/Badon Hill gegen die Angelsachsen ist und dass wenige Jahrzehnte nach der Schlacht von Hastings mit Geoffrey of Monmouth dieser Mythos in England literarisch ausgestaltet wird.
 
Auf angelsächsischer Seite waren wohl nur Angelsachsen beteiligt.
Wen hätten die Lieder beeindrucken sollen???
 
Da das Lied den Bretonen im Heer Wilhelms vorgesungen wurde, sollte das wohl zunächst deren Kampfeswillen stärken, für die Jahrzehnte danach, in denen wir die Ausgestaltung des Textes erleben, ist dies offenbar Propaganda für die Bevölkerung - sei es britische Reste, sei es zur Bestärkung der normannischen Bevölkerung, die ja nicht aus Norwegern besteht sondern aus einem franko-bretonisch-norwegischen Konglomerat.
 
Daher nun die Frage: Ist der Artus-Mythos als propagandistisches Mittel einzuschätzen, der sich a) an die Eroberer und b) an britische Bevölkerungsreste richtete, die sich angelsächsisch assimiliert hatten und der die normannische Herrschaft als über ein bretonisches Erbe rechtmäßig schmackhaft gemacht werden sollte?

eine Verständnisrückfrage:

ist der Ausdruck "Artus-Mythos als propagandistisches Mittel" so zu verstehen, daß der Artus-Mythos zu Propaganda-Zwecken erfunden bzw. verfaßt wurde, oder daß er zu Propagandazwecken verwendet wurde?
 
Da das Lied den Bretonen im Heer Wilhelms vorgesungen wurde, sollte das wohl zunächst deren Kampfeswillen stärken, für die Jahrzehnte danach, in denen wir die Ausgestaltung des Textes erleben, ist dies offenbar Propaganda für die Bevölkerung
Wie kommt es, dass diese Propaganda in der späteren höfisch-epischen Literatur ohne jeden Bezug zu den franz. Normannen (!) eine so große Rolle als Stoff spielte?
Unter literaturgeschichtlicher (auch stoffgeschichtlicher) Perspektive müsste diese Propaganda ja als einzigartig betrachtet werden: wo gibt es sonst Propaganda, die zu Epen verarbeitet wird? Oder ist nicht wahrscheinlicher, dass den späteren mittelalterlichen Literaten die vermeintliche Propaganda gar nicht bekannt war, sondern eben nur der Artus-Gral-Tafelrunde Stoff?
 
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