Völkermord Herero - Problemfrage stellen

Das halte ich auch für abwegig. Allerdings wird man sehr wohl die Frage nach möglichen Kontinuitäten stellen dürfen und auch müssen, so wie das z. B. hier geschieht: Von Windhuk nach Auschwitz?: Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und ... - Jürgen Zimmerer - Google Books

Ja, das Buch von Zimmerer hat ja praktisch damals die ganze Diskussion mit der Kontinuität und den Zusammenhängen losgetreten. Nach wie vor, sind die Thesen sehr umstritten.

Ich empfehle mal die Seiten 128 - 136 von Boris Barths Buch Genozid zum lesen

Genozid: Völkermord im 20. Jahrhunder. Geschichte, Theorien, Kontroversen - Boris Barth - Google Books

Darin geht er auf die unterschiedlichen Thesen ein. Ist sehr interessant.
 
Stellt denn auch ein Historiker die Frage nach einem Zusammenhang zwischen dem englischen Burenkrieg und dem Holocaust

Natürlich werden diese Fragen gestellt! Spannend dazu ist diese Diskussion, in der unter anderem die Wirkung des italienischen Abessinienfeldzuges auf die deutsche Politik beleuchtet wird (Heiko Wegemann) und Birthe Kundrus auf die Verortung der "Ausrottung der Native Americans in den USA" im Weltbild Hitlers eingeht ("Hitler sagte: "Wir müssen es nur machen wie die Amerikaner damals mit den Indianern." Das ist auf der einen Seite eine Drohung gegenüber der jüdischen Bevölkerung, auf der anderen eine historische Legitimation, die er einzuholen versucht. Das ist der Transfer dabei.")

Kolonialismus und Nationalsozialismus
 
Das deutsche Strafrecht definiert den Völkermord (auf der Grundlage der Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide) so:
VStGB - Einzelnorm

Genozid und Völkermord sind da synonym.
Ob staatliche Funktionäre und ggf. in welcher Form daran beteiligt waren, ist kein Definitionsmerkmal, sondern eine Frage von deren persönlicher Verantwortlichkeit.
 
Das deutsche Strafrecht definiert den Völkermord (auf der Grundlage der Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide) so:
VStGB - Einzelnorm

Genozid und Völkermord sind da synonym.
Ob staatliche Funktionäre und ggf. in welcher Form daran beteiligt waren, ist kein Definitionsmerkmal, sondern eine Frage von deren persönlicher Verantwortlichkeit.

Ja, nur lässt sich mit solchen Definitionen nur schwer der zeitgenössischen Beurteilung beikommen. Das VStGB trat eben erst 2002 in Kraft. Und das Bewusstsein, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch ex post als solche definiert und verfolgt werden können, hat seine allgemeine Verbreitung wohl auch erst seit den Nürnberger Prozessen gefunden.

Es sollte uns als Historikern nicht in erster Linie darum gehen, wie wir die Ereignisse aus heutiger Sicht beurteilen würden, sondern wie aus damaliger Sicht geurteilt wurde bzw. geurteilt hätte werden können, um von dort aus den Verlauf der (eigenen) Geschichte erhellen zu können.

Anders gewendet: Der Völkermord an den Herero muss aus heutiger Sicht wohl als solcher gewertet werden. Haben aber auch die damaligen Zeitgenossen ihn als solchen gewertet? Hat sich die Wertung der deutschen Öffentlichkeit von der anderer imperialistischer Nationen unterschieden? Gab es hier oder dort evtl. zentrale Weichenstellungen, die die spätere Politik dieser Nationen mitbestimmt haben?

Gibt es die Linie von Windkuk nach Auschwitz oder die vom Waterberg nach Stalingrad, und wenn ja, warum nur in Bezug auf Deutschland, wenn das koloniale Gebaren der "anderen" sich möglicherweise nicht grundsätzlich von dem "deutschen" unterschieden hat?

Wie verliefen die Kontinuitätslinien hier und da, dass sie so eine offensichtlich unterschiedliche Entwicklung genommen haben?

Und nur um es klarzustellen: Mir geht es nicht darum, hier einem in der deutschen Volksseele immer schon vorhandenen "eliminatorischen Antisemitismus" a la Goldhagen das Wort zu reden. Mir geht es darum, einen übergreifenden Zusammenhang in den Blick zu nehmen, um von dort aus zu einem näheren Verständnis der historischen Entwicklung zu gelangen.
 
Da die völkerrechtliche Lage noch einmal angesprochen wurde:

Das zeitgenössische "Kolonialvölkerrecht" sah bereits für Afrika (und Asien/Pazifik) eine "entgrenzte Ordnung" vor, in dem ähnlich wie gegen Irreguläre, Freischärler und Partisanen in der Europäischen Ordnung, alles erlaubt war.

Dieser territorial entgrenzten Ordnung folgte entgrenzte Gewalt. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Vorgängen im NS, ein Bruch, keine Kontinuität im "kolonialen Sonderweg" des Deutschen Reichs. Den Sonderweg gibt es schon deshalb nicht, weil die Vorgänge bei anderen Kolonialmächten derselben Logik folgten, und vergleichsweise entgrenzte Gewalt hervorbrachten.

Zu der Völkerrechtslage, auch in Bezug auf den Herero-Aufstand, ist dieses sehr zu empfehlen:
Kämmerer, Das Völkerrecht des Kolonialismus: Genese, Bedeutung und Nachwirkungen, VRÜ 2006, S. 397. Im Interet verfügbar.
Das sollte man sich einmal durchlesen, wenn der Kontext interessiert.

Hier wird auch deutlich, was dann zB den Mau-Mau-Krieg von 1904 unterscheidet.
Mau-Mau-Krieg ? Wikipedia
Ebenso Armenien, da das Osmanische Reich der Europäischen Rechtsordnung uneingeschränkt angeschlossen war.

Die Kontinuitätsthese, die Ausweitung auf "genozidale militärische Kampagnen" oder "Military Culture" ist damit auf mangelnde Differenzierung zurückzuführen. Die Vorgänge werden - was moralisch verständlich ist - nur nach den Opfern/in den Folgen bewertet, was im Ergebnis jede entgrenzte Gewalt und Massentötung der letzten 3000 Jahre vergleichbar machen würde.

So einfach ist es also nicht. Es gibt keinen kontinuierlichen deutschen Sonderweg vom Waterberg nach Ausschwitz.

Vielleicht ist es hilfreich, auf eine weitere Differenzierung und Kritik der Genozid-Diskussion hinzuweisen: ...

http://www.zeithistorische-forschun...uments/pdf/2008-3/KundrusStrotbek_Genozid.pdf
Kundrus/Strotbek: "Genozid"-Moöglichkeiten und Grenzen eines Forschungsbegriffes.

Die beiden Autoren weisen auf die mittlerweile inflationäre Verwendung des Begriffes hin, was mit dem Kernbereich der neueren völkerrechtlichen Verwendung nichts mehr zu tun hat. Der Versuch, einen generischen Begriff zu finden, der alle vergangenen und künftigen Vorgänge umfasst, hat im Ergebnis eine Definition hervorgebracht, der es an Substanz und Differenzierung mangelt, und die viel zu flexibel auf alle Formen von "mass violence" anwendbar ist. Diese Unschärfe begründet dann logischerweise (falsche) Kontinuitätsvermutungen, bei hoher moralischer Aufladung, die immer mit unzureichenden völkerrechtlichen Kenntnissen kombiniert auftritt.

Die unterschiedlichen Phänomene "organisierter Gewaltgrenzung" werden hierdurch alle unter einen Tisch gekehrt, "Einsichten über das empirisch vielgestaltige Auftreten" massenhafter Gewalt werden sogar zugunsten von Kontinuitätstheorien verhindert. Ebenso fatal und problematisch ist dann, wenn reflexhaft auf den Kontinuitätsvorwurf mit dem pauschalen Einwand gearbeitet wird: das sei denen damals nicht als Verbrechen klar gewesen (mit dem Einwand könnte man ansonsten auch in den Nürnberger Prozess "einfallen" und beliebig Verbrechen des Kaiserreiches im Sinne einer Kolonialromantik relativieren). Der differenzierte Blick lohnt: die ganz unterschiedlichen Täter, Strukturen, Ereignisse, Motive, Wirkungsrichtungen, ideologischen Aufladungen, etc. zu betrachten. Da ist dann nämlich keine Kontinuität vom Waterberg nach Ausschwitz oder Stalingrad.

Hier liegt noch ein Problem. An der Diskussion oben ist auch klar ablesbar, wie die politisch-moralischen Bewertungen immer wieder mit der aktuellen Völkerrechtslage vermischt wurden. Die scharfe Kritik von Kundrus/Strotbek wird damit nur bestätigt.

@Reinecke: danke für die Hinweise. Wir liegen da tatsächlich nicht weit auseinander, auch in der Bewertung als Genozid. Mit den ergänzenden Erläuterungen habe ich jetzt hoffentlich klar gemacht, wo ich das Problem sehe.
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Gibt es die Linie von Windkuk nach Auschwitz oder die vom Waterberg nach Stalingrad, und wenn ja, warum nur in Bezug auf Deutschland, wenn das koloniale Gebaren der "anderen" sich möglicherweise nicht grundsätzlich von dem "deutschen" unterschieden hat?...

Ich, was nichts heißen muß, erkenne keine Linie zwischen Windhuk und Auschwitz und auch nicht zwischen Waterberg und Stalingrad.

Warum kann ich da keine direkte historische Linie erkennen. Der Krieg in DSWA war ein Krieg an der Peripherie, in dem das DR nur äußerst begrenzt engagiert war. Die Kriegsführung und auch die Kolonialpolitik in DSWA war zwar durchaus rassistisch geprägt, es gab aber keine staatlich, ideologisch determinierte Vernichtungspolitik, sondern der Völkermord an den Hereros erfolgte spontan und auf Initiative des regionalen Befehlshabers, auch wenn er nachträglich sanktionier wurde. Martialische Zitate von W. II. ändern daran m.E. nichts. Und genau dieses fehlen, einer staatlich und ideologisch determinierten und systematisch geplanten und exekutierten Vernichtungspolitik im gesamte deutschen Herrschaftsgebiet (DR inkl. Kolonien), läßt mich keine direkte Linie zwischen Windhuk und Auschwitz erkennen.

M.
 
Bei einer Kontinuität müsste man dann auch die Frage stellen, ob der industrielle Mord an den verschiedenen Völkergruppen überhaupt nicht zu verhindern gewesen wäre. Sozusagen eine Gesetzmäßigkeit des gesteigerten Mordes (?).
Hitler & Co. wollten den Osten ja auch nicht kolonialisieren, sondern, was sich nicht ausrotten ließ, bestenfalls versklaven.
 
Um zur Problemfrage und zum Ereignis zurückzukommen:

Bührer, Schutztruppe, stellt nun fest, dass es mit dem Eintreffen der Verstärkungen und Trotha zu einem Richtungswechsel gekommen sei. Man könnte hier die Rolle des Generalstabes untersuchen, inkl. dem Druck, der auf den Abschluss der Operationen ausgeübt worden ist.

Trotha plante eine Kesselschlacht (Hüll, "absolute desruction") und schon vor dem "Vernichtungsbefehl" gab es mehrere Monate Handlungen, die als Genozid zu deuten sind bzw. darauf hinausliefen.
 
Trotha plante eine Kesselschlacht (Hüll, "absolute desruction") und schon vor dem "Vernichtungsbefehl" gab es mehrere Monate Handlungen, die als Genozid zu deuten sind bzw. darauf hinausliefen.

Hmm, welche? In Trothas Verständnis war immer eine "Vernichtung" im Sinne der militärischen Diktion, bzw. Auslegung angestrebt. Das heißt Vernichtung als völlige Kampfunfähigkeit des Gegners. Also Besiegung, Entwaffnung, Gefangennahme...
 
Hmm, welche? In Trothas Verständnis war immer...

...Entwaffnung, Gefangennahme...

Die sieht dann so aus, dass der in die Wüste geschlagene und inzwischen wehrlose Gegner inkl. Frauen- und Kindergruppen von rettenden Wasserlöchern durch Sicherungen ferngehalten wird, Übergaben verweigert werden und aufgestöberte Gruppen sofort erschossen oder in die Wüste zurückgetrieben werden werden?

Bührer, Die kaiserliche Schutztruppe, 2011, S. 285
Hull, Absolute Destruction, 2005, S. 41, 68

Zu Trotha ist diesem Urteil nichts hinzu zu fügen:

"ein schlechter Führer, ein schlechter Afrikaner, ein schlechter Kamerad..."

Von 80.000 Herero überlebten 25%, von 20.000 Nama rd. 50%.
 
Die sieht dann so aus, dass der in die Wüste geschlagene und inzwischen wehrlose Gegner inkl. Frauen- und Kindergruppen von rettenden Wasserlöchern durch Sicherungen ferngehalten wird, Übergaben verweigert werden und aufgestöberte Gruppen sofort erschossen oder in die Wüste zurückgetrieben werden werden?

Du mißverstehst mich. Ich habe kein Interesse von Trotha oder sein Handeln zu verteidigen. Der Mann war schon bei einer ganzen Reihe beteiligter Soldaten verrufen und weder geachtet noch respektiert.

Ich fragte bei dir nach, welche Handlungen, du damit gemeint hast: "schon vor dem "Vernichtungsbefehl" gab es mehrere Monate Handlungen, die als Genozid zu deuten sind bzw. darauf hinausliefen."

...denn mir sind da eigentlich nur "normale" militärische Aktionen bekannt, die eben nicht mit denen vergleichbar sind, wie sie nach dem Waterberg-Gefecht vollzogen wurden.
 
Es sollte uns als Historikern nicht in erster Linie darum gehen, wie wir die Ereignisse aus heutiger Sicht beurteilen würden, sondern wie aus damaliger Sicht geurteilt wurde bzw. geurteilt hätte werden können, um von dort aus den Verlauf der (eigenen) Geschichte erhellen zu können.

Das ist vom Ansatz her richtig-im Falle des Herrero-Krieges und besonders im Bezug auf das Vorgehen von Trothas zeigt allerdings die Empörung im In- und Ausland auch ,daß die Beurteilung durch die Zeitgenossen so losgelöst von den heutigen Wertvorstellungen nicht war.
 
Du mißverstehst mich. Ich habe kein Interesse von Trotha oder sein Handeln zu verteidigen.
So etwas habe ich nicht unterstellt.

Ganz einfach ging es mir nur um Deine Aussage "In Trothas Verständnis" zu seinen militärischen Vorstellungen von Verfolgung, Entwaffnung, Gefangennahme. Dazu habe ich ergänzt, was unmittelbar nach den August-Tagen am Waterberg geschah, und mit Entwaffnung und Gefangennahme nichts zu tun hat.

Dazu schien mir ganz passend, dass militärische Urteil über Trotha zu highlighten. Das siehst Du ja offenbar genau so.


Ich fragte bei dir nach, welche Handlungen, du damit gemeint hast: "schon vor dem "Vernichtungsbefehl" gab es mehrere Monate Handlungen, die als Genozid zu deuten sind bzw. darauf hinausliefen."
...denn mir sind da eigentlich nur "normale" militärische Aktionen bekannt, die eben nicht mit denen vergleichbar sind, wie sie nach dem Waterberg-Gefecht vollzogen wurden.

Richtig, von "normalen" Aktionen kann man da nicht reden. Die Aussage bezog sich auf den Zeitraum zwischen Waterberg und Vernichtungsbefehl, der nur formulierte, was schon praktiziert wurde.

Das ist eigentlich in der Literatur herrschende Auffassung, weswegen mich die Nachfrage wundert.

"Normal" im Sinne europäischer Massstäbe war da allerdings auch vor dem Waterberg nichts. Da gibt es zwei Strömungen in der Literatur: die einen sprechen von "Entgrenzung der Gewalt", siehe oben, die anderen von einer "Afrikanisierung" der Kriegshandlungen, bzw. einer Adaption.

Wie auch immer: das Ergebnis dieser Adaption traf dann auf die "herkömmliche" Gefechtsart "Verfolgung" am Waterberg und danach.

Literatur siehe oben, steht eigentlich alles drin und ist aktuell.
 
Ganz instruktiv zu den militärischen Vorgängen ist auch Bührers Resümee im Kapitel "Kriege gegen autochthone Gegner:

"Die Gewaltentgrenzungen auf den ostafrikanischen Kriegsschauplätzen waren letztlich unterschiedlich bedingt, wobei die neuen Asymmetrien keine vollumfänglichen Erklärungen leisten. Und die Vorstellung, dass aus einem prinzipiellen Rassismus heraus automatisch Gräueltaten begangen und die Normen des Kriegsrechts ausgehebelt wurden, ist nur teilweise zutreffend. Vielmehr war eine enthemmende rassistische Intensität stark situativ bedingt. Zudem hatten die Normen der afrikanischen Gewaltkultur [Anm.: dies wurde zuvor an einigen Beispielen erläutert] einen entscheidend prägenden Einfluss auf die Verlaufsformen der Kolonialkriege. Die Schutztruppe adaptierte sogar einige Elemente der afrikanischen Kriegführung. Außerdem bestand auch auf ihrer Seite [Anm.: betrifft nicht speziell den Waterberg] ein Großteil der Akteure aus Afrikanern, die als Irreguläre im Rahmen von Militärexpeditionen ihren traditionellen Raub- und Beutekrieg führten. ...

Insgesamt muss wohl nicht nur von einer Entgrenzung, sondern auch von einer 'Afrikanisierung der Gewalt' die Rede sein. Auch ist es fraglich, ob 'deutsche Kolonialkriegführung' als treffende Bezeichnung für die weitgehend transkulturell geprägten Gewalthandlungen ... gelten kann [Anm: betrifft vorwiegend Deutsch-Ostafrika]. Mit der These der Afrikanisierung der Gewalt sollen weder die deutsche Regierung, die kolonialen Verwaltungsinstanzen noch die Schutztruppe selbst für die Gewaltausübungen entschuldigt werden."

Bührer, S. 274 und 275.

Die Ausführungen zeigen auch, um damit noch mal auf den Diskurs weiter oben zurückzukommen, dass die situative Betrachtung, die konkreten Motive, die Akteure, Wirkungsketten etc. nicht durch die (pauschalierte, wenngleich richtige) Beurteilung als Genozid überdeckt werden sollten.
 
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Die Ausführungen zeigen auch, um damit noch mal auf den Diskurs weiter oben zurückzukommen, dass die situative Betrachtung, die konkreten Motive, die Akteure, Wirkungsketten etc. nicht durch die (pauschalierte, wenngleich richtige) Beurteilung als Genozid überdeckt werden sollten.

Gewaltentgrenzung ist schon eine passende Kategorie, aber "Afrikanisierung" der Kriegsführung halte ich, zumindest in DSWA, das von Dir eingestellte Zitat bezieht sich ja auch, wie Du anmerktest, eher auf Ostafrika, als nicht passend. Die an dem Völkermord beteiligten Truppen waren in DSWA keine Kolonialtruppen, abgesehen von der spärlichen Schutztruppe, sondern ganz "normale" Marineinfanterie und die waren "nichtafrikanisiert", im Sinne des oben angeführten Zitates.

Die Gewaltentgrenzung sollten doch in erster Linie die Offiziere bemerkt und realisiert haben, das wäre m.E. ein empirischer Ansatz, gab es Versetzungs- und Pflichtentbindungsgesuche bzw. Dienstquittierungen von Offizieren der eingesetzten Marineinfanterietruppen, die über das normale Niveau solcher Gesuche in der Truppe hinausgingen? Gab es Beschwerden an vorgeordnete Dienststellen von Offizieren bezüglich des Völkermordes, oder wurde die Gewaltentgrenzung allgemein akzeptiert und als dem Kriegsschauplatz angemessen empfunden. Immerhin, die "Kriegsführung" des Herrn von Trotha widersprach den seinerzeitig gewohnheitsrechtlich anerkannten Gebräuchen der Kriegsführung.

M.
 
...Immerhin, die "Kriegsführung" des Herrn von Trotha widersprach den seinerzeitig gewohnheitsrechtlich anerkannten Gebräuchen der Kriegsführung.

M.
Eben nicht. Die Internationalen Abkommen der damaligen Zeit bezogen sich ausdrücklich auf "zivilisierte" Völker, inklusive bei der Eingrenzung grausamer Munitionsarten wie z.B. Dum-Dum-Geschosse.

Der Umgang mit "aufständischen" unzivilisierten Eingeborenen wurde dagegen allgemein in der Härte und Grausamkeit geführt wie sie auch von Trotha eingesetzt wurde. Ob es die US-Army auf den Philippinen war, die argentinische Armee in Patagonien, die mexikanische im Yukatan, die Portugiesen auf Timor, die Briten in Birma oder die Niederländer auf Java, die Spanier und Franzosen in Marokko, die Italiener in Lybien und Ostafrika, es gibt keine nennenswerten Unterschiede.

Wenn es Widerstand gab, wurde es brutal, bis zur absoluten Vernichtung der Aufständischen, inklusive Frauen und Kinder. Sogar für die Taktik der Besetzung der Wasserstellen und die Vernichtung der Eingeborenen die auf diese angewiesen waren, ist keine Besonderheit und es gibt zahlreiche Vergleichsbeispiele.
 
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Wenn es Widerstand gab, wurde es brutal, ...

Nehmen dem militärischen Fokus trifft das für Afrika auch für "zivile" Sektoren ohne Widerstand zu. Beispiel bei Bührer: der Bau französischer Eisenbahnlinien, bei denen Zehntausende umgekommen sind. Die Schürfungen in den Minen könnte man ergänzen.
 
Die Internationalen Abkommen der damaligen Zeit bezogen sich ausdrücklich auf "zivilisierte" Völker
Die spannende Frage ist, warum das so ist :
(a) aus Rassismus - weil diese Gegner nicht als vollwertige Menschen betrachtet wurden
oder
(b) aus praktischen Gründen - weil man sich in der Wahl der Mitteln nur gegen "zivilisierte" Gegner einzuschränken brauchte, da nur diese technisch dazu in der Lage wären, die gleichen extremen Mittel anzuwenden
 
Nehmen dem militärischen Fokus trifft das für Afrika auch für "zivile" Sektoren ohne Widerstand zu. Beispiel bei Bührer: der Bau französischer Eisenbahnlinien, bei denen Zehntausende umgekommen sind. Die Schürfungen in den Minen könnte man ergänzen.
Gutes Beispiel. Oder auch die Kautschukgewinnung in Belgisch-Kongo.

Die spannende Frage ist, warum das so ist :
(a) aus Rassismus - weil diese Gegner nicht als vollwertige Menschen betrachtet wurden
oder
(b) aus praktischen Gründen - weil man sich in der Wahl der Mitteln nur gegen "zivilisierte" Gegner einzuschränken brauchte, da nur diese technisch dazu in der Lage wären, die gleichen extremen Mittel anzuwenden

Ich würde sagen beides, mit Schwerpunkt auf ersterer Überlegung. Wobei man den "Wilden" ja als grundsätzlich Grausam ansah und sich vor ihm eigentlich fürchtete. Da war die Verwendung grausamer Waffen gerechtfertigt.
 
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