Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

über 400 Stück? Die müssten sich dann im Fundgut germanischer Siedlungen dieser Zeit finden, und zwar gehäuft.

Tun sie möglicherweise auch. Im Sommer 2011 wurden in einer in der Nähe gelegenen germanischen Siedlung Fragmente von Mahlsteinen gefunden. Wie und von wo und von welchem Vorbesitzer die dahingekommen sind, lässt sich leider einmal mehr schwerlich zuordnen. (Neddy hat da auch mal ein paar Tage mitbuddeln dürfen und die Mahlsteinfragmente waren immerhin einer der aufregenderen Funde der Woche):

Schon im vergangenen Jahr haben die Archäologen bei Grabungen westlich von Venne eine germanische Siedlungsfläche freigelegt. Durch die Datierung der gefundenen Keramik ist mittlerweile klar, dass die Siedlung in den Jahrzehnten um Christi Geburt, also etwa in der Zeit der Varusschlacht, bewohnt war. Neben einer Vielzahl an Tongefäßscherben wurden tönerne Spinnwirtel und Reste von Eisenschlacken entdeckt, die Hinweise auf die Verarbeitung von Wolle und Metall geben. Wissenschaftlich besonders interessant ist der Fund mehrerer Fragmente von Mahlsteinen aus Basaltlava. Sie stammen wahrscheinlich von römischen Handdrehmühlen. Wie sie in die Siedlung gelangt sind – durch Handel oder als eine Hinterlassenschaft des römischen Heeres – bleibt spannend und wird die Wissenschaftler in Kalkriese und Osnabrück sicher noch eine Weile beschäftigen.
Quelle: Grabung aktuell Sommer 2012 -

Die Anwohner des Schlachtfeldes dürften darüberhinaus auch nur eine gewisse Nachlese betrieben haben: Wenn jeder der germanischen Sieger der holden Gemahlin ein schickes Kitchen-Aid mit italienischem Design mitgebracht hat, dürften 400 - 1000 Handmühlen recht schnell über einen größeren Umkreis verteilt worden sein:
 
Abgesehen davon, dass diese Information nur bei Cassius Dio zu finden ist, etwa zweihundert Jahre nach der Schlacht, ist das eine der am häufigsten falsch paraphrasierten Angaben zur Varusschlacht aus den historischen Quellen. Cassius Dio schreibt nämlich, dass die meisten Wagen (πλείους ἁμάξας) verbrannt wurden, und was nicht benötigt wurde....
Zustimmung mit zwei Anmerkungen:

Das Auffächern der Funde hinter Kalkriese nach Westen hin sagt viel mehr etwas über die Auflösung von Kommandostruktur und Disziplin aus.
Das kann so sein, muss aber nicht. Nach dem Passieren der Engstelle vor dem Wall hätte sich der römische Zug auf jeden Fall auffächern müssen - gleichgültig, ob die Truppen in dem vorangegangenen Kampf schwer angeschlagen oder nur "ein bisschen gebeutelt" worden ist. Der Schlüssel zum militärischen Erfolg der römischen Legionen lag in ihren Formationskampf-Taktiken. Im Engpass vor dem Wall war es aber so eng, dass sie ihre gewohnten Formationen nicht einnehmen konnten. Nachdem sie den Engpass passiert hatten, mussten sie sich auf jeden Fall Platz verschaffen. Entweder in wilder Flucht oder um ihre Gefechtsformationen einzunehmen.

Eigentlich haben wir nur einen einzigen richtigen Schlachtbericht. Das Problem - du ahnst es schon - ist, dass er von Cassius Dio stammt.
Um die Schlacht zu beschreiben, hätte ein zeitgenössischer römischer Autor auch Dinge schreiben müssen, die seiner römischen Leserschaft vermutlich nicht gefallen hätten. Für den Durchschnittsrömer stand a priori fest, dass Barbaren der römischen Waffenmacht nie standhalten können. Da muss schon die Widrigkeit des Wetters oder Verrat oder göttlicher Wille hinzukommen, damit ein Barbarenhorde eine römische Legion besiegen kann. Ein zeitgenössischer römischer Geschichtsschreiber hätte deshalb Mühe gehabt, den Verlauf der Schlacht zu beschreiben, ohne taktische Fehler des Varus oder seiner Legaten aufzudecken. Auch Dio bedient sich der üblichen Stereotypen von den "wasserfesten Supergermanen", wie Du das mal formuliert hast, aber er ist so ziemlich der einzige Autor, der darüber hinaus auch ganz handfeste taktische Gründe für diese Niederlage nennt. Tacitus, der auch schon knapp 100 Jahre von den Ereignissen entfernt war, bedient sich dagegen noch des Vergleichs mit der Caecina-Schlacht, um die Kritik an militärischen Entscheidungen des Varus im weißen Raum "zwischen den Zeilen" zu verbergen. Das spricht eher für Dio als gegen ihn.

MfG
 
OT
taktische Fehler des Varus sind so nicht zu sehen.
Er glaubte einem römischen Ritter mit herrvorragenden Kenntnissen von Land und Leuten, der seine Treue zum Imperium schon in anderen Kriegen bewiesen hat und wich vom tatsächlich sicherem Weg ab in die ihm gestellte Falle, weil er auf dem sicheren Weg eben diese Falle vermutete.
Danach waren seine Chancen mit einer im Guerillakampf ungeschulten Truppe gegen eine Truppe, die sowohl den Kleinkrieg als auch die römische Kampfweise kannte, noch dazu in ungünstigem und unbekannten Gelände gleich null.

Anderen, besser vorbereiteten und ausgestatteten Heerführer nach ihm erging es ja nicht wesentlich besser
OT off
 
OT
taktische Fehler des Varus sind so nicht zu sehen.
Er glaubte einem römischen Ritter mit herrvorragenden Kenntnissen von Land und Leuten, der seine Treue zum Imperium schon in anderen Kriegen bewiesen hat und wich vom tatsächlich sicherem Weg ab in die ihm gestellte Falle, weil er auf dem sicheren Weg eben diese Falle vermutete.
Danach waren seine Chancen mit einer im Guerillakampf ungeschulten Truppe gegen eine Truppe, die sowohl den Kleinkrieg als auch die römische Kampfweise kannte, noch dazu in ungünstigem und unbekannten Gelände gleich null.

Anderen, besser vorbereiteten und ausgestatteten Heerführer nach ihm erging es ja nicht wesentlich besser
OT off
Ein taktischer Fehler, den Dio benannt hat, war es, mit einem übermäßig großen Tross in den Kampf zu ziehen. Dass hier ein Schlüssel zur Niederlage der Varus-Legionen liegt, hat Tiberius mittelbar bestätigt, indem er angeordnet hat, dass Heere im Tross künftig nur noch das Nötigste mitnehmen sollten. Ein zweiter taktischer Fehler, den Dio benannt hat, betraf die Marschordnung: Tross und Truppen nicht "sauber getrennt" sondern bunt vermischt. Darüber hinaus kann man Dio so lesen, dass die Wahl des Weges am zweiten Kampftag falsch war. Ein taktischer Fehler, den Tacitus "durch die Blume" anspricht, war die Varus-Entscheidung, nach dem ersten Kampftag überhaupt weiterzuziehen, anstatt im Marschlager zu verbleiben und auf den germanischen Angriff zu warten.

Dem vorausgehend sind laut Dio schon andere Fehler begangen worden:
- Die Römer hatten nur Teile des Landes unter Kontrolle, machten davon aber nicht Meldung.
- Varus wollte die Provinzialisierung beschleunigen und ging dabei zu schnell vor.
- Varus ließ sich von der zur Schau gestellten Unterwürfigkeit der Germanen täuschen.
- Varus behielt seine Legionen nicht beisammen, sondern schickte kleine Teileinheiten zu vermeintlich befreundeten Stämmen.
- Selbst angesichts der Nachricht von einem angeblichen Aufstand wurde Varus nicht stutzig, machte seine Truppen nicht kampfbereit, sondern ging weiterhin davon aus, unter Freunden zu sein.

Aus der Tiberius-Anweisung, dass wichtige Befehle nur noch in schriftlicher Form erteilt werden dürfen, kann man schließen, dass auch bei der Befehlsübermittlung nicht alles so gelaufen ist, wie es in einem römischen Heer hätte laufen sollen.

Damit beschreibt Dio nicht "widriges Schicksal" oder Wille der Götter, sondern Fehlverhalten der Römer. Dieser Schilderung nach war es eine "hausgemachte" Niederlage. Ob das alles tatsächlich so war, mag zweifelhaft sein. Dio beschreibt es aber so. Und die Schluchten, Wälder, Sümpfe und Regensturzbäche vom Himmel wirken in der Schilderung nur wie zusätzliche Begründungen dafür, dass die Römer nicht trotz allem die Oberhand behalten haben.

MfG
 
Ich erinnere mich an einen Beitrag von ElQ:
Da ging es um ein Karussell.:fs:

Also was mir mittlerweile zu diesem Thema immer wieder auffällt:

Es ist viel Polemik im Spiel.
Diese Polemik geht nicht immer - aber oft - von Kalkriese Gegnern aus.
Ob diese immer aus Ostwestfalen kommen, sei dahingestellt.:scheinheilig:

In früheren Zeiten dachte ich immer, daß es eine gewisse Diskrepanz bezügl. der historischen Quellen und den archäologischen Funden in Kalkriese gibt. Mittlerweile glaube ich das nicht mehr. Die Quellen passen durchaus gut zu den Funden in Kalkriese.

Mittlerweile gibt es nahezu 700 Theorien bezügl. des Ortes der Varusschlacht. Diverse davon sind absolut unmöglich.

Viele dieser Theorien haben zwei Dinge gemeinsam:

1.: Sie beruhen auf diversen Überdehnungen der historischen Quellen.

2.: Sie erkennen die wissenschaftlichen Leistungen in Kalkriese nicht an.

Diese beiden Punkte gehören untrennbar zusammen.
Ich denke, daß die Befunde in Kalkriese die historischen Quellen eher bestätigen.
Ein anderer Punkt ist, daß Papier geduldig ist. (Drei Euro ins Phrasenschwein).
Aber die Funde in Kalkriese bieten etwas zum Anfassen. Das ist ein Stückchen Realität!

Und diese Realität hat einer möglichen Interpretation (oder Überdehnung) von historischen Quellen immer etwas vorauss.

Ich mag die Varusschlacht noch irgendwo hinverlegen aufgrund irgendwelcher Quellen, entscheidend sind in heutiger Zeit konkrete archäologische Funde. Und die habe ich nunmal in Kalkriese und nicht in Detmold, Wiedenbrück, Beckum oder gar jenseits der Elbe...:D
 
... die (militärtaktisch unkluge) Verbrennung der Wagen ...

In der Gegend von Kalkriese wäre das Verbrennen des Wagen sinnlos gewesen. Hätte die Varusschlacht aber in einer topografisch andersartigen weil sehr viel hügeligeren Gegend stattgefunden (wie etwa dem nördlichen Sauerland) hätte der von Varus gewählte (oder der ihm von den Germanen aufgezwungene) Rückszugsweg es erforderlich machen können, durch steile Abhänge begrenzte Flusstäler durchqueren zu müssen, und dort hätten die Maultiere die Wagen aufgrund der Steigung dann nicht mehr herausziehen können. In diesem Fall wäre das Verbrennen der Wagen sogar notwendig gewesen. Stehenlassen hätte auch gereicht, Standardvorgehensweise war aber wahrscheinlich Verbrennen.
Wahrscheinlich wären die Maultiere aufgrund des Gefälles mit den Wagen auch garnicht erst heil den Abhang runtergekommen, fällt mir gerade mal so auf. Das Verbrennen der Wagen könnte also auch schon vor der Durchquerung des oben beschriebenen Hindernisses notwendig gewesen sein.


... dann hätten die Römer maximal zwei Tage gehungert. Für gesunde erwachsene Menschen stellt das kein Problem dar.

Den ganzen Tag gegen Germanen kämpfen macht hungrig, wenn es da abends keine ordentlich Mahlzeit gibt, ist man am nächsten Tag aber nicht voll einsatzfähig (zumindest wäre ich das nicht, ich hätte da im Zweifelsfall doch lieber noch ein wenig vom Maultier genascht :) ).

Diesen Abschnitt habe ich zwar in meinem vorherigen Posting zitiert, aber irgendwie ist die Antwort darauf untergegangen. Mir ist nicht so recht begreiflich, warum du ein Gelände, welches du - warum überhaupt? - mit einem fortgeschrittenen Stadium der Varusschlacht in Verbindung bringst, mit einem Tacitus-Zitat garnierst, welches entweder einen Zeitpunkt vor dem Angriff oder während eines frühen Stadiums des Angriffs markiert.

Wenn der erste Angriff der Germanen auf Varus bei Kalkriese stattgefunden hätte, hätte sich Varus (wie eigentlich von jedem anderen Angriffsort aus auch) danach mit hoher Wahrscheinlichkeit in Richtung Westen/Rhein zurückgezogen, er hätte sich also von Kalkriese aus in Richtung Westen bewegt, wo dann irgendwo der letzte Teil der Varusschlacht stattgefunden hätte.
Varus wäre nach Kalkriese also durch ebenes Gelände marschiert. Dort wäre es für die Germanen mit der Taktik der Nadelstiche, also überraschenden kleineren Angriffen, schwierig geworden, weil man den Gegner in so einem Gelände relativ früh erkennen kann. Vor allem aber hätten sich die Römer dort wie Maelonn es auch schon sagte wieder formieren können, und mit ihrer gewohnten Kampfweise in Formation wären sie wieder ein sehr schwerer Gegner für die Germanen gewesen.
Zumal nach dem ersten Angriff auch noch sehr viele Römer lebten, daher der Hinweis auf das Marschlager von 3 Legionen. Wenn ein Lager von dieser Größe angelegt wurde, wird das aufgrund der Anzahl der dort unterzubringenden Legionäre auch benötigt worden sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach dem Passieren der Engstelle vor dem Wall hätte sich der römische Zug auf jeden Fall auffächern müssen - gleichgültig, ob die Truppen in dem vorangegangenen Kampf schwer angeschlagen oder nur "ein bisschen gebeutelt" worden ist. Der Schlüssel zum militärischen Erfolg der römischen Legionen lag in ihren Formationskampf-Taktiken. Im Engpass vor dem Wall war es aber so eng, dass sie ihre gewohnten Formationen nicht einnehmen konnten. Nachdem sie den Engpass passiert hatten, mussten sie sich auf jeden Fall Platz verschaffen. Entweder in wilder Flucht oder um ihre Gefechtsformationen einzunehmen.

Volle Zustimmung. Die bevorzugte Formation eines römischen Heerzuges bei Feindkontakt war das agmen quadratum. Also Kampftruppen aussen, während der Tross oder auch leichtere Truppenteile in die Mitte genommen wurden. Das bei Formationsänderungen die Truppen besonders gefährdet waren ist ebenfalls klar. Deshalb ist es auch unwahrscheinlich, dass es dabei zu keinen Verlusten gekommen ist. Eine disziplinierte römische Armee die noch im Besitz der Initiative ist, führt diese Formationsänderung aber ohne Rücksicht auf Verluste durch. Das heisst, das Bergen von Gefallenen ist in diesem Moment zweitrangig.
Deshalb ist der Schluss, das es sich bei den Funden um Auflösungserscheinungen oder gar dem Verlust der Kommandostruktur handeln könnte möglicherweise falsch.

Auch dafür gibt es bei Xenophon ein Beispiel. Er hebt z.B. hervor wie die Organisationsstruktur der Spartaner in jeweils sechs Hundertschaften die Formationsänderung beim Passieren eines Engpasses begünstigt.

Gruß
jchatt
 
Um die Schlacht zu beschreiben, hätte ein zeitgenössischer römischer Autor auch Dinge schreiben müssen, die seiner römischen Leserschaft vermutlich nicht gefallen hätten.

Beim Lesen römischer Quellen, egal ob zur Varusschlacht oder zu anderen Sachverhalten, habe ich nicht den Eindruck, dass die römischen Historiographen unangenehme Dinge wirklich verschwiegen hätten.

Für den Durchschnittsrömer stand a priori fest, dass Barbaren der römischen Waffenmacht nie standhalten können. Da muss schon die Widrigkeit des Wetters oder Verrat oder göttlicher Wille hinzukommen, damit ein Barbarenhorde eine römische Legion besiegen kann. Ein zeitgenössischer römischer Geschichtsschreiber hätte deshalb Mühe gehabt, den Verlauf der Schlacht zu beschreiben, ohne taktische Fehler des Varus oder seiner Legaten aufzudecken.
Und genau das sehe ich nicht so. Dass die Römer oftmals Probleme hatten mit anderen Völkern fertig zu werden, sieht man an dem Aufwand, den sie oftmals trieben und der kann auch dem Durchschnittsrömer nicht verborgen geblieben sein, zumal anzuzweifeln ist, dass der Durchschnittsrömer Adressat der Schriften war. Die Adressaten waren vielmehr die Mitglieder der römischen Elite und die hatten ein Interesse daran, ihren Gegner zu kennen.

In der Gegend von Kalkriese wäre das Verbrennen des Wagen sinnlos gewesen. Hätte die Varusschlacht aber in einer topografisch andersartigen weil sehr viel hügeligeren Gegend stattgefunden (wie etwa dem nördlichen Sauerland) hätte der von Varus gewählte (oder der ihm von den Germanen aufgezwungene) Rückszugsweg es erforderlich machen können, durch steile Abhänge begrenzte Flusstäler durchqueren zu müssen, und dort hätten die Maultiere die Wagen aufgrund der Steigung dann nicht mehr herausziehen können. In diesem Fall wäre das Verbrennen der Wagen sogar notwendig gewesen. Stehenlassen hätte auch gereicht, Standardvorgehensweise war aber wahrscheinlich Verbrennen.
Verbrennen ist taktisch unklug, es lässt nämlich nichts mehr übrig, was man plündern kann. Sprich, es hält die Verfolger auf den Fersen. Wenn man hingegen die Wagen schlicht zurücklässt, dann hat man zumindest die Chance, dass ein undisziplinierter Gegner, aus Angst, dass wenn er sich nicht seinen Anteil holt, ein anderer es macht, einhält und plündert. Parte et impera.
Solange sich eine "Standardvorgehensweise" nicht aus den Quellen ergibt, würde ich auch nicht von Wahrscheinlichkeiten sprechen.
Deine Vorstellung vom Nordrand des Wiehengebirges ist die von einer Kulturlandschaft, wie wir sie im 21. Jahrhundert kennen. Dass der Nordrand des Wiehengebirges auch damals schon eine Kulturlandschaft war, steht dabei völlig außer Frage, dennoch darf man sich eine Kulturlandschaft vor 2000 Jahren nicht so vorstellen, wie eine Kulturlandschaft heute. Noch vor wenigen Jahrzehnten hat man in ländlichen Bereichen neben den gepflasterten Straßen die sogenannten Sommerwege gekannt. Das waren Grünstreifen neben den gepflasterten Straßen, die man vor allem mit Fuhrwegen benutzt hat, weil die Pflasterung unangenehm war. Sobald es aber nur ein wenig feuchter war, waren die Sommerwege für Fuhrwerke nicht mehr gangbar und man musste die trockene Pflasterung wählen. Sprich: Es kommt gar nicht so sehr auf die zu überwindenden Steigungen an, als vielmehr auf die Trockenheit des Weges.

Wahrscheinlich wären die Maultiere aufgrund des Gefälles mit den Wagen auch garnicht erst heil den Abhang runtergekommen, fällt mir gerade mal so auf. Das Verbrennen der Wagen könnte also auch schon vor der Durchquerung des oben beschriebenen Hindernisses notwendig gewesen sein.

Selbst wenn man deiner Hypothese folgte: Irgendwie müssen sie ja dorthin gekommen sein...

Aber wenn du mal in die Quellen schaust, dann wirst du folgendes feststellen: Caecina wird von Germanicus in das Gebiet zwischen Ems und Lippe geschickt, um es zu verwüsten und und um sich mit Germanicus an der Ems zu treffen. Dieses Treffen an der Ems kann nur zwischen Greven (nördlich Münster) und der Emsmündung stattgefunden haben, da die Ems früher nur bis Greven schiffbar war (heute weniger weit). Anhand der Beschreibungen und des Umstandes, dass Caecina zum Treffpunkt wohl von der Lippe aus kam, ist dieser Treffpunkt wohl aller Wahrscheinlichkeit nach im münsterländischen Bereich der Ems zu suchen. Gemeinsam zog man dann zu den äußeren/weit entferntesten Brukterern (also jenseits der Ems? Die Brukterer siedelten ja beiderseits der Ems) um von dort aus zum Varusschlachtfeld zu kommen. Nach Bestattungsaktion und Verfolgung der Gegner, die sich nicht stellten kehrte man zur Ems zurück, um die Truppen wieder einzuschiffen oder anderweitig nach Hause zu schicken. Dreh- und Angelpunkt ist also der Treffpunkt an der Ems, den wir nicht kennen, dessen südlichster Punkt aber nur Greven/Schöneflieth gewesen sein kann. Sprich: zwischen Greven und Lingen können die sich an fast jedem Punkt getroffen haben. Für Greven würde sprechen, dass hier eine Furt war, die über einen Weg mit der Lippe verbunden war.



Den ganzen Tag gegen Germanen kämpfen macht hungrig, wenn es da abends keine ordentlich Mahlzeit gibt, ist man am nächsten Tag aber nicht voll einsatzfähig (zumindest wäre ich das nicht, ich hätte da im Zweifelsfall doch lieber noch ein wenig vom Maultier genascht :) ).
Die römischen Soldaten kannten schwere Strafen... Und, zur Wiederholung, es ist gar nicht gesagt, dass sie keine Lebensmittelvorräte mehr hatten. Schließlich hatten sie noch die Maultiere, die sie trugen und - wenn man denn Cassius Dio und seiner Verbrennungsgeschichte folgt - auch weiterhin Wagen. Es ergibt sich aus den Quellen also absolut nicht, dass die Römer hungerten oder die Notwendigkeit verspürt hätten, ihre Maultiere zu verspeisen. Die Kürze der Tage tut ein Übriges, dass man darüber nciht spekulieren muss.

Wenn der erste Angriff der Germanen auf Varus bei Kalkriese stattgefunden hätte, hätte sich Varus (wie eigentlich von jedem anderen Angriffsort aus auch) danach mit hoher Wahrscheinlichkeit in Richtung Westen/Rhein zurückgezogen, er hätte sich also von Kalkriese aus in Richtung Westen bewegt, wo dann irgendwo der letzte Teil der Varusschlacht stattgefunden hätte.
Varus wäre nach Kalkriese also durch ebenes Gelände marschiert. Dort wäre es für die Germanen mit der Taktik der Nadelstiche, also überraschenden kleineren Angriffen, schwierig geworden, weil man den Gegner in so einem Gelände relativ früh erkennen kann. Vor allem aber hätten sich die Römer dort wie Maelonn es auch schon sagte wieder formieren können, und mit ihrer gewohnten Kampfweise in Formation wären sie wieder ein sehr schwerer Gegner für die Germanen gewesen.
Zumal nach dem ersten Angriff auch noch sehr viele Römer lebten, daher der Hinweis auf das Marschlager von 3 Legionen. Wenn ein Lager von dieser Größe angelegt wurde, wird das aufgrund der Anzahl der dort unterzubringenden Legionäre auch benötigt worden sein.

Wobei wir nicht wissen, wie weit er gekommen wäre. Das ist immer das Problem bei solchen Spekulationen.
Ich verstehe aber immer noch nicht so recht, was das mit dem Dreilegionenlager zu tun haben soll, welches vor der Schlacht oder zu einem sehr frühzeitigen angelegt worden sein soll, als die Legionen noch einigermaßen intakt waren.
Nehmen wir mal an, es wäre nicht bloß wahrscheinlich, dass Kalkriese ein Ort der Varusschlacht war, sondern es wäre gesichert: Wie kommt man da auf die Idee das Dreilegionenlager westlich davon zu suchen?

Es gibt im Übrigen bei den Knochen, die man in Kalkriese gefunden hat, einen Befund, der nicht zu den meisten anderen Knochen passt, was von Kalkriesegegnern gerne isoliert betrachtet wird: Es wurden in einer der Grube relativ viele Handknochen gefunden. Rost erklärt diesen Fund so, dass es sich um Knochen gehandelt habe, die durch einen Verband zusammengehalten wurden und daher im Zusammenhang in den Boden kamen. Dies interpreiert Rost so, dass hier in Kalkriese bei früheren Kampfhandlungen verletzte Soldaten zu Tode kamen. Spricht also dagegen, dass wir in Kalkriese den Beginn der Kämpfe haben.

Varus wäre nach Kalkriese also durch ebenes Gelände marschiert.

Deine ganzen Überlegungen gehen immer davon aus als habe Varus absolute Bewegungsfreiheit gehabt. Und warum hätte er z.B. nicht den Hilinicweg wählen sollen, der in der Nähe von Kalkriese vorbei nach Haltern (Aliso?!? Nach Aliso hatten sich die Überlebenden der Varusschlacht geflüchtet) führte? Richtung Recke bedeutet weiterhin durchs Moor zu stapfen.
Auch deine Überlegung, dass, nur weil es sich um Flachland gehandelt habe, Gegner von weitem zu sehen gewesen seien, erschließt sich mir nicht ganz. Aber solange es keine Funde gibt, die auf Recke verweisen, brauchen wir darüber auch nicht weiter zu spekulieren.
 
Beim Lesen römischer Quellen, egal ob zur Varusschlacht oder zu anderen Sachverhalten, habe ich nicht den Eindruck, dass die römischen Historiographen unangenehme Dinge wirklich verschwiegen hätten.
Sie hatten in der Tat keine Probleme damit, Fehlschläge, Peinlichkeiten oder gar Schändlichkeiten anzusprechen. Es gibt aber eine ganz spezifische "Unannehmlichkeit", die nie angesprochen wurde: nämlich die Möglichkeit, dass andere Nationen oder Völker Rom gleichgestellt sein könnten. Es gab Rom und es gab Barbaren. Die verachteten und gleichzeitig bewunderten Griechen vielleicht mal ausgenommen. Deshalb findet man in praktisch keiner Schriftquelle aus jener Zeit (spätere Republik und Kaiserzeit) irgendwelche Passagen, die man übersetzen könnte im Sinne von "Die anderen waren eben besser als wir...". Immer wurde widriges Schicksal, der Einfluss der Götter oder das persönliche Versagen einzelner Individuen (oder gleich alles zusammen) bemüht, um zu begründen, warum passiert war, was nicht hätte passieren können, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre.

Und genau das sehe ich nicht so. Dass die Römer oftmals Probleme hatten mit anderen Völkern fertig zu werden, sieht man an dem Aufwand, den sie oftmals trieben und der kann auch dem Durchschnittsrömer nicht verborgen geblieben sein...
Der betriebene Aufwand ist gleichzeitig auch ein Gradmesser des "Selbstbewusstseins", mit dem Rom allen anderen Völkern gegenübergetreten ist. Die Möglichkeit, dass ein Vorhaben/Krieg undurchführbar/ungewinnbar sein könnte, wurde gar nicht ins Kalkül gezogen.

...zumal anzuzweifeln ist, dass der Durchschnittsrömer Adressat der Schriften war. Die Adressaten waren vielmehr die Mitglieder der römischen Elite und die hatten ein Interesse daran, ihren Gegner zu kennen.
Das ist ein blinder Fleck in unserer Wahrnehmung. Wir wissen nur von den Römern, die von den Geschichtsschreibern der Erwähnung für wert befunden wurden. Das waren typischerweise die Machthabenden und nicht der "Pöbel". Diese Machthabenden wollten ihre Gegner natürlich kennen. Aber auch diese Machthabenden zweifelten nicht an der "gottgegebenen Überlegenheit" Roms.

Natürlich schrieb auch ein Velleius Paterculus nicht für den "Pöbel". Aber auch er bescheinigte den Germanen, nur äußerlich menschenähnlich zu sein. Sicher machte er Varus zum Sündenbock, aber auch er schreibt, dass die Römer hätten obsiegen müssen, wenn "das Schicksal" die Entschlusskraft des Varus nicht verdunkelt hätte. Selbst er bescheinigt dem geschmähten Varus, dass ein Gott seinen Verstand getrübt habe, um sein Glück zu vernichten. Und er sagt: Das Beklagenswerteste an diesem Vorgang sei der Umstand, dass dieses Unglück hinterher auch noch so aussehe, als sei es "verdientermaßen" passiert; dass sich am Ende "Schicksal in Schuld verwandelt". Selbst Paterculus, der Tiberius angebetet und Varus zum Sündenbock gemacht hat, nennt DREI Gründe für die Niederlage:
- die Indolenz des Anführers
- die betrügerische List des Feindes
- die Ungunst des Schicksals

Die Möglichkeit, dass die Germanen in der Schlacht einfach klüger und geschickter vorgegangen sein könnten, erwähnt er nicht. Die Germanen spielen in der ganzen Sache gar keine Rolle. Für wen hat Paterculus diesen Bericht nun geschrieben? Für den römischen Pöbel? Oder vielleicht für die Machthabenden, die ganz rational beurteilten, welche Fähigkeiten die römischen Legionen im Vergleich zu den erkorenen Feinden hatten?

Ich denke, dass die Haltung der Römer in dieser Beziehung ambivalent war. Einerseits gab es sehr wohl die von Dir behauptete rationale Betrachtung der Ursachen einer Niederlage. Deshalb ist Germanicus ja vermutlich losgezogen, um sich aus eigener Anschauung ein Bild vom Verlauf des Varus-Kampfes zu machen. Deshalb hat Tiberius ja Befehle erteilt, wie Fehler künftig vermieden werden sollen. Andererseits gab es aber auch das römische "Sendungsbewusstsein". Die Überzeugung, dass Rom von den Göttern ausersehen und mit der Fähigkeit ausgestattet war, die Welt zu beherrschen.

Von den Geschichtsschreibern, deren Werke bis heute erhalten sind, durchbricht allein Dio die Vorgaben dieses Sendungsbewusstseins, indem er ganz rationale Gründe nennt, warum das Gemetzel im "Teutoburger Wald" so schrecklich in die Hose gegangen ist.

MfG
 
Solange sich eine "Standardvorgehensweise" nicht aus den Quellen ergibt, würde ich auch nicht von Wahrscheinlichkeiten sprechen.

'Nicht in den Quellen erwähnt' kann meines Erachtens nur ein Teil der Kriterien für die Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Hypothese sein. Wichtiger ist denke ich eine logische Herleitung des Sachverhalts.
In einer Schlacht muss schnell gehandelt werden --> langwierige Entscheidungsprozesse müssen vermieden werden --> für Standardsituationen gibt es Standardentscheidungen.
Ein Wagen muss zurückgelassen werden, der Wagen darf nicht dem Feind in die Hände fallen, der Wagen wird verbrannt. Das gilt sowohl in Parthien als auch in Germanien.


Ich verstehe aber immer noch nicht so recht, was das mit dem Dreilegionenlager zu tun haben soll, welches vor der Schlacht oder zu einem sehr frühzeitigen angelegt worden sein soll, als die Legionen noch einigermaßen intakt waren.
Nehmen wir mal an, es wäre nicht bloß wahrscheinlich, dass Kalkriese ein Ort der Varusschlacht war, sondern es wäre gesichert: Wie kommt man da auf die Idee das Dreilegionenlager westlich davon zu suchen?

Ich halte es wie gesagt für unwahrscheinlich, dass die Varusschlacht in Kalkriese geendet ist, weil ich es für unwahrscheinlich halte, dass es Varus am Ende der mehrtägigen Schlacht noch gelungen ist, das Kampfgebiet bei Kalkriese vom Engpass bei Oberesch ausgehend noch mehrere Kilometer nach Westen auszudehnen, so wie es die Funde nahezulegen scheinen. Das spricht meines Erachtens weder für eine zahlenmäßige Unterlegenheit der Römer, von der man am Ende der mehrtägigen Schlacht denke ich ausgehen muss, noch für sich auflösende Kommandostrukturen.
Also kann die Varusschlacht nur in Kalkriese begonnen haben, und das erste Marschlager (für die 3 Legionen) müsste irgendwo, nicht weiter als einen Tagesmarsch von Kalkriese entfernt, zu finden sein. Den Beginn der Varusschlacht halte ich aber aufgrund der Lage von Kalkriese zu Rhein und Lippe für genauso unwahrscheinlich.
Aber am Ende gebe ich dir Recht, es ist viel Spekulation dabei, mehr Licht ins Dunkel können nur weitere archäologische Funde bringen. Wo auch immer dies sein mag :)
 
nein, ich denke , man muß fast bis zum Schluß der Varusschlacht von einer gewissen Handlungsfähigkeite der Kommandeure und von Disziplin der Legionäre ausgehen.

Die letzten bei so einem Gemetzel dürften auch die erfahrensten sein. Und die wußten, es gibt kein Pardon !!! Und die wußten die angedrilleten Formationen sind das beste, um eine Schlacht zu überleben. Einzelne haben noch schlechtere Karten.

Abesehen davon, auch 3 Rumpflegionen, abgekämpft und müde, sind Berufskrieger, hart trainiert und gedrillt. Die sind noch halbtot für Milizionäre und Hobbykrieger ernsthafte Gegner. Vorallem, wenn sie keinen Ausweg sehen
 
Ich halte es wie gesagt für unwahrscheinlich, dass die Varusschlacht in Kalkriese geendet ist, weil ich es für unwahrscheinlich halte, dass es Varus am Ende der mehrtägigen Schlacht noch gelungen ist, das Kampfgebiet bei Kalkriese vom Engpass bei Oberesch ausgehend noch mehrere Kilometer nach Westen auszudehnen, so wie es die Funde nahezulegen scheinen. Das spricht meines Erachtens weder für eine zahlenmäßige Unterlegenheit der Römer, von der man am Ende der mehrtägigen Schlacht denke ich ausgehen muss, noch für sich auflösende Kommandostrukturen.

Ich vermute, dass Du Dich auf die westliche Aufgabelung der Fundstränge beziehst. Siehe auch hier die folgende Karte: http://www.archaeologie-online.de/fileadmin/pix/thema/varus/rost_schlachtfeld/rost_01.gif

aus der folgenden Seite: Thema : Das Phänomen Varusschlacht : Schlachtfelder in der archäologischen Überlieferung ? die Fallstudie Kalkriese : Seite 1



Das kann natürlich auf eine Absetzbewegung der fliehenden Römer nach der Vernichtung der Legionen hindeuten oder auf einen planmäßigen Weitermarsch nach einer Schlacht, in der Römer gefallen und Teile der Ausrüstung und des Trosses verloren gegangen sind.

Also kann die Varusschlacht nur in Kalkriese begonnen haben, und das erste Marschlager (für die 3 Legionen) müsste irgendwo, nicht weiter als einen Tagesmarsch von Kalkriese entfernt, zu finden sein. Den Beginn der Varusschlacht halte ich aber aufgrund der Lage von Kalkriese zu Rhein und Lippe für genauso unwahrscheinlich.

Es kann aber theoretisch auch ein Gefecht gewesen sein, das weder am Anfang noch am Ende der Varusschlacht(en) stand. Gegen den Beginn der Schlacht spricht die Tatsache, dass Handknochen im Knochenzusammenhang in einer Grube gefunden worden sind. Daraus schließt man, dass sie nach der Skelettierung noch von einem Verband zusammen gehalten worden sind (die Bestattungsaktion fand erst Jahre später statt). Daraus folgt die Vermutung, dass bereits vorher Verletzte in Kalkriese zu Tode gekommen sind.

Aber am Ende gebe ich dir Recht, es ist viel Spekulation dabei, mehr Licht ins Dunkel können nur weitere archäologische Funde bringen. Wo auch immer dies sein mag :)

Dem schließe ich mich an.
 
Natürlich schrieb auch ein Velleius Paterculus nicht für den "Pöbel". Aber auch er bescheinigte den Germanen, nur äußerlich menschenähnlich zu sein.

Velleius Paterculus wird hier weniger biologistisch zu lesen sein, als dass man annehmen muss, dasser die Grausamkeit der Ereignisse im Zuge der Schlacht vor Augen hat.

Die Möglichkeit, dass die Germanen in der Schlacht einfach klüger und geschickter vorgegangen sein könnten, erwähnt er nicht.

Tja, leider werden wir nie erfahren, was er in seinem anderen Werk schrieb oder schreiben wollte, welches er seinen Lesern versprochen hat.

Es gibt aber eine ganz spezifische "Unannehmlichkeit", die nie angesprochen wurde: nämlich die Möglichkeit, dass andere Nationen oder Völker Rom gleichgestellt sein könnten. Es gab Rom und es gab Barbaren.

Der jüngere Seneca nimmt die Varusschlacht als Bsp. für die Widrigkeit des Schicksals und hält seinen Adressaten Lucilius dazu an, seine Sklaven nicht zu verachten, weil es allein das Schicksal sei, welches sie - ob Sklave oder Freier - trenne.

'Nicht in den Quellen erwähnt' kann meines Erachtens nur ein Teil der Kriterien für die Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Hypothese sein. Wichtiger ist denke ich eine logische Herleitung des Sachverhalts.
In einer Schlacht muss schnell gehandelt werden --> langwierige Entscheidungsprozesse müssen vermieden werden --> für Standardsituationen gibt es Standardentscheidungen.
Ein Wagen muss zurückgelassen werden, der Wagen darf nicht dem Feind in die Hände fallen, der Wagen wird verbrannt. Das gilt sowohl in Parthien als auch in Germanien.

Hast du denn ein entsprechendes Bsp. aus Parthien? Ansonsten ist es müßig das weiter auszuführen.

Ich halte es wie gesagt für unwahrscheinlich, dass die Varusschlacht in Kalkriese geendet ist, weil ich es für unwahrscheinlich halte, dass es Varus am Ende der mehrtägigen Schlacht noch gelungen ist, das Kampfgebiet bei Kalkriese vom Engpass bei Oberesch ausgehend noch mehrere Kilometer nach Westen auszudehnen, so wie es die Funde nahezulegen scheinen.

Ist das nicht viel eher eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten? Du hälst a) für unwahrscheinlich, weil du b) für unwahrscheinlich hälst? Wer sagt denn, wo die Schlacht angefangen hat? Wer sagt denn, wie viele Prozent der vor der Varusschlacht begleitenden Truppen a) den Engpass noch erreichten b) ihn durchstießen und c) am Ende noch kampfbereit waren? Mal abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wie viele Germanen dort in Reserve warteten. Das ist eine Gleichung mit mindestens vier, wenn nicht mehr Unbekannten.

Also kann die Varusschlacht nur in Kalkriese begonnen haben, und das erste Marschlager (für die 3 Legionen) müsste irgendwo, nicht weiter als einen Tagesmarsch von Kalkriese entfernt, zu finden sein.

Ich glaube, ich frage dich nun zum dritten Mal, kann aber sein dass ich mich irre, da ich in der Zwischenzeit mit Fieber darniederlag und auch heute Morgen eher etwas groggy war, wie du zu der Auffassung kommst, dass das Dreilegionenlager einen Zeitpunkt nach Beginn der Schlacht beschreibt? Das erschließt sich mir nicht.

Den Beginn der Varusschlacht halte ich aber aufgrund der Lage von Kalkriese zu Rhein und Lippe für genauso unwahrscheinlich.

Zur Lippe kann ich ja sogar verstehen, wobei dies nicht zwingend ist. Aber warum zum Rhein?!

nein, ich denke , man muß fast bis zum Schluß der Varusschlacht von einer gewissen Handlungsfähigkeite der Kommandeure und von Disziplin der Legionäre ausgehen.

Die letzten bei so einem Gemetzel dürften auch die erfahrensten sein. Und die wußten, es gibt kein Pardon!!! Und die wußten die angedrilleten Formationen sind das beste, um eine Schlacht zu überleben. Einzelne haben noch schlechtere Karten.

Abesehen davon, auch 3 Rumpflegionen, abgekämpft und müde, sind Berufskrieger, hart trainiert und gedrillt. Die sind noch halbtot für Milizionäre und Hobbykrieger ernsthafte Gegner. Vor allem, wenn sie keinen Ausweg sehen

Wenn dies stimmte - ich habe da so meine Zweifel, da mir das zu idealtypisch heroisch erscheint und den Menschen, seine Instinkte und Ängste etc. außer acht lässt, die Dinge, die man mit der Ratio nur bedingt kontrollieren kann - dann wäre Kalkriese - immer unter der Voraussetzung, dass es Ort der Varusschlacht ist - wohl als deren Ende anzusprechen, zumindest deuten einige Funde daraufhin, dass hier eine erste Kohorte in die Kämpfe verwickelt war.
Die Germanen jener Zeit als "Hobbykrieger" zu bezeichnen, finde ich schon mutig.
 
nun, die Germnanen, die nicht zu den Auxiliartruppen gehörten, die aber in einer Gefolgschaft waren , waren im Vergleich zu den Römern schon Hobbykrieger. Ich gehe mal davon aus, das die nicht tägliche Märsche und Waffenübungen auf dem Plan hatten. Und die ich nenn sie mal Milizionäre, die wohl auch noch dabei waren, waren noch weniger geübt. Sicher recht geschickt mit ihren Waffen, aber Ausdauer, "Mut zum Abstich" u.ä. sicher nicht so gut, wie die geübten/gedrillten Römer. Richtiger Waffendrill fängt ja erst an, wenn man zu den Waffenübungen keine Lust mehr hat.

Wenn ich mir die Fundkarten so ansehe, drängt sich mir der Verdacht auf, das das Ende der Schlacht irgendwo zwischen Wall und den äußersten westlichen Funden stattfand. Warum?

Es marschierte eine Armee zwischen der heutigen Bundesstraße und dem Mittellandkanal um den Kalkrieser Berg rum. Von diesem Berg her wird sie attackiert und weicht , noch marschierend Richtung Norden aus, ein Teil hält den Gegner auf. Dann kommt es vorn zur Feindbegegnung und in der Seite zu so massiven Angriffen, das das Gros gegen den Wall angeht. Jetzt erst greifen auch von vorn massiv Leute an und drängen dieses Heer ganz grob gesagt vor dem Wall zusammen und kämpfen diese Truppe mit denen auf/hinter dem Wall Mann für Mann nieder.

Dieses Bild drängt sich mir angesichts der der Karte von Rost anhand der rote Punkte auf.
 
Ich glaube, ich frage dich nun zum dritten Mal, kann aber sein dass ich mich irre, da ich in der Zwischenzeit mit Fieber darniederlag und auch heute Morgen eher etwas groggy war, wie du zu der Auffassung kommst, dass das Dreilegionenlager einen Zeitpunkt nach Beginn der Schlacht beschreibt? Das erschließt sich mir nicht.


Jetzt verstehe ich die Frage, sorry, manchmal habe ich eine echt lange Leitung.

"Das erste Lager des Varus wies an seinem weiten Umfang und der Absteckung des Hauptplatzes auf die Arbeit von drei Legionen hin.

Dann erkannte man an dem halb eingestürzten Wall und dem niedrigen Graben, dass die zusammengeschmolzenen Reste sich dort gelagert hatten."


Da die Varusschlacht mindestens 3 Tage dauerte, und ich gelesen habe, dass Römer auf dem Marsch abends immer ein Marschlager angelegt haben, habe ich den Text immer so interpretiert, dass damit die beiden Lager gemeint sind, die für die beiden Nächte der Varusschacht notwendig waren. Und nicht etwa Lager, die auf dem Anmarsch zum Ort der Schlacht angelegt wurden, das würde mir etwas sehr kontextfrei sein.
 
Im Prinzip bildet Tacitus hier nur eine Gegensatzpaar. Ist natürlich eine sehr schwer zu interpretierende Stelle. Wenn wir außer Tacitus nur Florus hätten, und nicht im Rahmen der Schlacht an den pontes longi den Arminius in den Mund gelegten Ausruf, der die klare Parallelität zwischen den beiden Schlachten hervorhebt, müsste man das sogar so lesen, als handele es sich um ein Lager im Lager.

Wenn man sich aber die Tacitus-Passage genau anschaut, dann merkt man, dass es sich um eine klimakterische Komposition handelt:
Die in den Germanicus-Kontext eingebettete Schilderung der Varusschlacht steigert sich ihrem Ende entgegen, was sie ganz klar als literarische Komposition herausstellt und nicht als das sukzessive Auffinden des Schlachtfeldes durch Germanicus:
Das erste intakte Lager.
Das zweite Lager der zusammengeschmolzenen Reste.
Dann der Ort, wo die Legaten fielen (fielen sie alle an einem Ort? Warum waren sie nicht bei ihren Legionen!?).
Dann der Ort wo die Adler verloren gingen (gleiche Frage, warum waren drei Legionsadler alle an einem Ort und nicht in vorderster Front?).
Dann der Ort wo Varus verwundet wurde.
Schließlich der Ort, wo Oberbefehlshaber Varus getötet wurde.
Zuletzt die Tribüne, wo Arminius seine Siegesansprache gehalten haben soll.
Zwischendrin noch eine situative Beschreibung, wie sich das Schlachtfeld seinen Entdeckern darstellte.

Dieser Bericht wird - als chronologisch missverstanden (und chronologische Elemente hat er zweifellos) - gerne als Beleg dafür verstanden, dass Varus ostwärts gezogen sei und man (dann im Einklang mit Cassius Dio, wonach sich Varus vor seinem Zug in den Untergang an der Weser befand) den Schlachtort östlich der Weser suchen müsse (was aber wiederum mit Tacitus selbst nicht in Einklang zu bringen ist), denn schließlich habe Germancius erst das Dreilegionenlager und später das andere Lager mit dem niedrigen Wall entdeckt (im Übrigen würde ich, bloß, weil nur von zwei Lagern explizit die Rede ist nicht davon ausgehen, dass es nur zwei Lager waren, wenn man Cassius Dio ernst nimmt und davon ausgeht, dass jeden Abend ein Lager angelegt wurde, müsste man mindestens vier Lager annehmen - das Abmarschlager und drei während der Schlachttage angelegte). Wenn man aber den klimakterischen Aufbau sieht, dann wird klar, dass Tacitus nicht einer tatsächlichen Chronologie des Betretens des Schlachtfeldes folgt, sondern hier ein paralleles Strickmuster anwendet: Vor den Augen der Germanicus-Legionen findet die Schlacht ein weiteres Mal statt, entsprechend die sich dramatisch steigernde Schilderung.
 
Ich war leider in den vergangenen Tagen außer Gefecht gesetzt, so das ich erst jetzt hier weiterschreiben kann.

Die mir vorliegende Karte weist auch schon östlich der "Verschwenkungs-Stelle" römische Funde aus. Und damit nochmal: Dieser Befund widerspricht Deiner Aussage, dass dort nicht gesucht worden sei. Und er erklärt immer noch nicht, warum die Masse der Funde nicht auf den Flugsanden sondern auf der Hangsandzone gemacht wurde. Er erklärt auch nicht, warum auf der Hangsandzone Gefallene zur Plünderung zurückblieben, auf der Flugsandtrasse aber nicht.

Ich habe nicht behauptet, dass auf dem Flugsandrücken und auch sonst wo in der Kalkrieser Senke nicht gesucht wurde. Ich vermute, dass dort fast jeder Quadratmeter mit Metaldetektoren abgesucht wurde, aber die Grabungsschnitte die genauere Auskunft über bestimmte Sachverhalte geben könnten, wie zum Beispiel Absperrungen, andere Hindernisse und Wagenspuren wurden in erster Linie am Hangsandbereich vorgenommen.

Worauf willst Du eigentlich hinaus?

Ich denke es sollte klar sein worauf ich hinaus will. Ich möchte den Nachweis führen (soweit man das kann), dass in Kalkriese die Schlacht am Angrivarierwall stattfand.

Darauf, dass der Flugsandrücken AUCH von den Römern benutzt worden ist? Kann ja sein. Dort wurde aber offenbar nicht gekämpft. Besser: Dort haben mögliche Kämpfe jedenfalls nicht so einen Verlauf genommen, dass die Römer ihre Gefallenen zurücklassen mussten.

Es ist so, dass auch der Flugsandbereich großflächig abgeplaggt wurde. Gerade hier waren die armen Böden die sich für eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht sonderlich eigneten. Es ist daher oftmals nicht mehr festzustellen ob in diesem Bereich größere Kampfhandlungen stattfanden. Allerdings muss bis zum Gegenbeweis zwingend davon ausgegangen werden, dass gerade hier wo der bessere Weg war, in erster Linie die Trasse der Römer war.

Macht das die Angrivarierwall-Theorie wahrscheinlicher?

Ja! Sehr.

Den Quellen zufolge hätten auf der Seite doch die Germanen sein sollen, nicht die Römer.

Nein!

Oder willst Du uns sagen, dass die Verluste vor dem Wall "unnötig" waren, weil die Römer doch jederzeit zum anderen Sandrücken hätten überwechseln können? Dann bleibt nur die Frage offen: Warum haben sie es nicht einfach gemacht, wenn es doch so einfach war? Warum gibt es vor dem Wall so viele Kampf- bzw. Plünderungsspuren? Sind dort nur die Legionäre umgekommen, die zu faul waren, den Umweg durch den Schmodder auf sich zu nehmen?

Moment bitte. Du solltest bedenken, dass das Szenario der Schlacht am Angrivarierwall von dem der Varusschlacht grundlegend unterscheidet. Die Varusschlacht haben die Römer verloren und hier sicherlich mit chaotischen Auflösungserscheinungen. In der Angrivarierwallschlacht haben die Römer durch einen klar strukturierten Schlachtverlauf gesiegt. Germanicus hat die Herausforderung angenommen und sich den Germanen gestellt. Dass bei dieser erbitterten Auseinandersetzung selbstverständlich auch römische Legionäre ums Leben kamen, versteht sich von selbst. Nichts anderes sagt das Ausgrabungsergebnis vor dem Wall in Kalkriese aus. Kampfspuren in großem Umfang, wie sie nach der Schlacht am Angrivarierwall auch zu erwarten sind.

Das ist in der Tat ein bedenkenswerter Ansatz. Wie viele der Funde, die eigentlich "hinter" dem Wall hätten gemacht werden müssen, sind wohl im Zuge der Plaggenwirtschaft in den Bereich "vor" dem Wall verschleppt worden?

Ich bin mir sicher, dass alle größere Metallteile hinter dem Wall bei der Abplaggung aufgefunden und entfernt wurden, und nicht wieder auf den Eschhorizont aufgetragen wurden. Was aber in dieser Hinsicht entscheidend ist, ist die Tatsache dass sich hinter dem Wall ein Geschehen abgespielt haben muss, welches nicht mehr in den Ausgrabungsergebnissen fassbar ist und aus diesem Grund keiner abschließenden Beurteilung unterliegen kann.
 
Ich denke es sollte klar sein worauf ich hinaus will. Ich möchte den Nachweis führen (soweit man das kann), dass in Kalkriese die Schlacht am Angrivarierwall stattfand.

Und das wird, wie schon 2009 und 2010 scheitern, weil die Hunte eben im Umkreis der Kalkrieser Fundregion nur ein Bach ist, der Angrivarierwall an der Weser gelegen haben muss, der Angrivarierwall ein Grenzwall war, was der Kalkrieser Wall schon aufgrund seiner gerade 400 m nicht sein kann und nebenbei die Germanen und Römer während der Schlacht "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann gespielt haben müssten" um wenigstens zu erklären, warum die bergseitig angreifenden Germanen plötzlich sumpfseitig eingeschlossen sein sollten.

Letztendlich lässt sich dein Argument für deine Hypothese Kalkriese=Angrivarierwall auf einen Satz reduzieren:
In Kalkriese existiert ein Wall, in der Schlacht am Angrivarierwall gab es einen Wall, ergo muss es sich um das entsprechende Schlachtfeld handeln.
Dass es so einfach nicht ist und in Kalkriese gar nichts mit den Schlachtbeschreibungen übereinstimmt, wurde schon häufig genug dargelegt.

Moment bitte. Du solltest bedenken, dass das Szenario der Schlacht am Angrivarierwall von dem der Varusschlacht grundlegend unterscheidet. Die Varusschlacht haben die Römer verloren und hier sicherlich mit chaotischen Auflösungserscheinungen. In der Angrivarierwallschlacht haben die Römer durch einen klar strukturierten Schlachtverlauf gesiegt. Germanicus hat die Herausforderung angenommen und sich den Germanen gestellt. Dass bei dieser erbitterten Auseinandersetzung selbstverständlich auch römische Legionäre ums Leben kamen, versteht sich von selbst. Nichts anderes sagt das Ausgrabungsergebnis vor dem Wall in Kalkriese aus. Kampfspuren in großem Umfang, wie sie nach der Schlacht am Angrivarierwall auch zu erwarten sind.
Vor allem der Tross hat sich voll reingehangen in die Schlacht.
 
Das löst allerdings immer noch nicht den Widerspruch auf, dass den schriftlichen Quellen zufolge bei der Schlacht am Angrivarierwall die (siegreichen) römischen Truppen am Hang gestanden haben müssten, die Germanen hingegen am Rande des Sumpfes. Also genau in dem Bereich, in dem Deiner Meinung nach intensiver nach Spuren eines römischen Durchzugs gesucht werden müsste.

Siehe:
Wieso? Wäre es die Schlacht am Angrivarierwall, hätten die Römer genau in die entgegengesetzt Richtung geschossen.

An dieser Stelle wäre es vielleicht angebracht den Bericht des Tacitus über die Schlacht am Angrivarierwall genau zu analysieren. Hier ist es aber unbedingt erforderlich nicht flüchtig über diesen Bericht drüberherzulesen, sondern ihn Satz für Satz, und Wort für Wort aufzunehmen und mit den bestehenden Fakten abzugleichen.

"Zuletzt suchten sie sich einen Kampfplatz aus, der vom Fluss und Wald umschlossen war und in dem sich eine schmale sumpfige Fläche befand. Auch um das Waldgebiet zog sich ein tiefer Sumpf, nur eine Seite hatten die Angrivarier durch einen breiten Damm erhöht, der die Grenzlinie zu den Cheruskern bilden sollte. Hier ging das Fußvolk in Stellung. Die Reiterei nahm in den nahe gelegenen Lichtungen Deckung, um den Legionen, sobald sie in den Wald einmarschiert seien, in den Rücken zu fallen."

Hier gibt uns Tacitus lediglich eine Beschreibung des Kampfplatzes und über Stellungen der Germanen. Hier wäre es vielleicht sinnvoll sich die Karte anzuschauen welche von @Carolus eingestellt wurde. Wie bereits geschrieben stimmen die topographischen Angaben mit den Gegebenheiten der Kalkrieser Senke überein. An einer Seite dieses Platzes befindet sich der Wall. Da das Heer des Germanicus von Osten in die Senke eingezogen ist, befindet sich dieser Wall, entsprechend der Kalkrieser Ausgrabungsergebnisse, auf seiner linken Flanke. Da nur eine Seite des Kampfplatzes mit einem Wall erhöht wurde, war demnach auf der rechte Flanke kein derartiges Bauwerk. Auch in Kalkriese findet sich kein weiteres Bauwerk welches für diesen Schlachtort nachgewiesen werden konnte.

"Dem Caesar blieb von diesen Maßnahmen nichts verborgen. Er kannte die Absichten und die Stellungen der Feinde, ob sie nun offen vor Augen lagen oder verborgen waren, und ihre schlauen Berechnungen suchte er in ihr Verderben zu verwandeln. Dem Legaten Seius Tubero übergab er die Reiterei und wies ihm das ebene Feld zu. Das Fußvolk stellte er so zum Kampf auf, dass ein Teil auf ebenen Gelände an den Wald heranrücken und in ihn einmarschieren und der andere den vor ihnen liegenden Erdwall erklimmen sollte."

Germanicus kannte die Stellungen der Germanen und richtete seine Strategie danach aus. Seius Tubero stellte seine Reiterei auf ein freies Feld, vermutlich vor dem Engpass von Kalkriese auf, um auf das von den Germanen geplante „In den Rücken Fallen“ entsprechend reagieren zu können. Seine Fußtruppen teilte er in zwei Angriffssäulen. Die eine zog auf ebenem Gelände in den Wald ein. Hier war vermutlich der Flugsandrücken in der Kalkrieser Senke gemeint, denn hier ist ein ebenes Gelände was der Beschreibung des Tacitus entspricht. Die zweite Angriffsäule von Germanicus selbst befehligt rückt gegen den Wall vor.

"Diese schwierige Aufgabe behielt er sich persönlich vor, alles übrige überließ er den Legaten. Diejenigen, denen das ebene Gelände zugewiesen war, brachen mühelos in den Wald ein;"

Hier handelt es sich um den Angriffskeil der auf dem Fugsandrücken in die Senke eingezogen ist. Hier gab es demnach keine schweren Kämpfe was ja auch in beschränktem Maße das Ausgrabungsergebnis auf dem Flugsandbereich wiedergibt.

"diejenigen jedoch, die den Erdwall zu erstürmen hatten, hatten, wie wenn sie an eine Mauer vorrückten, unter einer schweren Beschießung von der Mauer herab zu leiden."

Zuerst kam es vor den Wall zu schweren Kämpfen. Diese Kampfspuren einer erbitterten Auseinadersetzung finden sich vor dem Wall.

"Der Heerführer erkannte, wie ungleich dieser Nahkampf war. Er zog dagegen die Legionen ein wenig zurück und befahl den Schleuderern und Wurfschützen, ihre Geschosse zu werfen und den Feind vom Wall zu vertreiben. Von den Geschützen wurden Speere abgeschossen, und je sichtbarer die Verteidiger waren, mit um so größeren Verlusten wurden sie heruntergeworfen."

Nun wurden die kämpfenden Legionen vor dem Wall zurückgezogen und die Torsionsgeschütze eingesetzt. Auch diese Aktion bestätigt das Ausgrabungsergebnis in Kalkriese. Geschossspuren finden sich über einen großen Bereich des Walles.

"An der Spitze seiner Prätorianerkohorten eroberte der Caesar den Wall und trat zum Sturmangriff auf den Wald an, wo man Mann gegen Mann rang."

Nach dem Beschuss des Walles erfolgte nun der Angriff auf dem Wall wobei diese Stellung der Germanen erobert wurde. Die linke Flanke der Römer war nun freigekämpft und vom Hang herab begann der Kampf in der bewaldeten Senke.

"Den Feind riegelte im Rücken der Sumpf, die Römer der Fluss oder die Berge ab. Beide Teile mussten unbedingt ihre Stellung behaupten, sie konnten nur auf ihren Mannesmut sich verlassen und nur von einem Sieg Rettung erhoffen."

Genau diese Situation findet sich nun in der Kalkrieser Senke wieder. Die Römer haben nun den Fluss (Hunte) und den Berg (Kalkrieser Berg) im Rücken, die Germanen den Sumpf (Großes Moor) hinter sich.
In dem Bericht des Tacitus über die Schlacht am Angrivarierwall findet sich eine exakte Eins zu Eins Überlagerung mit den topographischen Gegebenheiten in der Kalkrieser Senke und den bisher gemachten Ausgrabungsergebnissen. Keine literarische Überlieferung einer Schlacht der Römer, weder Varusschlacht noch Pontes Longi, bekommt eine derartig offensichtliche Übereinstimmung.
 
@maelo

Auch wenn ich mit der Frage nach den Knochengruben nerve, so stelle ich sie hier noch einmal!

> Wer soll mehrere Jahre nach 16 n. Chr. die Knochen geborgen haben?

> Für welche Schlacht ist eine Bergungsaktion überliefert? Für die Varusschlacht oder die am Angrivarierwall?

Ich nerve deswegen mit dem Thema, weil es aus meiner Sicht keinen Sinn macht sich über Fundverteilungen oder Flugsandstreifen den Kopf zu zerbrechen, solange man diesen, für mich, entscheidenden Punkt nicht (er)klären kann!

Einfach Ausklammern gilt nicht! :nono:

Gruß
Andreas
 
Zurück
Oben