Ausbreitung des Barock im Reich

zaphodB.

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Dass der Barock überall in Europa anzutreffen ist klar.
Ich habe nun in einem Geschichtsatlas eine Karte entdeckt,die die Verbreitung etwas detaillierter zeigt.
Danach ist der Barock natürlich in den urbanen Zentren und Residenzen zu finden,in die Fläche geht er allerdings nur in ganz bestimmten Gebieten in Süddeutschland und Österreich,nämlich:
im Maintal zwischen Hanau und Bayreuth
in Oberschwaben und dem Allgäu zwischen Donautal,Alpen Bodensee und Lech
im Bereich zwischen Lech und Isar südlich von München
im Donautal von Ingolstadt bis Wien-incl. Salzburg
um Graz und um Klagenfurth.

Nun möchte ich hier gerne mal zur Diskussion stellen,warum das so ist
.
 
Danach ist der Barock natürlich in den urbanen Zentren und Residenzen zu finden,in die Fläche geht er allerdings nur in ganz bestimmten Gebieten in Süddeutschland und Österreich,nämlich (...)

Mir sind zwei Punkte noch nicht ganz klar:

1. Geht es um den Ausschluss der restlichen süddeutschen und österreichischen Gebiete oder um den Ausschluss mittel- und norddeutscher Gebiete?
2. Geht es um die Ausbreitung im 18.Jh. an sich oder um die "Substanz", die heute noch erhalten ist?
 
Geht es nur um sakrale große Bauwerke oder Residenzen oder auch um städtische Nutzbauten. Wie weit ist denn der Begriff Barock gefasst?

In meiner Heimatstadt gab es schon einiges an barocker Bausubstanz, wenn Bauten aus der Zeit des Zopfstils dazu zählen dürfen und meine Heimatstadt liegt in Ostbrandenburg.
 
Nun, in den städtischen Zentren ist der Barock ja europaweit vertreten.In den oben erwähnten Gebieten haben wir aber eine große Dichte kirchlicher und profaner Barockbauten vom Bauernhof über das Wirtshaus bis zur Kirche und dem Schloss auch in der Fläche,in den Dörfern und nicht nur im jeweiligen urbanen Oberzentrum,der Walfahrtskirche oder der Residenz .
 
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Nun, in den städtischen Zentren ist der Barock ja europaweit vertreten.In den oben erwähnten Gebieten haben wir aber eine große Dichte kirchlicher und profaner Barockbauten vom Bauernhof über das Wirtshaus bis zur Kirche und dem Schloss auch in der Fläche,in den Dörfern und nicht nur im jeweiligen urbanen Oberzentrum,der Walfahrtskirche oder der Residenz .
Bei den kirchlichen Barockbauten mag das mit dem Katholizismus zusammen hängen. Viele großartige Kirchenbauten des Barock sind ja Klosterkirchen oder Wallfahrtskirchen (bei mir in der Gegend St. Peter und St. Blasien im Schwarzwald).
Dann könnte es mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängen. In Gegenden, wo sich die Bevölkerungszahl rascher erholte oder die Verluste des 30-jährigen Krieges nicht so gravierend waren wie bspw. in Brandenburg (das ab 1630 ständig Durchmarschgebiet z.B. war), war auch früher wieder Bedarf für neuen Wohnraum da.
Religiöse Aspekte wie der Ablehnung von Prunk in der Architektur, wie auch von Pietisten geäußert, würde ich hingegen für wenig relevant annehmen.

Wenn ich so zurückdenke, gab es in meiner Gegend in Brandenburg wenige Barockkirchen auf dem Land. Das Meiste war aus der Zeit der Ostkolonisierung (13.-15. Jh.) und dann wieder ab 1800, ausgenommen natürlich die Dörfer, welche mit der Besiedlung des Oderbruches entstanden.
Bei dem Schlossbau sehe ich aber keine Unterschiede zwischen Süd- und Norddeutschland, mir wollen auch keine einleuchten.
 
In Norddeutschland prägt die Weserrenaissance zum Teil noch immer das Stadtbild mit Rathäusern, Bürgerhäusern und Kirchen.
Die barocken höfischen Zentren entstanden nach dem dreißgj. Krieg mehr im Süden. Die nördlichen Höfe, wie Hannover bauten aber genauso im barocken Stil wie ihre Adelskollegen.
Auf den Dörfern, in der Fläche fallen mir im Norden selten barocke Bauten auf. Kann sein, dass einfach die Wirtschaftskraft im Norden länger unter dem großen Krieg gelitten hat und wenig neu gebaut wurde?
 
Wie weit ist denn der Begriff Barock gefasst? Ist damit die Zeit zwischen 1600 und 1780 gemeint? Die Erholung der Population wurde ja in einigen Gegenden erst im späteren 18.Jh. erreicht - also zu einer Zeit, als sich bereits der Frühklassizismus durchsetzte.
 
Auf den Dörfern, in der Fläche fallen mir im Norden selten barocke Bauten auf. Kann sein, dass einfach die Wirtschaftskraft im Norden länger unter dem großen Krieg gelitten hat und wenig neu gebaut wurde?
Generell ist das bei Fachwerkbauten doch auch schwer zu erkennen oder nicht?:grübel:
Im Münsterland habe ich einige barocke Schlossbauten gesehen. So gibt es das etwas speziell wirkende Rüschhaus von Johann Conrad Schlaun, der u.a. in Münster für den ortsansässigen Adel bei der Errichtung von Stadtpalais zuständig war.
Haus Rüschhaus ? Wikipedia (So eine Ähnlichkeit mit örtlichen Bauernhäusern habe ich bis jetzt nur beim Schloss Bürgeln (bei Müllheim(Baden)) erlebt.)
Beim Haus Stapel bei Havixbeck ist zumindest noch die barocke Anlage im Torbereich deutlich erkennbar: File:Luftbilder-havixbeck-schloss-stapel.jpg ? Wikimedia Commons
 
Man kann also nicht durchgehend behaupten, dass neue Baustilmoden im Norden nicht angenommen wurden.

Da die großen Handels- bzw. Hansestädte im Norden in der Regel keine "Residenzstädte" waren, erklärt sich das Nord-Südgefälle auch durch diesen Umstand, wäre meine Vermutung.

Zudem hatten sie vermutlich eine hegemoniale "kulturelle" Aura, die das Eindringen anderer kultureller Auffassungen in diese Regionen erschwerte.

Das spezifische soziokulturelle Milieu der "Pfeffersäcke" ließ keine unverhältnismäßige Entfaltung eines demonstrativen Prunks zu.

Waren die Rathäuser durchaus repräsentative Bauten, signalisierten sie jedoch eher das Selbstverständnis der Kaufleute.

Insofern ist es wohl verständlich, dass im Norden eher weiterhin die Renaissance die dominante Kunstrichtung war.

Vielleicht eher auch geprägt durch den stilistischen Sonderweg der Engänder, denen sich die Hansestädter, besonders auch in Hamburg, durchaus auch mental verbunden fühlten.
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Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Schloss in Rastatt. Das zum einen in Nachahmung seines französichen Vorbilds konzipiert wurde und gleichzeitig durch die gewählte Symbolik der Figur (glaube es war Mars mit Blitzen Richtung Frankreich) auf eine kriegerische Herausforderung von Ludwig LIV abzielte.

Schloesser-Magazin: Schloss Rastatt > Startseite

Man kopierte sich ungeniert, aber man mochte sich offensichtlich nicht.
 
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Da die großen Handels- bzw. Hansestädte im Norden in der Regel keine "Residenzstädte" waren, erklärt sich das Nord-Südgefälle auch durch diesen Umstand, wäre meine Vermutung.

Zudem hatten sie vermutlich eine hegemoniale "kulturelle" Aura, die das Eindringen anderer kultureller Auffassungen in diese Regionen erschwerte.

Das spezifische soziokulturelle Milieu der "Pfeffersäcke" ließ keine unverhältnismäßige Entfaltung eines demonstrativen Prunks zu.

Kommt drauf an, wie man Barock auffaßt. Für höfischen Prunk fehlten im Norden die reichen Höfe. Wo es sie aber gab, versuchte man mitzuhalten, jedenfalls beim Neubau.
Vor dem großen Krieg hatten sogar Fürsten versucht, sich an der Prosperität des norddeutschen Handels zu beteiligen, z.B. in Friedrichstadt ? Wikipedia

Wenn man barocken Baustil dagegen mehr als Formensprache auffaßt, als Wegwendung von den geraden Linien der Gotik und Renaissance und als eine Baumode mit runderen, ausladenderen Formen, ist erstmal nicht einsichtig, warum in Norddeutschland "altmodischer" hätte gebaut werden sollen als im Süden. Es sei denn, man hätte überhaupt weniger gebaut, so dass bei Betrachtung erhaltener Bausubstanz in Städten und Dörfern dieser Eindruck entsteht.

Neubau von Immobilien erfolgt in Wellen nach Bedarf und Wirtschaftskraft.
Wenn im Norden die Renaissancebauten in guter Qualität den 30.j. Krieg überstanden hatten, bestand keine Notwendigkeit und Möglichkeit neu und nach neuester Mode zu bauen.
 
Waren die Rathäuser durchaus repräsentative Bauten, signalisierten sie jedoch eher das Selbstverständnis der Kaufleute.

Insofern ist es wohl verständlich, dass im Norden eher weiterhin die Renaissance die dominante Kunstrichtung war.
Zumindest bei den Wohnhäusern meine ich mich aber an Beispiele des Barock aus Hamburg zu erinnern. Leider ist nur nicht mehr eben viel von der barocken Altstadt erhalten (Feuersbrunst im 19.Jh. und Abrisse im späten 19.Jh.).

Bedeutende Wohnhäuser des Barock entwarf auch Matthäus Daniel Pöppelmann wie das Dinglingerhaus in Dresden. Dinglingerhaus ? Wikipedia
Ich habe ein etwas älteres Buch zu den Werken von Pöppelmann, da müsste ich mal reinschauen.
In Sachsen gab es auf jeden Fall einige Wohnhäuser, welche barocken Schlossbauten an architektonischem Zierrat nicht besonders nachstehen. Besonders gut erhalten ist die Bausubstanz des Barock nach meiner eigenen Anschauung in Bautzen und Görlitz (letzteres wird darum gern als Drehort für Historische Filme, die im 18.Jh. spielen, verwendet).
Bilder aus Bautzen und Görlitz mit barocken Wohnhäusern:
Bautzen: Datei:City Bautzen Germany 102.JPG ? Wikipedia
Görlitz: File:Hotel boerse goerlitz.jpg ? Wikimedia Commons
Neißstraße 30 - Gebäude, Oberlausitzischen, Wissenschaften, Museum, Haus, Görlitz - Unser Görlitz
Obermarkt 24 - Fassade, Obermarkt, Barockhaus, Görlitz, Stuckdecken, Erkennbar - Unser Görlitz
Im Fall von Bautzen mögen die Barockbauten mit den schweren Zerstörungen im Zuge der Belagerung am Beginn des 30-jährigen Krieges zusammenhängen.
 
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Neubau von Immobilien erfolgt in Wellen nach Bedarf und Wirtschaftskraft.
Wenn im Norden die Renaissancebauten in guter Qualität den 30.j. Krieg überstanden hatten, bestand keine Notwendigkeit und Möglichkeit neu und nach neuester Mode zu bauen.
In dem Fall wurden nicht selten Anbauten im gerade modernen Baustil vorgenommen. Bei den Schlössern reduzierte sich aber bisweilen die Veränderungen auf den Innenbereich.
 
Kommt drauf an, wie man Barock auffaßt. Für höfischen Prunk fehlten im Norden die reichen Höfe. Wo es sie aber gab, versuchte man mitzuhalten, jedenfalls beim Neubau.
Vor dem großen Krieg hatten sogar Fürsten versucht, sich an der Prosperität des norddeutschen Handels zu beteiligen, z.B. in Friedrichstadt ? Wikipedia
An Residenzen des 18.Jh., die planvoll angelegt wurden, fallen mir im "Norden" erstmal nur Arolsen und Ludwigslust ein.

Ludwigslust: Datei:Ludwigslust Schlossstraße.jpg ? Wikipedia
 
Zumindest bei den Wohnhäusern meine ich mich aber an Beispiele des Barock aus Hamburg zu erinnern.

Würde ich fast ausschließen bei Nicht-Sakralbauten. Aber vielleicht kann Turgot mich ergänzen oder korrigieren.

Hamburger Rathaus ? Wikipedia

Bei den Sakralbauten ist der Michel allerdings ein Barockbauwerk, allerdings sind es die restlichen 4 Hauptkirchen nicht (soweit ich es aus der Erinnerung weiss).

Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg) ? Wikipedia

Bei der "Alltagsarchitektur", dem Gängeviertel, das die Bebauung Hamburg lange dominierte, wird man geringe barocke Einflüsse feststellen können. ;)

Gängeviertel ? Wikipedia

Eines der repäsentativsten Bauwerke in der Umgebung von Hamburg wäre das Ahrensburger Schloss und das ist auch kein Barockbau.

Schloss Ahrensburg - Adlige Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts im einzigen Museum dieser Art in Schleswig-Holstein
 
In Stralsund sind mir beispielsweise keine großen Gebäude aus dem Barock aufgefallen. Wahrscheinlich genügten die riesigen Kirchen, wobei es einige Einbauten in dieselben aus dem 17. und 18.Jh. gab. Trotz der schweren Belagerungen im Dreißigjährigen und in der Schwedenzeit ist noch viel an gotischer Bausubstanz erhalten. Wobei ich mir im Falle von Stralsund vorstellen kann, dass es einfach auch keine so große Rolle mehr spielte, außer freilich als wichtige Stadt für die Beherrschung des schwedischen Teiles von Pommern.

Realtiv einheitlich im Barock entstand wegen des Stadtbrandes Rheinsberg, dessen Schloss durch den Aufenthalt Friedrich II. und dann seines Bruders Heinrich überregional berühmt wurde.
 
An Residenzen des 18.Jh., die planvoll angelegt wurden, fallen mir im "Norden" erstmal nur Arolsen und Ludwigslust ein.

Ludwigslust: Datei:Ludwigslust Schlossstraße.jpg ? Wikipedia

Dazu sind noch einige barocke Anlagen im Norden zu zählen, auch wenn sie inzwischen verschwunden sind.

So unter anderem Schloss Herrenhausen mit seinen Gärten (wird gegenwärtig rekonstruiert) und die große Barockanlage Schloss Salzdahlum bei Braunschweig, wo auch Friedrich der Große zu Gast war. Genannt werden sollte auch das fürstbischöfliche Schloss von Münster, erbaut von Johann Conrad Schlaun. Ferner das "westfälische Versailles" Schloss Nordkirchen, eine gewaltige Barockanlage mit zugehörigen Gärten und Brunnen: http://www.schlosskonzerte-nordkirchen.de/uploads/pics/burgen_nordkirchen.jpg
 
In den oben erwähnten Gebieten haben wir aber eine große Dichte kirchlicher und profaner Barockbauten vom Bauernhof über das Wirtshaus bis zur Kirche und dem Schloss auch in der Fläche,in den Dörfern und nicht nur im jeweiligen urbanen Oberzentrum,der Walfahrtskirche oder der Residenz .

Neubau von Immobilien erfolgt in Wellen nach Bedarf und Wirtschaftskraft.

Ich würde auch die Frage nach der eigenen Wirtschaftskraft der jeweiligen Region fragen. Je reicher ein Land an sich ist, desto reicher ist doch auch das zugehörige Volk, selbst wenn ordentlich was abgeluchst wird. (Fallbeispiel: Was könnte ein Kurfürstentum am Südpol aus seinem Territorium machen??) Wenn die Leute Kohle haben, können sie es auch gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen.
Vielleicht sollte man sich anschauen, wann wo eine wirtschaftlich breit gefächerte Boom-Phase war. Dabei sollte der Zeiteffekt (tatsächliche Hochphase der Wirtschaft und das "Ankommen" in allen Bevölkerungsschichten in Form von größeren Investitionen, wie eben Neubauten) beachtet werden.
Der Hinweis auf den ständigen Durchmarsch ganzer Armeen durch Norddeutschland im 30-jährigen geht in die gleiche Richtung - also einem zeitweise absoluten Niedergang der Wirtschaft.
Wichtig finde ich in dem Zusammenhang die Fruchtbarkeit des Bodens und die Reichhaltig- und Vielfältigkeit der Bodenschätze eines Territoriums, die eben zu großen Teilen den Reichtum eines Landes früher bestimmten.
 
Dazu sind noch einige barocke Anlagen im Norden zu zählen, auch wenn sie inzwischen verschwunden sind.
Ich meinte damit Stadtanlagen, nicht die Residenzen an sich. Da gäbe es allerdings einige.

In Teilen Schwabens und Frankens ist ja jede zweite Stadt eine Residenz gewesen, wenn ich mir so das Hohenloher Land anschaue...;)
 
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