Archäologie & Nachfrage
Klar das auch die römischen Flotten mit dem neuen amphibischen Waffensystem Drachenboot ihre Probleme bekommen hätten.
Mir ging es eher um die normalen Handwerker. Wie z.B. Maurer. Zu beginn der Ära der Wikinger waren viele Stadtmauern nur notdürftig in Stand gesetzt. Wohnhäuser waren meist aus Fachwerk und Bedachungen meist mit Stroh. Und ich vermute auch das die Schmiede arg an Know How verloren haben. Zum anderen ist ja schon in der Spätantike zu beobachten das die Schlachtfelder später leer geräumt wurden und die Waffen quasi recycelt wurden.
Apvar
Es steht außer Frage, dass sich die Technologie und das Knowhow mit dem Untergang des Römischen Reiches vor allem im nördlichen Europa deutlich veränderten. Das ist auch etwa der Hauptpunkt in dem Buch „
[FONT="]Der Untergang des Römischen Reiches: Und[/FONT] das Ende der Zivilisation“. Es ist in einer lesenswerten Doppelrezension von Udo Hartmann leider zusammen mit dem ungleich stärker beachteten Buch Peter Heather mitbehandelt worden (also untere Hälfte, eigentlich nur noch die letzten 3 Absätze zum Thema materieller Kultur):
Sammelrez: "The fall of Rome" - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher
RezensionOben schrieb:
„…Die hoch entwickelte und überaus spezialisierte römische Produktion, die etwa massenhaft hochwertige, auch für Mittel- und Unterschichten erschwingliche Keramik produzierte, die auf einem reichsweiten Markt vertrieben wurde, brach mit den Germaneneinfällen zusammen, da diese im Westen nicht nur große Zerstörungen und den Niedergang regionaler Wirtschaftssysteme, sondern auch die Fragmentierung des Reiches und den weitgehenden Zusammenbruch des Fernhandels mit sich brachten. Mit dem das hochkomplexe wirtschaftliche System sichernden Staat verschwanden auch die Produktionsstätten, die Kenntnisse und die ausgefeilte Produktpalette; römische Bautechniken gingen ebenso wie das Währungssystem verloren. Nach dem Abzug des römischen Militärs und der Bürokratie fehlten kaufkräftige Kunden, niemand kümmerte sich mehr um die Infrastruktur, um Straßen, Wasserleitungen und Brücken, Frieden und Rechtssicherheit gingen verloren. Das ökonomische System kollabierte, viele Teile des Westens fielen wirtschaftlich weit hinter vorrömische Standards zurück. Auf die Frage „Why the demise of comfort?“ (S. 123) gibt Ward-Perkins die klare Antwort, dass der staatliche Zerfall den Niedergang der Wirtschaft, des Lebensstandards und der Kultur nach sich zog…“
Ward-Perkins geht darin stark auf den Wandel ein. Er hat aber auch ein sehr schönes Beispiel dafür, wie wenig archäologische Spuren ein ausgegrabenes, regionales Machtzentrum eines angelsächsischen Nachfolgereiches doch hinterließ - statt etwa eines Landguts der römischen Oberschicht… Sein Blick ist ja auch vor allem auf die materielle Kultur gerichtet, wie es bei einem Archäologen zu erwarten war. Was soll man dem entgegenhalten? Das Römische Reich war nun einmal weitaus politisch (und nicht nur dort) potenter als alle Nachfolgereiche. Gewiss verfiel vor allem in Nordeuropa am stärksten das Knowhow an allgemeiner Keramik und dem Steinbau. Ob die Schmiede wirklich derartig auf breiter Basis an Wissen verloren haben, wage ich zu bezweifeln. Mit Sicherheit dürfte besonders die Streuung von Wissen in die Breite zurückgegangen sein, weil weniger Nachfrage existierte. Aber es gab weiter hervorragende Schmiedearbeiten und Experten… Sind nicht auch die Wikingerschwerter gute Beispiele für eine hoch entwickelte Schmiedekunst? Warum sollte das Holzhandwerk an Qualität (oder gar Breite) eingebüßt haben, wo die Fachwerkbauweise doch darauf angewiesen war? Sicher stelle ich hier nur Überlegungen an.
Die römische Armee hatte Kastelle aus Stein hinterlassen. Gerne vergleicht man sie mit mittelalterlichen Burgen, aber das ist unrichtig! Kastelle waren eher bewehrte Kasernen für die Truppen und ihr „Kampfwert“ hing besonders stark von ihrer kriegstüchtigen Besatzung ab. Ihre fortifikatorischen Feinheiten stehen hinter vielen Burgen zurück, obwohl sie durch ihre Größe und den klaren Bauplan bestechen. Oft fehlen sogar so „einfache“ Feinheiten wie Ecktürme, die aus der Mauerfront heraustreten um entlang der Längsmauer einen sicheren Beschuss zu ermöglichen. Es gibt keine Vorburgen e.t.c. ... Der Einsatz „Personalsparender Baufeinheiten“ ist minimal und daher auch ihre Eignung für einen Belagerungskampf. Die Besatzung war auf externe Lieferungen angewiesen, denn es gab keine sofort erkennbaren Wirtschaftseinheiten, die den Kastellen angegliedert waren, wie bei einer Burg. Alles war hier zentralisiert, also auf das Reich und seine Ressourcen ausgerichtet. Wieso sich also mit wirtschaftlichen Feinheiten befassen, wenn es ein funktionierendes Logistiksystem gab, wo auch das Wirtschaften der Armee selbst eine oft unterschätzte Rolle spielte? Erst recht spät griff auch Rom für die Sicherung seiner Grenzen auf echte Wehrbauten zurück, die mit geringer Besatzung auskam.
Aber was folgte solchen „Befestigungen“ nach dem Untergang Roms? Das beste Beispiel für wehrtechnisch schlichte, doch recht effektive Wehrbauten für geringe Besatzungsstärken und einfachste Bauweise (aus Holz!!) ist die Burgform des normannsichen Frühmittelalters schlechthin: Die Motte
Motte (Burg) ? Wikipedia
Aus ihnen entwickelten sich echte Wehrbauten. Aber genau wie die römischen Kastelle keine reinen Wehrbauten waren, erfüllten auch die mittelalterlichen Burgen eben nicht nur fortifikatorische Aufgaben. Rom war ein zentralisiertes Reich. Im Mittelalter dominierte der Feudalismus und die Burgen wurden Adelssitz und Wirtschaftszentrum für die abhängigen Gebiete (regionale Machtstrukturen). Bei allem Einsatz verbesserter Wehrtechnik für den Bau selbst, mussten wieder Konzessionen gemacht werden, die einen Übergang zum Schloss (Wohnen & Repräsentieren) oder befestigten Gutshof (Wirtschaften) zuließen. Ein Wassergraben etwa ist recht typisch für eine Burg, hintereinander gesetzte Spitzgräben dagegen für römische Wehrbauten. Weit auseinander stehende Zinnen auf den Mauern der Kastelle boten relativ wenig Schutz vor Beschuss, ermöglichten aber den Legionären gut den (Massenwurf?) ihrer Pila. Enger stehende Zinnen und Schießscharten in den Mauern zeugen von der Bedeutung „selbstständig schießender Schützen“ bei der Verteidigung einer Burg. Hier legte man auch mehr Wert auf „Abschnittsverteidigungen“, die man aufgeben konnte um sich auf den Kern einer Burg zurückziehen zu können. Derartiges fehlte bei römischen Kastellen…
Man sieht schön wie unterschiedliche Machtsysteme und Potentiale doch ziemlich unterschiedliche Lösungswege finden können, die auch unterschiedliche handwerkliche Anforderungen stellen und damit auch fördern. Ohne Frage würde ich aber wohl den Wohnkomfort einer schönen römischen villa rustica jenem in einer mittelalterlichen Burg vorziehen - wenn ich die Wahl hätte^^