. Dennoch sind Strafen aber wieder eine ganz andere Kategorie als unnötiges Abschlachten einer Stadtbevölkerung. Wenn ich als Feldherr einen Eroberungskrieg führe, also der Aggressor bin, und eine Stadt - nennen wir sie Tyros - weigert sich, mir die Tore zu öffnen und ich erobere die Stadt dann und zerstöre sie, dann verhalte ich mich so, als wäre nicht ich der Aggressor gewesen, sondern die Tyrener (nicht zu verwechseln mit den Tyrrhenern). Die Stadt hat sich im Prinzip so verhalten, wie sie sich verhalten musste.
Ich schrieb allerdings oben auch, dass es natürlich in der Logik des kriegführenden lag, gegenüber unbotmäßigen Städten keine Gnade zu zeigen, um eben alle anderen Einzuschüchtern und so auch den eigenen Soldaten unnötige kräftezehrende (im individuellen wie im größeren Sinne) Kämpfe zu ersparen.
(bitte versteh mich nicht falsch und wirf mir nicht erneut willkürliches missverstehen vor)
Das konstruieren eines rationalen Grundes (Logik des Kriegführenden innerhalb des Kontexts seiner Zeit und Umstände) für das abhalten eines Massakers: geht das nicht ein wenig in Richtung relativieren, wobei allerdings du selber ja (zurecht) nicht viel von solchem relativieren hältst? Und sind alle Massaker gleich, oder unterschieden sie sich im Grad der bestialischen Ausschreitungen? Und wie gestaltete sich so etwas zu verschiedenen Zeiten?
Natürlich sind wir uns darin einig, dass die Wertmaßstäbe sich ändern. Nichtsdestowenigertrotz gab es damals schon die goldene Regel und wir dürfen, glaube ich, positiv unterstellen, dass die Mehrheit der Menschen früher an ihrem Leben hing und am liebsten ein angst- und gewaltfreies Leben führte. Daher ist es auch legitim, es zu bewerten, wenn andere Menschen dieses angst- und gewaltfreie Leben nicht zuließen. Und dabei geht es nicht um Strafe etc.
(die Art und Weise der Strafe sowie ihre zeitgebundene Bewertung und Wahrnehmung war nur ein Exempel dafür, wie unterschiedlich eben zu verschiedenen Zeiten Wahrnehmungen und Bewertungen waren - mir liegt fern, poenale und politisch-militärische Maßnahmen in einen Topf zu werfen; wenn das Exempel falsch gewählt war, können wir ja irgendeinen Panegyrikus über das Barbarenschlachten den taciteischen Schriften über den römischen Frieden in Britannien gegenüberstellen: da haben wir zweierlei Perspektiven)
Dennoch verbleibt die Frage: wa war die goldene Regel und insbesondere ihre Anwendung in den Jahreszeiten, die sich in der Antike zum kriegführen eigneten? Wo war sie bei der Entscheidung, an dieser oder jener unbotmäßige Stadt ein drastisches Exempel zu statuieren?
Aber ehe wir uns darüber Wortgefechte liefern, noch eine andere Überlegung: ganz gerne werden heutzutage allerlei historische Warlords wie AdGr, Caesar, Theoderich, Chlodwig so
interpretiert, als hätten sie sllesamt den Macchiavelli gelesen und danach gestrebt, diesen zu übertreffen... Unsere heutige Darstellung dieser historischern Figuren als
rigorose, skrupellose Machtpolitiker ohne jedes Gewissen*) (ja, bissel überzeichnet) ist vielleicht auch revisionsbedürftig?
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*) als Exempel die Literatur über Chlodwigs Taufe, die heuer gerne so dargestellt wird, als habe der Frankenkönig das nur aus Machtkalkül betrieben und sich ansonsten einen Dreck um christlich-inhaltliches geschert
so dargestellt, macht das den Chlodwig nicht eben sympathisch - zeigt aber, dass solche wie der Chlodwig (und es gab davor und danach viele von diesen, "sie machten Geschichte") womöglich goldene Regeln und christliche Feindesliebe für völlig irrelevant hielten.
Das wiederum deckt sich erstaunlicherweise mit der Darstellung der
agonalen Mentalität, wie sie Scheibelreiter speziell für die Merowingerzeit dargestellt hat.
Entscheiden kann ich nicht, wie realistisch oder wahr das ist, aber deutlich wird, dass unsere heutigen Ansichten zu Grausamkeiten etc. eben doch recht verschieden sind von früheren Zeiten. Insofern glaube ich nicht, dass nach einem Massaker ein AdGr oder Chlodwig irgendwelche Gewissenbisse hatte... und die siegreichen seiner Zeitgenossen ebenfalls nicht
(lesenswert das Kapitel über den Krieg in Scheibelreiters "barbarischer Gesellschaft")