Gründe für den Erfolg der Wikinger?

Einen interessanten Beitrag zum zähen Fortleben der punisch-karthagischen Identität fand ich hier:



Man kann also sagen, dass die nordafrikanische Bevölkerung - punische Nachkommen und romanisierte Gruppen - den Vandalen beim Einstieg in die Schifffahrt kräftig half.


Dagegen spricht allerdings, dass bereits Gunderich in Spanien eine vandalische Flotte aufgebaut hatte. Aber auch hier ist der Gedanke naheliegend, dass phönizische Traditionen in Südspanien eine Rolle spielten.

Die Balearen wurden schon 425/426, also vor dem Übersetzen nach Afrika, besetzt.

Es ist also nicht so ganz richtig, dass die Vandalen erst durch die Übernahme Karthagos zu einer Flotte kamen.
 
Es ist also nicht so ganz richtig, dass die Vandalen erst durch die Übernahme Karthagos zu einer Flotte kamen.

Also - irgendwer muss den Vandalen ihre Schiffsbaukünste beigebracht haben, nachdem sie Jahrhunderte von jeder Küste entfernt waren.

Nachdem du inzwischen alle Möglichkeiten verneint hast, wäre ich auf deine Erklärung gespannt.
 
Falls du noch mal nachlesen würdest, war ich es, der die punischen Traditionen ins Spiel gebracht hat..

Ja - das war doch ein sehr interessanter Gesichtspunkt, der mich sogleich zu den Huß'schen "Karthagern" getrieben hat. Die Kontinuität des Punischen bis ins 5./6. Jh. war mir bis dato nicht bewusst.

Allerdings führt uns dieser Exkurs weit weg von den Wikingern.
 
Vandalen, Karthager & Wikinger

Die Vandalen stützen sich ohne Zweifel auf die Kenntnisse und Mannschaften der vorgefundenen provinzial römischen Bevölkerung gleich welcher Herkunft. Auch die römischen Flotten (etwa bei Augustus – und danach brauchte man sowieso nicht mehr zu unterscheiden…) stützten sich nachweislich in ihrem Mannschaftsbestand vornehmlich auf Männer aus den Provinzen, besonders des Ostens und Ägyptens, sowie Freigelassene (und deren Nachkommen). Die Flottenbesatzungen waren gesellschaftlich so wenig angesehen, dass Augustus sogar bewährte Männer aus dem Stand der Freigelassenen zu den höchsten Flottenkommandos ernennen konnte: Etwas, das in der römischen Armee noch für Jahrhunderte unvorstellbar bleiben sollte! Dazu kommt, dass gerade Seeleute wohl zu allen Zeiten die größte Mobilität aller Bevölkerungsschichten hatten. Wer ohnehin etwa auf Schiffen zwischen Ägypten, Ostia und dem westlichen Mittelmeer unterwegs war, der konnte auf jedem Schiff im ganzen Mittelmeerraum Arbeit finden… Ähnlich wie auch die klassischen Segelschiffe in der Zeit der Entdeckungen wohl alles Andere als „nationale Besatzungen“ hatten! Spezifisch punische maritime Traditionen dürften nicht einmal in der Provinz Africa zu dieser Zeit noch eine nennenswert eigenständige Rolle gespielt haben.

Den Vandalen wird es reichlich egal gewesen sein, woher die Männer kamen, die auf ihren Schiffen Dienst taten, solange sie nur Tüchtig und zuverlässig waren! Es besteht kein Grund zu glauben, dass sie sich dabei vor allem auf mögliche Nachfahren (nach Jahrhunderten römischer Herrschaft und durchaus relevanter Siedlungspolitik) von Puniern stützten. Bekanntlich nahmen sie als Krieger auch in großer Zahl nicht romanisierte Berber aus dem nicht urbanisierten Hinterland der Provinzen in ihre Armeen auf. Rom hatte diese „Barbaren“ über Jahrhunderte von den Küsten ferngehalten und über eher indirekte Herrschaft weitgehend neutralisiert. Der Rückgriff der Vandalen auf die Berber weckte Kräfte, die nur zu bald zur Entstehung zahlreicher, kleinerer „Königreiche der Berber“ führte, deren Anspruch und Macht weit hinein in die urbanisierten, ehemaligen Provinzen reichen sollte. Weder die Vandalen, noch später die Byzantiner/Oströmer konnten später diese Entwicklung wieder umkehren um ähnlich unangefochten über Nordafrika herrschen zu können, wie es die Römer vor Auftauchen der Vandalen verstanden hatten.

Nun zu den Schiffen. Hier gibt es keine belastbaren Erkenntnisse. Sicher ist nur, dass es keine überlieferte, große Seeschlacht einer vandalischen Flotte gibt! Sehr wohl aber waren sie für schnelle, amphibische Operationen und Anlandungen gefürchtet, die Furcht im ganzen Mittelmeerraum erzeugte und Anrainer wie Seefahrer verunsicherten. Für derartige Operationen wären klassische, antike Kriegsflotten eher hinderlich gewesen. Man brauchte schnelle Schiffe mit Transportkapazität für Truppen, die auch am offenen Strand entladen werden konnten – um nicht auf befestigte Häfen angewiesen zu sein. Der Kern der vandalischen Armee war ihre Reiterei. Die Männer werden kaum auf ihre Pferde verzichtet haben, wenn sie auf Landungsoperationen auszogen! Auch berittene Berber sind im Rahmen solcher Züge angelandet worden. Es erscheint wenig glaubhaft anzunehmen, dass die vandalische Kriegerkaste bereit gewesen wäre diese Schiffe im Kampf auch zu rudern. Zusätzliche Rudermannschaften wären aber für die Versorgung und Ladekapazität der Schiffe eher hinderlich gewesen. Das Segel wird eine entsprechende Rolle gespielt haben, auch wenn auf zusätzliche Ruder wohl nicht verzichtet werden konnte. An die Präzision klassisch antiker Kriegsgaleeren ist dabei nicht zu denken. Diese Anforderungen an die Schiffe können weitgehend ohne militärisches Spezialwissen erfüllt werden. Inwieweit es zusätzlich einen Kern eher klassischer Kriegsschiffe gegeben haben mag, muss offen bleiben. Hinter allem stand unangefochten das vandalische Königtum als ordnende und lenkende Kraft. Die Operationen mochten Plünderungszügen gleichen, doch waren sie Teil einer echten Machtpolitik.


Verglichen mit der Marinetradition der alten Karthager war diese Flotte etwas ganz anderes. Gerade die Karthager hatten ein sehr hohes Niveau in maritimem Seekriegswesen besessen. Basierend auf klassische, von großen Rudermannschaften in der Schlacht angetriebenen Schiffen, deren Ziel es war mittels Bogenbeschuss den Kampf zu eröffnen und den Feind möglichst zu rammen, oder Bewegungsunfähig zu machen (etwa die Ruder „abzurasieren“). Weiterhin spielte der Enterkampf ebenfalls noch eine Rolle, aber hier zeigten sie sich den Römern unterlegen! Diese Kriegstradition suchte die Seeschlacht in großen, geordneten Formationen. Sehr gut eingeübte, große Rudermannschaften hatten diese Schiffe in der Schlacht zu bewegen und binnen kürzester Zeit extrem zu beschleunigen oder zu wenden. Die Beseglung trat dahinter zurück und hatte nur außerhalb der Schlacht eine gewisse Rolle. In der Schlacht wurden die Mastbäume in der Regel umgelegt. Dass derartige Flotten nur durch eine etablierte und leistungsfähige staatliche Ordnung zu bilden und vor allem auch zu erhalten war, versteht sich von selbst. Der berühmte Flottenhafen Karthagos aus vorrömischer Zeit ist dafür ein treffender Beweis!



Kommen wir nun zu den Wikingern: Mir fallen nur Seeschlachten aus der Spätzeit ein, etwa jene, in welcher König Olav Tryggvason im Jahre 1000 wohl sein Leben verlor. Aber Seeschlachten waren wohl auch für die Wikinger weniger ein Grund Flotten zu bauen. Man ist hier in der glücklichen Lage archäologisch und auch in der Überlieferung sich ein gutes Bild über die verwendeten Schiffe machen zu können. In der Regel besaßen sie schnelle, flach gehende, schlanke Schiffe, die durch Segel angetrieben wurden, sehr wohl aber auch gerudert werden konnten. Mit den antiken Triremen hatten sie wenig gemein. Für den Kampf Schiff gegen Schiff bei Enterkämpfen sind hohe Bordwände von Vorteil, die auch Schützen besseres Schussfeld bieten können. Dies hatten die Wikingerschiffe nicht. Sie sind also nicht vornehmlich für diese Art von Schiffskampf konstruiert worden. Sicher: Man konnte sich auf See wehren und konnte auch gerudert durchaus wendig sein. Antike Triremen waren eher hochbordig, oft mit eigens aufgesetzten Kastellen und auch Torsionsgeschütze konnten zum Einsatz kommen. Sie waren Kampfplattformen zur See. Ohne Frage waren die klassischen Wikingerschiffe enorm Hochseefähig und konnten leicht Plätze zur Anlandung der Mannschaften finden. Während der Kämpfe um England (Danelag) setzten sie ihre Schiffe regelmäßig nur für die Anlandung an, um dann vornehmlich als Fußkrieger ihre Heerzüge durchzuführen. Die Schiffe wurden dann gerne in Sicherheit gebracht. Man findet also mehr Parallelen zu den Anforderungen der Vandalen an ihre Flotten, doch hatten die Wikinger ihre eigenen Seefahrertraditionen. Gerade die ersten Angriffe der Wikinger scheinen durch eher lose Gruppierungen um einzelne Anführer herum organisiert worden zu sein. Erst spät entwickelten sich echte Reiche im Heimatbereich der Wikinger. Aber gerade jene Angriffe, die wir mit dem Begriff des Wikingers verbinden wurden eher von kleineren Herren und Warlords durchgeführt, die sich häufig besser als „Koalitionen von Willigen“, denn als eine Vorstufe von Staaten bezeichnen lassen. Ziele ihrer Angriffe waren anfänglich wirtschaftlicher Art. Erst später, nachdem sich die Angreifer in ihren ehemaligen Plünderungszielen niederzulassen begannen, entwickelten sich auch Anfänge von dauerhaften Gruppierungen in Richtung auf eine Herrschaftsbildung. Die davor liegenden Anfänge lassen sich leichter mit Piraterie vergleichen als mit Politik.

@Vandalen-Flotten: Darüber gibt es einen alten Thread hier im Forum
 
Erst Alfred der Große habe daran gedacht die Wikinger auf See zu stellen, aber die Besatzungen der Schiffe währen größten Teils aus Friesland gekommen.

Bevor das Phänomen der Wikinger auftrat, sollen die Friesen den Seehandel in der Nordsee kontrolliert haben. Die Friesen operierten dabei in gewissem Sinne auch in einer politischen Grauzone, da sich die Politik der Königreiche nicht wirklich um den Handel - sehr wohl aber um seine Erträge kümmerten.

Ob der Zusammenbruch des römischen Münzwesens für die Nordseeanrainer wirklich so bedeutend war, wage ich zu bezweifeln. Gerade die Wikinger zeigen mit ihrem "Hacksilber", dass sie für echte Geldwirtschaft keine Nase hatten. Sehr wohl aber für Handel und Werte! Bei allen Berichten um Flotten und Plünderungen wird doch zu leicht vergessen, dass die Wikinger sich in der Ostsee gerade als Händler als sehr gewieft erwiesen. Man denke nur an ihre warägischen "Brüder". Im Westen stießen die anfänglich kleinen "Plünderungstrupps" doch in ein relatives Vakuum hinein. Für politische Relevanz waren ihre Plünderungszüge anfänglich zu klein, für nur lokal organisierten Widerstand hingegen waren sie zu flexibel, schnell und zu stark. Die Wikinger traten auch im Westen nicht nur als Plünderer auf, sondern auch als Händler: Beste Voraussetzungen um Schwachpunkte auszuloten. Sie wussten was sie taten, egal ob sie Handel trieben oder plünderten...

Welche Bedeutung fehlendes handwerkliches Know how im Vergleich zur Antike in den Zielgebieten der Wikinger gespielt haben soll, würde mich interessieren. Ich frage mich, wie etwa eine schwerfällige, klassisch antike Flotte mit den schnellen Räubern hätte fertig werden können. Die Römer hatten in der Spätantike doch mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und nur durch enormen Aufwand ein System von Wachtürmen, Truppenstandorten und Schiffen etabliert um die Küsten mehr oder weniger abzusichern. Ein Comes der "Sachsenküste" hatte diese aufwändige Verteidigung unter seiner Aufsicht.

...ob sie erfolgreich war oder nicht: Die späteren Angelsachsen in Britannien waren auch über das Meer gekommen. Kooperationen mit "sächsischen Piraten" hatten auch manche innerrömischen Machtkämpfe gekannt. Gerade der Usurpator Carausius, und sein Nachfolger Allectus, die durch den Vater des späteren Kaisers Konstantin (d.Gr.) besiegt wurden, hatten anscheinend mit Franken und Sachsen ein gutes Verhältnis gepflegt. Dies war zu einer Zeit, als die Küsten Britanniens und des gegenüberliegenden Festlandes unter römischer Herrschaft gestanden hatten. Die Nachfolgereiche waren dafür viel zu zergliedert. Es fällt auch auf, dass sich die anfänglichen Angriffe der Wikinger stärker gegen Britannien richteten, das politisch stärker fraktioniert war, als das ungleich stärkere Frankenreich auf dem Festland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Welche Bedeutung fehlendes handwerkliches Know how im Vergleich zur Antike in den Zielgebieten der Wikinger gespielt haben soll, würde mich interessieren. Ich frage mich, wie etwa eine schwerfällige, klassisch antike Flotte mit den schnellen Räubern hätte fertig werden können. Die Römer hatten in der Spätantike doch mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und nur durch enormen Aufwand ein System von Wachtürmen, Truppenstandorten und Schiffen etabliert um die Küsten mehr oder weniger abzusichern. Ein Comes der "Sachsenküste" hatte diese aufwändige Verteidigung unter seiner Aufsicht.

Klar das auch die römischen Flotten mit dem neuen amphibischen Waffensystem Drachenboot ihre Probleme bekommen hätten.
Mir ging es eher um die normalen Handwerker. Wie z.B. Maurer. Zu beginn der Ära der Wikinger waren viele Stadtmauern nur notdürftig in Stand gesetzt. Wohnhäuser waren meist aus Fachwerk und Bedachungen meist mit Stroh. Und ich vermute auch das die Schmiede arg an Know How verloren haben. Zum anderen ist ja schon in der Spätantike zu beobachten das die Schlachtfelder später leer geräumt wurden und die Waffen quasi recycelt wurden.

Apvar
 
Ich frage mich, wie etwa eine schwerfällige, klassisch antike Flotte mit den schnellen Räubern hätte fertig werden können.[

Ist das jetzt nur auf den Atlantik bzw Nordsee-Bereich bezogen? Die Mittelmeer-Flotten der Römer waren mitnichten nur schwerfällig; sie haben dieses Binnenmeer jahrhundertelang praktisch piratenfrei gehalten, und auch diese Piraten nutzten kleine Schiffe für schnelle Überfälle.

Klar sind in Atlantik und Nordsee die Anforderungen an die Schiffstypen völlig andere, aber auch im Mittelmeer brauchte es schneller, wendiger Schiffe für genau solche Zwecke, und die gab es natüröich auch, so lange die Römer sie finanzierten.
 
Ist das jetzt nur auf den Atlantik bzw Nordsee-Bereich bezogen? Die Mittelmeer-Flotten der Römer waren mitnichten nur schwerfällig; sie haben dieses Binnenmeer jahrhundertelang praktisch piratenfrei gehalten, und auch diese Piraten nutzten kleine Schiffe für schnelle Überfälle.
Grundsätzlich ja. Mit den Liburnen hatten die Römer einen leichten Schiffstyp, wie ihn auch die Piraten verwendeten.
Allerdings setzten sie bei der Piratenbekämpfung weniger darauf, sie auf dem offenen Meer zu bekämpfen, sondern eher darauf, die Piratenstützpunkte an Land zu zerstören, um den Piraten ihre Rückzugsmöglichkeiten zu nehmen. Das war schon in den Kriegen gegen die illyrischen Seeräuber in der Adria Ende des 3. Jhdts. v. Chr. so, in denen sie Truppen nach Illyrien schickten, die sich an der Küste festsetzten und die Städte nahmen. Daneben spielte die Jagd auf illyrische Schiffe eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Auch die Eroberung Kilikiens hatte vor allem den Hintergrund, den dort ansässigen Piraten ihre Rückzugsmöglichkeiten zu nehmen. Auch Pompeius verdankte seinen großen und raschen Erfolg gegen die Piraten im Mittelmeer einer derartigen Strategie, indem er gezielt die Piratenstützpunkte zerstören ließ. Die Römer setzten also auch bei der Bekämpfung der Piraten primär auf ihre große militärische Stärke, den Landkrieg.
Als die Römer dann Mitte des 3. Jhdts. n. Chr. wieder ein massives Piratenproblem bekamen, nämlich mit den Goten und Boranen im Schwarzen Meer und in der Ägäis, waren ihre Küsten den Eindringlingen weitgehend schutzlos preisgegeben. Die Römer stellten weder die Plündererflotten auf offener See noch versuchten sie eine Invasion in deren Herkunftsorten, sondern beschränkten sich mit mäßigem Erfolg darauf, sie nach ihrer Landung zu Land zu bekämpfen.
Offensiver zur See ging allerdings in der Nordsee Carausius vor seiner Usurpation vor: Um die sächsichen und fränkischen Piraten zu bekämpfen, ließ Kaiser Maximianus in Boulogne eine Flotte ausrüsten, deren Kommando er Carausius übergab. Er machte seinen Job aber nicht ganz so, wie sich das Maximianus erhofft hatte: Er verhinderte nicht das Plündern der Küste durch die Seeräuber, sondern wartete ab, bis die von ihren Plünderungszügen heimfuhren, und fing sie auf dem Heimweg ab; ihre Beute behielt er selbst.

Ich frage mich, wie etwa eine schwerfällige, klassisch antike Flotte mit den schnellen Räubern hätte fertig werden können.
Dazu war es nicht einmal unbedingt notwendig, auf Schnelligkeit zu setzen, sondern schwerfällige, klassisch antike Flotten konnten durchaus auch in direkter Konfrontation geschlagen werden, wenn die Räuber bereit waren, einige ihrer leichten (und wohl vergleichsweise billigen) Schiffe zu opfern. Jedenfalls machten es die Illyrer in einer Seeschlacht gegen den Achaiischen Bund so: Der Achaiische Bund hatte seine Flotte vernachlässigt und verfügte nur über zehn große Kriegsschiffe, Vierruderer, die den Liburnern in einer direkten Konfrontation aber eigentlich deutlich überlegen waren. Die Illyrer schalteten die gegnerischen Schiffe aber mit einem Trick aus: Sie versuchten erst gar nicht zu verhindern, dass ihre Liburner von den achaiischen Schiffen mit ihren Rammspornen aufgespießt wurden, sondern enterten dann, solange die achaiischen Schiffe noch feststeckten, diese. So konnten sie fünf Vierruderer ausschalten, die anderen fünf flohen.
 
tejason schrieb:
Ich frage mich, wie etwa eine schwerfällige, klassisch antike Flotte mit den schnellen Räubern hätte fertig werden können.
Danke für die hilfreichen Antworten und interessanten Fallbeispiele zu meiner Frage von Reinecke und Ravenik ;)

Wie aus euren Antworten schön zu entnehmen ist, waren diese Maßnahmen aber weniger von einer „klassisch antiken Flotte“ abhängig, (wie ich sie für die Karthager in Beitrag #26 skizziert habe) sondern von einer recht flexiblen Reaktion. Sowohl Pompeius, als auch Carausius schlugen die Piraten letztlich in ihren „Schlupfwinkeln“! Neben der dazu notwendigen politischen Stabilität für ein entsprechendes Heer, Schiffen zum (ab)gesicherten Transport dieser Truppen ins Ziel und der entsprechenden Aufklärungsarbeit vorab (ohne entsprechende Schiffe ebenfalls nicht möglich), um den Schlupfwinkel ausmachen zu können sehe ich wenig Bedarf für eine „klassische antike Kriegsflotte“. Eine Seeschlacht hätte sich vermutlich nur bei Gelegenheit entwickelt, oder wenn beide Seiten sie gewollt hätten.

Ohne Frage besaß Rom genug Potential um entsprechende Kapazitäten bereit stellen zu können um eine Gefahr wie jene der Wikinger in der Nordsee des frühen Mittelalters anzugehen. Es wäre eher eine Frage des politischen Willens gewesen, sich derart an der äußersten Peripherie des Reiches engagieren zu wollen. In diesem Fall lagen ja auch die Schlupfwinkel der flinken Räuber nicht quasi vor der Haustür oder benachbart zu eigenen und wichtigen Provinzen wie etwa bei den kilikischen Seeräubern oder den Illyrern, sondern auf der anderen Seite einer rauhen See in einem für Rom wirtschaftlich uninteressanten Land (Skandinavien). Eine interessante, hypothetische Frage, ohne Zweifel. Aber vielleicht hätte man einfach den gordischen Knoten durchschlagen und die Angelegenheit politisch gelöst? Ragten denn nicht unter den Wikingern gerade jene Köpfe besonders hervor, die sich gegen eine Zentralisierung der Macht in ihren Heimatländern am meisten stemmten und das sich entwickelnde Königtum/Jarle besonders misstrauisch beobachteten? Und endete nicht die Wikingerzeit, nachdem sich die noridschen Königreiche etabliert (und christianisiert) hatten? Eine solche Entwicklung zu beschleunigen mag durchaus in der Macht Roms gestanden haben. In das „barbarische Vorfeld“ seines Reiches griff Rom in der Kaiserzeit oft genug in solche Prozesse ein und damit über die Grenzen an Rhein und Donau hinaus… Aber nun ist genug hypothetische Wäsche gewaschen^^
 
Archäologie & Nachfrage

Klar das auch die römischen Flotten mit dem neuen amphibischen Waffensystem Drachenboot ihre Probleme bekommen hätten.
Mir ging es eher um die normalen Handwerker. Wie z.B. Maurer. Zu beginn der Ära der Wikinger waren viele Stadtmauern nur notdürftig in Stand gesetzt. Wohnhäuser waren meist aus Fachwerk und Bedachungen meist mit Stroh. Und ich vermute auch das die Schmiede arg an Know How verloren haben. Zum anderen ist ja schon in der Spätantike zu beobachten das die Schlachtfelder später leer geräumt wurden und die Waffen quasi recycelt wurden.

Apvar
Es steht außer Frage, dass sich die Technologie und das Knowhow mit dem Untergang des Römischen Reiches vor allem im nördlichen Europa deutlich veränderten. Das ist auch etwa der Hauptpunkt in dem Buch „[FONT=&quot]Der Untergang des Römischen Reiches: Und[/FONT] das Ende der Zivilisation“. Es ist in einer lesenswerten Doppelrezension von Udo Hartmann leider zusammen mit dem ungleich stärker beachteten Buch Peter Heather mitbehandelt worden (also untere Hälfte, eigentlich nur noch die letzten 3 Absätze zum Thema materieller Kultur):
Sammelrez: "The fall of Rome" - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher
RezensionOben schrieb:
„…Die hoch entwickelte und überaus spezialisierte römische Produktion, die etwa massenhaft hochwertige, auch für Mittel- und Unterschichten erschwingliche Keramik produzierte, die auf einem reichsweiten Markt vertrieben wurde, brach mit den Germaneneinfällen zusammen, da diese im Westen nicht nur große Zerstörungen und den Niedergang regionaler Wirtschaftssysteme, sondern auch die Fragmentierung des Reiches und den weitgehenden Zusammenbruch des Fernhandels mit sich brachten. Mit dem das hochkomplexe wirtschaftliche System sichernden Staat verschwanden auch die Produktionsstätten, die Kenntnisse und die ausgefeilte Produktpalette; römische Bautechniken gingen ebenso wie das Währungssystem verloren. Nach dem Abzug des römischen Militärs und der Bürokratie fehlten kaufkräftige Kunden, niemand kümmerte sich mehr um die Infrastruktur, um Straßen, Wasserleitungen und Brücken, Frieden und Rechtssicherheit gingen verloren. Das ökonomische System kollabierte, viele Teile des Westens fielen wirtschaftlich weit hinter vorrömische Standards zurück. Auf die Frage „Why the demise of comfort?“ (S. 123) gibt Ward-Perkins die klare Antwort, dass der staatliche Zerfall den Niedergang der Wirtschaft, des Lebensstandards und der Kultur nach sich zog…“

Ward-Perkins geht darin stark auf den Wandel ein. Er hat aber auch ein sehr schönes Beispiel dafür, wie wenig archäologische Spuren ein ausgegrabenes, regionales Machtzentrum eines angelsächsischen Nachfolgereiches doch hinterließ - statt etwa eines Landguts der römischen Oberschicht… Sein Blick ist ja auch vor allem auf die materielle Kultur gerichtet, wie es bei einem Archäologen zu erwarten war. Was soll man dem entgegenhalten? Das Römische Reich war nun einmal weitaus politisch (und nicht nur dort) potenter als alle Nachfolgereiche. Gewiss verfiel vor allem in Nordeuropa am stärksten das Knowhow an allgemeiner Keramik und dem Steinbau. Ob die Schmiede wirklich derartig auf breiter Basis an Wissen verloren haben, wage ich zu bezweifeln. Mit Sicherheit dürfte besonders die Streuung von Wissen in die Breite zurückgegangen sein, weil weniger Nachfrage existierte. Aber es gab weiter hervorragende Schmiedearbeiten und Experten… Sind nicht auch die Wikingerschwerter gute Beispiele für eine hoch entwickelte Schmiedekunst? Warum sollte das Holzhandwerk an Qualität (oder gar Breite) eingebüßt haben, wo die Fachwerkbauweise doch darauf angewiesen war? Sicher stelle ich hier nur Überlegungen an.
Die römische Armee hatte Kastelle aus Stein hinterlassen. Gerne vergleicht man sie mit mittelalterlichen Burgen, aber das ist unrichtig! Kastelle waren eher bewehrte Kasernen für die Truppen und ihr „Kampfwert“ hing besonders stark von ihrer kriegstüchtigen Besatzung ab. Ihre fortifikatorischen Feinheiten stehen hinter vielen Burgen zurück, obwohl sie durch ihre Größe und den klaren Bauplan bestechen. Oft fehlen sogar so „einfache“ Feinheiten wie Ecktürme, die aus der Mauerfront heraustreten um entlang der Längsmauer einen sicheren Beschuss zu ermöglichen. Es gibt keine Vorburgen e.t.c. ... Der Einsatz „Personalsparender Baufeinheiten“ ist minimal und daher auch ihre Eignung für einen Belagerungskampf. Die Besatzung war auf externe Lieferungen angewiesen, denn es gab keine sofort erkennbaren Wirtschaftseinheiten, die den Kastellen angegliedert waren, wie bei einer Burg. Alles war hier zentralisiert, also auf das Reich und seine Ressourcen ausgerichtet. Wieso sich also mit wirtschaftlichen Feinheiten befassen, wenn es ein funktionierendes Logistiksystem gab, wo auch das Wirtschaften der Armee selbst eine oft unterschätzte Rolle spielte? Erst recht spät griff auch Rom für die Sicherung seiner Grenzen auf echte Wehrbauten zurück, die mit geringer Besatzung auskam.
Aber was folgte solchen „Befestigungen“ nach dem Untergang Roms? Das beste Beispiel für wehrtechnisch schlichte, doch recht effektive Wehrbauten für geringe Besatzungsstärken und einfachste Bauweise (aus Holz!!) ist die Burgform des normannsichen Frühmittelalters schlechthin: Die Motte
Motte (Burg) ? Wikipedia
Aus ihnen entwickelten sich echte Wehrbauten. Aber genau wie die römischen Kastelle keine reinen Wehrbauten waren, erfüllten auch die mittelalterlichen Burgen eben nicht nur fortifikatorische Aufgaben. Rom war ein zentralisiertes Reich. Im Mittelalter dominierte der Feudalismus und die Burgen wurden Adelssitz und Wirtschaftszentrum für die abhängigen Gebiete (regionale Machtstrukturen). Bei allem Einsatz verbesserter Wehrtechnik für den Bau selbst, mussten wieder Konzessionen gemacht werden, die einen Übergang zum Schloss (Wohnen & Repräsentieren) oder befestigten Gutshof (Wirtschaften) zuließen. Ein Wassergraben etwa ist recht typisch für eine Burg, hintereinander gesetzte Spitzgräben dagegen für römische Wehrbauten. Weit auseinander stehende Zinnen auf den Mauern der Kastelle boten relativ wenig Schutz vor Beschuss, ermöglichten aber den Legionären gut den (Massenwurf?) ihrer Pila. Enger stehende Zinnen und Schießscharten in den Mauern zeugen von der Bedeutung „selbstständig schießender Schützen“ bei der Verteidigung einer Burg. Hier legte man auch mehr Wert auf „Abschnittsverteidigungen“, die man aufgeben konnte um sich auf den Kern einer Burg zurückziehen zu können. Derartiges fehlte bei römischen Kastellen…
Man sieht schön wie unterschiedliche Machtsysteme und Potentiale doch ziemlich unterschiedliche Lösungswege finden können, die auch unterschiedliche handwerkliche Anforderungen stellen und damit auch fördern. Ohne Frage würde ich aber wohl den Wohnkomfort einer schönen römischen villa rustica jenem in einer mittelalterlichen Burg vorziehen - wenn ich die Wahl hätte^^
 
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