Barocke Baukunst in Hamburg
Hamburg hatte übrigens viele bedeutende Barockbauten. Das ist ja auch ganz einleuchtend, da die Stadt unbeschadet und sogar mit einem Zuzug den Dreißigjährigen Krieg überstand. Allerdings überstanden die Bauten in der Regel nicht das 19. und frühe 20. Jh..
"Darüber zürnte schon Alfred Lichtwark 1912: "Wohl keine Kulturstadt der Welt hat eine solche Selbstzerstörungslust entwickelt wie Hamburg. Es hätte die Stadt der Renaissance sein können, des Barock und des Rokoko - doch alle diese Schätze wurden stets begeistert dem Kommerz geopfert."
Schon vor dem 1. Weltkrieg wurde also erkannt, dass eben nicht der verheerende Stadtbrand von 1842 oder dergleichen Schuld an dem Mangel historischer Bausubstanz war, sondern die Hamburger selber.
Die Bauordnungen im barocken Hamburg konnten sich nicht mit denen Dresdens beispielsweise messen, so wurden keine bestimmten Baustoffe bspw. vorgeschrieben. Immerhin wurde der Brandschutz verbessert und im 18.Jh. brannten nur 200 Häuser ab, während es im 17. Jh. noch 500 waren. Zu einer städtebaulichen Neuordnung kam es allerdings nicht. Wichtige kommunale Bauten im Barock waren das Baumhaus, wo sich die Zollinspektion befand (1662), das Spinnhaus (1666), das Zucht-, Werk- und Armenhaus (1670), das Waisenhaus (1681) mit besonderem architektonischem Wert. Allerdings geriet das städtische Bauwesen am Beginn des 18. Jh. vorübergehend in eine Krise, da es zu innenpolitischen Spannungen kam. Der städtische Bauhof wurde sogar geschlossen. Außerden wirkte sich die Pest verhängnisvoll aus, da sie 1713 11.000 der 70.000 Einwohner das Leben kostete. Die Ausführungen zur Kirchenbaukunst würden hier zu weit führen. Unter dem Bauhofinspektor Johannes Kopp wurde der niederländische Palladinismus aufgenommen, welcher im Neuen Waisenhaus (1785) seinen Niederschlag fand.
Entsprechend der guten wirtschaftlichen Lage entwickelte sich auch im Bau barocker Wohnhäuser ein großer Aufschwung.
"Mit zunehmendem Wohlstand entwickelte sich der Blendgibelumriß in den Umrißformen, die aus der bürgerlichen und sakralen Barockbaukunst geläufig waren, immer bewegter, wobei die Dekoration ihre Grenze im Backsteinmaterial und in den Witterungsbedingungen fand. Dennoch hatten Hamburgs Wohnhausfassaden des 18. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum kaum ihresgleichen - nicht nur an Quantität, sondern auch an Qualität."
Ich will hier einige der hervorragensten Wohnhäuser des Barock anführen:
Neuer Wandrahm Nr. 17 (1680, nach niederländischem Vorbild / abgebrochen 1888) und Neuer Wandrahm Nr. 6 (1675-1680 / abgebrochen 1888), wobei gerade letzteres Gebäude einen geradezu überbordenden Fassadenschmuck aufweist.
Die Hamburger Tradition und die schmalen Grundstücke förderten allerdings Giebelhäuser, scheinbar war es kaum möglich mehrere Häuser zu erwerben und miteinander architektonisch zu verbinden, um eine repräsentativere Fassade zu erreichen. Beispiele wären Alte Gröninger Straße Nr. 9 (erbaut um 1680 / abgebrochen 1898) und Große Reichenstraße 35-37 (erbaut 1742 / abgebrochen 1908).
Die Fotos aus dem 19. Jh. demonstrieren recht schön, dass es offenbar in den 1880ern noch Straßenzüge gab, wo sich die repräsentativen barocken Fassaden aneinander reihten.*
* Hermann Heckmann: "Das bürgerliche Bauwesen des 17./18. Jahrhunderts in Hamburg S. 265-279
in: Kurt Milde/Klaus Mertens/Gudrun Stenke: "Matthäus Daniel Pöppelmann 1662-1736 und die Architektur zur Zeit August des Starken" Verlag der Kunst Dresden, Dresden, 1990