Elisabeth Christine und Friedrich oder die Grenzen der Staatsräson?

Hier nun die angedeutete Passage.

Voltaire bleibt, glaube ich, vage genung, womit es eigentlich doch jugendfrei ist. :scheinheilig:

"...
Wenn Seine Majestät angekleidet war und die Stiefel angezogen hatte, widmete der Stoiker einige Augenblicke den Anhängern Epikurs. Er ließ zwei oder drei Günstlinge kommen, Leutnants seines Regiments, Pagen, Heiducken oder junge Kadetten, und nahm mit ihnen den Kaffee. Derjenige, dem er ein Taschentuch zuwarf, blieb ein kleines Viertelstündchen mit ihm allein. In Anbetracht dessen, daß er als Prinz zu Lebzeiten seines Vaters bei seinen flüchtigen Liebesabenteuern sehr schlecht gefahren war und nicht weniger schlecht geheilt wurde, kam es dabei nicht zum Äußersten. Er konnte nicht die erste Rolle spielen und mußte sich mit der zweiten begnügen.
Waren die Schuljungenvergnügen beendet, so kamen die Staatsgeschäfte an die Reihe. ..."
*

Diese Beschreibung ist in eine Erzählung des ganzen Tagesablaufes des Königs eingewoben und wirkt daher beinahe eher beiläufig eingestreut.
Der Stil und der Humor der ganzen Schrift scheint mir ganz der von Voltaire zu sein, womit die Autorschaft für mich gesichert gelten sollte. Die "Denkwürdigkeiten" enden ungefähr 1760, entstanden also offenbar nicht nur zu einer Zeit der persönlichen Abkühlung zwischen beiden Philosophen, sondern auch zur Zeit der Feindschaft zwischen ihren Heimatländern.

Zeitlich ist diese Passage nach dem Tode des Kardinals Fleury (1743)angesiedelt. Angeblich hatte Voltaire die Order, den Preußenkönig in Richtung eines Wiedereintritts in den Österreichischen Erbfolgekrieg zu beeinflussten. Dass Friedrich II. das dann auch tat, rechnete sich Voltaire natürlich nur sich selbst zu. :rofl:

* Voltaire: "Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Herrn von Voltaire. Aufgezeichnet von ihm selbst"
In: Voltaire: "Sämtliche Romane und Erzählungen" Inseltaschenbuch - Verlag, Leipzig/Frankfurt a. Main, 1992
S. 67
 
Friedrichs sexuelle Neigungen, wenn auch oftmals Gegenstand historischer Diskussion werden jetzt relevant, denn die Geburt eines Sohnes war ein staatstragendes Moment. Aber seit der Vermählung und bis zum Tode Friedrich Wilhelm I. geschah nichts. Selbst in der recht engen Beziehung zwischen König und Königin 1736 bis 1740 kam es zu keiner Geburt, obwohl spärliche Bemerkungen von Friedrich auf einen ehelichen Umgang doch Anlass zu Spekulationen liefern würden. Für die Prinzessin muss die Lage prekär gewesen sein, denn die Geburt des Thronfolgers wurde sicherlich von der Bevölkerung wie vom König erwartet. Wie kann man sich die Reaktionen von Friedrich Wilhelm vorstellen? Gibt es Belege über Äußerungen von ihm zu dem Thema? Hätte die Königin Rechte gehabt, der König sicherlich, durch die Kinderlosigkeit eine Aufhebung der Ehe zu erlangen? Wie ging die Öffentlichkeit damit um? Zumindest der junge König, der doch in den anderen Dingen sich so dem Staate verpflichtet fühlte, sollte in dem Punkte seiner Pflicht nicht eingedenk gewesen sein?

Soweit ich weiß versprach der Soldatenkönig seinem Sohn für die Geburt eines Erben ihm eine Auslandsreise zu gestatten (Italien?). Er versuchte es also ausnahmsweise mit der Lockmethode :D. Das Verhaltnis des Soldatenkönigs zu seiner Schwiegertochter war gut und er war ausgesprochen freundlich zu ihr - ganz im Gegensatz zu seiner Frau und seiner ältesten Tochter Wilhelmine.
Die hat ihrem Bruder im übrigen auch beschworen, er solle das seine tun und ein Kind zeugen. Sie hielt ihm vor Augen wie sehr das seine Stellung beim Vater festigen würde.
 
Seltsam, dass die Interpretation, die ich für den Stand der Erkenntnis gehalten habe, hier nicht erwähnt wird :

Friedrich habe sich als 16-jähriger am Hofe Augusts des Starken mit Syphillis angesteckt. Die anschließende Rosskur mit Quecksilber hat er zwar überlebt, danach war's aber aus mit der Erotik. Heiraten musste er trotzdem, damit es keiner merkte (die Königin wird's irgendwann gemerkt haben, aber da saß sie schon in der Falle).

Klingt doch ganz plausibel, oder ?

Wie lang dauert es denn da von der Ansteckung bis zum ersten Ausbruch der Krankheit? Friedrich wurde bald nach der Rückkehr aus Dresden schwer krank.
Der Soldatenkönig scheint die Krankheit für eine Lungenkrankheit gehalten zu haben (und rechnete schon halb mit dem Tod seines Sohns), aber wer weiß was man dem Vater erzählt hat.
(Das merkwürdigste an diesem Mann war, meiner Meinung nach, dass er einerseits sehr klug, anderseits unglaublich naiv war.)

Nachdem Friedrich sich von seiner Krankheit erholt hatte, ging sein Verhältnis zu seinem Vater im übrigen so richtig den Bach hinunter. Vielleicht, weil der König doch noch mitbekam, welche Krankheit sein Sohn hatte und was die Folgen waren?
 
Das Verhaltnis des Soldatenkönigs zu seiner Schwiegertochter war gut und er war ausgesprochen freundlich zu ihr - ganz im Gegensatz zu seiner Frau und seiner ältesten Tochter Wilhelmine.
Vielleicht war auch gerade dies dann ihr Problem. Sie gehörte nicht zum Geflecht aus Intrigen und blieb gewissermaßen gegenüber den Geschwistern und Friedrich II. selbst eine Fremde. Das mag andererseits dazu beigetragen haben, dass ihr Schwiegervater sie mochte.
 
Vielleicht war auch gerade dies dann ihr Problem. Sie gehörte nicht zum Geflecht aus Intrigen und blieb gewissermaßen gegenüber den Geschwistern und Friedrich II. selbst eine Fremde. Das mag andererseits dazu beigetragen haben, dass ihr Schwiegervater sie mochte.

Ich denke mal, dass Elisabeth Christine hübsch, schüchtern, religiös und bemüht es allen recht zu machen wie sie war, dem Idealbild einer Schwiegertochter recht nahe kam soweit es den Soldatenkönig betraf.
 
Zurück
Oben