Evolution der Kultur (?).

...wie kommt mir bloß der Verdacht, dass das übertragen des speziell biologisch-naturwissenschaftlichen Evolutionsmodells auf die Geschichte biologistische züge hat? ;)

Richtig... und es ist auch anzumerken, dass in letzter Zeit "Ansätze" und Theorien von einzelnen Leuten in den Vordergrund der Diskussion gedrängt werden, die entweder eher eine "Randerscheinung" als Erklärungsansätze darstellen, und / oder auch mit tendenziell rassistischen Ideologien in Verbindung gebracht werden.

Anstatt die ausgesprochen umfangreichen Ansätze zum sozialen Wandel bzw. der Veränderung von Kultur zu diskutieren.
 
Sprache ist kein kulturelles Phänomen. Sie ist im wesentlichen das Produkt von menschlicher Interaktion.
Ein Kulturbegriff, der die Sprache als kulturelles Phänomen ausschließt, erscheint mir völlig inadäquat. Die Produktion von Entitäten, die erstens zweckmäßig, zweitens bedeutungsgeladen und drittens zur Vermittlung von (u.a.) propositionalen Inhalten gedacht sind, scheint mir im Gegenteil das Paradebeispiel für ein Kulturelement zu sein.
 
deswegen hatte ich diesen Verdacht auch (etwas humorig) geäußert ;):)

[MOD: Meta-Diskussion gelöscht/MOD]

Anstatt die ausgesprochen umfangreichen Ansätze zum sozialen Wandel bzw. der Veränderung von Kultur zu diskutieren.
ich sag´s mal ganz offen: weder sozialer Wandel noch kulturelle Veränderungen sind Gegenstände der Evolutionsbiologie. Der Evolutionsbiologe soll mir - krass ausgedrückt - erklären, warum heute kein Saurier in meinen Vorgarten äpfelt, warum dort aber Ameisen ihr Unwesen treiben und warum Beuteltiere nur in Australien herumhüpfen -- aber eine evolutionsbiologische Erklärung der Kulturgeschichte ist bestenfalls anmaßend. Der Grund für diese harsche Überlegung: Kultur wie auch sozialer Wandel und ebenso "Philosophie" und "Ästhetik" sind vom Menschen kreierte Gedankengebäude, und es ist schlichtweg unlogisch, für dergleichen Kreationen die mutmaßlich naturwissenschaftlich exakten Modelle zur Naturerklärung einzusetzen. (das wäre so, als würde man eine Evolution der Ameisenhügel konstruieren)
 
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ich sag´s mal ganz offen: weder sozialer Wandel noch kulturelle Veränderungen sind Gegenstände der Evolutionsbiologie.

Natürlich nicht. Aber auch die Entwicklung des Universums ist nicht Gegenstand der Biologie, dennoch sprechen manche von kosmologischer Evolution, um die Prozesse zu beschreiben, die Astronomen heute beobachten und analysieren. Die Entstehung des Lebens (abiogenese) ist genau genommen auch kein Teil der Evolutionsbiologie, sondern wird als chemische Evolution bezeichnet. Es gibt Philosophen, die einer evolutionären Ethik das Wort reden, ohne damit ethische Vorstellungen auf evolutionsbiologische Tatsachen zurückführen zu wollen, sondern den Prozess der Veränderung von Moralvorstellungen meinen.

Wobei wir uns da einig sind, denke ich: ;)

[MOD: Anknüpfung an die laufende Meta-Diskussion gelöscht]

(das wäre so, als würde man eine Evolution der Ameisenhügel konstruieren)

Da die Konstruktion von Ameisenhügeln sehr viel weniger einer gezielten Planung entspringt, sondern instinktivem Verhalten eben dieser Ameisen: Natürlich unterliegen Ameisenhügel der Evolution, in diesem Fall sogar der biologischen. Sagen zumnidest manche Biologen:

The Extended Phenotype ? Wikipedia

Richtig... und es ist auch anzumerken, dass in letzter Zeit "Ansätze" und Theorien von einzelnen Leuten in den Vordergrund der Diskussion gedrängt werden, die entweder eher eine "Randerscheinung" als Erklärungsansätze darstellen, und / oder auch mit tendenziell rassistischen Ideologien in Verbindung gebracht werden.

Wie dekumatland feststellte hoffe ich stark, dass meinst Du trotz Zitat als allgemeine, nicht auf diesen Thread bezogene Anmerkung, in dem ich nichts davon wiederfinde. ;)

Anstatt die ausgesprochen umfangreichen Ansätze zum sozialen Wandel bzw. der Veränderung von Kultur zu diskutieren.

Evolution heisst erst mal nur Entwicklung oder Veränderung. Gerade weil "die Geschichte" bzw "die die Entwicklung der Kultur(en)" ein kontinuierlicher, ungesteuerter Prozess ist, finde ich den Begriff Evolution passend, und Parallelen mit anderen Evolutionsvorstellungen, bspw der biologischen, nur naheliegend.

Geschichtliche, auch kulturelle Dynamiken lassen sich mE mit einem Denkmodell, dass Veränderungen in den Vordergrund stellt und Mechanismen sucht, diese zuer klären, besser verstehen als mit statischen Modellen, die vornehmlich Ist-Zustände betrachtet.

"Kultur ist jenes komplexe Ganze, das Wissen, Glaube, Kunst, Moral, Recht, Sitten und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfaßt, die der Mensch als Glied einer Gesellschaft erwirbt." (vgl. Ogburn: Kultur und sozialer Wandel, S. 33).

Eben jenes "komplexe Ganze" verändert sich ständig, es als eine, festgefügte Struktur aufzufassen unterschlägt diesen prozesshaften Charakter. (Was in dem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz anklingt, auch wenn es nicht gemeint ist).

Mit dieser Definition ist das generelle Verhältnis von "Agent" und "Struktur" angesprochen und beschreibt das grundlegende Verhältnis für nahezu sämtliche historische Epochen. Für die meisten bedeutet dieses Verhältnis, dass sie als "Agenten" in eine Gesellschaft / Struktur hineingeboren werden und via Kommunikation die sozialen Standards, Werte, Normen etc. aufnehmen. Somit werden sie durch die Struktur geprägt.

In einer späteren Lebensphase gestalten sie durch ihre aktiven Handlungen wiederum die "Stuktur" und modifizieren sie entsprechend den veränderten politischen, ökonomischen und sozialen Trends.

Eben dies kann man als "evolutionären Prozess" auffassen, im nicht-biologischen Sinne. Die Wechselwirkung aus gegebener "Struktur", die die einzelnen "Agenten" mittels sozialen, kulturellen etc Gegebenheiten prägen, und den "Agenten", die diese Gegebenheiten wiederum adaptieren und verändern, führt zu Prozessen, die eine Auslese darstellen; nicht eine biologische Auslese der Individuen oder ihrer Gene (!), sondern der sozialen und kulturellen Impulse, Mechanismen, Vorstellungen und Insitutionen.

Das klingt vielleicht deterministisch oder mechanistisch, aber gerade dies ist keineswegs intendiert oder gemeint. Kann es gar nicht, denn Evolution in jedem Sinne, ua dem biologisch-genetischen, ist eben nicht deterministisch, kennt kein gesetztes Ziel, sondern entwickelt sich "blind" durch Adaption (bzw biologisch Mutation) und Selektion, als endloser Prozess von verschiedensten Wechselwirkungen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ein Kulturbegriff, der die Sprache als kulturelles Phänomen ausschließt, erscheint mir völlig inadäquat.

Sowas kann man eigentlich nur schreiben, wenn man die Diskussion, den "cultural turn", in der Soziologie nicht verfolgt hat. Wie beispielsweise in den Arbeiten von Clifford Geertz

Clifford Geertz ? Wikipedia

In Anlehnung an Bühler steht sowohl beispielsweise bei Habermas und auch bei Luhman die Sprachtheorie von Bühler im Zentrum der Argumentation.

Organon-Modell ? Wikipedia

Darüberhinaus ist es ebenso ignorant, die zitierten Ansätze des TSI zu überlesen und so zu tun, als wäre Sprache als "kulturelles Phänomen" ausgeblendet. Kommunikation, also auch Sprache, da es zusätzlich noch non-verbale Kommunikation gibt, ist in allen Ansätzen zentral.

"Sofern man "Cogito ergo sum" zum Ausgangspunkt macht, steht bei diesen Betrachtungen, das "individuelle Bewußsein" und seine sozial erlernten "Symbolwelten" = Sprache im Vordergrund.

In Korrespondenz zu den jeweiligen Gesellschaftsformationen, also dem Entwicklungsgrad oder dem Spezialisierunggrad, können die "Symbolwelten", also die Sprache, differenziert sein. Eine Eskimo hat ein seiner Umwelt angepaßtes Modell seiner Lebenswelt und ordnet es via "Symbolwelten" anders. In diesem Sinne hat er deutlich mehr Begriffe für Eis, da dieses seine Lebenswelt stärker widerspiegelt.

In diesem Sinne ist Sprache und die darin enthaltenen Symbole das Produkt einer "Kultur". Und durch individuelle sprachliche Schöpfungen, als Ergebnis eines Bewußseinsprozesses, kann die Symbolwelt erweitert werden, sprich die Sprache differnziert werden.

Ansonsten sollte man erwarten, dass sofern einzelne Passagen zitiert werden, diese sinngemäß auch im Kontext zu dem anderen von mir geschrieben zitiert werden. Und im Rahmen der Darstellung von Archer, die derzeit wohl neben Giddens, Habermas zu den wichtigsten noch lebenden Soziologen zählt, hatte ich auch über die Rolle von Sprache etwas gesagt.

Das ist eine Erwartungshaltung, die Du in einem anderen Thread auch an andere gestellt hast. Und somit hoffentlich auch für Dich gilt.

Aufffallend ist dabei zusätzlich, dass es offensichtlich nicht nötig ist, entsprechende Position auch durch akzeptierte wissenschaftliche Positionen abzusichern.
 
...und so zu tun, als wäre Sprache als "kulturelles Phänomen" ausgeblendet. Kommunikation, also auch Sprache, da es zusätzlich noch non-verbale Kommunikation gibt, ist in allen Ansätzen zentral. ... In diesem Sinne ist Sprache und die darin enthaltenen Symbole das Produkt einer "Kultur".
Also doch! Warum hast du es dann zuerst bestritten?
 
Das klingt vielleicht deterministisch oder mechanistisch, aber gerade dies ist keineswegs intendiert oder gemeint. Kann es gar nicht, denn Evolution in jedem Sinne, ua dem biologisch-genetischen, ist eben nicht deterministisch, kennt kein gesetztes Ziel, sondern entwickelt sich "blind" durch Adaption (bzw biologisch Mutation) und Selektion, als endloser Prozess von verschiedensten Wechselwirkungen.

Mmh, allgemein eingeführte Begriffe wie Evolution und Entwicklung kann man diskutieren, z.B. in welchen Zusammenhängen der eine oder andere passender ist.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, Reinecke, meinst du, man könnte deshalb den Begriff Evolution für menschliche Kultur verwenden, weil diese aus vielfältigsten Ausdrücken besteht, die sich ständig verändern.
Das könnte man, wenn diese vielfältigen Kulturausdrücke zufällig entständen. Tun sie das aber?
Mir kommt es vor, als seien dies nur scheinbare Zufälle, denn wir hatten und haben noch immer die großen Zielsetzer Religion, Gesetze, Moral, politische Ideen. Diese wirken sich auf die vielfältigen Kulturausdrücke aus, in der Summe entsteht so etwas wie Zeitgeist. Der sich natürlich laufend verändert aber nicht zufällig evolutionär sondern von menschlichen Gedanken gesteuert. Und da paßt für mich Entwicklung besser.
 
Eben dies kann man als "evolutionären Prozess" auffassen, im nicht-biologischen Sinne. Die Wechselwirkung aus gegebener "Struktur", die die einzelnen "Agenten" mittels sozialen, kulturellen etc Gegebenheiten prägen, und den "Agenten", die diese Gegebenheiten wiederum adaptieren und verändern, führt zu Prozessen, die eine Auslese darstellen; nicht eine biologische Auslese der Individuen oder ihrer Gene (!), sondern der sozialen und kulturellen Impulse, Mechanismen, Vorstellungen und Insitutionen.

Kann man, muss man aber nicht. Mir ist bei der Darstellung nicht ersichtlich, ob das nun der Versuch ist, Deine Alltagsvorstellung im Rahmen einer neuen "Theorie" zu systematisieren, oder ob Du Dich auf bereits vorhandene Theorien stützt.

Was ich damit sagen möchte ist, sicherlich kann man im Rahmen des Alltagsverständnis von Evolution, gesellschaftliche Veränderung auch als Evolution bezeichnen. Umgangssprachlich kein Problem.

Das Problem ist, das man dann jedoch eine Ambivalenz in der Begriffbildung hat, da der Begriff "Evolution" als wissenschaftliches Konstrukt im Bereich der Biologie eindeutig präformiert ist. Dekumatland wies darauf freundlicherweise hin.

In diesem Sinne kann ich den Begriff "Akkumulation" auch "Anhäufung" nennen. Laufe allerdings Gefahr mich in den Augen von BWLern bei einem derartigen Versuch lächerlich zu machen.

Somit ist der Nachteil einer veränderten Begriffsbildung z.B. in Richtung "Evolution" dabei, dass man sich aus der akzeptierten und klar zuordbaren Begrifflichkeit bzw. Theoriebildung von der bisherigen Soziologie verabschiedet.

Und da die Soziologie (in Verbindung mit der Sozialpsychologie und Psychologie) den bei weitem größten Anteil zur Erklärung von sozialem Wandel und Kultur hat, sehe ich absolut keinen Grund, diese eingeführte Terminologie auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und mich einer Terminologie zu bedienen, die aus der Biologie ausgeliehen ist und dort sinnvoll zur Beschreibung ihres Gegenstands beiträgt.

Aber nicht annähernd adäquat ist, die bereits vorhandene komplexe Diskussion über gesellschaftlichen Wandel, auch im ökonomischen, technischen, sozialen oder künstlerischen Umfeld zu ersetzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also doch! Warum hast du es dann zuerst bestritten?

Habe ich nicht, bestenfalls habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Wenn Du Dich allerdings ein wenig bei G.H. Meade, im TSI oder bei Berger & Luckman auskennen würdest, dann hättest Du wissen können, welchen hohen Stellenwert Sprache in diesen Theorien hat.

Besonders deutlich wird das bei dem bereits formulierten Hinweis auf Geertz, der sich mit seiner "Thick-Theory" explizit an die Arbeiten von U. Eco anlehnt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Umberto_Eco

Offensichtlich hast Du ebenfalls den Hinweis auf den hohen Stellenwert der Semiotik in diesem Zusammenhang auch "übersehen".
 
Zuletzt bearbeitet:
Und das allein hat dir genügt, um explizit zu widersprechen und zu behaupten, Sprache sei kein kulturelles Phänomen.

Ich hatte Dir bereits widersprochen mit Hinweis auf die Theoretiker, die Du jetzt auch zitierst.

Bereits in Beitrag #39 schrieb ich:

In diesem Sinne ist der individuelle Akteur auf der einen Seite der Produzent von "Kultur", und auch von Sprache, Symbolen etc., und auf der anderen Seite der Empfänger von "Kultur".

Und da du offenbar auf Namedropping und Zitate stehst, zitiere ich aus der Einleitung eines Sammelbandes zu einer Sektion mit Beiträgen von von Mills, Berger/Luckmann, Strauss, Goffman und Kellner:

“The readings of this section have been chosen for their relevance to the sociological study of language. Common to all of them ist the view of language as a major cultural phenomenon”<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>

Schön, dass Du es jetzt auch verstanden hast. Es genau dieser "cultural turn", der damit gemeint ist, aber das schrieb ich bereits. Und genau das versuche ich seit den Beiträgen zum Verhältnis von Agent und Struktur, in Anlehnung an Archer zu erklären. Hätte allerdings vorausgesetzt, dass Du Dir die Mühe gemacht hättest, es anzusehen und auch verstehen zu wollen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eben dies kann man als "evolutionären Prozess" auffassen, im nicht-biologischen Sinne. (...)
Das klingt vielleicht deterministisch oder mechanistisch, aber gerade dies ist keineswegs intendiert oder gemeint. Kann es gar nicht, denn Evolution in jedem Sinne, ua dem biologisch-genetischen, ist eben nicht deterministisch, kennt kein gesetztes Ziel, sondern entwickelt sich "blind" durch Adaption (bzw biologisch Mutation) und Selektion, als endloser Prozess von verschiedensten Wechselwirkungen.
über die vermeintliche "Blindheit" kultureller (und meinetwegen auch zivilisatorischer) historischer Prozesse würde ich gerne mehr erfahren :grübel::winke:

und ich wüsste auch gern, welchen Sinn "Evolution im nicht-biologischen Sinn" speziell hat, wenn man bedenkt, dass der Begriff "Evolution" im allgemeinen Sprachgebrauch doch sehr biologisch-naturgeschichtlich okkupiert ist ;)

rena8 hat das schön formuliert:
rena8 schrieb:
Das könnte man, wenn diese vielfältigen Kulturausdrücke zufällig entständen. Tun sie das aber?
Mir kommt es vor, als seien dies nur scheinbare Zufälle, denn wir hatten und haben noch immer die großen Zielsetzer Religion, Gesetze, Moral, politische Ideen. Diese wirken sich auf die vielfältigen Kulturausdrücke aus, in der Summe entsteht so etwas wie Zeitgeist. Der sich natürlich laufend verändert aber nicht zufällig evolutionär sondern von menschlichen Gedanken gesteuert. Und da paßt für mich Entwicklung besser.
:yes::yes:
 
Ich hatte Dir bereits widersprochen mit Hinweis auf die Theoretiker, die Du jetzt auch zitierst.

Bereits in Beitrag #39 schrieb ich:





Schön, dass Du es jetzt auch verstanden hast. Es genau dieser "cultural turn", der damit gemeint ist, aber das schrieb ich bereits. Und genau das versuche ich seit den Beiträgen zum Verhältnis von Agent und Struktur, in Anlehnung an Archer zu erklären. Hätte allerdings vorausgesetzt, dass Du Dir die Mühe gemacht hättest, es anzusehen und auch verstehen zu wollen.

Fazit: Sprache IST ein kulturelles Phänomen.
Und da Sprache auch aus evolutionistischer Perspektive erforscht wird, haben wir mit der Sprache ein Beispiel dafür, dass Evolution auf kultureller Ebene thematisiert wird.
 
Fazit: Sprache IST ein kulturelles Phänomen.
ist das soo einfach?
also mit einem "auch" nach dem groß geschriebenen "IST" könnte ich einverstanden sein ("Sprache ist auch ein kulturelles Phänomen"), denn dann kann man neben diesen Satz auch Sprache ist eine von verschiedenen Formen (intersubjektiver) Kommunikation stellen -- und ja, dann wäre das natürlich auch kein Fazit mehr :grübel::yes:

aber mal anders betrachtet: ist das denn ein Argument?
Fazit: Sprache IST ein kulturelles Phänomen.
Und da Sprache auch aus evolutionistischer Perspektive erforscht wird, haben wir mit der Sprache ein Beispiel dafür, dass Evolution auf kultureller Ebene thematisiert wird.
was passiert, wenn ich eine Ersetzungsprobe mache?
Fazit: Malerei IST ein kulturelles Phänomen.
Und da Malerei nicht aus evolutionistischer Perspektive erforscht wird :D, haben wir mit der Malerei ein Beispiel dafür, dass Evolution auf kultureller Ebene nicht thematisiert wird.
 
Bitte nichts löschen; es ist eine interessante Diskussion, die hier sowohl im alltagsprachlichen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch geführt wird; bei so wichtigen, wie auch schwierigen Begriffen wie Kultur und Evolution, kann es zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten kommen, die sich jeweils durchaus logisch widersprechen können, weil Hintergrundannahmen begriffsgeschichtlich nicht geklärt sind. - Ich weiß nicht recht, ob Thanepower das mit seinem Hinweis auf Spencer andeutete. Die Dichotomien, um die es hier geht, wurden ggf. noch nicht eindeutig geklärt. Ist dem Kulturbegriff hier zum Beispiel nicht zunächst deutlicher ein Naturbegriff gegenüberzustellen, auf den kulturalistische und biologistische Theorieansätze zu beziehen sind? Sprache als Phänomen verläuft dann quer zu diesen Perspektiven, weil es sowohl als angeborene Fähigkeit - d. h. evolutionär entstanden betrachtet und beispielsweise als eine Grundlage von Kommunikation gesetzt werden kann - von hier aus besehen ist dann das Interesse der evolutionären Linguistik verständlich, wenn auch nur begrenzt erfolgreich, weil andererseits Sprache letztendlich nur interaktionell zu verstehen ist; freilich könnte man argumentieren, daß auch "Interaktion" oder auch schon "Kommunikation" (qua Stichwort: non-verbale Kommunikation) biologisch erklärbar sein kann, aber eine solche Erklärungsebene bleibt letztendlich nur ein Aspekt, weil Menschen in hohem Maße soziale Wesen sind, deren Verhalten und Artikulationen sich eben nicht auf Anpassung oder Prägungen reduzieren lassen; es geht mir nicht darum, solche Argumente grundsätzlich abzuweisen - sie haben in unserer heutigen Gesellschaft (in wissenschaftlicher Hinsicht) einen hohen Erklärungswert; aber können sie menschliche Handlungen vollständig erklären? Die moderne Neurowissenschaft versucht das freilich, indem sie als Faktor die Emotionen für Entscheidungsprozesse miteinbezieht, bleibt aber vom Erklärungswert für soziale Prozesse unbefriedigend, weil Emotionen eben als semantische Phänomene an sprachliche Interaktionen gebunden sind, die soziokulturell vermittelt und institutionell stabilisiert werden (aber auch destabilisert werden können); und hier ist wissenschaftlichen Ansätzen Geltung zu verschaffen, und so verstehe ich Thanepower vor allem, die einen sozialgeschichtlichen Aspekt favorisieren bzw. Zivilisationsprozesse zu beschreiben versuchen; hiergegen läßt sich zwar argumentieren, daß Deskription noch lange keinen Erklärungswert haben kann - aber was wäre damit gewonnen? Ein Phänomen muß erst einmal adäquat beschrieben sein, um eine Erklärung zuzulassen bzw. intelligibel zu machen, daran scheiterten die Naturwissenschaften aber bisher hinsichtlich der sozialen Funktion oder Bedeutungsdimension von Sprache ja selbst!
 
Fazit: Sprache IST ein kulturelles Phänomen.
Und da Sprache auch aus evolutionistischer Perspektive erforscht wird, haben wir mit der Sprache ein Beispiel dafür, dass Evolution auf kultureller Ebene thematisiert wird.

Wäre es nicht präziser davon zu spechen, daß Sprache im Diskursfeld biologischer Forschungsbereiche liegt anscheinend auch evolutionistischer Ansätze? Aber Sprache liegt ebenfalls im Bereich der Politik (Bsp. political correctness), die man historisch zunächst verorten muß etwa über den Begriff der Sprachnormierung, deren Modalitäten einem sozialen Wandel unterliegen; da sich gesellschaftliche Veränderungen aber nicht hinreichend evolutionär erklären lassen, ist es aus geschichtswissenschaftlicher Sicht geradezu eine Anmaßung der biologischen Evolutionstheorie, sich mit einem eingeschränkten Blick auf Phänomenfeld der Gesellschafttheorien zu begeben.
 
da sich gesellschaftliche Veränderungen aber nicht hinreichend evolutionär erklären lassen, ist es aus geschichtswissenschaftlicher Sicht geradezu eine Anmaßung der biologischen Evolutionstheorie, sich mit einem eingeschränkten Blick auf Phänomenfeld der Gesellschafttheorien zu begeben.
sehr richtig - wobei ich da die Anmaßung weniger bei der Theorie, als bei den entsprechenden Theoretikern sehe ;) (das kommt womöglich daher, dass Biologie und Evolutionsbiologie als Naturwissenschaften gerne als überaus exakt angesehen werden und auch so gesehen werden möchten...)
 
Wäre es nicht präziser davon zu spechen, daß Sprache im Diskursfeld biologischer Forschungsbereiche liegt anscheinend auch evolutionistischer Ansätze? Aber Sprache liegt ebenfalls im Bereich der Politik ..., die man historisch zunächst verorten muß ...

Du bringst doch hier das Kernproblem, auf das auch thane abstellte: welcher Aspekt, welche Funktion, welche Ebene der Sprache ist dabei überhaupt angesprochen?

Soziologische Aspekte sind da uU eben anders zu sehen, als funktionale der reinen Informationsvermittlung.
 
Du bringst doch hier das Kernproblem, auf das auch thane abstellte: welcher Aspekt, welche Funktion, welche Ebene der Sprache ist dabei überhaupt angesprochen?

Soziologische Aspekte sind da uU eben anders zu sehen, als funktionale der reinen Informationsvermittlung.

Wenn du meine persönliche Einschätzung erfragst, würde ich widersprechen wollen: Rein theoretisch ließen sich verbale Interaktionen beispielsweise m. E. formal verschiedene Funktionen kategorisieren; eine vollständige soziologische Erklärung wäre so freilich nicht möglich; da hast du mich richtig verstanden; nichts desto weniger arbeitet die Soziologie aber auch nur mit gewissen Modellen, die in der Regel nie den gesamten soziohistorischen Kontext miteinbeziehen können; solange das nicht ihr Anspruch ist, kulturelle Phänomene vollständig zu erklären, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Es ist schwierig ad-hoc zu fomulieren, worauf ich hinaus will, fällt mir die Zivilationstheorie von Elias ein, die in gewisser Weise ja genau diesen Anspruch in gewisser Weise (und meiner Ansicht nach zurecht) anmelden könnte; so würde ich etwa argumentieren, daß er hinsichtlich der Erklärungsebenen (z. B. hinsichtlich sozialisierbarem Affektleben, ökonomische Entscheidungen, machtpolitische Konzentration), durchaus unterschied, auch wenn ich jetzt nicht weiß, wie er diese genau benannte oder ob ich ihm das vielleicht auch nur unterstelle. Jedenfalls läßt sich ein sozialer Wandel nicht monokausal - und da ist es eigentlich egal welcher welcher wissenschaftlichen Provinienz - erklären.
 
Kann man, muss man aber nicht. Mir ist bei der Darstellung nicht ersichtlich, ob das nun der Versuch ist, Deine Alltagsvorstellung im Rahmen einer neuen "Theorie" zu systematisieren, oder ob Du Dich auf bereits vorhandene Theorien stützt.

Eine "wissenschaftliche Theorie" ist das nicht und soll es auch nicht werden; so ehrgeizig bin ich gar nicht. ;)

Und natürlich muss man das nicht so sehen, oder sich gar mit biologischer Evolution beschäftigen, um Geschichte zu verstehen, oder irgendwelche anderen hochtrabenden Ansprüche.

Vielleicht hätte ich es von vorne herein anders formulieren sollen: Wenn man sich etwas eingehender mit der Evolutionsbiologie und dem Ablauf der Geschichte beschäftigt, fallen einem Parallelen auf; bzw ging es mir so. Das finde ich interessant, manchmal auch hilfreich. Wer sich nur mit einem von beiden Gebieten beschäftigt, merkt das evtl nicht, oder versteht es nicht, was ja auch kein Problem ist, denn notwendig ist es vermutlich nicht.

Anmerkung: Die "Alltagsvorstellungen", die über die Evolutionstheorie im Umlauf sind, sind zu großen Teilen miserabel, stark vereinfacht, verdreht oder völlig falsch. Unter dem Gesichtspunkt kann ich das Misstrauen noch am ehsten verstehen, denn auf das "Überleben des Stärksten" will ich ganz sicher nicht hinaus... :winke:

über die vermeintliche "Blindheit" kultureller (und meinetwegen auch zivilisatorischer) historischer Prozesse würde ich gerne mehr erfahren

Mir kommt es vor, als seien dies nur scheinbare Zufälle, denn wir hatten und haben noch immer die großen Zielsetzer Religion, Gesetze, Moral, politische Ideen. Diese wirken sich auf die vielfältigen Kulturausdrücke aus, in der Summe entsteht so etwas wie Zeitgeist. Der sich natürlich laufend verändert aber nicht zufällig evolutionär sondern von menschlichen Gedanken gesteuert. Und da paßt für mich Entwicklung besser.

Gerade dieser "Zeitgeist" (ich mag denn Begriff nicht, muss an Hegel liegen oder so... ;) ) ist doch nicht von Menschen gesteuert, geplant oder konstruiert. Er ergibt sich, indem unterschiedliche Menschen Unterschiedliches planen und tuen und lassen, in den auftretenden, ungeplanten und ungesteuerten Wechselwirkungen.

Nehmen wir mal den "Gesellschaftsvertrag" von Rousseau. Das ist doch eine idealisierte, aber genau genommen unrealistische Betrachtungsweise. Eine Gesellschaft setzt sich nicht zusammen und schließt mit mehr oder minder viel Sachverstand einen Vertrag. Sondern dieser "Gesellschaftsvertag" kommt zustande, indem viele Menschen versuchen, dass durchzusetzen, was sie für richtig halten... oder was ihnen die meisten Vorteile bringt. Selbst im idealtypischen Falle einer Verfassungsgebenden Versammlung (die dem Bild Rousseaus vielleicht am nächsten kommt) wird nicht "die Zukunft gesteuert" oder "die Gesellschaft geplant", sondern verschiedene Gruppen versuchen, ihre Vorstellungen oder Interessen durchzusetzen, und die neue Verfassung ergibt sich daraus, (meist) aus Adaptionen, Veränderungen oder Rekombination früher Verfassungen bzw Verfassungsartikel.

Ja, das Wirken einzelner Menschen ist planvoll (machmal... eventuell...). Aber nicht die sich aus dem Wirken vieler Menschen ergebenden Prozesse oder Mechanismen. Das, was Jesus getan und gesagt hat bzw was in der Bibel festgehalten wurde beeinflusste die späteren christlichen Gesellschaften enorm. Aber das haben weder Jesus noch die Evangelisten geplant oder vorhergesehen. Sondern es ergab sich, durch die Zufälle der geschichte.

Als die Kirche im Mittelalter dann mit diesen Texten leben musste, weil sie nicht einfach eine neue, besser geplante Bibel schreiben konnten, diskutierte sie lang und breit darüber, ob Jesus einen Geldbeutel hatte, weil ihnen die "religiöse Evolution" nur diesen Weg ließ, bzw zu dieser Situation geführt hatte. Die Ergebnisse dieser auf den ersten Blick absurden Debatte, die nur durch die historischen Kontext verständlich wurde, beeinflusste später "die Geschichte", sei es die der Möche, der Kirche oder Europas. Wer hat jetzt das Steuer so geführt, dass die Diskussion über die Börse eines lange toten (oder zum Himmel gefahrenen) Menschen irgend eine kulturelle, soziale oder politische Relevant hatte? Niemand, es ergab sich halt.

Je radikaler das mit der "Kultur- und Gesellschaftsplanung" versucht wurde, desto schiefer ging das Ganze, bspw ab 1917 im großen Experiment "Wir bauen eine völlig neue Gesellschaft" in der SU. ;)
 
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