Ausbreitung des Barock im Reich

Mal ein Bauernhaus mit barocken Voluten, hier aber ausschließlich an diesem Giebel: File:Bad Windsheim Fraenkisches Freilandmuseum 002.JPG ? Wikimedia Commons
Der Eigentümer war allerdings ein Handwerker, der eventuell damit zeigen wollte, was er für Auftraggeber an Wandverzierung machen konnte. In einem Teil dieses Hauses im Freilichtmuseum Bad Windsheim ist eine Ausstellung zu dieser Zierde der Bauernhäuser in der Gegend (Haus aus Zirndorf).


Eine Ausnahmeerscheinung in Brandenburg ist das Kloster Neuzelle mit seiner herrlichen Klosterkirche, wobei hier natürlich ausschlaggebend die Besitzverhältnisse waren.
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Neuzelle_church.jpg&filetimestamp=20100517181958
 
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Brissotin
An Residenzen des 18.Jh., die planvoll angelegt wurden, fallen mir im "Norden" erstmal nur Arolsen und Ludwigslust ein.

Clemenswerth,Braunschweig,Wolfenbüttel,Neustrelitz,Rheinsberg,Schwedt ,Oranienbaum,Münster fallen mir da noch ein.Wie gesagt Einzelbauten sind überall zu finden, nur die flächendeckende Bebauung ist auf die genannten Gebiete beschränkt .

Die Gegenreformation,die oft als Grund angegeben wird kann eigentlich nicht der Grund sein. Oberschwaben ist gemischtkonfessionell und andererseits finden sich z.B. in den rheinischen und nordwestdeutschen Bistümern und Erzbistümern nur punktuell Barockbauten.
An die Betroffenheit durch Kriegszüge im 30jährigen Krieg hatte ich auch gedacht,aber gerade das Maintal und Mainfranken waren hier sehr stark betroffen-hier tummelten sich Tilly,Wallenstein,Mansfeld,die Schweden,Spanier und Franzosen.

Das Argument mit den Hansestädten (im Gegensatz zu kirchlich-fürstlichen Zentren) ist zwar nicht von der Hand zu weisen,aber die süddeutschen freien Reichsstädte wie Ulm,Regensburg,Nürnberg und Augsburg wiesen die gleichen Strukturen eines Kaufmannspatriziats auf und dort wurde barock gebaut.Auch am Sozialgefüge und am wirtschaftlichen Potential kann es also nicht gelegen haben.

Das einzige was mir auffällt ist,daß es in den betreffenden Gebieten(außer Bayern und Österreich) relativ wenige Flächenstaaten gibt.Möglicherweise haben hier ,wie Brissotin ebenfalls anführte viele Kleinzentren mit entsprechender Abstrahlung ins Umland zu einer flächendeckenden Barockisierung geführt.
Eine andere Erklärung wäre möglicherweise in der Bevölkerungsdichte bzw, deren Zunahme in diesen Gebieten zu suchen-die würde entsprechende Bautätigkeit im neuen Stil nach sich ziehen. Hierzu fehlen mir allerdings die statistischen Daten.
 
Für Hessen kann ich die Grundaussage nicht so ganz teilen. Alle hessischen Gebiete litten sehr unter dem 30-jährigen Krieg und erholten sich erst ca. 50 Jahre später so langsam. Dies hatte zur Folge, dass alle möglichen Arten von Gebäuden während des 18. Jahrhundert neu gebaut und erneuert wurden.

Die entsprechende Wikipedia-Kategorie ist sehr, sehr unvollständig (u.a. fehlt der Fuldaer Dom als eines der bekanntesten hiesigen Barockgebäude):

Kategorie:Barockbauwerk in Hessen ? Wikipedia

Aber sie zeigt, dass während des 18.Jahrhunderts überall im Land Barockgebäude gebaut wurden.
Und zwar nicht nur in den größeren Städten und großen Residenzen. Sehr viele Dorfkirchen entstanden ebenfalls in dieser Zeit neu, während man die Altbauten abriss.
Außerdem eine Vielzahl kleinerer Adelshöfe und -villen. Es gab auch bei mächtigeren Familien ganz neue Residenzen, etwa die Schlösser in Arolsen, Usingen oder Rumpenheim
Abgesehen davon, entstanden hier relativ viele neue Siedlungen und Ortschaften, vor allem bedingt durch die Ansiedlung von Hugenotten und anderen Glaubensflüchtlingen. Die bekannteste Barockanlage dieser Art ist Bad Karlshafen ganz im Norden Hessens.
Bei der Wohnkultur ist das Bild geteilt: auf den Dörfern gab es nur in Details Veränderungen des bisherigen Fachwerkstils. In manchen Kleinstädten sind aber heute noch Barockviertel eindeutig stilistisch identifizierbar; Bad Homburg würde mir als Beispiel einfallen.
 
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Da hast Du aber die hessische Barockstadt schlechthin,nämlich Weilburg vergessen :)

In den Dörfern mu0 man zwischen Stein- und Fachwerkbauten unterscheiden. Amts-,Rat- und Gasthäuser sind oft reine Steinbauten ,bei denen die barocken Elemente klar zu identifizieren sind
Aber auch Fachwerkbauten sind gut zu identifizieren;
Der Fachwerksbau der Barockzeit nimmt die Vorkragung der oberen Stockwerke immer weiter zurück und die Vorkragung der Deckenbalken wird oft von Knaggen in Karnies- oder Volutenform unterstützt, die aber mehr Zierde sind, als statisch notwendig.
Die Schwellen der Oberstöcke sind oft mit Schiffskehlen verziert und in den Oberstöcken erscheinen neue dekorative Elemente wie das brüstungshohe Andreaskreuz und das Rautenkreuz und es werden gebogene oder geschnitzte Streben und vierflüglige Blendrahmenfenster mit mittigem Pfosten und Kämpfer,sogenannte barocken Kreuzstockfenster verwendet. Außerdem tauchen Erker am Fachwerksbau auf.
 
Barocke Baukunst in Hamburg

Hamburg hatte übrigens viele bedeutende Barockbauten. Das ist ja auch ganz einleuchtend, da die Stadt unbeschadet und sogar mit einem Zuzug den Dreißigjährigen Krieg überstand. Allerdings überstanden die Bauten in der Regel nicht das 19. und frühe 20. Jh..
"Darüber zürnte schon Alfred Lichtwark 1912: "Wohl keine Kulturstadt der Welt hat eine solche Selbstzerstörungslust entwickelt wie Hamburg. Es hätte die Stadt der Renaissance sein können, des Barock und des Rokoko - doch alle diese Schätze wurden stets begeistert dem Kommerz geopfert."
Schon vor dem 1. Weltkrieg wurde also erkannt, dass eben nicht der verheerende Stadtbrand von 1842 oder dergleichen Schuld an dem Mangel historischer Bausubstanz war, sondern die Hamburger selber.

Die Bauordnungen im barocken Hamburg konnten sich nicht mit denen Dresdens beispielsweise messen, so wurden keine bestimmten Baustoffe bspw. vorgeschrieben. Immerhin wurde der Brandschutz verbessert und im 18.Jh. brannten nur 200 Häuser ab, während es im 17. Jh. noch 500 waren. Zu einer städtebaulichen Neuordnung kam es allerdings nicht. Wichtige kommunale Bauten im Barock waren das Baumhaus, wo sich die Zollinspektion befand (1662), das Spinnhaus (1666), das Zucht-, Werk- und Armenhaus (1670), das Waisenhaus (1681) mit besonderem architektonischem Wert. Allerdings geriet das städtische Bauwesen am Beginn des 18. Jh. vorübergehend in eine Krise, da es zu innenpolitischen Spannungen kam. Der städtische Bauhof wurde sogar geschlossen. Außerden wirkte sich die Pest verhängnisvoll aus, da sie 1713 11.000 der 70.000 Einwohner das Leben kostete. Die Ausführungen zur Kirchenbaukunst würden hier zu weit führen. Unter dem Bauhofinspektor Johannes Kopp wurde der niederländische Palladinismus aufgenommen, welcher im Neuen Waisenhaus (1785) seinen Niederschlag fand.
Entsprechend der guten wirtschaftlichen Lage entwickelte sich auch im Bau barocker Wohnhäuser ein großer Aufschwung.
"Mit zunehmendem Wohlstand entwickelte sich der Blendgibelumriß in den Umrißformen, die aus der bürgerlichen und sakralen Barockbaukunst geläufig waren, immer bewegter, wobei die Dekoration ihre Grenze im Backsteinmaterial und in den Witterungsbedingungen fand. Dennoch hatten Hamburgs Wohnhausfassaden des 18. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum kaum ihresgleichen - nicht nur an Quantität, sondern auch an Qualität."
Ich will hier einige der hervorragensten Wohnhäuser des Barock anführen:
Neuer Wandrahm Nr. 17 (1680, nach niederländischem Vorbild / abgebrochen 1888) und Neuer Wandrahm Nr. 6 (1675-1680 / abgebrochen 1888), wobei gerade letzteres Gebäude einen geradezu überbordenden Fassadenschmuck aufweist.
Die Hamburger Tradition und die schmalen Grundstücke förderten allerdings Giebelhäuser, scheinbar war es kaum möglich mehrere Häuser zu erwerben und miteinander architektonisch zu verbinden, um eine repräsentativere Fassade zu erreichen. Beispiele wären Alte Gröninger Straße Nr. 9 (erbaut um 1680 / abgebrochen 1898) und Große Reichenstraße 35-37 (erbaut 1742 / abgebrochen 1908).
Die Fotos aus dem 19. Jh. demonstrieren recht schön, dass es offenbar in den 1880ern noch Straßenzüge gab, wo sich die repräsentativen barocken Fassaden aneinander reihten.*

* Hermann Heckmann: "Das bürgerliche Bauwesen des 17./18. Jahrhunderts in Hamburg S. 265-279
in: Kurt Milde/Klaus Mertens/Gudrun Stenke: "Matthäus Daniel Pöppelmann 1662-1736 und die Architektur zur Zeit August des Starken" Verlag der Kunst Dresden, Dresden, 1990
 
Das Argument mit den Hansestädten (im Gegensatz zu kirchlich-fürstlichen Zentren) ist zwar nicht von der Hand zu weisen,aber die süddeutschen freien Reichsstädte wie Ulm,Regensburg,Nürnberg und Augsburg wiesen die gleichen Strukturen eines Kaufmannspatriziats auf und dort wurde barock gebaut.Auch am Sozialgefüge und am wirtschaftlichen Potential kann es also nicht gelegen haben.
Wie am Beispiel Hamburgs schön zu sehen, hängt ein prosperierendes Bauwesen offenbar von einem wirtschaftlichen Wohlstand ab.

Bei den kleinen Residenzstädten wurde diese Notwendigkeit bisweilen ausgeklammert, was dann eben neben anderen Ursachen zu einer Ruinierung der Staatsfinanzen wie im Falle von Löwenstein-Wertheim-Rochefort führte.
 
Clemenswerth,Braunschweig,Wolfenbüttel,Neustrelitz,Rheinsberg,Schwedt ,Oranienbaum,Münster fallen mir da noch ein.Wie gesagt Einzelbauten sind überall zu finden, nur die flächendeckende Bebauung ist auf die genannten Gebiete beschränkt .
Münster blieb aber doch eher eine mittelalterliche Bürgerstadt, abgesehen von den Stadtpalais rund um den Dom.
Hast Du mal eine Abbildung, welche Deine Einordnung untermauert?

Bei Neustrelitz würde ich mitgehen.
Bei Schwerin kenne ich mich nicht aus. Ich hätte jetzt gedacht, dass die Herzöge Ludwigsburg als geplante Residenzstadt als Gegensatz zum gewachsenen Schwerin anlegen ließen.:grübel:
 
nun, in Münster wirkten bedeutennde Barockbaumeister wie Johann Conrad Schlaun oder Lambert Friedrich Corfey
An Bauten fallen mir der Erbdrostenhof,die Kettelersche Doppelkurie ,das Schloß und die Dominikanerkirche ein .Das Viertel um diese Kirche herum ,das leider weitgehend zerstört wurde muß vor dem Krieg ein Barockviertel gewesen sein.wie einzelne Baufragmente noch zeigen.
 
nun, in Münster wirkten bedeutennde Barockbaumeister wie Johann Conrad Schlaun oder Lambert Friedrich Corfey
An Bauten fallen mir der Erbdrostenhof,die Kettelersche Doppelkurie ,das Schloß und die Dominikanerkirche ein .Das Viertel um diese Kirche herum ,das leider weitgehend zerstört wurde muß vor dem Krieg ein Barockviertel gewesen sein.wie einzelne Baufragmente noch zeigen.
Ich meinte aber eine barocke Stadtplanung, nicht die Errichtung einzelner Gebäude im Barock.
In manchen Städten ging die barocke Anlage nicht über einige wesentliche Teile des Ortes wie Marktplatz oder Hauptstraße hinaus. Z.T. sind die Residenzorte auch garnicht so groß gewesen oder die Lage ließ es nicht zu, dass man eine Stadt im Schachbrettmuster wie Mannheim (Quadratstadt) hätte anlegen können.

In Weikersheim wurde der Marktplatz mit der Kirche in der 1. Hälfte des 18.Jh. auf das Schloss ausgerichtet, so dass vom Schlosseingang zur Kirche eine Achse entstand.
Die kleinste planmäßig angelegte Residenzstadt des Barock ist wohl Bartenstein, wobei die topographischen Verhältnisse mit dem Schloss auf der Höhe sicherlich für die Form den Ausschlag gab.
Bartenstein (Schrozberg) ? Wikipedia
 
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