Völkermord Herero - Problemfrage stellen

Gewaltentgrenzung ist schon eine passende Kategorie, aber "Afrikanisierung" der Kriegsführung halte ich, zumindest in DSWA, das von Dir eingestellte Zitat bezieht sich ja auch, wie Du anmerktest, eher auf Ostafrika, als nicht passend. Die an dem Völkermord beteiligten Truppen waren in DSWA keine Kolonialtruppen, abgesehen von der spärlichen Schutztruppe, sondern ganz "normale" Marineinfanterie und die waren "nichtafrikanisiert", im Sinne des oben angeführten Zitates.

Die Gewaltentgrenzung sollten doch in erster Linie die Offiziere bemerkt und realisiert haben, das wäre m.E. ein empirischer Ansatz, gab es Versetzungs- und Pflichtentbindungsgesuche bzw. Dienstquittierungen von Offizieren der eingesetzten Marineinfanterietruppen, die über das normale Niveau solcher Gesuche in der Truppe hinausgingen? Gab es Beschwerden an vorgeordnete Dienststellen von Offizieren bezüglich des Völkermordes, oder wurde die Gewaltentgrenzung allgemein akzeptiert und als dem Kriegsschauplatz angemessen empfunden. Immerhin, die "Kriegsführung" des Herrn von Trotha widersprach den seinerzeitig gewohnheitsrechtlich anerkannten Gebräuchen der Kriegsführung.

M.

Interessanterweise gab es meines Wissens viel mehr Proteste und Widerstände von seiten Afrika-erfahrener Schutztruppler gegen die Vorgänge nach dem Waterberggefecht, als von "zugereisten Truppen".

Vielleicht war es einfacher das zu akzeptieren, wenn man keine Beziehung zum Land und der Bevölkerung hatte...?
 
Interessanterweise gab es meines Wissens viel mehr Proteste und Widerstände von seiten Afrika-erfahrener Schutztruppler gegen die Vorgänge nach dem Waterberggefecht, als von "zugereisten Truppen".

Das stimmt. Einbeziehen könnte man da noch den heimischen Generalstab, vorweg Schlieffen, der volle Rückendeckung für Trotha gab. Hull zitiert die Schreiben/Quellen in "Absolute Destruction".
 
Gutes Beispiel. Oder auch die Kautschukgewinnung in Belgisch-Kongo.



Ich würde sagen beides, mit Schwerpunkt auf ersterer Überlegung. Wobei man den "Wilden" ja als grundsätzlich Grausam ansah und sich vor ihm eigentlich fürchtete. Da war die Verwendung grausamer Waffen gerechtfertigt.


"Bula Matari" (der Felsenbrecher) Henry M. Stanley, der für den König der Belgier das Kongobecken in Besitz nahm, pries später das Maxim- Maschinengewehr als Instrumentarium die "Zivilisation" zu verbreiten. Geradezu rührend abgedreht war vor diesem Hintergrund die Besorgnis der weißen Kolonialherren, wie man die "Wilden" vor sich selbst und vor den Folgen der Zivilisationskrankheit Alkoholismus beschützen sollte. Auf der Berliner Kongokonferenz war nicht ein einziger Afrikaner anwesend, Von den anwesenden Diplomaten hatte kaum einer Afrika je betreten, noch verstanden sie etwas von den afrikanischen Kulturen. Nachdem ohne Rücksichten auf Stammeskonflikte Grenzen mit dem Lineal gezogen und die Privatkolonie des Königs Leopold II. als philanthropisches Projekt und Freistaat anerkannt wurde. Nachdem man sich auf eine Freihandelszone vom Atlantik bis zum Indischen Ozean geeinigt und selbst den Brief- und Telegraphieverkehr in Zentralafrika geregelt hatte, hielt man Moralpredigten und verordnete den Afrikanern Nüchternheit, die man auf Anregung des Vertreters Belgiens mit probaten Mittteln wie Peitschen und Prangern durchsetzen wollte. Natürlich führten die Verhandlungen nie zu einem Ergebnis, denn wer sollte die Europäer daran hindern, mit Schnaps zu handeln?

Die Alkoholfrage wirft ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung der Imperialisten. Wir beglücken euch mit Fortschritt, Taufe und Zivilisation, wir befreien euch, wir bekämpfen die Sklaverei und gebrauchen Zwangsarbeit und Zwang, um euch zu erziehen, zu eurem Wohle, ob es euch passt oder nicht. Die Kolonisierten hatten dafür dankbar zu sein, denn wie alle Schulkinder lernten, war der "Scramble for Africa", die Erschließung für die Zivilisation ein humanitäres Ziel, und wer sich dagegen stellte, wurde mit Härte behandelt.
 
"Bula Matari" (der Felsenbrecher) Henry M. Stanley, der für den König der Belgier das Kongobecken in Besitz nahm, pries später das Maxim- Maschinengewehr als Instrumentarium die "Zivilisation" zu verbreiten.

Später zu folgender Weisheit weiterentwickelt:

„Whatever happens, we have got
The Maxim gun, and they have not.“
von H. Belloc

Nachdem ohne Rücksichten auf Stammeskonflikte Grenzen mit dem Lineal gezogen und die Privatkolonie des Königs Leopold II. als philanthropisches Projekt und Freistaat anerkannt wurde.

Dieses Projekt zur Zivilisierung hat innerhalb einer Generation die Hälfte der Menschen im Kongo das Leben gekostet, und unzählige weitere wurden brutal verstümmelt, va durch das Abhacken der rechten Hand...

Kongogräuel ? Wikipedia
 
...
„Whatever happens, we have got
The Maxim gun, and they have not.“
von H. Belloc
...

Erinnert mich an folgendes Gedicht von Kipling:

"We've fought with many men acrost the seas,
An' some of 'em was brave an' some was not:
The Paythan an' the Zulu an' Burmese;
But the Fuzzy was the finest o' the lot.
We never got a ha'porth's change of 'im:
'E squatted in the scrub an' 'ocked our 'orses,
'E cut our sentries up at Sua~kim~,
An' 'e played the cat an' banjo with our forces.
So 'ere's ~to~ you, Fuzzy-Wuzzy, at your 'ome in the Soudan;
You're a pore benighted 'eathen but a first-class fightin' man;
We gives you your certificate, an' if you want it signed
We'll come an' 'ave a romp with you whenever you're inclined.

We took our chanst among the Khyber 'ills,
The Boers knocked us silly at a mile,
The Burman give us Irriwaddy chills,
An' a Zulu ~impi~ dished us up in style:
But all we ever got from such as they
Was pop to what the Fuzzy made us swaller;
We 'eld our bloomin' own, the papers say,
But man for man the Fuzzy knocked us 'oller.
Then 'ere's ~to~ you, Fuzzy-Wuzzy, an' the missis and the kid;
Our orders was to break you, an' of course we went an' did.
We sloshed you with Martinis, an' it wasn't 'ardly fair;
But for all the odds agin' you, Fuzzy-Wuz, you broke the square.

'E 'asn't got no papers of 'is own,
'E 'asn't got no medals nor rewards,
So we must certify the skill 'e's shown
In usin' of 'is long two-'anded swords:
When 'e's 'oppin' in an' out among the bush
With 'is coffin-'eaded shield an' shovel-spear,
An 'appy day with Fuzzy on the rush
Will last an 'ealthy Tommy for a year.
So 'ere's ~to~ you, Fuzzy-Wuzzy, an' your friends which are no more,
If we 'adn't lost some messmates we would 'elp you to deplore;
But give an' take's the gospel, an' we'll call the bargain fair,
For if you 'ave lost more than us, you crumpled up the square!

'E rushes at the smoke when we let drive,
An', before we know, 'e's 'ackin' at our 'ead;
'E's all 'ot sand an' ginger when alive,
An' 'e's generally shammin' when 'e's dead.
'E's a daisy, 'e's a ducky, 'e's a lamb!
'E's a injia-rubber idiot on the spree,
'E's the on'y thing that doesn't give a damn
For a Regiment o' British Infantree!
So 'ere's ~to~ you, Fuzzy-Wuzzy, at your 'ome in the Soudan;
You're a pore benighted 'eathen but a first-class fightin' man;
An' 'ere's ~to~ you, Fuzzy-Wuzzy, with your 'ayrick 'ead of 'air —
You big black boundin' beggar — for you broke a British square!
"

Wobei im Gipfel des Zynismus die Gegner nicht einmal mit ihren eigenen Namen genannt werden, die Hadendoas.
 
[...]Wir beglücken euch mit Fortschritt, Taufe und Zivilisation, wir befreien euch, wir bekämpfen die Sklaverei und gebrauchen Zwangsarbeit und Zwang, um euch zu erziehen, zu eurem Wohle, ob es euch passt oder nicht.

Genauso ist es. Und die "zivilisierten" Herren hatten dabei nicht mal ein schlechtes Gewissen, denn diese Einstellung beruhte ja im Wesentlichen auf dem Menschenbild, das man von "den Negern" hatte.

Die Einschätzung der indigenen Völker Afrikas lag in einem Bereich zwischen "etwas höher entwickelte Tiere" und "Menschen auf dem Stand von Kindern die der Erziehung durch die "Weißen" benötigen, dies selbstverständlich mit harter Hand, denn auch den eigenen Kindern oder teilweise sogar den Dienstboten in der Heimat gegenüber war die Prügelstrafe ein bewährtes und allgemein akzeptiertes Erziehungsmittel. Gut, bei den eigenen Kindern dürfte meist der Stock ausgereicht haben, so dass man da nicht gleich auf die Nilpferdpeitsche zurückgreifen musste...

Bezeichnend ist auch, dass sich die Juristen in Deutschland (wie es in anderen Ländern war, weiß ich nicht) mit der Frage der Zulässigkeit von Auspeitschungen bzw. der Prügelstrafe nur sehr ungern befassen wollten. Die Praxis der Justiz sah so aus, dass man möglichst nicht genau hinsah und die theoretische Rechtfertigung der Prügelstrafe - sofern man sich überhaupt mit dem Thema mal befasste - war, dass man von Deutschland aus die Angelegenheit mangels Kenntnisse der näheren Umstände in Afrika gar nicht richtig erfassen konnte und sich deshalb auf das sachverständige Urteil der Kolonialisten verlassen musste. Und wenn diese aufgrund ihrer Erfahrung im Umgang mit den "Negern" eben die Peitsche für erforderlich hielten, dann würde das wohl schon seine Richtigkeit haben... :motz:

Viele Grüße

Bernd
 
Genauso ist es. Und die "zivilisierten" Herren hatten dabei nicht mal ein schlechtes Gewissen, denn diese Einstellung beruhte ja im Wesentlichen auf dem Menschenbild, das man von "den Negern" hatte.

Die Einschätzung der indigenen Völker Afrikas lag in einem Bereich zwischen "etwas höher entwickelte Tiere" und "Menschen auf dem Stand von Kindern die der Erziehung durch die "Weißen" benötigen, dies selbstverständlich mit harter Hand, denn auch den eigenen Kindern oder teilweise sogar den Dienstboten in der Heimat gegenüber war die Prügelstrafe ein bewährtes und allgemein akzeptiertes Erziehungsmittel. Gut, bei den eigenen Kindern dürfte meist der Stock ausgereicht haben, so dass man da nicht gleich auf die Nilpferdpeitsche zurückgreifen musste...

Bezeichnend ist auch, dass sich die Juristen in Deutschland (wie es in anderen Ländern war, weiß ich nicht) mit der Frage der Zulässigkeit von Auspeitschungen bzw. der Prügelstrafe nur sehr ungern befassen wollten. Die Praxis der Justiz sah so aus, dass man möglichst nicht genau hinsah und die theoretische Rechtfertigung der Prügelstrafe - sofern man sich überhaupt mit dem Thema mal befasste - war, dass man von Deutschland aus die Angelegenheit mangels Kenntnisse der näheren Umstände in Afrika gar nicht richtig erfassen konnte und sich deshalb auf das sachverständige Urteil der Kolonialisten verlassen musste. Und wenn diese aufgrund ihrer Erfahrung im Umgang mit den "Negern" eben die Peitsche für erforderlich hielten, dann würde das wohl schon seine Richtigkeit haben... :motz:

Viele Grüße

Bernd



In Tansania sind nicht nur viele Historiker inzwischen bereit, den Deutschen manche Grausamkeiten zu vergeben, denn sie waren nicht nur grausam, sondern in manchem recht fortschrittlich. Nach den Folgen des Maji- Maji Aufstands in Ostafrika gestattete man Eingeborenen Land zu erwerben, und einige deutsche kolonialbeamte bemühten sich durchaus um Rechtsgleichheit. Es wurden Krankenhäuser und Schulen gebaut, doch vermutlich das Vernünftigste, was die Deutschen taten, war die Einführung von Suaheli, das als Lingua franca Ostafrikas schon unter arabischen Warlords und Sklaven- und Elfenbeinjägern fungierte. Mit einer Grammatik und Schrift ausgestattet, konnte es jeder lernen und es wurde so eine Grundlage geschaffen, für ein gemeinsames tansanisches Gefühl, denn auf dem Gebiet des Taganjika Territoriums wurden mehr als 100 verschiedene nilotische und Bantusprachen gesprochen. Suaheli, das viele Anleihen des Arabischen und Pidgin-Englisch besitzt, hat auch einige Anleihen, die an die Deutschen und ihre Zahnärzte erinnern. Dentisten sind als zanahati bekannt.
 
Die Breite der angerissenen Diskussion ist schon recht beeindruckend.

Oben sind mehrere Ansätze zu "Problemfrage" enthalten. Hierzu noch eine Ergänzung, die sich mit der These beschäftigt, welche Bedeutung der "Frontier"-Status hatte.

Ein internationaler Vergleich:

Madley: "Patterns of frontier genocide 1803–1910: the Aboriginal Tasmanians, the Yuki of California, and the Herero of Namibia", Journal of Genocide Research 2004,
http://www.yale.edu/gsp/colonial/Madley.pdf
 
Tania Blixen beschrieb ihre Squatter vom Stamm der Kikuyu durchaus mit Wärme, und ihre Kaffeeplantage in Kenia ist heute noch Ziel vieler Afrikatouristen. Ein anderer Besucher, Winston Churchill war geradezu entsetzt wie die britische Gentry in Kenia ihre schwarzen Hausangestellten behandelte, und er wollte diese Missstände eigentlich im Unterhaus zur Sprache bringen, nahm dann aber resigniert Abstand davon und schrieb, dass der Umgangston in Ostafrika ein rauherer, "wie unter Dickhäutern und Nashörnern" sei. In Uganda hatten die Tse-Tse- Fliegen und Anophelesmücken dafür gesorgt, dass sich dort keine weiße Gentry ansiedelte. Uganda genoss weitgehende Autonomie und wurde bis in die der Jahre des 20. Jahrhunderts von Mtesa I. Kabaka und seinen Nachfahren regiert, der bereits Speke, Grant und später "Bula Matari" Stanley beherbergte, als dieser des Victoriasee erkundete. Mtesa war bereits vor Ankunft der Europäer zum Islam konvertiert, ließ sich allerdings später taufen und nahm das Christentum an. Der gute Zweck heiligte für Stanley offenbar jedes Mittel, und als sich Mtesa erkundigte, ob das Christentum den Gehorsam gegenüber einem Monarchen lehre, erfand Stanley kurzerhand ein 11. Gebot, was Livingstone vermutlich entsetzt hätte und schrieb einen flammenden Missionsaufruf nach England, um Uganda mit Bibeln zu versorgen. Im Vergleich mit Kenia beschrieb Churchill aber Uganda als Perle Ostafrikas.
 
Ich habe mich vor längerer zeit mal mit den Zahlen beschäftigt. Ein Zensus von 1905 gibt zB für die Hereros 25,000 Menschen an. Walter NUhn schätzte, daß 1904 ca. 40,000 Hereros in DSWA lebten. Laut zensus von 1911 gab es nur noch 15,000 Hereros.
Der herero-Aufstand begann im januar 1904. Die Kämpfe waren im wesentlichen 1905 beendet, die Hereros besiegt. Der nama-Aufstand begann im Oktober 1904. Zuvor waren deren Truppen noch in der Schlacht am Waterberg auf deutscher Seite. Ihre Anzahl wird auf ca. 20,000 im Jahre 1904 geschätzt. 1915 gab es nur noch 10,000 Nama. Ungefähr 2,000 Nama waren während des Guerillakrieges interniert, von denen lediglich 450 überlebten.

Der herero-Aufstand begann mit dem Angriff von 4-5000 Kriegern auf die ca. 2000 mann starke Schutztruppe. Man griff auch deutsche farmen an und tötete ca. 140 weiße Siedler. Den Deutschen war es möglich ihre truppenzahl rasch zu erhöhen und wie bereits erwähnt, am waterberg wurde die Herero-Streitmacht besiegt, ca. 1500 konnten nach British-Betshuanaland entkommen. Von den Deutschen wurden daraufhin nach britischem Vorbild Konzentrationslager eingerichtet. Mir ist dazu eine Zahl von 7,700 Internierten bekannt. Die Internierten kamen oftmals in bereits schlechtem gesundheitlichen Zustand an und so kam es rasch zu Seuchen, an denen auch zum teil die Wachen litten. Eine Typhus-Epedemie im Jahre 1898 z.B. kostete 10,000 Hereros das Leben, ganz ohne Kolonialkrieg. Interessant ist auch, daß Hereros kaum mehr als 6000 Krieger mobilisieren konnten. Eine scheinbar kleine Zahl, wenn man tatsächlich von über 100,000 Hereros zu Aufstandsbeginn ausgehen möchte.

Ein vergleichbarer Aufstand ereignete sich übrigends auch in DOA, der Maji-Maji-Aufstand. Die Hege, Sangu und Wayao unterstütztem in diesem kampf die deutsche Kolonialmacht, während Ngoni, Pogoro, Pangwa, Ngindo, Mbunga, Bena und Matumbi einen brutalen Guerilla-Krieg begannen, denen die deutschen ebendso brutal beantworteten. Ein Mittel war hier, wie überall, der krieg gegen die Ressourcen des Gegners, die Zerstörung der Dörfer und Ernten. Als Resultat starben die meisten Opfer an Hunger und Seuchen. Die Opferschätzungen gehen wieder einmal auseinander, von offiziellen 75,000 bis zu ca. 300,000 Opfern.

Diese Kriegsführung war nicht ausnahmslos. Die Briten wandten im Kampf gegen die Buren die gleichen Methoden an und in ihren Konzentrationslagern starben ca. 26,000 burische Zivilisten. Im Philippinisch-Amerikanischen krieg starben nach Schätzungen zwischen 250,000 und 1,5 Millionen Philippinos. Oder nehmen wir den Mau-Mau-Austand von 1952-57. Schätzungen liegen hier bei 20,000-100,000 Opfern.

War also das deutsche Verhalten Völkermord? Es gab hierzu bereits Antworten. Nein, es war es juristisch gesehen nicht. Kann man es nach heutigen Definitionen als Völkermord betrachten? Das ist möglich. Die Definition kann sicherlich dahingehend interpretiert werden. Dann müssen wir aber eine riesige Menge anderer Konflikte ebenfalls als Völkermord bezeichen. Bringt uns das einen Vorteil? Ich denke nein. das verhalten der deutschen war brutal und unmenschlich, kein Zweifel. Es unterschied sich aber nicht vom Verhalten anderer Kolonialmächte oder vom Verhalten afrikanischer Völker untereinander.

Für mich stellt sich daher weniger die Frage, ob Völkermord oder nicht. Vielmehr würde ich fragen, warum ausgerechnet dieser Konflikt herausgepickt wird und nicht der Maji-Maji-Konflikt oder eine Reihe anderer Kolonialkriege? Warum wird u.a. versucht ihn mit dem Holocaust der Nazis zu verquicken oder zumindest versucht einen roten Faden deutschen Handels zu finden? Warum findet man die Erwähnung von Heinrich Ernst Göring als erster Gouverneur von DSWA und zieht eine Verbindung zu Hermann Göring, unterschlägt aber zB Hermanns Bruder Albert?

Meine Problemfrage wäre also, warum versucht man noch heute den Herero- und Nama-Aufstand als Genozid zu brandmarken?
 
Das ist interessant... werde mir den Beitrag gleich heute Abend durchlesen, wenn ich meine ZEIT in die Hände bekomme.... besonders der Kontext interessiert mich.
 
Erstaunlicher Artikel, besonders für den Spiegel. Ich befürchte aber, daß solche Artikel unsere Politiker nicht davon abhalten werden die Geschehnisse als Genozid anzuerkennen. Genozid-Forscher wie Zimmerer werden ihren großen Einfluß auf die Deutung des Ereignisses behalten. Keiner bedenkt, daß genozid-Forscher ebend dies brauchen, Genozide für ihre Forschung. Deshalb werden sie auch deutlich leichter fündig!
 
Nein, es war es juristisch gesehen nicht. Kann man es nach heutigen Definitionen als Völkermord betrachten? Das ist möglich. Die Definition kann sicherlich dahingehend interpretiert werden. Dann müssen wir aber eine riesige Menge anderer Konflikte ebenfalls als Völkermord bezeichen. Bringt uns das einen Vorteil?

Nun ja,der Begriff des Völkermords wurde erst in Nürnberg juristisch klar definiert- nichts desto trotz handelt es sich in der ex-ante-Betrachtung bei vielen Ereignissen um Völkermord,die in diesem Zusammenhang auch zulässig ist., denn bereits bei der Definition und ersten Anwendung des Begriffs handelt es sich um eine ex-ante -Betrachtung.
Dass man im Prinzip eine Menge Konflikte bei wertfreier Betrachtung als Völkermord bezeichenmuß steht m.E. ausser Frage und hierbei ist die Frage, ob uns das einen Vorteil bringt herzlich egal,ebenso wie die Tatsache,dass andere Völker das Thema so nicht behandeln.Das hat mit zu Grunde leigenden den Tatsachen bei objektiver Betrachtung nix zu tun-höchstens mit nationalen Befindlichkeiten
 
ZaphodB, sicherlich kann man auch historische Ereignisse vor 1948 als Völkermorde betrachten. Da kann und will ich gar nicht widersprechen. Nur juristisch gilt halt nulla poena sine lege.

Ich finde die Frage nach dem Nutzen einer solchen Klassifikation durchaus nicht unwichtig. Macht eine Klassifizierung des Herero- und Namaaufstandes als Völkermord, diesen Konflikt schlimmer, sind die Kongogräuel, die nicht als Völkermord klassifiziert werden, dadurch weniger schlimm? Wenn ja, warum?

Sollten dann nicht die reinen Opferzahlen auch eine Rolle spielen? Stellt man dann neben den Holocaust mit seinen Millionen Opfern die Tötung der letzten 6 Mitglieder vom Amazonas-Stamm X?

Oder macht die Klassifizierung als Völkermord ein historisches Ereignis nicht schlimmer als eines, das nicht als Völkermord klassifiziert wird? Warum erklären dann Nationen die Massaker an den Armeniern als Völkermord, es gibt aber nicht auch Beschlüsse des Bundestages zum Mord an den Nordamerikanischen Ureinwohnern, am Burenkrieg, am philippinisch-amerikanischen Krieg, am Vietnamkrieg, an den Kongogräueln.....?

Ich bin auf alle Fälle dankbar für den Spiegel-Artikel und ich bin gleichzeitig zutiefst überrascht, daß dieser Artikel gerade im eher linken Spiegel erscheint. Einige Punkte die dort erwähnt werden, hatte ich ja in meinem posting oben schon angesprochen. Wieso haben so viele Historiker und andere sich nicht zu den Zahlen dieselben Fragen gestellt? Wieso findet man überwiegend nur Trothas ersten Teil des sogenannten Vernichtungsbefehls in Publikationen, aber nicht den ganzen? Warum ist dieser Befehl Beweis für den Genozid, Mahereros Aussage "Tötet alle Deutschen" aber keiner?

Der Spiegelbericht gibt auch sehr schon die Situation um den Zeitpunkt dieses sogenannten Vernichtungsbefehl wieder. Er wurde erst erlassen, als sich die Herero schon längst dem Zugriff Trothas entzogen hatten. Maherero kam acht Tage nach der Schlacht in Betschuanaland an. Haben die anderen Gruppen wochenlang den Ausgang der Omaheke nicht gefunden? Hat sich niemand jemals mit den klimatischen Verhältnissen der Omaheke auseinandergesetzt, dieser wasserlosen Wüstenei? Wie können denn Maherero, Kambazembi, Ouandja, Banjo und andere beim Wasserloch bei Osombo Onjatu am Eiseb river (Trockenfluß) lagern und Mambo und Tjetjo bei Otjinenan und Epata, wenn die Omaheke doch so wasserlos ist? Was haben die denn die zwei Monate bis zum Vernichtungsbefehl gemacht? Haben sich das die Zimmerer und Co. nie gefragt?

Ich bin völlig einer Meinung mit denen, die von Verbrechen während dieses Konfliktes sprechen. Ich bin völlig einverstanden, daß die Zwangsarbeit und die Konzentrationslager unmenschlich waren. In puncto Völkermord sitzen wir aber einem propaganda coup der Briten auf, den ideologischen Ergüssen eines DDR-Historikers und ebendso ideologisierten Kolonial- und Genozidforschern und kapitulieren vor geldgierigen Nachkommen.
 
Wobei natürlich schon die Haager Landkriegsordnung die Schonung der Zivilbevölkerung verlangt und das Herbeiführen übermäßiger Opfer unter derselben ächtet. Da ist Völkermord dann nur ein extremer Spezialfall. Das sollte zumindest bei der Debatte beachtet werden, ob Völkermord vor den Nürnberger Prozessen justiziabel ist. Denn die Unterzeichner-Staaten verpflichteten sich verbotene Handlungen unter Strafe zu stellen. Bewaffneter oder gewalttätiger Widerstand gilt darin als Kapitalverbrechen, während bei anderem nur ein Verbot gefordert wird. Es sind also andere Ansichten und Wertungen als heute. Dennoch war es eine gültige Rechtsquelle, die in Deutschland bis heute Gesetz ist.

Mir ist bewußt, dass das ein multilateraler Vertrag war, der zunächst nur die ratifizierenden Staaten betraf. Doch wurde er, insbesondere in Deutschland lange als Quelle eines allgemeinen Völkerrechts hinsichtlich des Krieges betrachtet. Mir ist bewusst, dass das wahrscheinlich zu vereinfachend gesagt ist, aber es schien mir wichtig darauf hinzuweisen. Ich habe auch nicht im Kopf, wann welcher Teil unterschrieben wurde.
 
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